"Es ist besser ein unzufriedener Mensch zu sein, als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr." Diesen Vergleich nutzt John Stuart MILL in seiner Abhandlung zum Utilitarismus, um der Frage nachzugehen, wer von beiden (Mensch oder Schwein?) der Glücklichere genannt werden könnte. Wir stoßen auch hier auf die immer wiederkehrende Frage: "Was macht wirklich glücklich?"
Zwei philosophische Klassiker der Antike, PLATON und ARISTOTELES, wären sich in diesem Punkte sicherlich einig: Die Gerechtigkeit. Nehmen wir nun nochmals die obige Ausgangsthese, dass es besser sei, ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr, und bedenken, dass das, was wir mit Sokrates in Verbindung bringen, fast ausschließlich aus den Darstellungen in den Dialogen von PLATON stammt und er diesen nahezu als Verkörperung der Gerechtigkeit erscheinen lässt, könnten wir MILL’s These sicherlich ein wenig umformulieren und behaupten: Es ist besser ein unzufriedener Gerechter als ein zufriedener Ungerechter zu sein. Führt also die Ungerechtigkeit zu Zufriedenheit und Glück, die Gerechtigkeit aber zu Unzufriedenheit?
Selbst wenn diese These falsch ist und somit eben doch die Gerechtigkeit als ein Weg zum guten Leben angesehen werden könnte, wäre sie dann nicht lediglich nur Mittel zum Zweck? Wäre dann die Gerechtigkeit nicht ein Gut, das auf egoistischen Prinzipien, nämlich der Maximierung des eigenen Glücks oder Wohlbefindens, beruht? Und wäre dann nicht die Gerechtigkeit etwas, das sich nicht am Wohlergehen und an dem Interesse des Anderen, sondern nur auf die eigene, individuelle Lust, wie das Leben eines Schweins, konzentriert? Für wen ist es also besser gerecht oder ungerecht zu sein?
Der vorliegende Essay wird die Antworten bei den beiden Philosophen PLATON und ARISTOTELES suchen und sich eben mit der Frage auseinandersetzen: Wessen Gut ist die Gerechtigkeit - wem nützt sie? Wir werden uns hierzu auf die Dialoge in PLATONs Politeia sowie auf die Nikomachische Ethik von ARISTOTELES konzentrieren und anhand einer Textanalyse den Gerechtigkeitsbegriff auf eben diese Frage hin untersuchen.
Zur einleitenden Frage nach der Gerechtigkeit...
„Es ist besser ein unzufriedener Mensch zu sein, als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr.“[1]
Diesen Vergleich nutzt John Stuart MILL in seiner Abhandlung zum Utilitarismus, um der Frage nachzugehen, wer von beiden (Mensch oder Schwein?) der Glücklichere genannt werden könnte. MILL möchte hiermit der geistigen Fähigkeit des Menschen einen deutlich höheren Stellenwert zuschreiben als der rein sinnlich-materiellen Befriedung eines Tieres. Ob denn das Glück des Menschen gegenüber dem Tier wirklich darin besteht, dass der Mensch eine qualitativ höherwertige Bedürfnisbefriedigung aus seinen intellektuellen Fähigkeiten gewinnen kann als das Schwein im alltäglichen Suhlen, Fressen und Ausruhen, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Bestehen bleibt aber der Kern der These, nämlich die Frage: „Was macht wirklich glücklich?“
Zwei philosophische Klassiker der Antike, PLATON und ARISTOTELES, wären sich in diesem Punkte sicherlich einig: Die Gerechtigkeit.[2]
Nehmen wir nun nochmals die obige Ausgangsthese, dass es besser sei, ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr, und bedenken, dass das, was wir mit Sokrates in Verbindung bringen, fast ausschließlich aus den Darstellungen in den Dialogen von PLATON stammt[3] und er diesen nahezu als Verkörperung der Gerechtigkeit erscheinen lässt (man denke hier vor allem an die Schilderungen zu seinem Tod: Der Schierlingsbecher), könnten wir MILL’s These sicherlich ein wenig umformulieren und behaupten: Es ist besser ein unzufriedener Gerechter als ein zufriedener Ungerechter zu sein.
Führt also die Ungerechtigkeit zu Zufriedenheit und Glück, die Gerechtigkeit aber zu Unzufriedenheit?
Selbst wenn diese These falsch ist und somit eben doch die Gerechtigkeit als ein Weg zum guten Leben angesehen werden könnte, wäre sie dann nicht lediglich nur Mittel zum Zweck? Wäre dann die Gerechtigkeit nicht ein Gut, das auf egoistischen Prinzipien – nämlich der Maximierung des eigenen Glücks oder Wohlbefindens – beruht? Und wäre dann nicht die Gerechtigkeit etwas, das sich nicht am Wohlergehen und an dem Interesse des Anderen, sondern nur auf die eigene, individuelle Lust - wie das Leben eines Schweins - konzentriert?
Damit sind wir bei der eigentlichen Frage im Zusammenhang mit der MILL’schen Unformulierung angelangt; nämlich nach dem „für wen?“: Für wen ist es besser gerecht oder ungerecht zu sein?
Der vorliegende Essay wird die Antworten bei den beiden Philosophen PLATON und ARISTOTELES suchen und sich eben mit der Frage auseinandersetzen: Wessen Gut ist die Gerechtigkeit - Wem nützt sie?
Wir werden uns hierzu auf die Dialoge in PLATONs Politeia sowie auf die Nikomachische Ethik[4] von ARISTOTELES konzentrieren und anhand einer Textanalyse den Gerechtigkeitsbegriff auf eben diese Frage hin untersuchen.
Cui bono? - Wessen Gut ist die Gerechtigkeit?
Auf die Frage, wem die Gerechtigkeit nützt, läßt PLATON in seinen Dialogen Thrasymachos den Standpunkt vertreten, „daß die Gerechtigkeit und das Gerechte eigentlich ein fremdes Gut ist, nämlich des Stärkeren und Herrschenden Nutzen, des Gehorchenden und Dienenden aber eigner Schaden;...“[5] Gerechtigkeit wäre nach Thrasymachos also ein Gut zum Nutzen der Herrschenden bzw. des Stärkeren, „das Ungerechte aber ist das jedem selbst Vorteilhafte und Zuträgliche.“[6]
Mir scheint der anfängliche Dialog zwischen Thraysmachos und Sokrates in PLATONS Politea deshalb an dieser Stelle von besonderer Bedeutung, da wir Thrasymachos Argumentation lediglich auf den Kopf zu stellen brauchen, um PLATONS Standpunkt in der Debatte, wessen Gut die Gerechtigkeit sei, zu verdeutlichen. So ist nach PLATON die Gerechtigkeit eben kein „fremdes Gut“, sondern vornehmlich eigener, individueller Nutzen. Sie ist „eine Sache, die so viel herrlicher ist als Geld“[7], da nichts „mehr Gewinn bringe als die Gerechtigkeit.“[8]. PLATON scheut selbst davor nicht zurück, den eigenen Vorteil des Gerechten gegenüber dem Ungerechten in Zahlen zu messen und stellt fest, dass der Gerechte 729 mal glücklicher sei als der Ungerechte.[9]
Dadurch also, dass PLATON die Gerechtigkeit als einen Schlüssel zur Glückseligkeit begreift[10], stellt sie sich für ihn eher als ein individuelles, eigenes Gut dar, welches der Person, die es besitzt, einen deutlichen Vorteil verschafft. Er unterteilt im weiteren Verlauf die Gerechtigkeit in ein Gut, dass zum Einen um seiner Selbst willen angestrebt wird und zum Anderen wegen der Folgen, die der entsprechenden Person daraus erwachsen. Denn er zählt die Gerechtigkeit „zu dem Schönsten, was sowohl um seiner selbst willen als auch wegen dessen, was daraus folgt, dem, der glückselig sein will, wünschenswert ist.“[11]
[...]
[1] Mill, John Stuart. Der Utilitarismus. Philipp Reclam. Stuttgart 2004. S. 18
[2] siehe Platon. Politeia. 354a: „Der Gerechte aber ist glückselig“
Aristoteles. Nikomachische Ethik [1129b 4-25]: Wir bezeichnen also in einer Hinsicht als gerecht ein Handeln, welches den Zweck hat, Glück ... hervorzubringen und zu erhalten.“
[3] „Biographische Informationen über Sokrates sind nur spärlich vor allem durch Platon und Xenophon überliefert. Er selbst hat nichts Schriftliches hinterlassen.“ Gefunden in: http://de.wikipedia.org/wiki/Sokrates
[4] hier vor allem das V. und X. Kapitel über die Abhandlungen zur Gerechtigkeit
[5] Platon. Politeia. Buch I. 343c/d. In: König, Burghard (Hrsg.). Platon. Sämtliche Werke. Band 2. Rowohlt Taschenbuchverlag. Hamburg 2004. S. 231. (Hervorhebungen von T.N.)
[6] ebenda. 344c / S. 232.
[7] ebenda. 336e / S. 222.
[8] ebenda. 345b / S. 233.
[9] ebenda. 587e / S. 500.
[10] siehe u.a. 579c ff / S.490-491; 354a / S. 244.
[11] ebenda. 358a / S. 246.
- Citation du texte
- Timo Nitz (Auteur), 2005, Wessen Gut ist die Gerechtigkeit? Über den Nutzen der Gerechtigkeit: Platon und Aristoteles im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41580
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