Während des Proseminars „Approche interculturelle de la France contemporaine par le biais de textes de presse et de textes littéraires“ im Sommersemester 2001 haben wir uns mit den Unterschieden zwischen Frankreich und Deutschland unter anderem in Bezug auf das Unterrichtssystem, die Rolle der Frau und die Immigration beschäftigt.
In der folgenden Arbeit möchte ich zuerst einen Grobüberblick über das Thema Einwanderung in Frankreich und Deutschland geben und dabei besonders auf Maghrebiner und Türken eingehen. Dieses werde ich als Ausgangspunkt nehmen um mich anhand der Beispiele „Née en France“ von Aïcha Benaïssa und „Schwarzer Tee mit 3 Stück Zucker“ von Renan Demirkan näher mit dem Thema Immigrantenliteratur in Frankreich und Deutschland zu beschäftigen.
Da beide Bücher Frauen geschrieben haben, die in einem Land geboren wurden, das nicht die Heimat ihrer Vorfahren ist, denke ich, dass ich diese beiden Bücher abschließend recht gut vergleichen kann. Die beiden Frauen sind zwar in verschiedenen Ländern und auch in verschiedenen gesellschaftlichen Situationen aufgewachsen und haben zum Teil sehr unterschiedliche Erlebnisse mit Familie und Gesellschaft gehabt, man findet aber auch viele Parallelen in ihren Geschichten, wie zum Beispiel die Problematik der Identitätssuche und die Probleme im Alltag und mit der Familie, bzw. deren Traditionen und die Erfahrungen, die sie, beziehungsweise ihre Protagonistinnen, in ihrem jeweiligen muslimischen Herkunftsland gemacht haben.
Ich habe dieses Thema gewählt, weil ich Bücher schon immer faszinierend fand und ich glaube auch, dass ein Buch, das sozusagen von Betroffenen geschrieben wurde, sehr viel mehr über die wirklichen Probleme aussagen kann, als zum Beispiel Presseberichte oder Statistiken, die ja meistens von Deutschen verfasst werden.
Inhalt
1) Einleitung
2) Hauptteil
2.1. Immigration und Immigrantenliteratur
2.1.1. Immigration nach Frankreich
2.1.4. Türkische Literatur in Deutschland
2.2.1. Aïcha Benaïssa und die Entstehung des Buches
2.2.2. Inhalt und Aufbau „Née en France“
2.2.3. angesprochene Themen
2.3. Türkische Literatur in Deutschland am Beispiel „Schwarzer Tee mit drei Stück Zucker“ von Renan Demirkan
2.3.1. Renan Demirkan
2.3.2. Inhalt und Aufbau „Schwarzer Tee mit drei Stück Zucker“
2.3.3. angesprochene Themen
3. Schluss und Vergleich der beiden Bücher
Bibliographie
1) Einleitung
Während des Proseminars „Approche interculturelle de la France contemporaine par le biais de textes de presse et de textes littéraires“ im Sommersemester 2001 haben wir uns mit den Unterschieden zwischen Frankreich und Deutschland unter anderem in Bezug auf das Unterrichtssystem, die Rolle der Frau und die Immigration beschäftigt.
In der folgenden Arbeit möchte ich zuerst einen Grobüberblick über das Thema Einwanderung in Frankreich und Deutschland geben und dabei besonders auf Maghrebiner und Türken eingehen. Dieses werde ich als Ausgangspunkt nehmen um mich anhand der Beispiele „Née en France“ von Aïcha Benaïssa und „Schwarzer Tee mit 3 Stück Zucker“ von Renan Demirkan näher mit dem Thema Immigrantenliteratur in Frankreich und Deutschland zu beschäftigen.
Da beide Bücher Frauen geschrieben haben, die in einem Land geboren wurden, das nicht die Heimat ihrer Vorfahren ist, denke ich, dass ich diese beiden Bücher abschließend recht gut vergleichen kann. Die beiden Frauen sind zwar in verschiedenen Ländern und auch in verschiedenen gesellschaftlichen Situationen aufgewachsen und haben zum Teil sehr unterschiedliche Erlebnisse mit Familie und Gesellschaft gehabt, man findet aber auch viele Parallelen in ihren Geschichten, wie zum Beispiel die Problematik der Identitätssuche und die Probleme im Alltag und mit der Familie, bzw. deren Traditionen und die Erfahrungen, die sie, beziehungsweise ihre Protagonistinnen, in ihrem jeweiligen muslimischen Herkunftsland gemacht haben.
Ich habe dieses Thema gewählt, weil ich Bücher schon immer faszinierend fand und ich glaube auch, dass ein Buch, das sozusagen von Betroffenen geschrieben wurde, sehr viel mehr über die wirklichen Probleme aussagen kann, als zum Beispiel Presseberichte oder Statistiken, die ja meistens von Deutschen verfasst werden.
2) Hauptteil
2.1. Immigration und Immigrantenliteratur
2.1.1. Immigration nach Frankreich
Um die Geschichte der Immigration nach Frankreich zu verstehen, muß man bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Damals herrschte in Frankreich, wo sich langsam die 2-Kind-Familie etablierte, ein demographisches Ungleichgewicht gegenüber Deutschland, wo die Bevölkerungszahlen anstiegen.[1] Aufgrund der stagnierenden Geburtenrate und einer Überalterungstendenz der Bevölkerung konnte der Bedarf an Arbeitskräften nicht mehr gedeckt werden, weshalb man ausländische Arbeiter, vor allem aus Deutschland, Belgien, der Schweiz, Italien und Spanien beschäftigte. Aber auch Saisonarbeiter für die Landwirtschaft wurden dringend benötigt, da viele Arbeitskräfte in Industriebetriebe abwanderten.
Während des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 und der beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert kamen viele Afrikaner aus den Kolonien, vor allem aus den Ländern des Maghreb, um die französischen Arbeiter zu ersetzen, die eingezogen worden waren. Während des 1. Weltkrieges lebten beispielsweise 132 000 Maghrebiner in Frankreich. Auch nach 1918 fehlten wieder viele Arbeitskräfte, so dass der Ausländeranteil wiederum anstieg. Lag dieser vor dem 1. Weltkrieg nur bei etwa 3 % der Gesamtbevölkerung, stieg er bis zum Jahr 1931 auf 6,6 % an, was etwa dem Wert der 80er und 90er Jahre entspricht.
Ähnliches geschah nach dem 2. Weltkrieg, als der hohe Anteil an Kriegsgefallenen, der geringe Geburtenüberschuss zwischen den Kriegen und der Wiederaufbau die Anwerbung von Arbeitskräften aus anderen Ländern nötig machten.
Ihren Höhepunkt fand die Einwanderung in den 60er Jahren, was 1974 zu einem Einwanderungsstop führte, und nur noch der Familiennachzug erlaubt war.
In den 90er Jahren lag der Ausländeranteil bei 6,4 %, wobei Algerier und Marokkaner die größte Gruppe bilden, heute sind die Zahlen etwa die selben.[2]
Diese nur geringe Veränderung läßt sich damit erklären, dass sich „die große Mehrheit der in Frankreich geborenen Kinder ausländischer Herkunft einbürgern [läßt], die Zahlen sind 1995 sogar noch gestiegen.“[3]
Was die Ausländerfeindlichkeit in Frankreich angeht, findet man in Frankreich praktisch seit dem 19. Jahrhundert xenophobe Reaktionen.
Rassismus manifestiert sich nicht nur bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, sondern vor allem im Alltag beim direkten Kontakt der ausländischen mit der französischen Bevölkerung.[4]
Außer mit Ausgrenzung und Gewalt sehen sich Ausländer und ihre Kinder damit konfrontiert, dass sie in Vorstädten, den sogenannten bidonvilles, von der übrigen Bevölkerung ausgeschlossen werden. Hohe Arbeitslosigkeit und Schulversagen führen zu Perspektivlosigkeit, Frustration und letztendlich oft zu Kriminalität und Drogenmissbrauch, was Vorurteile und Ablehnung seitens der Franzosen schürt.
Die meisten Ausländer in Frankreich kommen aus dem Maghreb, also aus Marokko, Algerien oder Tunesien. Diese Länder waren im letzten Jahrhundert französische Kolonien und wurden erst nach 1950 unabhängig. Das erklärt die immer noch recht starke Bindung an Frankreich, die sicher auch darin begründet liegt, dass Französisch in den Ländern des Maghreb heute zweite Amtssprache ist.
Die 2. Generation der nordafrikanischen Einwanderer wird allgemein Beurs genannt, um ihre arabische Herkunft deutlich zu machen, obwohl sie sich meistens den Franzosen näher fühlen als den Arabern. Diese Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen und auch zwei Religionen, die meisten Maghrebiner sind Moslems, bringt auch in den Familien Probleme mit sich, da die Kinder und vor allem die Töchter sich an dem emanzipierten Denken und den westlichen Moralvorstellungen orientieren, was die Familienehre und religiöse und kulturelle Traditionen in Gefahr bringt.[5]
2.1.2. Maghrebinische Literatur in Frankreich
Die Migrantenliteratur in Frankreich gibt es schon recht lange. Die meisten Autoren haben in ihrer Heimat ein Studium abgeschlossen und gehören zur geistigen Elite, ihre Literatur ist oft biographisch, das heißt, sie beschreiben das Leben in ihrer Heimat, die Auswanderung und das neue Leben in Frankreich. Die meisten Autoren der 1. Generation sind Männer, wie Ben Jalloun, es gibt nur sehr wenige weibliche Autoren, wie zum Beispiel Assja Djebar.
Die Literatur derer, die als Kinder maghrebinischer Einwanderer in Frankreich geboren wurden, wird im Allgemeinen „Beurs-Literatur“ genannt. Diese Autoren wuchsen meist im Gastarbeitermilieu auf, schafften einen höheren Bildungsabschluss, der ihnen ein Studium ermöglichte, und arbeiten heute oft in gehobenen Berufen, beispielsweise als Juristen oder Ärzte. Allerdings sind hier, anders als in der Generation ihrer Eltern, fast 50% der Schriftsteller Frauen.
Typische Themen der oft autobiographischen Beurs-Literatur sind zum einen negative Aspekte, wie soziale Ausgrenzung und Diskriminierung, der Konflikt zwischen Eltern und Kindern, Flucht der Töchter, Gewalt und Gegengewalt, zum anderen aber auch positive Erfahrungen wie Solidarisierung und die Hilfsbereitschaft französischer Nachbarn und Lehrer.
Allerdings schreiben die meisten dieser Autoren nur ein einziges Buch und alles in allem ist diese Literatur weniger erfolgreich als die der Einwanderer.[6]
2.1.3. Immigration nach Deutschland
Die Geschichte der Migration in Deutschland geht wie die in Frankreich bis ins 19. Jahrhundert zurück. Damals entstand das deutsche Nationalbewusstsein aus der Abgrenzung zu Frankreich, dem direkten Nachbarn. Man wollte alle Territorien, in denen deutsch gesprochen wurde, vereinigen um so eine vereinte Nation zu schaffen, wie sie es in Frankreich schon lange gab.
Die Frankfurter Nationalversammlung garantierte per Gesetz den Schutz fremdsprachiger Minderheiten, allerdings war Deutschland zu dieser Zeit bis zur Jahrhundertwende eher Auswanderungs- als Einwanderungsland.[7]
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen immer mehr ausländische Arbeiter, vor allem polnische Saisonarbeiter, nach Deutschland, da auf Grund der Landflucht und der Hochkonjunktur sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Industrie und im Bauwesen Arbeitskräftemangel herrschte. Allerdings versuchte die preußische Administration, die Zuwanderungen zu begrenzen, um „der Gefahr einer weiteren <Polonisierung> entgegen zu wirken“[8] und zu verhindern, dass die Arbeiter, die nur saisonal gebraucht wurden, ihre Familien nachholten und im Land blieben. Während des 2. Weltkrieges benötigte Deutschland Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und der Rüstungsindustrie, da die deutschen Arbeiter an die Front gerufen wurden. So gab es in dieser Zeit etwa 7,5 Mio Ausländer, vor allem aus Polen.
Nach dem 2. Weltkrieg gab es bis 1960 wieder große Auswanderungswellen, ab dann stieg die Zahl der Ausländer wieder an. Seit Ende der 50er Jahre, während des Wirtschaftswachstums kamen viele Arbeitskräfte vor allem aus den landwirtschaftlich genutzten Regionen des Mittelmeerraumes.[9]
Am 30. Oktober 1961, nur wenige Wochen nach dem Bau der Berliner Mauer, wurde das deutsch- türkische Anwerbeabkommen unterzeichnet, woraufhin bis 1971 740 000 Arbeitskräfte aus der Türkei nach Deutschland kamen.
Nachdem 1974 das Verbot aufgehoben worden war, Familienangehörige nach zu holen, konnte auch der Anwerbestopp aufgrund der Ölkrise im Oktober 1973 nicht verhindern, dass die Türken die größte Ausländergruppe in der BRD bildeten. Lebten Anfang der 70er Jahre erst etwa 1 Mio. Türken in West-Deutschland, waren es 1995 bei insgesamt 7,2 Mio. Ausländern schon doppelt so viele. Im Osten Deutschlands lebten1989 nur etwa 191 000 Ausländer, vor allem Polen und Vietnamesen.[10]
Trotzdem steigt seit der Wiedervereinigung der Hass gegen ausländische Mitbürger immer stärker an. In der BRD waren Ausländer vor der Wende zwar nicht immer und überall beliebt, beschuldigte man sie doch, den Deutschen die Wohnungen wegzunehmen, aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse das Niveau in den Schulen zu senken und für die steigende Kriminalität verantwortlich zu sein, aber erst nach der Wiedervereinigung häuften sich gewaltsame Attentate gegen Flüchtlinge und Asylantenheime. Mit Parolen wie „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ wurde offen gegen Menschen anderer Nationalitäten gehetzt.[11] Aber andererseits bewirkt die zunehmende Immigration auch positive Reaktionen. Immer mehr Deutsche haben Kontakte zu ausländischen Mitbürgern, sei es in der Schule, auf der Arbeit oder in der Nachbarschaft. Schon im Kindergarten lernen die Kinder andere Kulturen kennen und es gibt immer wieder interkulturelle Feste, die zwar nicht von Heute auf Morgen Verständnis erzwingen können, aber immerhin bei vielen Neugier und Interesse und vielleicht auf längere Sicht eine etwas intensivere Beschäftigung mit der Kultur der ausländischen Nachbarn wecken.
Wie schon gesagt, bilden Türken mit über 2 Mio. Menschen die stärkste Gruppe Ausländer in Deutschland.
Anders als die Länder des Maghreb war die Türkei von Anfang an souverän und seit 1923 ist sie ein Nationalstaat. Sie pflegt schon seit etwa einem Jahrhundert relativ partnerschaftliche Beziehungen zu Deutschland und gehört seit 1952 der NATO an.
Immigration aus der Türkei in die BRD gibt es als Folge einer Anwerbungskampagne erst seit 1961, sie wird aber von der Regierung sehr stark kontrolliert und es gibt immer mehr Maßnahmen zur Integration der Ausländer. Dazu gehört unter anderem auch, dass sie, anders
als in Frankreich, sozusagen Tür an Tür mit ihren deutschen Mitbürgern in Innen- und Altstädten leben, trotzdem ist dieses eigentlich mehr ein Nebeneinander- als Miteinanderleben. Es gab immer schon vereinzelt Schlägereien zwischen türkischen und nicht-türkischen Jugendlichen, meistens Angehörigen rivalisierender Banden, aber seit 1992 hört man immer wieder von alarmierenden Attentaten auf Türken.[12]
2.1.4. Türkische Literatur in Deutschland
Türkische Literatur in Deutschland gibt es erst seit den 80er Jahren, was in etwa den Anfängen der Beurs-Literatur entspricht.
Die Autoren sind meistens in der Türkei geboren und als Kinder oder Jugendliche nach Deutschland gekommen. Viele von ihnen haben schon zu Hause, also in der Türkei, eine höhere Schulbildung genossen und beenden in Deutschland ein Studium, so dass sie in sozialen oder pädagogischen Berufen, als Übersetzer oder Journalisten arbeiten.
Typische Themen der türkischen Literatur, die zwar nicht immer autobiographisch, aber meistens aus persönlicher Betroffenheit entstanden ist, sind das harte Leben in der Türkei mit Rückständigkeit, Landflucht, Slumbildung und Arbeitslosigkeit und die Probleme in Deutschland wie Verständigungsprobleme, Desorientierung, Konfrontation mit Vorurteilen und die ständige Angst vor dem Entzug der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung.
Die meisten dieser Werke sind Kurzprosa und haben eine Rahmenhandlung, die mit Hilfe von Erinnerungen der einzelnen Personen und Rückblicken zu den eigentlichen Themen überleitet.[13]
Diesen Aufbau finden wir auch in Renan Demirkans Werk „Schwarzer Tee mit drei Stück Zucker“, ich werde ihn im Folgenden, unter Punkt 2.3.2., näher erläutern.
[...]
[1] aus Dietrich Thränhardt
[2] aus Große / Lüger
[3] Thränhardt S. 200
[4] B. Falga u. a., S. 172
[5] s. http://www.uni‑heidelberg.de/uni/presse/RuCa3_96/rothe.htm
[6] s. http://www.uni‑heidelberg.de/uni/presse/RuCa3_96/rothe.htm
[7] aus Dietrich Thränhardt
[8] Große / Lüger S. 162
[9] aus Große/ Lüger
[10] s. http://www.cikolata.de/almanci.htm
[11] aus B. Falga u.a. S. 162-165
[12] s.
[13] s.
- Citation du texte
- Julia Mertke (Auteur), 2001, Sophie Ponchelet / Aicha Benaissa : 'Née en France' und Renan Demirkan: 'Schwarzer Tee mit drei Stück Zucker' - Ein Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41504
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