In dieser Arbeit soll die Rolle, die die mediale Berichterstattung für den überraschenden Erfolg Trumps im US-Wahlkampf 2016 gespielt hat, nachgezeichnet werden. Angelehnt an das in der Kommunikationswissenschaft verbreitete Schema der „Nachrichtenfaktoren“ wird argumentiert, dass die etablierten Funktionsmechanismen der Auswahl und Gestaltung von Meldungen der Kampagne Trumps in die Hände gespielt hat. Hieraus werden Fragen zur Verantwortung und Zuständigkeit der Nachrichtenmedien abgeleitet.
Als Donald Trump im Sommer letzten Jahres seine Kandidatur bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen bekanntgab, wollte ihn niemand so richtig ernst nehmen. In dem Vorhaben des Unternehmers, aus dem Stand das höchste Amt der Vereinigten Staaten von Amerika bekleiden zu wollen, meinten stattdessen viele den Größenwahn eines vom Wohlstand verwöhnten Einzelgängers zu erkennen. Wenn auch der frische Wind, den Trumps eigensinnige Art in die politische Sphäre brachte, vielen Menschen zuzusagen schien, vertraute man doch insgeheim darauf, dass der große Wirbel um dessen Wahlantritt schnell wieder abklingen würde, wenn er den „richtigen“, seriösen Politikern Platz machen müsse.
Dass die rechtsstaatlichen Systeme es tatsächlich zulassen würden, dass jemand ohne jegliche Erfahrung in der Politik tatsächlich binnen kürzester zur einflussreichsten Person der Welt werden konnte, erschien vermutlich selbst ihren größten Kritikern wie Blasphemie. Selbst noch bei der Amtseinführung des Präsidenten am zwanzigsten Januar 2017 haftete dem Geschehen in den USA etwas Unwirkliches an – so als müsse man nur darauf warten, dass Trump von der politischen Realität einer globalisierten, hochgradig vernetzten Welt des einundzwanzigsten Jahrhunderts eingeholt wird.
Inhalt:
1. Einleitung
2. „Nachrichtenwert“ vs. „wertvolle Nachrichten“?
3. "Call me pig, but call me!"
4. Schluss
Literatur:
1. Einleitung
Als Donald Trump im Sommer letzten Jahres seine Kandidatur bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen bekanntgab, wollte ihn niemand so richtig ernst nehmen. In den Vorhaben des Unternehmers, aus dem Stand das höchste Amt der Vereinigten Staaten von Amerika bekleiden zu wollen, meinten stattdessen viele den Größenwahn eines vom Wohlstand verwöhnten Einzelgängers zu erkennen. Wenn auch der frische Wind, den Trumps eigensinnige Art in die politische Sphäre brachte, vielen Menschen zuzusagen schien, vertraute man doch insgeheim darauf, dass der große Wirbel um dessen Wahnantritt schnell wieder abklingen würde, wenn er den „richtigen“, seriösen Politikern Platz machen müsse. Dass die rechtsstaatlichen Systeme es tatsächlich zulassen würden, dass jemand ohne jegliche Erfahrung in der Politik tatsächlich binnen kürzester zur einflussreichsten Person der Welt werden konnte, erschien vermutlich selbst ihren größten Kritikern wie Blasphemie. Selbst noch bei der Amtseinführung des 45. Präsidenten am 20. Januar 2017 haftete dem Geschehen in den USA etwas Unwirkliches an – so als müsse man nur darauf warten, dass Trump von der politischen Realität einer globalisierten, hochgradig vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts eingeholt wird.
Als dann die ersten Entscheidungen zur Aushebelung der Gesundheitsversicherung oder zum Ein- und Ausreisestopp aus muslimischen Ländern an allen Instanzen vorbei per Dekret in die Tat umgesetzt wurden, schien es, als ob selbst die Wähler Trumps von der sturen Durchsetzungskraft und der dilettantischen Härte des neuen Präsidenten überrascht wären. So empörte sich etwa eine Nutzerin bei Twitter darüber, dass ihr Ehemann aufgrund der neuen Bestimmungen nicht mehr ins Land zurückreisen konnte, und bereute sogleich ihre Stimme für Trump abgegeben zu haben.[1] Solche Fälle überraschen jedoch nicht, blieb doch der Republikaner bei all seinen öffentlichen Ansprachen trotz der offenkundigen Entschlossenheit sehr unkonkret, was seine politischen Maßnahmen als zukünftiger Präsident betraf. Nichts deutete darauf hin, dass Trump sich durch großes politisches Geschick als Staatschef auszeichnen würde. Dass die Vorstellung von Donald Trump als Präsidenten für viele Menschen trotz dieser Unsicherheit dennoch eine ungemeine Attraktivität besaß, kann folglich nur mit den restlichen Aspekten seiner öffentlichen Persönlichkeit zusammenhängen - dem schemenhaften aber dennoch allgegenwärtigem Bild, dass während des Wahlkampfes in den Medien von ihm entstanden war.
Im Folgenden soll die Rolle, die die mediale Berichterstattung für den überraschenden Erfolg Trumps im U.S.-Wahlkampf 2016 gespielt haben, nachgezeichnet werden. Angelehnt an das in der Kommunikationswissenschaft verbreitete Schema der „Nachrichtenfaktoren“ wird argumentiert, dass die etablierten Funktionsmechanismen der Auswahl und Gestaltung von Meldungen der Kampagne Trumps in die Hände gespielt hat. Hieraus werden Fragen zur Verantwortung und Zuständigkeit der Nachrichtenmedien abgeleitet.
2. „Nachrichtenwert“ vs. „wertvolle Nachrichten“?
Globalisierung und Digitalisierung haben die Reichweite und Verfügbarkeit von Informationen auf ein bislang ungekanntes Level gehoben. Im Internet auf lokalen Nachrichtenwebsites, Blogs oder in den sozialen Medien, auf Spartensendern im Digitalradio, Satteliten- oder Kabelfernsehen erreichen Meldungen selbst aus den entlegensten Gegenden ihre Abnehmerschaft, die potentiell quer über den Erdball verstreut ist. Diese Demokratisierung und Beschleunigung des Informationsflusses stellt die „großen“, etablierten und die (teil-)staatlichen Medien vor eine ungeheure Herausforderung: Das Weltgeschehen auch nur eines einzelnen Tages ist so umfangreich und komplex, dass es dem Einzelnen unmöglich wird, es in seinem ganzen Ausmaß zu erfassen. Die Fülle von Ereignissen macht es erforderlich, bestimmte Meldungen anderen vorzuziehen und damit eine „Selektion“ von Nachrichten vorzunehmen.
Bei der Auswahl der Meldungen für die nächste Ausgabe übernehmen die Redaktionen der großen Zeitungen und Fernsehsender eines Landes unweigerlich die Funktion des „Gatekeepers“ (Shoemaker et al. 2009), des Hüters über die Nachrichten, der entscheidet, welche Meldungen zu der breiten Masse in der Bevölkerung durchdringen und welche nicht. Wenn auch in den meisten Fällen nicht von einer direkten Zensur durch einflussreiche Medienkonzerne oder staatliche Akteure ausgegangen werden muss, so geschieht die Nachrichtenauswahl dennoch niemals zufällig. Weil sie sich in Aufbau und Inhalt meist sehr ähnelt, hat die Berichterstattung in den Massenmedien stets auch eine meinungsbildende und in gewisser Hinsicht politisch erziehende Wirkung auf das Publikum.
Den verborgenen Mechanismen, die entscheiden, welche Ereignisse letztendlich zur Nachricht werden, hat sich Walter Lippmann (1922) gewidmet. Seiner Theorie nach müssen Ereignisse aufgrund ihrer Umstände bestimmte „Stereotype“ bedienen, um mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen und in die Berichterstattung übernommen zu werden. Demnach würde vor allem die Vereinbarkeit mit den in der Bevölkerung vorherrschenden Denkmuster über die Nachrichtenauswahl entscheiden. Lippmanns noch sehr grob formulierte These wurde später vor allem bei Galtung und Ruge (1965) weiter ausdifferenziert. Für die Selektion einer Nachricht sei das Ausmaß entscheidend, in dem verallgemeinerbare „Nachrichtenfaktoren“ erfüllt waren. Überschreitet insgesamt der „Nachrichtenwert“ eine gewisse Aufmerksamkeitsschwelle, würde die Meldung beim Publikum Beachtung finden. Die Medien würden aus diesem Grund Ereignisse mit hohem Nachrichtenwert präferieren und bei Bedarf die entscheidenden Merkmale in der Berichterstattung hervorheben, wodurch insgesamt ein angepasstes und verzerrtes Bild der Realität vermittelt würde. Im Einzelnen seien vor allem konfliktbeladene Meldungen sowie solche, die sich auf prominente Persönlichkeiten beziehen, ein Garant für mediale Aufmerksamkeit.
Die Nachrichtenwerttheorie liefert eine Erklärung dafür, dass Konflikte und Kontroversen in der Medienberichterstattung eine derart große Rolle spielen, und dass Ereignisse vorwiegend am Handeln mächtiger Akteure dargestellt werden (vgl. Schulz 2011: 82f.). Eine Analyse der Medieninhalte lässt aber nicht nur auf die in der Bevölkerung vorherrschenden Stereotype und Vorlieben schließen. Umgekehrt wird es einflussreichen Akteuren möglich, bestimmte Inhalte eingebettet in medienwirksamen Ereignissen zu transportieren, die speziell an ihr Zielpublikum angepasst werden. So zeigte etwa Dylla (2008), dass politisches Geschehen gar nicht unbedingt erst durch seine Darstellung künstlich „medialisiert“ wird, sondern dass sich politische Akteure „bewusst und zielgerichtet“ selbst medialisieren, um unter möglichst geringen Kosten die maximale Anzahl an potentiellen Wählern zu erreichen.
3. "Call me pig, but call me!"
Besonders in den USA sind Präsidentschaftswahlkämpfe zu Medienspektakeln von immensem Ausmaß herangewachsen. Das stark polarisierende Zwei-Parteien-System teilt die Bevölkerung in verfeindete Lager auf, die sich gegenseitig dabei überbieten, ihrer Unterstützung für den jeweiligen Kandidaten Ausdruck zu verleihen. Wer sich noch nicht festgelegt hat, wird unablässig von millionenschweren Marketingkampagnen umgarnt, die ihre Klienten je nach Bedarf als gefestigten Staatsmann, treuen Patrioten, liebenden Familienvater oder lockeren Kumpeltyp in das rechte Lampenlicht rücken. Christina Holtz-Bacha (2000) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Entertainisierung“ der Politik, ohne die mittlerweile auch in Europa kaum mehr eine Wahl zu gewinnen sei. So stelle etwa dem Spiegel zufolge ein „Wahlkampf ohne Leidenschaft“ die größte Gefahr für die Wiederwahl von Kanzlerin Merkel in Deutschland dar.[2] Die Frage nach den politischen Inhalten und Zielen wird unterdessen, wenn sie überhaupt noch eine Rolle spielt, ganz hintenangestellt.
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[1] http://www.schleckysilberstein.com/2017/01/faszinierend-diese-demokratie-eine-trump-wahlerin-ist-verblufft/, Zugriff am 27.02.2017.
[2] Vgl. http://www.theeuropean.de/sebastian-pfeffer/7379-wahlkampf-nachrichten-die-das-volk-einschlaefern, Zugriff am 24.02.2017.
- Citar trabajo
- Valentin Müller (Autor), 2016, Donald Trumps mediale (Selbst-)Inszenierung im U.S.-Wahlkampf 2016. Zwischen Nachrichtenwert und Politikvermittlung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414269
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