Die strukturelle Nähe zwischen Beethovens Chorfantasie und der später entstandenen Neunten Sinfonie ist deutlich. Beethoven nutzt sein eigenes Werk, die Chorfantasie, als strukturelle Vorlage für seine neunte Sinfonie und entwickelt seine Vorlage hin, zu einem bedeutendsten Werke der Musikgeschichte. Diese Arbeit soll die Chorfantasie in d-Moll op. 80 als Vorlage der neunten Sinfonie op. 125 nachweisen und Parallelen aufweisen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Chorfantasie / Fantasie für Klavier, Chor und Orchester op. 80 als strukturelle Vorlage für Beethovens Neunte Symphonie d-Moll op.
2.1 Die Chorfantasie – Entstehung, Aufbau und Rezension
2.2 Die Neunte
2.3 Vergleich
3. Fazit
Literaturverzeichnis:
Die Chorfantasie /Fantasie für Klavier, Chor und Orchester op. 80 als strukturelle Vorlage für Beethovens Neunte Symphonie d-Moll op. 125
1. Einleitung
Die strukturelle Nähe zwischen Beethovens Chorfantasie und der später entstandenen Neunten Sinfonie ist deutlich. Beethoven nutzt sein eigenes Werk, die Chorfantasie, als strukturelle Vorlage für seine neunte Sinfonie und entwickelt seine Vorlage hin, zu einem bedeutendsten Werke der Musikgeschichte. Diese Arbeit soll die Chorfantasie in d-Moll op. 80 als Vorlage der neunten Sinfonie op. 125 nachweisen und Parallelen aufweisen.
2. Die Chorfantasie / Fantasie für Klavier, Chor und Orchester op. 80 als strukturelle Vorlage für Beethovens Neunte Symphonie d-Moll op. 125
Obgleich viele Vergleiche und Rückführungen der neunten Sinfonie mit Werken anderer Komponisten gezogen wurden, ist es belegbar, sie als Weiterführung Beethovens eigener Chorfantasie op. 80 zu betrachten.
2.1 Die Chorfantasie – Entstehung, Aufbau und Rezension
Die Chorfantasie op. 80 entsteht als Schlussstück für eine Akademie am 22.12.1808 im Theater an der Wien.[1] Sie gliedert sich in die 26 Takte lange Fantasia und ein 586 Takte umfassendes Finale.[2]
„In der Chorfantasie spielen abwechselnd Soloklavier (die Fantasie auf dem Klavier allein), Klavier mit Orchester (das G-dur Konzert), Orchester allein (die beiden Symphonien) und Solostimmen bzw. Chor mit Orchester (die Arie und die Messestücke).“[3]
„This Fantasia is the only instrumental work by Beethoven that is unstable both in key and in thematic continuity. It begins in G minor and ends in B major.“[4]
Ein vollständiges Partiturautograph existiert nicht (mehr), lediglich ein Particell der Singstimmen ist erhalten, sowie überprüfte Abschriften der ersten Violine und des Klavierparts.[5] Beethoven komponiert, laut seines Skizzenbuches, die Fantasie fast ohne Unterbrechung.[6] Er schreibt viele seiner Werke mit, zum Teil, langen Schreibpausen. Somit ist die Kontinuität mit der er die Chorfantasie komponiert etwas für ihn besonderes. Die Eile, in der sie entsteht, kann ein Grund dafür sein: „Einerseits war die Komposition als solche sehr „pünktlich“ zum Konzert fertig geworden, so dass nicht viele Proben stattgefunden hatten.“[7]
Whiting beschreibt die Fantasie als „eine fantasia quasi un recitativo mit Doppelvariierung eines Liedthemas“[8]. Der Textdichter ist nicht eindeutig zu bestimmen:
„Man hat sich nicht darüber einigen können, wer als Textdichter der Chorfantasie zu gelten hat. Czerny meinte, Christoph Kuffner sei der Autor gewesen. […] Nottebohm […] hat Treitschke als Verfasser vorgeschlagen.“[9]
Als Abschluss der Akademie erreicht die Chorfantasie ein Zusammenfassen des voran gegangenen Programms, so wie es von Beethoven vorgesehen ist. Sie ist:
„ein Aufruf und eine Unterweisung der Gemeinschaft durch den visionären Künstler. Insofern wirkt die Chorfantasie wie ein Peroratio einer vierstündigen musikalischen Predigt.“[10]
Gewidmet ist die Chorfantasie „Seiner Majestät Maximilian Joseph, König von Bayern etc. etc; zugeeignet“[11].
2.2 Die Neunte
Die Neunte Sinfonie in d-Moll op. 125 entsteht in den Jahren 1823/1824.[12] Textliche Grundlage ist die Ode an die Freude von Friedrich Schiller.[13] Die Vertonung der Ode an die Freude ist eine Idee, die Beethoven schon 1792 gekommen sein könnte[14] und die ein Herzenswunsch[15] war. Er widmet sein Werk Friedrich Wilhelm III., dem König von Preußen[16]. Zur Entstehung ist folgendes bekannt: „Den Anstoß zu beiden Sinfonien erhielt Beethoven durch die Philharmonische Gesellschaft in London“[17].
Gegliedert ist die Sinfonie in vier Teile. Zu Beginn steht der Kopfsatz, dann folgen das Scherzo, das Adagio und schließlich das Finale.[18] Adagio und Scherzo sind, verglichen zur üblichen Form vertauscht. Dies ist nach Raab/Loesch jedoch in der Kammermusik üblich[19].
2.3 Vergleich
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Werke und Komponisten Beethoven als Inspiration dienten. Viel weist aber darauf hin, dass er auch seine eigenen Werke weiterentwickelte: „Sowohl eigene als auch fremde Werke dürften Beethoven als Inspiration für seine letzte Symphonie gedient haben“.[20]
Küthen sieht das Werk eines anderen Komponisten als Vorbild der Neunten Sinfonie. Er betrachtet die Motive und entdeckt „eine Melodie, die er […] bei Mozart hatte finden können“.[21] Er bezeichnet „Mozarts Offertorium Misericordias Domini, KV 222 als Vorlage für Beethovens Vertonung der Schillerschen Freudenode.“[22] Weitaus deutlichere Hinweise finden sich in der Chorfantasie op. 80: „Beiden Themen gemeinsam ist eine Einfachheit in Kontur, Rhythmik und Harmonik, die dem Hörer volkstümlich oder gar hymnisch vorkommen mag“[23]. Detaillierter betrachtet, lässt sich folgendes zusammentragen:
„Vergleichbar ist die Rolle der tiefen Streicher[24], die als Erste das Thema vorstellen und es wiederholen, bevor der Chor einsetzt. Ähnlichkeiten finden sich auch in der melodischen Struktur und in der Vielfalt der musikalischen Formen, sowie im Inhalt der Texte.“[25]
„Gerne wird auf die Übereinstimmung der Chorfantasie mit dem Finale der 9. Symphonie hingewiesen – im Gestus der Melodie wie in der Konzeption. Beethoven selbst wies auf diese Parallele hin, als er am 10. März 1824 dem Verlag Schott die Symphonie ‚mit einem Finale (auf Art meiner Klawier-Fantasie [sic] mit Chor) jedoch weit größer gehalten’ anbot“.[26]
Lockwood führt die strukturellen Parallelen beider Stücke eindeutig auf das gezielte Weiterentwickeln des vorhandenen Kompositums zurück:
„His choral Fantasy of 1808 anticipates the Ninth’s finale in combining chorus and orchestra in a set of variations that culminate in a plain melody on an uplifting and benign text on ‚Fried und Freude’.“[27]
Es gibt eindeutige Gemeinsamkeiten wie „gewisse Parallelitäten zwischen der 9. Symphonie (sowie der ‚Chorfantasie’) und Musik der Französischen Revolution.“[28] Die zuvor zeitlich vernachlässigte Chorfantasie wird in der neunten Sinfonie ausgearbeitet und bekommt in ihr mehr zugestanden als der Schluss einer Aufführung zu sein.
3. Fazit
Eine Verwandtschaft beider Werke ist nachgewiesen. Ob zufällig oder als gezielte Weiterverarbeitung eines zuvor in Eile[29] komponierten Stückes, kann nicht abschließend geklärt werden. Es scheint nach dem Zusammentragen der Fakten wahrscheinlich, dass Beethoven selbst sich hier Vorbild war und nach eigener Vorlage komponierte.
Literaturverzeichnis:
Primärliteratur:
Beethoven, Ludwig van: Chorfantasie c-moll op. 80 (Klavierkonzert), Breitkopf Urtext hrsg. von Clive Brown. Klavierauszug von Xaver Scharwenka, New York 1915.
http://www.beethoven-haus-bonn.de/sixcms/detail.php?id=15105&template=dokseite_digitales_archiv_de&_eid=1502&_ug=Sinfonien&_werkid=127&_dokid=T00003075&_opus=op.%20125&_mid=Werke%20Ludwig%20van%20Beethovens&suchparameter=&_sucheinstieg=&_seite=1 Stand: 11.08.2011 um 16.21h.
Sekundärliteratur:
http://www.beethoven-haus-bonn.de/sixcms/detail.php?id=15105&template=werkseite_digitales_archiv_de&_eid=1502&_ug=Sinfonien&_werkid=127&_mid=Werke%20Ludwig%20van%20Beethovens&suchparameter=&_seite=1. Stand: 11.08.2011 um 16.21h.
Das Beethoven-Lexikon, hrsg. von Claus Raab und Heinz von Loesch, Laaber 2008.
Geck, Martin: Von Beethoven bis Mahler. Leben und Werk der großen Komponisten des 19. Jahrhunderts, Reinbeck bei Hamburg 2000.
Küthen, Hans-Werner: „Schöpferische Rezeption im Finale der 9. Symphonie von Beethoven“, in: Kross, Siegfried (Hg.): Probleme der symphonischen Tradition im 19. Jahrhundert, Bonn 1990, S. 41-65.
Lockwood, Lewis: Beethoven. The Music and the Life, New York 2003.
Stahl, Christina M.: Was die Mode streng geteilt? Beethovens Neunte während der deutschen Teilung, Schott 2009.
Whiting, Steven Moore: “Hört ihr wohl”. Zu Funktion und Programm von Beethovens „Chorfantasie“, in: Archiv für Musikwissenschaft 45 (1988), S. 132-147.
[...]
[1] Whiting 1988, S. 132.
[2] Whiting 1988, S. 136.
[3] Whiting 1988, S. 135.
[4] Lockwood 2003, S. 287.
[5] Raab/Loesch 2008, S.179.
[6] Whiting 1988, S. 134.
[7] http://www.beethoven-haus-bonn.de/sixcms/detail.php?id=15118&template=werkseite_digitales_archiv_de&_eid=1502&_ug=Gesangswerke%20mit%20Orchesterbegleitung&_werkid=80&_mid=Werke%20Ludwig%20van%20Beethovens&suchparameter=&_seite=1 Stand: 14.08.2011, 23.57h
[8] Whiting 1988, S. 141.
[9] Whiting 1988, S. 142.
[10] Whiting 1988, S. 144.
[11] Beethoven 1915, S. 2.
[12] Raab/Loesch 2008, S.550.
[13] Raab/Loesch 2008, S.550.
[14] Stahl 2009, S. 33.
[15] Geck 2000, S. 71.
[16] http://www.beethoven-haus-bonn.de/sixcms/detail.php?id=15105&template=werkseite_digitales_archiv_de&_eid=1502&_ug=Sinfonien&_werkid=127&_mid=Werke%20Ludwig%20van%20Beethovens&suchparameter=&_seite=1. Stand: 11.08.2011 um 16.21h.
[17] Ebd.
[18] Raab/Loesch 2008, S 550.
[19] Raab/Loesch 2008, S. 550.
[20] Stahl 2009, S. 34.
[21] Küthen 1990, S. 41.
[22] Küthen 1990, S. 42.
[23] Whiting 1988, S. 138.
[24] Neunte Sinfonie in d-Moll op. 125, 4. Satz.
[25] Stahl 2009, S. 35.
[26] Raab/Loesch 2008, S.179.
[27] Lockwood 2003, S. 424.
[28] Stahl 2009, S. 35.
[29] Raab/Loesch 2008, S. 178.
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- Anónimo,, 2011, Die Chorfantasie / Fantasie für Klavier, Chor und Orchester op. 80 als strukturelle Vorlage für Beethovens Neunte Symphonie d-Moll op. 125, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414050