Der Dekabristenaufstand von 1825 markiert als Vorbote der Septemberrevolution von 1917 einen wichtigen geistesgeschichtlichen Wendepunkt im zaristischen Russland. Wenn auch vordergründig gescheitert hatten die Ideen der Revolutionäre für eine neue Staatsform Vorbildfunktion für die späteren sowjetischen Bestrebungen im 20. Jahrhundert. Der Autor beschreibt die Hintergründe, den Ablauf sowie die Bedeutung der revolutionären Bewegung, welche maßgeblich von Aristokraten ausging.
Aufgrund des knappen und doch treffend und präzisen Zuschnitts der Arbeit hervorragend geeignet, um sich einen Überblick über die Thematik zu verschaffen.
Gliederung:
1. Erläuterung des Namens „Dekabristen“ und der beteiligten Bevölkerungsschichten
2. Ausgangssituation im Zarenreich unter Alexander I.
3. Vorbereitung und Ablauf der Aufstände
4. Folgen der Aufstände für Russland
5. Verarbeitung des Themas von russischen Künstlern und Schriftstellern
1. Wer waren die Dekabristen?
Der Name „ Dekabristen “ leitet sich vom Zeitpunkt des Aufstandes gegen den russischen Zaren Nikolaj I. (Abb. 4) ab. Da dieser sich am 14. (26.) Dezember 1825, am Tag, an dem die Soldaten der Petersburger Garnison auf den neuen Zaren Nikolaj I. ihren Eid ablegen sollten, ereignete, nannten sich die Aufständischen nach dem russischen Wort für Dezember, dekabr’, Dekabristen.(Dezembermänner)
Zu ihnen gehörten nicht die unterdrückten Bauern, sondern die zur Aristokratie gehörenden Offiziere der russischen Armee, die, nachdem sie Napoleons Russlandfeldzug zurückgeschlagen und das französische Heer weit bis nach Mitteleuropa und natürlich nach Frankreich selbst verfolgt hatten, dort mit den Anfängen einer Demokratie in Berührung kamen.
2. Die Ausgangssituation unter Alexander I.
Um die revolutionären Gedanken im russischen Volk zu verstehen ist es notwendig die Ausgangssituation unter Alexander I. (Abb.1), dem Bruder von Nikolaj I., zu kennen. Nur so lässt sich der Freiheitsgedanke in der russischen Bevölkerung begreifen.
2.1 Alexanders politische Anfänge
Schon früh in seinem Leben, noch bevor er Zar von Russland wurde, erkannte der junge Alexander unvorteilhafte Charakterzüge an sich, wie aus seinen Briefen bekannt ist.
So heißt es in einem Schreiben vom November 1790:
„Da ich eitel bin, wünsche ich auf Kosten meines Nächsten zu scheinen und zu glänzen; denn ich fühle nicht die nötige Kraft in mir, ein wirkliches Verdienst zu erwerben.“ 1)
Zwei Jahre später ergänzte er seine Selbstbetrachtungen:
„ Ich werde stets geschickt genug sein. Prinzen wie ich wissen alles, ohne je etwas gelernt zu haben.“ 1)
Mit einer ganz anderen Einstellung trat Alexander im Jahr 1801 das Erbe seines ermordeten Vaters an. Seine Vorstellungen von einem modernen Staatsapparat waren gut; er versuchte der zaristischen Autokratie eine zeitgemäße Form zu verleihen und erweiterte deren soziale Fundierung. Eines seiner Ziele war der Aufbau eines liberalisierten Staatsregimentes im Gegensatz zum unbeschränkten Absolutismus unter Katharina II..
Neue Gesetzesbeschlüsse und Reformen wurden vom sogenannten „ Geheimen Komitee “ verabschiedet, das sich aus dem intimen Freundeskreis Alexanders I. zusammensetzte. Die Mitglieder dieses Komitees waren: Fürst Adam Czartoryski; Nikolaj Petrowitsch Novosil’cev; Graf Pavel’ Alexandrowitsch Stroganow, sowie Graf Viktor Pawlowitsch Kočubej.
Stroganow und Novosil’cev erwarteten von Alexander I. eine Modernisierung des Russischen Reiches nach britischem Vorbild, was einer liberalen konstitutionellen Monarchie nahe kam.
Die Reformen im Zarenreich begann Alexander mit der Rücknahme zahlreicher Erlasse seines Vorgängers und mit der Erneuerung des Staatsapparats:
1801 erließ er die Erlaubnis für Leibeigene des Russischen Reiches unbesiedeltes Land käuflich zu erwerben, wodurch er das adelige Grundbesitzmonopol weitgehend aufhob. Danach folgten 1802 die Erlasse über die Kompetenzen des Senats und die Einrichtung von Ministerien, durch die der Senat auf die Funktion als Oberster Gerichtshof beschränkt wurde.
Mit dem „Gesetz über die freien Ackersleute“ (1803) und Erlaubnis an Landbesitzer Leibeigene gegen Entschädigung frei zu lassen hob Alexander (zumindest teilweise) die Leibeigenschaft auf und schuf den Stand der freien Landbewohner.
Nach diesen wichtigen Schritten folgte die Reformierung des Bildungssystems durch die Einrichtung von Schulen und Universitäten.
Den Höhepunkt des nationalen Aufschwungs der Modernisierung des Staats- und Verfassungsrechts erreichte Russland, nach der Auflösung des intimen Freundeskreises im „Geheimen Komitee“ und der Einstellung von Michail Michailowitsch Speranskij (Abb. 3), einer liberalen Reformerpersönlichkeit. Dieser gehörte zwischen 1808 und 1812 als Sekretär und Vertrauter Alexanders zu den einflussreichsten Männern Russlands. 1809 verfasste er im Auftrag des Herrschers das erste russische Verfassungsprojekt, das auf der Gewaltenteilung beruhte und in Russland die Einführung einer konstitutionellen Monarchie vorsah (mit einem Parlament, bestehend aus dem Reichsrat als Oberhaus und der Reichsduma als Unterhaus). Als Vorbild dienten englische und französische Institutionen. Dieses Projekt, das auch die Regelung der Verwaltungsstrukturen von oben nach unten enthielt, sollte in Etappen umgesetzt werden.
2.2 Die „Verwandlung“ Alexanders
Alexander war beim Volk beliebt und seine vielen Reformen wurden als Zeichen angesehen, dass Russland sich auf dem Weg in einen liberalen Staat befindet.
Wie konnte es denn dann zu Eskalationen und Aufständen kommen? Hier die Antwort:
Speranskijs Verfassungsprojekt ließ sich kaum umsetzen und schließlich wurde sein Verfasser nach der Bezichtigung des landesverräterischen Briefwechsels mit Napoleon nach Sibirien verbannt, wodurch sein Zivilrecht nie umgesetzt werden konnte.
Nach der Entlassung von Speranskij durchlebte Alexander I . einen plötzlichen Sinneswandel: Angeregt durch die staats- und gesellschaftspolitischen Anschauungen romantischer Denker und Literaten, pietistischer Mystiker und spiritistisch-bigotter Schwärmer distanzierte er sich immer mehr von seinen liberalen Anfängen.
Am 14./26. November 1815 unterzeichneten Alexander I., Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen in Paris das als „Heilige Allianz“ bekannte Manifest Alexanders. Diese Allianz unter Vorsitz Russlands diente vor allem der Niederwerfung und Unterdrückung von Rebellionen und Aufständen, die gegen den legimitierten Herrscher gerichtet sind.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die anfängliche Politik Alexander I. gute Ansätze besaß, die jedoch nicht umgesetzt werden konnten.
Stattdessen regierten Mitte der 1820er Jahre Leibeigenschaft, Polizeiwillkür und Zensur von antimonarchischen Schriften. Zur Unzufriedenheit im Volk kam die veraltete, militärisch geprägte Staatsführung, die die angespannte Situation zusätzlich verschlimmerte.
3. Vorbereitung und Ablauf der Aufstände
3.1 Die revolutionären Anfänge
Viele junge russische Offiziere hatten nach Napoleons Verfolgung in mehreren westlichen Ländern Europas gekämpft und Europa so zur Freiheit von der napoleonischen Tyrannei verholfen. Die dort errungenen Freiheiten forderten die Heimgekehrten nun auch für ihr Vaterland.
Schon unter Alexander I. begannen sich Offiziere zu politischen Geheimgesellschaften zusammenzuschließen, wie sie es in Europa kennen gelernt hatten.
Anfänglich waren die Bestrebungen aller dieser Vereine etwas unklar, eine Mischung von humanitärer Philanthropie, Aufklärungsphilosophie, Literatur und politischer und sozialer Freiheitspläne; doch allmählich wurden die Pläne bestimmter und klarer: Im Untergrund wurde der Sturz des Zaren geplant, Verfassungen ausgearbeitet und diskutiert.
Nach dem plötzlichen Tod Alexanders am 19.11.(01.12.)1825 erreichten diese Vorhaben jedoch ihren Höhepunkt.
So schreibt der an der Widerstandsbewegung beteiligte und danach zu Zwangsarbeit verurteilte Schriftsteller und Stabskapitän Alexander Alexandrowitsch Bestučev (1797-1837) in einem Brief an den neuen Zaren Nikolaj I. aus dem Jahre 1825:
„Alle Chargen der Armee, von den Generälen bis zu den gemeinen Soldaten, sprachen davon, wie gut das Leben in fremden Ländern eingerichtet sei. Der Vergleich mit den Verhältnissen in der Heimat brachte sie natürlich auf die Frage, warum es nicht auch so bei uns sei ... Viele hegten die Hoffnung, dass der Kaiser eine Verfassung geben würde ..., und da die Unzufriedenheit des Volkes, die durch die Ausbeutung und die Missstände in lokalen und staatlichen Ämtern verursacht wurde, eine blutige Revolution hervorzurufen drohte, so nahmen sich die (geheimen) Gesellschaften vor, das größere Übel durch ein kleineres abzuwenden, und sie beabsichtigen, ihre Aktion bei der ersten Gelegenheit zu beginnen.“ 2)
Zu diesen Geheimgesellschaften, die jetzt auch im Zarenreich entstanden, gehörte die bereits 1814 von dem jungen Generalmajor Machail Fjodorowitsch Orlow (1788-1842) im Verein mit anderen Offizieren gegründete Gesellschaft „Russischer Ritter“, die, noch stark von freimaurerischen Gedankengängen beherrscht, wegen der Unzufriedenheit mit dem Staat, der von Pressezensur und zaristischer Autokratie beherrscht war, für eine aristokratische Verfassung eintrat.
Ihr folgten der Petersburger „Rettungsbund“ (Sojuz spasenija, 1816), dem Oberst Pavel I. Pestel’ (1793-1826) angehörte und der die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Einführung einer konstitutionellen Monarchie zum Ziel hatte , sowie der „Wohlfahrtsbund“ (Sojuz blagodenstvija, 1818), unter dessen Begründern auch die Brüder Oberst Alexander Nikolajewitsch und General Nikita N. Murav’ev waren. Die Ziele dieser Geheimgesellschaften waren allerdings noch nicht klar umrissen. Dies änderte sich erst, als Michail Nowikow 1816 Pavel Pestel’ in die Ziele des Wohlfahrtsbundes einführte.
3.2 Pavel Pestel’ und Nikita Murav’ev – Vorreiter in eine neue Zeit
Pestel’, seinerseits Obrist des Wjatkaer Infanterieregiments, war ein überaus gebildeter und scharfer Denker, voller kühner Ideen. Als Realpolitiker, der von der Richtigkeit seiner Auffassungen überzeugt war, arbeitete er bewusst auf den staatlichen Umsturz hin. In der Ablehnung der Leibeigenschaft und der Privilegien des Adels waren sich alle in den Geheimgesellschaften zusammengeschlossenen Mitglieder einig. Jedoch radikalisierte sich Pestel’ in seinen Ansichten immer mehr, sodass er selbst in Freundeskreisen bald als „Jakobiner im Obristenrock“3) galt. Da die Mehrheit der auf die Veränderung der staatlichen Verhältnisse in Russland hinarbeitenden Offiziere Gewaltakte ablehnten, nahm das Misstrauen gegen Pestel’ immer mehr zu. So sahen einige von ihnen ihren Hauptgegner nicht so sehr im Zaren, sondern im vermeintlichen republikanischen Diktator Pestel’.
Im Unterschied zu Pestel’s Ansichten erwies sich das von Nikita Murav’ev für den Wohlfahrtsbund ausgearbeitete Projekt eines Grundgesetzes für das Russische Reich als recht gemäßigter Reformentwurf. So hieß es dort:
„ 1. Das freie und unabhängige russische Volk ist nicht Eigentum irgendeiner Person oder Familie und kann es nicht sein. 2. Die oberste Gewalt geht vom Volke aus; es allein hat das Recht, Grundgesetze für sich zu erlassen ... 10. Alle Russen sind vor dem Gesetz gleich ... 13. Leibeigenschaft und Sklaverei werden abgeschafft; ein Sklave, der russischen Boden betritt, wird frei. Die Einteilung in Adel und gemeines Volk fällt fort ... 14. Jedermann hat das Recht, seine Gedanken und Gefühle ungehindert auszusprechen und seinen Mitbürgern durch die Presse mitzuteilen ... 24. Die Gutsbesitzer behalten ihr Land. Die Häuser und Gemüsegärten der Bauern werden als ihr Eigentum anerkannt mitsamt allem Ackergerät und Vieh, das ihnen gehört ... 29. Die Einteilung der Menschen in vierzehn Ränge wird abgeschafft ...“ 4)
Für das Projekt der Regierung favorisierte Murav’ev einen föderativen Staat, eingeteilt in 13 Bundesstaaten, mit einem Monarchen ohne größere Machtbefugnisse an der Spitze.
Die sog. zwei Kammer-Legislative sollten eine direkt gewählte Kammer der Volksvertreter (Veče) und die Staatenkammer (Verchovnaja duma) mit jeweils drei Abgeordneten pro Bundesstaat bilden. Das Wahlrecht wollte er an einen verhältnismäßig hohen Zensus binden. Pestel’ meldete gegen Nikita Murav’evs Grundgesetzentwurf, von dem nur der erste Teil vorgelegt wurde, erhebliche Bedenken an, wobei er ausführlich auf die Nachteile einer konstitutionellen Monarchie, wie er meinte, im Vergleich zur Republik hinwies. Pestel’ verlangte jetzt bereits nach dem Beispiel der Amerikanischen und Französischen Revolution die Einsetzung einer „Übergangsregierung“, womit nichts anderes gemeint war als eine abgewandelte Form des jakobinischen Wohlfahrtsausschusses.
Aufgrund der Gegensätze löste sich 1821 der Wohlfahrtsbund auf. Im selben Jahr gründete Pestel’ in seinem ukrainischen Standort Tul’cin den „Südbund“(Južnoe obščestvo), Murav’ev in Petersburg den „Nordbund“(Severnoe obščestvo). Trotz ihrer unterschiedlichen Vorstellungen von der künftigen Staatsführung arbeiteten beide Verschwörergruppen eng zusammen.
Im Südbund entwickelte Pestel’ sein eigenes Gesetzesprogramm, das er 1824 nach dem altrussischen Gesetzeskodex „Russkaja Prawda“ (Russische Wahrheit) benannte:
Nach dem Sturz des Zaren sollte eine diktatorische Übergangsregierung für acht bis zehn Jahre das Land verwalten und grundlegende Reformen verwirklichen, insbesondere die Abschaffung der Leibeigenschaft sowie der Vorrechte für Adel und Kirche, darüber hinaus eine grundlegende Reform der öffentlichen Verwaltung. Danach würde eine Volksversamm- lung, ein vom Volk ohne Zensur gewähltes Veče, die gesetzgebende Macht übernehmen. Vom veče würde dann alle fünf Jahre die sog. Volksduma gewählt, die die exekutive Macht vertreten sollte. Pestel’s allgemeines Ziel war die zentralistisch-demokratische Republik mit der neuen Hauptstadt „ Vladimir “ (Nižnij Novgorod) auf der Basis der Gleichheit aller Bürger. Dieser Staat sollte mit einer großen Machtfülle ausgestattet sein und auf einer einheitlichen nationalen Grundlage beruhen. Nichtrussische Nationalitäten hätten sich – mit Ausnahme der Polen – zu assimilieren. Wo dies unmöglich erscheine – wie bei den Juden –, sollten sie Russland verlassen und anderswo einen eigenen Staat gründen.
Murav’evs Programm war jedoch selbst im Nordbund vielen zu gemäßigt. Radikalere Mitglieder drängten ihn zur Aufnahme stärkerer demokratischer Elemente in die vorgesehene Verfassung und planten zusammen mit dem Südbund bereits den revolutionären Umsturz.
Die im Südbund zur Tat entschlossenen Kräfte gewannen durch die Zusammenarbeit mit der 1823 gegründeten „Gesellschaft der vereinten Slawen“, einer Organisation russischer und polnischer Offiziere, an Schlagkraft. Die führenden Rollen im Südbund waren neben an Pestel’ auch an Michail P. Bestužev-Rjumin (1803-1826) und Sergej I. Murav’ev-Apostol (1796-1831) vergeben.
Da sich in Tul’cin, dem Hauptsitz des Südbundes, auch das Hauptquartier der 2.Armee befand, war es Pestel’ möglich, die Vorbereitungen für den politischen Umsturz systematisch zu organisieren. Die zur selben Zeit in der Ukraine ausbrechenden Bauernunruhen im Gefolge der Einführung der Militärkolonien ließen auch in der Armee Unruhen aufkommen. Im Semjonowschen Garderegiment brach sogar eine Meuterei aus.
Pestel’s erklärtes Ziel war es, die von ihm geforderte Republik mit militärischer Gewalt in Russland einzuführen. Doch es kam in dieser entscheidenden Frage zu keiner Verständigung mit dem Nordbund, wo Nikita Murav’ev das Sagen hatte. Erschwert wurden die Kontakte zwischen dem Süden und dem Norden auch dadurch, dass die Petersburger Garde im März 1821 auf Befehl Alexanders I. unerwartet in Richtung Süden in Marsch gesetzt worden war. Auch Pestel’s persönlicher Besuch in der russischen Hauptstadt vermochte den Bruch zwischen ihm und Murav’ev nicht mehr aufzuhalten. Damit war Pestel’ mit seinen Plänen und Absichten bereits gescheitert.
Kaiser Alexander I. war von den gegen ihn gerichteten Umsturzplänen informiert. Er schien diese nicht sonderlich ernst zu nehmen. Pestel’ selbst wurde im letzten Augenblick von Furcht befallen. Ihm kamen nun die Gefahr, „in der wir uns befanden, und die Notwendigkeit zum Handeln besonders eindringlich zum Bewußtsein. In der Aufregung fühlte ich mich bereit, die Revolution zu beginnen, falls die Umstände es erfordern sollten, und äußerte mich auch in diesem Sinne. Als ich aber anschließend alles kaltblütig durchdachte, fasste ich den Entschluss, lieber mich selbst zu opfern, als einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Und so handelte ich auch, als ich ins Hauptquartier gerufen wurde. Aus diesem Grund unternahm ich auch nichts, um das Regiment in Marsch zu setzen.“ 5)
3.3 Der Ausbruch der Revolution
Nach verschiedenen nicht ausgeführten Plänen zur Erhebung wurden die Verschwörer plötzlich zur Aktion gedrängt: Zar Alexander I. war während eines Ausflugs nach Taganrog am Asow’schen Meer im Sommer 1825 schwer an einer Erkältung erkrankt und am 19. November (1.Dezember) 1825 verstorben. Da seine beiden Töchter früh verstorben waren, fiel der Thron laut der Nachfolgeordnung Pauls I. von 1797 an seinen ältesten Bruder Konstantin (1779-1831). Der Öffentlichkeit war jedoch nicht bekannt, dass dieser wegen einer nicht standesgemäßen Heirat mit einer polnischen Gräfin bereits 1822 auf die Nachfolge verzichtet hatte. Der jüngere Bruder Nikolaj handelte zögernd und widersprüchlich, sodass er Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Amtsantritts hervorrief. Das Machtvakuum und das geschwächte Interregnumskomitee boten einen idealen Zeitpunkt für einen Staatsstreich. Außerdem mussten die Verschwörer diese Chance nutzen, zumal die Regierung von ihren Geheimorganisationen wusste und sie mit ihrer Verhaftung zu rechnen hatten.
Die Anführer des geheimen Nordbundes nutzen die für den 14. (26.) Dezember 1825 anberaumte Vereidigung der Petersburger Garnison auf den neuen Kaiser Nikolaj I. zum Staatsumsturz. Doch als sich tatsächlich 3.000 Soldaten unter der Führung aufständischer Offiziere auf dem Petersburger Senatsplatz einfanden, verharrten die Verschwörer unentschlossen. Weder ließen sie die Soldaten zum Angriff auf strategisch wichtige Einrichtungen antreten, noch bezogen sie die auf dem Platz wartende Menschenmenge in den Aufstand ein. Der Zar erhielt genügend Zeit, um loyale Truppen heranzuziehen und die Rebellen niederschlagen zu lassen. Das Fazit: 1.271 Tote, darunter 903 russische Soldaten.
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- Maximilian Schott (Autor:in), 2005, Der Dekabristenaufstand von 1825 und seine geistesgeschichtliche Bedeutung für Russland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414040
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