Die empirische Sozialforschung gewinnt ihre Erkenntnisse auf Grundlage der Erhebung und Auswertung von Daten. Die betriebene Forschung kann nur so gut und genau sein, wie es die Daten sind. Verschiedenste Methoden stehen den Forschern zur Verfügung, um neue Kenntnisse zu gewinnen. Neben dem Fragebogen ist das Interview eines der meist einge¬setzten Erhebungs¬methoden zur Gewinnung von relevanten Daten. Es wir als „planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung“ definiert, „bei dem die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Informationen veranlasst werden soll“ . Es handelt sich um eine künstliche soziale Situation. Hierbei findet ein Frage-Antwort-Prozess statt, in dem die Rollen der Teilnehmer klar definiert und abgegrenzt sind. Daher sind die Fragen hinsichtlich ihrer Formulierung und Reihenfolge ebenso standardisiert wie das Verhalten des Interviewers.
Die Tatsache, dass die empirische Sozialforschung Menschen als Untersuchungsobjekte hat und das die Forscher ebenfalls Menschen sind, werfen verschiedene Probleme auf. „Es treten Abweichungen auf zwischen der empirischen Wirklichkeit und dem Ergebnis der Befragung. Der Fragesteller erhält nie beobachtbare Tatsachen über die Wirklichkeit, sondern (…) immer nur Aussagen darüber“. Exakte Daten lassen sich nur über die physischen Daten wie Alter, Geschlecht, Gewicht und Größe bestimmen. Gefühle, Einstellungen und Meinungen stellen keine festen Größen dar. Sie ändern sich in gewissen Situation¬en und können von diesen stark beeinflusst werden.
Eine bedeutsame Rolle bei dem Versuch des Konstanthaltens von Stimulus-Situationen kommt dem Interviewer und seinem Verhalten während des Interviews zu. Das Ideale Interviewerverhalten wird in der völligen Neutralität gegenüber Thema und Befragten gesehen. Jedoch ergeben sich im sozialen Prozess der Befragung doch immer Reaktionen auf die Person des Interviewers. Maccoby sieht das ideale Interviewerverhalten in der völligen Neutralität gegenüber Thema und Befragtem. Der Interviewer könnte, eventuell unbewusst, eine Wirkung auf die Reaktionen des Befragten, in Form von Antworten, erzielen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Problemstellung
- 2. Theorien der Befragung
- 2.1 Theories and methods in social research – Derek L. Phillips
- 2.2 Interaktion zwischen Interviewer und Befragter
- 2.3 Soziale Erwünschtheit
- 2.4 Goffman's Thesen zur Interaktion zwischen Interviewer und Befragten
- 3. Habits, Frames und Rational Choice – Hartmut Esser
- 3.1 Definition von Habits, Frames und Rational Choice
- 3.2 Anwendungen auf das Befragtenverhalten
- 3.3 Response Set
- 3.4 Kritiken
- 4. Die Beziehung zwischen Interviewstil, Verhalten des Interviewers und Befragten- verhalten
- 4.1 Das Versuchsmodell
- 4.2 Feldexperiment
- 4.2.1 Hintergründe
- 4.2.2 Codierverfahren
- 4.2.3 Effekte des Interviewstils auf das Antwortverhalten und Ergebnisse der Studie
- 5. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit den komplexen Interaktionen zwischen Interviewer und Befragtem in standardisierten Befragungen. Sie analysiert, wie der Interviewer die Antworten des Befragten beeinflusst und welche Faktoren das Phänomen der sozialen Erwünschtheit fördern. Die Arbeit untersucht die Anwendbarkeit der Theorie der rationalen Wahl auf Befragungen und betrachtet die Interaktionsprozesse in Interviewsituationen.
- Einfluss des Interviewers auf das Antwortverhalten der Befragten
- Faktoren, die die soziale Erwünschtheit in Befragungen beeinflussen
- Anwendbarkeit der Theorie der rationalen Wahl auf Befragungen
- Interaktionsprozesse zwischen Interviewer und Befragtem in Interviewsituationen
- Gültigkeit und Zuverlässigkeit von Interviewdaten
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt die Problemstellung vor und erläutert die Bedeutung von standardisierten Befragungen in der empirischen Sozialforschung. Kapitel 2 beleuchtet verschiedene Theorien der Befragung, darunter die Arbeit von Derek L. Phillips und die Interaktion zwischen Interviewer und Befragtem. Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Konzepten der Habits, Frames und Rational Choice von Hartmut Esser und deren Auswirkungen auf das Befragtenverhalten. Kapitel 4 analysiert die Beziehung zwischen Interviewstil und dem Verhalten von Interviewer und Befragtem anhand eines Versuchsmodells und eines Feldexperiments.
Schlüsselwörter
Standardisierte Befragung, empirische Sozialforschung, Interviewer-Effekte, soziale Erwünschtheit, Interaktionsprozesse, Rational Choice Theorie, Habit, Frame, Response Set, Interviewstil.
- Arbeit zitieren
- Wiebke Engler (Autor:in), 2005, Theorien der Befragung: der Einfluss von Situationsdefinitions- und Interaktionsprozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41351