Der Ausgang der Bundestagswahl 2017 hat die politische Zusammensetzung des zentralen bundesrepublikanischen Gesetzgebungsorgans gravierend verändert. Einerseits bewegen sich die Zustimmungswerte der traditionellen Volksparteien CDU/CSU und SPD mit deutlichen Verlusten auf historischem Tiefstand seit Gründung der Bonner Republik. Andererseits ist mit der AfD zum ersten Mal eine Partei in den Bundestag eingezogen, die sich programma-tisch rechts von der CDU in das Parteiensystem eingliedert (vgl. Bundeswahlleiter 2017b).
Im Gefolge dieser gesamtdeutschen Zäsur verdient ein Aspekt besondere Aufmerksamkeit: Das Wahlergebnis in den neuen Bundesländern weicht deutlich von den westdeutschen Zustimmungswerten ab. Sowohl der linke als auch der rechte Rand des politischen Spektrums sind in den ostdeutschen Bundesländern mit Die Linke und der AfD mit erheblich höherem Stimmanteilen als in den alten Bundesländern gewählt worden. In Sachsen konnte die AfD im Hinblick auf die Zweitstimmen gar als stärkste Kraft knapp vor der CDU hervorgehen. Ungeachtet der derzeitigen politischen Rahmenbedingungen und spezifischen Konstel-lationen ist das Phänomen abweichenden Wahlverhaltens in den Ländern der ehemaligen DDR jedoch keinesfalls neu. Im Gegenteil: Seit der Wiedervereinigung vor nunmehr 27 Jahren waren bei jeder Bundestagswahl sowohl bei der Stimmverteilung unter den zur Wahl stehenden Parteien als auch bei weiteren Faktoren wie etwa der Wahlbeteiligung deutliche Unterschiede zu den westdeutschen Ergebnissen festzustellen (vgl. Bundeswahlleiter 2017a).
Basierend auf der Annahme, dass das Ausmaß an politischem Vertrauen aus sozialpsychologischer Sicht Einfluss auf das Verhältnis zwischen Repräsentanten und Institutionen eines politischen Systems auf der einen und dem Elektorat auf der anderen Seite hat (vgl. Bauknecht 2007; Braun 2013; Deinert 1997 u.a), möchte die vorliegende Arbeit folgende Fragestellung untersuchen: Besteht ein Zusammenhang zwischen politischem Vertrauen und abweichendem Wahlverhalten in Ostdeutschland?
Inhaltsverzeichnis
I Einführung
II Theoretischer Rahmen
II.1 Forschungsansätze Extremwahlverhalten
II.2 Politisches Vertrauen
II.3 Politisches Vertrauen und Extremwahl
III Hypothesen
IV Operationalisierung
IV.1 Datengrundlage
IV.2 Variablen und Indikatoren
V Methodisches Vorgehen
V.1 Umcodierungen
V.2 Indexbildung
V.3 Bildung von Dummy-Variablen
V.4 Häufigkeiten, Mittelwerte, Verteilungen
V.5 t-Tests
VI Ergebnisse
VII Diskussion und Methodenkritik
VIII Anhang
VIII.1 Tabellen
VIII.2 Diagramme
VIII.3 SPSS-Syntax
IX Literaturverzeichnis
I Einführung
Der Ausgang der Bundestagswahl 2017 hat die politische Zusammensetzung des zentralen bundesrepublikanischen Gesetzgebungsorgans gravierend verändert. Einerseits bewegen sich die Zustimmungswerte der traditionellen Volksparteien CDU/CSU und SPD mit deutlichen Verlusten auf historischem Tiefstand seit Gründung der Bonner Republik. Andererseits ist mit der AfD zum ersten Mal eine Partei in den Bundestag eingezogen, die sich programmatisch rechts von der CDU in das Parteiensystem eingliedert (vgl. Bundeswahlleiter 2017b).
Im Gefolge dieser gesamtdeutschen Zäsur verdient ein Aspekt besondere Aufmerksamkeit: Das Wahlergebnis in den neuen Bundesländern weicht deutlich von den westdeutschen Zustimmungswerten ab. Sowohl der linke als auch der rechte Rand des politischen Spektrums sind in den ostdeutschen Bundesländern mit Die Linke und der AfD mit erheblich höherem Stimmanteilen als in den alten Bundesländern gewählt worden. In Sachsen konnte die AfD im Hinblick auf die Zweitstimmen gar als stärkste Kraft knapp vor der CDU hervorgehen. Ungeachtet der derzeitigen politischen Rahmenbedingungen und spezifischen Konstellationen ist das Phänomen abweichenden Wahlverhaltens in den Ländern der ehemaligen DDR jedoch keinesfalls neu. Im Gegenteil: Seit der Wiedervereinigung vor nunmehr 27 Jahren waren bei jeder Bundestagswahl sowohl bei der Stimmverteilung unter den zur Wahl stehenden Parteien als auch bei weiteren Faktoren wie etwa der Wahlbeteiligung deutliche Unterschiede zu den westdeutschen Ergebnissen festzustellen (vgl. Bundeswahlleiter 2017a).
„Ist Ostdeutschland politisch ganz anders?“ (Gabriel 2011: 157) titelt Gabriel und skizziert die als typisch ostdeutsch eingestuften Charakteristika: „Der Osten wählt nicht nur rot, die dort lebenden Wähler sind auch unkalkulierbar. Stimmenthaltung, Wechsel- und Extremwahl […] sind im Osten viel weiter verbreitet als im Westen.“ (ebd.) Während das traditionelle Bonner Zweiparteiensystem – in dem zwei starke Volksparteien in Koalition mit jeweils kleineren Bündnispartnern stabile Mehrheiten finden – auf gesamtdeutscher Ebene erst seit einigen Jahren mit ungewissem Ausgang zu erodieren droht, hat sich in Ostdeutschland schon ab 1994 ein Dreiparteiensystem aus CDU, SPD und PDS (später Die Linke) mit schwankenden Stimmenanteilen herausgebildet, das zu einer stärkeren Fragmentierung in den Landesparlamenten und dementsprechend schwierigeren Regierungsbildungsprozessen führt (vgl. Gabriel 2011; Maier/Schmitt 2002). Aber auch Parteien vom rechten Rand des Spektrums (Republikaner, DVU, NPD, seit 2013 auch AfD) haben in Ostdeutschland vielfach höhere Wahlergebnisse erzielen können als in westdeutschen Bundesländern (vgl. Bundeswahlleiter 2017a).
Basierend auf der Annahme, dass das Ausmaß an politischem Vertrauen aus sozialpsychologischer Sicht Einfluss auf das Verhältnis zwischen Repräsentanten und Institutionen eines politischen Systems auf der einen und dem Elektorat auf der anderen Seite hat (vgl. Bauknecht 2007; Braun 2013; Deinert 1997 u.a), möchte die vorliegende Arbeit folgende Fragestellung untersuchen: Besteht ein Zusammenhang zwischen politischem Vertrauen und abweichendem Wahlverhalten in Ostdeutschland?
II Theoretischer Rahmen
II.1 Forschungsansätze Extremwahlverhalten
Der Ursachenforschung für das Extremwahlverhalten in West- und Ostdeutschland hat sich bereits eine Vielzahl von Studien mit jeweils verschiedenen Perspektiven gewidmet. Bereits in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung ist ein umfangreicher Fundus verschiedener empirischer Befunde und Erklärungsansätze entstanden, wie Deinert systematisierend aufzeigt (vgl. Deinert 1997: 17ff). Dabei kristallisieren sich im Wesentlichen vier verschiedene Fokuspunkte empirischer Forschung heraus:
Sozialstrukturelle Analysen zeigen einen Einfluss von Determinanten wie Geschlecht, Alter, objektive und subjektive Deprivation und Kirchen- und Gewerkschaftsbindung auf. Demnach lassen sich Tendenzen für politische Unterstützung für bestimmte Parteien oder auch der Stabilitätsgrad von Wahlentscheidungen durch verschiedene soziokulturelle und sozioökonomische Merkmale des Elektorats erklären. Ein detaillierter Einblick in Erkenntnisse der Sozialstrukturanalyse kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Allerdings sei diesbezüglich auf die Analysen bzw. Metaanalysen von Deinert 1997, Maier/Schmitt 2002 und Gabriel 2011 verwiesen.
Ein weiterer Analysefokus ist der Einfluss vom Grad der Parteiidentifikation anhand klassischer gesellschaftlicher Konfliktlinien. Zwar zeigt Kellermann, dass der Anteil derer, die sich in westlichen Demokratien anhand dieser Cleavages mit den jeweiligen Parteien identifizieren, allgemein abnimmt (vgl. Kellermann 2008: 73ff). Jedoch zeigt Ostdeutschland bedingt durch Eigenheiten der Sozialisationsprozesse und der politischen Transformation nach 1990 ein deutlich niedrigeres Niveau an Parteibindung als Westdeutschland (vgl. Kellermann 2008: 75). Dies fördert ein höheres Maß an Wechsel- und Extremwahl und Wahlentscheidungen anhand kurzfristiger Faktoren (Maier/Schmitt 2002).
Spezifische Persönlichkeitsmerkmale, d.h. belief systems als generelle Haltungen statt kurzfristiger Themenorientierungen, können im Zusammenspiel spezifische Persönlichkeiten konstituieren (vgl. Schumann 1990: 43). Diese Persönlichkeiten stehen in engem Zusammenhang mit der Präferenz für die Parteien, die jene Einstellungen am (öffentlichkeits-)wirksamsten im Prozess politischer Willensbildung thematisieren. Extremistische Persönlichkeitsmerkmale wie beispielsweise Antisystemorientierung, Ausländerfeindlichkeit oder Sozialismusorientierung können demnach auch zu deviantem Wahlverhalten führen (Deinert 1997: 47ff).
Empirische Untersuchungen zu politischer Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit folgen der These, dass „die Wähler weniger aus ideologischen, sondern vielmehr aus taktischen Gründen eine extreme Partei wählen“ (Deinert 1997: 53) und damit ihren Protest gegenüber den etablierten Parteien ausdrücken. Auch Wechselwahlverhalten oder Wahlenthaltung können hierdurch bedingt sein. In der Bandbreite verschiedener Indikatoren politischer Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit stellt das Vertrauen in politische Institutionen einen gewichtigen Faktor dar.
II.2 Politisches Vertrauen
Vertrauen spielt in verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen eine Rolle. Damit verbunden ist ein Mangel an konzeptueller Trennschärfe (vgl. Kaina 2009: 182ff). Im Folgenden soll der Terminus konkretisiert und differenziert sowie eine Arbeitsdefinition für politisches Vertrauen geschaffen werden, um die eingangs gestellte Forschungsfrage operationalisierbar machen zu können.
Vertrauen gilt als eine Form von Einstellung, „eine auf bestimmte Standards und Erwartungen gestützte Orientierung auf Objekte.“ (Gabriel et al. 2002: 52) Darauf gründen sich Wahrnehmungen und Vorstellungen von stabilen erwartbaren Verhaltensweisen anderer Personen bzw. Objekte im Allgemeinen. Diese Art von Beziehung ermöglicht es beiden Seiten, auf Kontrollausübung zu verzichten und damit Transaktionskosten zu minimieren, trägt aber stets auch das Risiko, enttäuscht zu werden (vgl. Braun 2013: 40f). Wie Braun weiter ausführt, sind relationales und generalisierbares Vertrauen zu unterscheiden. Ersteres beschreibt die symmetrischen Vertrauensbeziehungen zwischen konkreten Menschen innerhalb von Netzwerken. Generalisierbares Vertrauen hingegen beschreibt asymmetrische Vertrauensverhältnisse gegenüber staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Institutionen (vgl. Braun 2013: 41ff). Das Vertrauen in politische Institutionen ist folglich in die zweite Gruppe einzuordnen und beschreibt das Vertrauensverhältnis zwischen Eliten und Bürgern, Repräsentanten und Repräsentierten, Regierenden und Regierten. Politisches Vertrauen ist als „Einstellung gegenüber politischen Objekten […] Teil der politischen Kultur einer Gesellschaft.“ (Bauknecht 2007: 22). Im Gegensatz zu relationalem Vertrauen repräsentiert es keine direkte Beziehung, sondern ist auf die Informationsvermittlung durch u.a. Massenmedien angewiesen (vgl. Braun 2013: 45).
Nach Easton ist politisches Vertrauen stets eine Form politischer Unterstützung (vgl. Easton 1975: 436). Er unterscheidet zwei Arten von Unterstützung. Spezifische Unterstützung bezieht sich auf die Zufriedenheit mit der Leistung eines politischen Objektes. Diffuse Unterstützung ist hingegen als stabilere affektive Bewertung eines Objektes nicht an temporäre Performanz gebunden, sondern an langfristige positive Einstellungen, die auch temporäre Minderleistungen des politischen Objektes tolerieren (vgl. Easton 437ff). Langanhaltende Enttäuschungen auf spezifischer Ebene können aber auch die diffuse Unterstützung negativ beeinflussen.
Die politischen Institutionen lassen sich in parteienstaatliche und rechtsstaatliche Institutionen unterteilen (vgl. Bauknecht 2007; Braun 2013; Deinert 1997). Wenngleich beide Kategorien eher diffuse Unterstützung erfahren, sind parteienstaatliche Institutionen, also Regierungen, das nationale Parlament und die Parteien auch Akteure politischer Entscheidungsfindung. Wie Deinert anmerkt, werden diese vom Bürger also auch stärker für den konkreten Leistungsoutput (Deinert 1997: 91) verantwortlich gemacht und schneiden daher die Sphäre des Spezifischen nach Easton. Das Vertrauen zu rechtsstaatlichen Institutionen, also Institutionen der Exekutive und Judikative, ist hingegen weniger performanzabhängig. Die Bürger haben gegenüber diesen keine konkrete Exit-Option, weshalb Vertrauen in Institutionen wie die Polizei oder Gerichte für das politische Vertrauen und mithin die Stabilität eines politischen Systems noch wichtiger ist (vgl. Bauknecht 2007: 30f).
Untersuchungen des politischen Vertrauens in Ostdeutschland sind notwendigerweise vor dem Hintergrund der Spezifika einer postsowjetischen, posttotalitären Gesellschaft zu betrachten. Durch den Status als neue Demokratie sind die Erfahrungen mit den verschiedenen politischen Institutionen nicht so weit zurückreichend wie in den westdeutschen Bundesländern, wodurch tendenziell eine weniger von Vertrauen geprägte institutionelle Bindung anzunehmen ist. Hinzu kommen die teilweise schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen in der Nachwendezeit, die den Aufbau spezifischer und langfristig auch diffuser politischer Unterstützung erschwert haben könnten. Nach Braun ist das gemessene politische Vertrauen in Ostdeutschland allerdings signifikant höher als in allen anderen osteuropäischen Ländern und nähert sich dem Westniveau an (Braun 2013: 77). Dies führt Braun auf die Sonderfallstellung der Systemtransformation der DDR im Vergleich zu, die erstens von einer Integration in ein bereits bestehendes politisches System geprägt war und zweitens durch die mediale Auseinandersetzung der DDR-Bürger mit Westfernsehen bereits in begrenztem Umfang von Bindung und Erwartungshaltung profitierte.
II.3 Politisches Vertrauen und Extremwahl
Was leistet politisches Vertrauen bei der Konsolidierung politischer Systeme? Politische Institutionen sind zur Wahrung ihrer Funktionsfähigkeit darauf angewiesen, öffentliche Unterstützung zu erhalten. Wie Gabriel darüber hinaus ausführt, „leistet politisches Vertrauen einen unverzichtbaren Beitrag zur Integration einer politischen Gemeinschaft (Gabriel 1999: 202). Fehlendes politisches Vertrauen hingegen macht sich in einer stärkeren Fragmentierung der Gesellschaft bemerkbar. Bauknecht führt weiterhin eine generelle Steigerung der Effizienz gesellschaftlicher Regelungsprozesse durch wechselseitiges Vertrauen an. Potenziell negativ könnte sich ein zu hohes Maß an Vertrauen allerdings auf die Bereitschaft des Bürgers auswirken, sich Informationen zu beschaffen und Kontrolle auszuüben (vgl. Bauknecht 39ff).
Die Abwahl einer Regierungsmehrheit ist ein im politischen System der BRD vorgesehenes Instrument politischer Willensbildung. Die Wahl einer Oppositionspartei bei Wahrnehmung mangelnder Performanz „mit dem Ziel des Regierungswechsels ist also ein angemessenes und institutionell vorgesehenes Protestinstrument.“ (Deinert 1997:109). Sollten allerdings die gesamten etablierten parteienstaatlichen Institutionen mit Vertrauensverlust behaftet sein, funktioniert dieser Mechanismus nicht in seiner ursprünglichen Form. Die Wahl einer nichtetablierten Partei vom politischen Rand scheint folgerichtig. Extremwahl kann allerdings auch Ausdruck eines tiefergehenden Bruchs mit den rechtsstaatlichen Institutionen sein (vgl. ebd.).
III Hypothesen
Auf der Grundlage der oben dargelegten theoretischen Grundlagen sollen im Sinne der Forschungsfrage nun die folgenden Hypothesen aufgestellt werden.
1. Ost- und Westdeutschland unterscheiden sich hinsichtlich ihres gemessenen politischen Vertrauens.
2. Die Präferenz von Parteien des linken und rechten Randes des politischen Spektrums steht in Ostdeutschland in einem Zusammenhang mit politischem Vertrauen. Niedriges politisches Vertrauen fördert die Wahl nicht etablierter, extremer Parteien.
3. Die Wahlbeteiligung in Ostdeutschland steht in einem Zusammenhang mit dem politischen Vertrauen. Niedriges politisches Vertrauen begünstigt die Wahlenthaltung.
Aufgrund der jüngeren Debatten um die Rolle der Medien und dem stärker werdenden Vorwurf tendenziöser Berichterstattung sollen überdies folgende Hypothesen geprüft werden:
4. Das Vertrauen zur zivilgesellschaftlichen Institution der Medien ist in Ostdeutschland geringer als in Westdeutschland.
5. Das Vertrauen zu den Medien steht in Ostdeutschland ebenfalls in Zusammenhang abweichendem Wahlverhalten.
IV Operationalisierung
IV.1 Datengrundlage
Die Datengrundlage der vorliegenden Forschungsarbeit bildet der kumulierte Datensatz der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage Sozialwissenschaften ALLBUS Kumulation 1980 - 2014 (vgl. GESIS 2016a). Die ALLBUS-Befragung wird im westdeutschen Bundesgebiet seit 1980 und seit 1990 in ganz Deutschland jedes zweite Jahr durchgeführt. Um eine ausreichend große Zahl an Studienteilnehmern für Analysen in den neuen Bundesländern zu gewährleisten, sind Ostdeutsche im Datensatz überrepräsentiert. Um dieses Übergewicht in gesamtdeutschen Analysen zu berücksichtigen, sind verschiedene Gewichtungsfaktoren vorhanden. Als Trenderhebung ist es erklärtes Ziel eine „gesellschaftliche […] Dauerbeobachtung von Einstellungen, Verhalten und sozialem Wandel“ (GESIS 2016b: IV) durchzuführen. In den jeweiligen Querschnittserhebungen wird eine Vielzahl unterschiedlicher Schwerpunktthemen sozialwissenschaftlichen Interesses abgebildet. Das GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften stellt Interessierten die Datensätze kostenlos zur Verfügung. Jede ALLBUS-Befragung hat neben festen Frageblöcken auch spezifische Themenschwerpunkte und kleinere Frageblöcke zu einzelnen Themengebieten, die im Abstand von vier bis sechs Jahren erneut erhoben werden. Der in dieser Arbeit verwendete kumulierte ALLBUS-Datensatz ist der gegenwärtig aktuellste in kumulierter Form und umfasst alle Querschnittserhebungen seit 1980 mit Ausnahme der neuesten von 2016. Die Grundgesamtheit des Datensatzes stellen alle in Privathaushalten der Bundesrepublik Deutschland lebenden Personen dar, die zum jeweiligen Befragungszeitpunkt 18 Jahre oder älter waren. „Ausländische Zielpersonen wurden seit 1991 in die ALLBUS-Befragungen aufgenommen, jedoch zu den systematischen Ausfällen gezählt, sofern die Deutschkenntnisse unzureichend waren (vgl. GESIS 2016b: X). Die Auswahl erfolgte zwischen 1980 und 1992 sowie 1998 durch eine mehrstufig geschichtete Zufallsauswahl aus allen Privathaushalten. 1994 und 1996 sowie ab 2000 fand eine disproportional geschichtete Zufallsauswahl in zwei Stufen statt. Als Erhebungsverfahren wurden mündliche Befragungen mit standardisiertem Fragebogen angewandt, bis 1998 als PAPI, ab 2000 als CAPI. Der Datensatz umfasst insgesamt 61.194 Befragte und 1.936 Variablen (vgl. ebd.).
IV.2 Variablen und Indikatoren
Die unabhängige Variable in vorliegender Untersuchung ist das gemessene politische Vertrauen. Analog zu den in III dargelegten Grundannahmen soll politisches Vertrauen jedoch nicht global Eingang in die Untersuchung finden, sondern in zwei separate Variablen unterteilt werden: Vertrauen in parteienstaatliche Institutionen und Vertrauen in rechtsstaatliche Institutionen. Mithilfe dieser separaten Betrachtung sind differenziertere Ergebnisse mit höherer Aussagekraft möglich. Wie u.a. Deinert ausführt, sind für beide Kategorien unterschiedliche Ergebniswerte zu erwarten (vgl. Deinert 1997: 104ff). Darüber hinaus lassen sich im Hinblick auf die unten ausgeführten Kategorien von Extremwahlverhalten genauere Zusammenhänge aufzeigen. In einem weiteren Schritt soll in Hinblick auf die Hypothesen 4 und 5 zudem das Vertrauen in Medien als dritte unabhängige Variable genutzt werden. Falter zeigt, dass Zeitungen und Fernsehen unter Sympathisanten und Anhängern der Rechtsparteien deutlich höhere Vertrauenswerte erzielen als die parteienstaatlichen Institutionen (Falter 1994: 121). Vor dem Hintergrund der aktuellen Kontroversen um die Rolle von Medien in der Bundesrepublik sollen mit der Aufnahme dieser dritten unabhängigen Variable Rückschlüsse auf den Zusammenhang mit der Wahl extremer Parteien innerhalb des Erhebungszeitraums gezogen werden können.
Die Datengrundlage für die drei verschiedenen unabhängigen Variablen ist der Fragenblock „Vertrauen in öffentliche Einrichtungen und Organisationen“ der ALLBUS-Befragung, der in seinen Items insgesamt 21 verschiedene Vertrauensobjekte abbildet. Diese lassen sich in parteienstaatliche, rechtsstaatliche, externe und zivilgesellschaftliche Institutionen unterscheiden. In jeder dieser Frageitems wird das Vertrauen in die entsprechenden Institutionen mit einer Skala von „Überhaupt kein Vertrauen“ bis „Sehr großes Vertrauen“ abgefragt. Als Indikatoren für Vertrauen in parteienstaatliche Institutionen dienen gemäß theoretischen Herleitung das Vertrauen in den Bundestag, in die Bundesregierung und in die politischen Parteien. Indikatoren, die für das Vertrauen in rechtsstaatliche Institutionen Ausschlag geben könnten umfassen das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht, die Stadt- und Gemeindeverwaltung, die Bundeswehr, die Justiz und die Polizei. Weitere externe (z.B. das europäische Parlament) sowie zivilgesellschaftliche Institutionen (z.B. Gewerkschaften) sollen in dieser Analyse keine Berücksichtigung finden. Von einer Aufnahme von Indikatoren für Demokratiezufriedenheit und den verschiedenen Variablen von Zufriedenheit politischer Performanz aus dem Fragenblock „Politische Einstellungen und Partizipation“ soll abgesehen werden, da diese in umstrittenen und komplexen Interdependenzen mit politischem Vertrauen stehen und der Forschungsansatz dieser Untersuchung bei Aufnahme dieser Indikatoren verwässert werden würde. (vgl. Deinert 1997).
Die abhängige Variable ist abweichendes Wahlverhalten im Sinne von Extremwahl und Wahlenthaltung. Um Missverständnissen vorzubeugen sei darauf hingewiesen, dass sich die Begrifflichkeiten Extremwahlverhalten, extreme Parteien, Linkswahl oder Rechtswahl lediglich auf die Verortung der Parteien an den jeweiligen Rändern des politischen Spektrums beziehen. Eine inhaltliche Bewertung der entsprechenden Parteien oder eine Aussage darüber, ob diese eventuell verfassungsfeindlich oder gar verfassungswidrig sind, ist damit nicht verbunden und eine Positionierung hierzu in dieser Studie irrelevant. Um einer potenziell problematischen Verwischung von Aussagen zu Links- und Rechtswahl zu begegnen, soll abweichendes Wahlverhalten für linke und rechte Parteien separat erfasst werden. Dies fördert einen differenzierten Blick und ermöglicht das Herausstellen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Links- und Rechtswahl bezüglich des Zusammenhangs mit politischem Vertrauen. Desweiteren soll als dritte Kategorie der abhängigen Variable die Wahlenthaltung auf einen Zusammenhang mit gemessenem politischen Vertrauen analysiert werden.
[...]
- Citation du texte
- B.Ed. Georg Langner (Auteur), 2017, Zusammenhang zwischen politischem Vertrauen und abweichendem Wahlverhalten in Ostdeutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/413352
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