Diese wissenschafliche Forschungsarbeit untersteht der Musikethnologie und behandelt die Musikvielfalt der traditionellen Musik Ozeaniens am Beispiel von Neukaledonien (Kanak-Kaneka IV).
Der zeitliche Rahmen der Arbeit beginnt in den frühen Jahren des 20. Jh. und endet mit ozeanischen Pop Größen der heutigen Zeit.
Der geographische Umfang beschränkt sich nicht nur auf Neukaledonien, sondern auch auf Australien und Neuseeland sowie auf umliegende Inselgebiete.
Die Arbeit bildet eine wissenschaftliche Basis für Studenten der Musikwissenschaft mit Schwerpunkt Musikethnologie, ist jedoch zugleich auch Lektüre für den Musikliebhaber Abseites europäischer Musik.
Inhaltsübersicht
2. Vorwort
3. Erste ausser-ozeanische Einflüsse auf die traditionelle Musik Ozeaniens am Beispiel von NeukaledonienKanak-Kaneka.
4. Instrumente und Ensembles zeitgenössischer Musik
5. Die brass band
5.1. Brass bands auf Papua Neuguinea
5.2. Brass bands auf Tonga
5.3. Brass bands auf Hawaii
6. Akkuluration der Chordaphone
6.1. String bands auf Papua Neuguinea
6.2. String bands auf Vanuatu
7. Gitarrensongs auf Papua Neuguinea
8 Gumleaf bands auf Australien
8.1. Bagpipe bands auf Australien
8.2. Folk music auf Australien
8.3. Country music
8.4. Pop auf Australien
8.5. Aboriginal rock
9. Die club scene auf Hawaii
9.1. Reggae auf Hawaii (Jawaiian), Reggae Allgemein
10. Literaturverzeichnis
2. Vorwort
Auf den folgenden 30 Seiten möchte ich auf leichte, allgemein verständliche Art und Weise, aber doch auf (Musik)wissenschaftlicher Ebene einen kurzen Überblick über die momentane zeitgenössische Musik in Ozeanien geben. Ich beginne mit einer allgemeinen Übersicht über die ersten ausser-ozeanischen Einflüsse auf die traditionelle Musik am Beispiel von Neukaledonien, da man diese in etwa auf gesamt Ozeanien anwenden kann und behandle hier die Kaneka Musik. Weiters gehe ich, wiederum übersichtsmässig, auf die brass-und string bands ein, auf die Gitarrensongs, gehe dann weiter nach Australien, wo ich über die zeitgenössischen Gattungen schreibe und am Ende der Arbeit behandle ich den Reggae und die Musikszene auf Hawaii.
Ich behandle die Themen nur übersichtsmässig, da diese Arbeit sonst den Rahmen einer Seminararbeit sprengen würde.
Bedanken möchte ich mich bei allen, die mir mit ihren Artikeln und ihren Büchern, bei der doch schwierigen Aneignung des Feedbacks und bei den Recherchen, geholfen haben. Dieser Dank betrifft alle im Literaturverzeichnis angeführten Autoren, an erster Stelle jedoch Univ. Doz. Dr. Raymond Ammann, der in seinem Seminar und der Vorlesung den Grundstein für diese Arbeit gelegt hat.
3. Erste ausser-ozeanischen Einflüsse auf die traditionelle Musik Ozeaniens am Beispiel von Neukaledonien. Kanak-Kaneka
Die ersten Einflüsse auf die traditionelle Musik in Neukaledonien waren äusserst massiv und hatten sehr weitreichende Folgen. Die Musik der Ureinwohner Neukaledoniens war bis zu diesen ersten Kontakten mit anderen Kulturen eine Musik der Natur. Es gab keinen Maschinen-, Autolärm, Computer-und Handygeräusche, keinen Lärm wie wir ihn in unserer heutigen zivilisierten und industrialisierten Welt kennen, sondern es waren nur die Geräusche der Natur hörbar wie z.B.: Wind, Brandung, Regen, Stürme, Donner, Blitz, Tiere einerseits und andererseits Geräusche, die der Mensch selbst verursacht , z. B. Arbeitsgeräusche, Gespräche, Rituale und Zeremonien .
Heute steht der Grossteil Ozeaniens, bzw. Neukaledoniens unserer westlichen Welt kaum noch hinterher, man findet dort, auf den Bereich der Musik bezogen, auch diese zeitgenössischen Erscheinungen, die wir kennen, wie z.B.: Pop-, und Rock Musik, Schlager, Charts, usw..
Es stellt sich nun die Frage, wie kam es zu diesen Veränderungen, wer war daran beteiligt und was verstehen die Ozeanier heute unter zeitgenössischer Musik?
Beginnen wir mit der Suche nach Antworten am Beginn der neueren Ozeanischen Geschichte.
Der erste „grössere Kontakt“ mit einer ausser-ozeanischen Kultur ereignete sich im Jahre 1774, als der Seefahrer und Abenteurer James Cook, in Begleitung der deutschen Naturwissenschafter Reinhold und Georg Forster, Neukaledonien betrat. Dieses Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen hatte fatale Auswirkungen auf die Kanak, die Ureinwohner der Insel. Von über 100.000 Einwohner im 18.Jh., als Cook auf die Insel stiess, sank die Einwohnerzahl auf rund 17.000 im Jahre 1921. Grund für diesen drastischen Bevölkerungsverlust war wohl der wahrscheinlich ungewollte Import von europäischen Krankheiten wie Masern, Grippe, Lepra, Tuberkulose,..., gegen welche das Immunsystem der Kanak keinerlei Abwehrkräfte hatte. Es wurden also ganze Stämme dahingerafft, mit ihnen auch ihre Geschichte, ihre Tänze und ihre Musik, denn notierte Musik gab es nicht, alles war mündlich tradiert worden. Neben den Krankheiten führte auch die Einführung von Alkohol und dessen Missbrauch durch die Bevölkerung zum Verlust der traditionellen Musik.
Doch der gravierendste Einfluss auf die Musik der Kanak begann im Jahre 1843, als Missionare im Auftrag ihres Ordens die Insel betraten. Es etablierten sich zunächst zwei Glaubensrichtungen: protestantisch und katholisch. Die Missionare lehrten nicht nur die christliche Botschaft und das Gebet sondern sie brachten den Kanak auch das Singen von einfachen Chorälen bei. Nach nur kurzer Zeit sangen die einzelnen Stämme polyphone kirchliche Lieder, Hymnen, Litaneien und sie bedienten sich auch der Schlitztrommel aus Bambus, die bis dato in Neukaledonien unbekannt gewesen war.
Unter französischer Verwaltung, wurden die Oberhäupter der einzelnen Stämme gezwungen, ihr Land an Napolèon III. abzugeben, weiters erliessen die Franzosen Gesetze, die das Aufführen von Tänzen unter Androhung von Gefängnisstrafe verboten. Durch diese Erlässe kam es zum Verlust eines weiterer Teiles der traditionellen Musik und des Tanzes , wie etwa der pilou-pilou Tanz, bei dem sich mehrere Stämme trafen und oft die ganze Nacht die jeweiligen Tänze und Lieder präsentierten.
Als der deutsche Ethnologe Hans Neumann in den 30er Jahren Tonaufnahmen von traditioneller Musik machen wollte, war es für ihn unmöglich , wirklich alte, überlieferte Gesänge ausfindig zu machen. Die gesamte Musik der Kanak hatte einen unüberhörbaren europäischen Einfluss erhalten, es wurde in Dur und Moll gesungen, weiters wurden parallele Terzen und Sexten gesungen, es wurden Tonika, Subdominante und Dominante, Dominant-Sept-Akkorde verwendet, usw..
Als im zweiten Weltkrieg imJahre1942 mehr als 130.000 amerikanische Soldaten auf Neukaledonien stationiert wurden, bedeutete dies das endgültige „Aus“ für die Musik der Kanak, sie übernahmen sowohl die Instrumente der Besatzung Gitarren, Schlagzeug, Keyboards als auch ihre Musikstile wie Jazz, Blues, Country, Swing, Pop, Rock, R&B, ...
Durch die politischen Ereignisse 1986 unter Jean-Marie Tjibaou und diverse melanesische Festivals etablierte sich eine neue Musikgattung, bzw. Musikstil: Kaneka[1] ; der Begriff stammt vom französischen Wort für die Einheimischen Kanak ab. Er ermutigte die Jugend, Protestlieder für die Unabhängigkeit zu schreiben, also politische Nachrichten in Musik zu verpacken, um sie einem breiten Publikum mitteilen zu können. Dieser neue Stil ist heute die populärste zeitgenössische Musik in Neukaledonien, sie wird hauptsächlich von der Jugend gehört, bzw. gemacht. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei Kaneka um die Klänge, um die Musik der Vorfahren, die mit traditionellen Percussionsinstrumenten gespielt wird.
Die bereits erwähnten Ereignisse im Jahre 1986, können als „Geburtsstunde“ von Kaneka angesehen werden. Damals traf sich eine Gruppe junger Musiker mit dem Ziel , die Musik ihrer Vorfahren in einem modernen Stil wiederzugeben, es wurden Reggae, Folk ,Rock... als Vorbild verwendet, ältere Einheimische kritisierten jedoch die Einbindung dieser Stile, da dadurch die Authentizität verloren gehe. Die Sprache, in der die Texte verfasst sind, ist natürlich die traditionelle Kanak Sprache, sofern sie noch vorhanden ist; die Themen sind hauptsächlich politisch eingefärbt oder sie singen von Problemen und Ängsten der einheimischen Jugend.
Das verwendete Instrumentarium erstreckt sich von modernen elektronischen Instrumenten, wie Syntheziser, Panflöten, Harmonikas oder E-Gitarren bis hin zu Rindengegenschlägern und Bambusstampfröhren, wobei das Hauptaugenmerk auf die Ersteren fällt, da diese nur auf Neukaledonien vorkommen und sozusagen ein Aushängeschild dieser Insel sind. Beim Spiel werden je zwei Rinden, die mit Gras oder Blättern gefüllt sind, aneinander geschlagen, es sind also Idiophone.
Der Rhythmus in der Kaneka Musik ist ebenfalls authentisch und kann in Vokal und Instrumental aufgeteilt werden, Pfeifen, Trillern, Murmeln,... begleitet die Percussionsinstrumente, wie Bambusstampfröhren und Rindengegenschlägern. Insgesamt gibt es auf Neukaledonien zwei Grundrhythmen: einerseits zweizeitig (pilou-pilou Rhythmus), also zwei Schläge und andererseits vierzeitig, d.h. vier Schläge (wird nicht oft verwendet). Die meisten Kaneka Songs beginnen mit den Rindengegenschlägern, die den pilou-pilou Rhythmus vorgeben, als nächstes setzt der Syntheziser mit den Harmonien ein, dann der E-Bass, usw...
Die Melodien sind nicht traditionell, es sind meistens Melodien aus der westlichen Popularmusik, die übernommen werden. So z.B.: basiert der Song „Pour Toi Lulu“, gespielt von der Gruppe Bwanjep auf dem Beatles Klassiker „Let it be“.
Natürlich gibt es mehrere Erscheinungsformen von Kaneka, so ist dieser Musikstil z.B.: auf den Loyaltiy-Inseln (Ouvea, Lifou, Mare, Ile de Pins) unterschiedlich gegenüber Neukaledonien. Hier wird mehr Wert auf Polyphonie, also auf Mehrstimmigkeit gelegt, dies wird wahrscheinlich durch die mehrstimmigen protestantischen Kirchenlieder hervorgerufen, die taperas und doh genannt werden und auch heute noch bei den jungen Einheimischen sehr beliebt sind. Auch sind die Kaneka Musiker auf den Loyality-Inseln kombinationsfreudiger als die Neukaledonier, sie verwenden Trompeten und Flöten in ihrer Musik, weiters benützen sie auch andere Rhythmusmuster.
Unüberhörbar sind die Einflüsse des Reggae in Kaneka, dies spiegelt sich in dem Song „Kaneka“ von der Gruppe Krysband wieder, wo es heisst „Kaneka is our reggae“ also, Kaneka ist unser Reggae (Ammann Raymond 1997: 19). Vor allem die E-Gitarren und E-Bass Partien sind sehr eng mit dem Reggae verbunden.
Heute bedeutet Kaneka die Identifikation mit der Tradition, mit der Geschichte des Stammes und mit der Herkunftsregion. Die jungen Kanak lernen so über ihre Geschichte und ihre Vergangenheit, sie lernen die Musik, die Gesänge und Tänze ihrer Vorfahren kennen, soweit dies noch möglich ist.[2]
Natürlich könnte man die Liste der ausser-ozeanischen Einflüsse auf die traditionelle Musik noch um vieles erweitern. Die weitreichendsten habe ich im Artikel bereits erwähnt, das Jahr 1774 mit der Ankunft von James Cook, das Jahr 1843 mit dem Eintreffen der Missionare, die Franzosen und der Zweite Weltkrieg. Eine weitere wichtige Periode, die in diesem Artikel fehlt, ist die Zeit von 1900-1950. Begriffe wie Blackbirding, Weltausstellungen, Expeditionen (z.B.: Kaiserin-Augusta-Fluss Expedition) und schliesslich der Erste und Zweite Weltkrieg mit den Cargo Kulten erweitern die ausser-ozeanischen Einflüsse.
Jegliche fremde Musik sowie Instrumente wurden von den Einheimischen übernommen, sprich akkulturisiert. Dies trifft nicht nur auf Neukaledonien zu, sondern auf ganz Ozeanien. Eine Schlüsselrolle in dieser Entwicklung spielt die Figur des John Fr um, er war der Einzige, der sich gegen fremde Einflüsse zur Wehr setzte, er predigte von Tradition und eigener Geschichte, was bei den Einheimischen grossen Anklang fand. Und eben seit diesem John Frum werden eigene, traditionelle Musik und die eigenen Instrumente, soweit sie noch vorhanden sind, an erste Stelle gestellt.
[...]
[1] Ammannn, Raymond, Kanak Dance and Music, S.1-9
[2] Ammann, Raymond „How Kanak is Kaneka Music? The Use of Traditional Percussion Instruments in the Modern Music of the Melanesians in New Caledonia.“ The World of Music, Vol.40, S.9-25
- Citation du texte
- Mag. Herbert Bahl (Auteur), 2004, Zeitgenössische Musik in Ozeanien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41322
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