Die große Frage, die in dieser Arbeit beantwortet werden soll, ist, ob es bestimmte Regeln gibt, die die Verfasser von Texten für die Boulevardpresse befolgen, um ihre Leserschaft zu erreichen. Haben diese Texte ein bestimmtes Muster oder beinhalten sie Strategien, durch deren Einsatz eine prominente Person in einem positiven oder negativen Licht dargestellt werden kann? Gibt es sprachliche Strategien, durch deren Hilfe die Boulevardpresse ein Image vermittelt? Welche Strategien sind das und wie kann man diese beschreiben? Diese Fragen werden im Laufe der Untersuchung beantwortet.
Aus der Fragestellung ergibt sich nun eine Hypothese, die anhand der Untersuchung eines weitreichenden Korpus aus unterschiedlichen Boulevardzeitungen bestätigt werden soll. Diese besagt, dass die bei der deutschen Bevölkerung vorherrschende Meinung über eine prominente Persönlichkeit durch ein Image bestimmt wird, welches die Boulevardpresse bewusst vermittelt. Dies wird erreicht, indem die Boulevardtexte mithilfe bestimmter Strategien verfasst werden, die den Leser beeinflussen und seine Meinung bilden sollen. Diese Strategien zielen vor allem darauf ab, in den Lesern Emotionen zu wecken und damit deren Aufmerksamkeit und Zustimmung zu sichern. Diese Hypothese soll belegt werden, indem ein speziell für diese Arbeit angelegtes Textkorpus linguistisch analysiert wird, der sich konkret aus über 450 Artikeln aus der Boulevardpresse zusammensetzt. Die Artikel haben die Person Bettina Wulff zum Thema und sind zwischen Mai 2010 und Dezember 2012 erschienen, sodass alle Ereignisse von der Wahl Ihres Mannes zum Bundespräsidenten, über ihre Zeit als First Lady, die Buchveröffentlichung bis zur Trennung von Christian Wulff abgedeckt sind.
Inhalt
0. Einleitung
1. Zur Begriffsklärung
1.1. Forschungsstand zur Boulevardpresse
1.2. Das Image
1.3. Der Klatsch um prominente Personen
2. Das Korpus
3. Die Strategie der Emotionalisierung
3.1. Emotionsausdrückende und Emotionsbezeichnende Lexeme
3.2. Perspektivierung/ emotionale Bewertung
3.3. Semantisches Feld Opfer/ Kampf
3.4. Semantisches Feld Liebe/ Fürsorge nach MITTELBERG (1967: 28-37)
3.5. Skandalisierung
4. Familiarisierung
4.1. Wir-Verständnis/ direkte Rede
4.2. Einblick in privates Familienleben
4.3. Berufen auch Autorität nach KLEIN (1994: 4-7)
5. Kategorie der Weiblichkeit
5.1. Kategorie der Äußerlichkeiten nach STIMNIKER (2008)
5.2. Traditionelle Frauenrolle
6. Oberschicht vs. Volksnähe
6.1. Semantisches Feld Oberschicht
6.2. Semantisches Feld Volksnähe/ Die Frau Wulff von nebenan
7. Fazit
8. Bibliographie
8.1. Literaturverzeichnis
8.2. Online-Quellen
8.3. Korpusquellen
0. Einleitung
Das Jahr 2010 war ein bedeutendes Jahr für die Bundesrepublik Deutschland. Begleitet vom Lärm der Vuvuzelas belegte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Südafrika den dritten Platz, eine Abiturientin aus Hannover gewann als erste Deutsche seit 1982 den Eurovision Song Contest in Oslo und nach dem Rücktritt von Horst Köhler wurde der Ministerpräsident der CDU, Christian Wulff, zum neuen Bundespräsidenten gewählt. An seiner Seite eine große, blonde Frau, Mitte 30 - Bettina Wulff. Die zweifache Mutter ist eine Kuriosität für die deutsche Politik, denn mit ihrer Jugend und Schönheit erntet sie so viel Aufmerksamkeit von den Medien, wie es sonst nur Stars aus dem Showbusiness vorbehalten ist. Sei es das Tattoo, das Kleid beim Bundespresseball oder die Haltung beim Staatsbesuch - alles wird von den Massenmedien genauestens unter die Lupe genommen. Die Wulffs werden als „glamourös“ gefeiert, mit Königspaaren verglichen und Bettina als Vorbild gehandelt. Nach weniger als zwei Jahren jedoch ist der Traum bereits vorbei - Christian Wulff soll seine Machtposition missbraucht und sich und seiner Familie finanzielle Vorteile verschafft haben, woraufhin er zurücktritt. Auch für Bettina Wulff ist die Zeit als Deutschlands First Lady, die von den Medien gepriesen und mit Frauen wie Grace Kelly, Michelle Obama und Jackie Onassis in einem Atemzug genannt wurde, schlagartig vorbei. Allerdings steht zu diesem Zeitpunkt eher ihr Ehemann für die Presse im Vordergrund, sie selbst wird weniger erwähnt. Einige Monate nach dem Rücktritt ihres Mannes macht Bettina jedoch erneut Schlagzeilen. Diesmal durch gerichtliche Schritte, die sie gegen die Verbreitung von Gerüchten einleitet, die behaupten sie wäre in der Vergangenheit als Prostituierte tätig gewesen, außerdem mit der Veröffentlichung ihrer Memoiren. Doch nun hagelt es statt Lob Hohn, Kritik und Mitleid auf die Frau des ehemaligen Bundespräsidenten. Genau wie bei vielen anderen Prominenten sind Negativ-Schlagzeilen nun weitaus häufiger zu finden. Anfang Januar 2013 erreichte Deutschland dann die Nachricht über die Trennung des Ehepaares Wulff.
Ein Großteil der Medien Deutschlands berichten über den Aufstieg und Fall des Ehepaares Wulff. Da Massenmedien meinungsbildend und relevant für die Imagebildung einer prominenten Persönlichkeit sind - schließlich stellen sie eine Hauptquelle für Information dar (vgl. BROUWERS 2009) - entsteht bei den Rezipienten dieser Medien eine bestimmte Meinung über Bettina Wulff als Person. Besonders die Boulevardpresse ist am Aufbau und an der Veränderung des Images der Frau der Bundespräsidenten-Gattin beteiligt. Durch Zeitungen wie BILD wurde erst ein positives Image der First Lady an die Rezipienten vermittelt, welches nach dem Rücktritt zum Negativen verändert wird. Wie genau die Boulevardpresse es schafft, durch Sprache ein bestimmtes Image von Bettina Wulff an ihre Leser zu vermitteln, welche sprachlichen Strategien dazu verwendet werden soll Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Ich werde im Folgenden eine qualitative, textuelle Analyse durchführen, um zu beleuchten, durch welche Strategien Boulevard- Zeitungen wie die BILD-Zeitung ihre Leser erreichen und wie eine prominente Persönlichkeit dargestellt wird, sodass versucht wird, bei der Leserschaft eine bestimmte Meinung zu evozieren.
Die große Frage, die in dieser Arbeit beantwortet werden soll, ist, ob es bestimmte Regeln gibt, die die Verfasser von Texten für die Boulevardpresse befolgen, um ihre Leserschaft zu erreichen. Haben diese Texte ein bestimmtes Muster oder beinhalten sie Strategien, durch deren Einsatz eine prominente Person in einem positiven oder negativen Licht dargestellt werden kann? Gibt es sprachliche Strategien, durch deren Hilfe die Boulevardpresse ein Image vermittelt? Welche Strategien sind das und wie kann man diese beschreiben? Diese Fragen werden im Laufe der Untersuchung beantwortet.
Aus der Fragestellung ergibt sich nun eine Hypothese, die anhand der Untersuchung eines weitreichenden Korpus aus unterschiedlichen Boulevardzeitungen bestätigt werden soll. Diese besagt, dass die bei der deutschen Bevölkerung vorherrschende Meinung über eine prominente Persönlichkeit durch ein Image bestimmt wird, welches die Boulevardpresse bewusst vermittelt. Dies wird erreicht, indem die Boulevardtexte mithilfe bestimmter Strategien verfasst werden, die den Leser beeinflussen und seine Meinung bilden sollen. Diese Strategien zielen vor allem darauf ab, in den Lesern Emotionen zu wecken und damit deren Aufmerksamkeit und Zustimmung zu sichern. Diese Hypothese soll belegt werden, indem ein speziell für diese Arbeit angelegtes Textkorpus linguistisch analysiert wird.
Zunächst werde ich in Kapitel 1 jedoch einige grundlegende Begriffe klären. Es wird erläutert, wie weit der Forschungsstand zur Boulevardpresse ist und welche Kriterien diese Textsorte ausmachen. Außerdem wird der Begriff Image im Allgemeinen und im Verständnis dieser Arbeit erörtert. Des Weiteren wird ein kurzer Blick darauf geworfen, aus welchem Grund besonders Boulevardzeitungen einen Schwerpunkt auf die Berichterstattung über Prominente (und ihr Privatleben) legen und warum der Klatsch über diese für die Leser so wichtig ist. Nachdem dann in Kapitel 2 die Grunddaten des für die Untersuchung erstellten Korpus offengelegt werden, beginnt die eigentliche Analyse und die im Korpus aufgefundenen sprachlichen Strategien werden jeweils erläutert und mit Beispielen belegt. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Strategie der Emotionalisierung und den Mitteln, die diese möglich machen. In Kapitel 4 werden die Strategie der Familiarisierung und die dazugehörigen Mittel erläutert, während Kapitel 5 sich der sogenannten Kategorie der Weiblichkeit widmet, einer Strategie, durch die Bettina Wulff als stereotype und sogar prototypische Frau beschrieben wird. Kapitel 6 befasst sich mit einer weiteren im Korpus gefunden Strategie, nämlich der Darstellung Bettina Wulffs als Teil einer Oberschicht, im Gegensatz zu der Referenz auf ihre Nähe zum Volk. Zum Schluss wird ein Fazit gezogen. Dabei wird erläutert, ob die aufgestellte Hypothese bestätigt werden konnte und zudem ein Ausblick auf weitere mögliche und interessante Forschungsfragen gegeben.
1. Zur Begriffsklärung
Vor Beginn der eigentlichen Analyse des gesammelten Korpus müssen einige theoretische Grundlagen erörtert werden. So muss zunächst ein Blick darauf geworfen werden, welche Forschung bisher im Bereich der Boulevardtexte betrieben wurde. Welche Erkenntnisse wurden schon erlangt und können diese als Grundlage für diese Arbeit dienen? Außerdem soll geklärt werden, wie Begriffe, die das Thema dieser Arbeit darstellen, in der einschlägigen Literatur definiert werden. Was versteht man beispielsweise unter Image? Warum ist die Berichterstattung über Prominente in der Boulevardpresse von solch einer hohen Bedeutung? Was macht Persönlichkeiten wie Bettina Wulff so interessant und warum ist es für diese Personen wichtig, dass ein bestimmtes Image von ihnen durch die Presse vermittelt wird? In diesem Kapitel sollen diese Fragen beantwortet werden.
1.1. Forschungsstand zur Boulevardpresse
Wie die meisten wissenschaftliche Arbeit begann auch diese mit der Suche nach theoretischen Abhandlungen und linguistischer Forschung zum behandelten Sachverhalt, in diesem Fall zu sprachlichen Strategien in der Boulevardpresse. Allerdings konnte festgestellt werden, dass sich die Forschung wenig mit dieser Fragestellung beschäftigt. Die meisten Untersuchungen zum Boulevard stammen aus den Medien- und Kommunikationswissenschaften und beschäftigen sich zu einem großen Teil mit den Funktionen der Boulevardpresse und der Frage, ob diese eine journalistische Aufgabe erfüllt (vgl. HOLZER 1967; BENTELE/SEIDENGLANZ 2004; SCHIRMER 2001; BOENISCH 2007). Die Boulevardpresse ist ein Massenmedium, spricht also zu den Massen (vgl. HOLZER 1967: 33) und vermittelt eine bestimmte Sichtweise. Die Personen, über die in der Boulevardpresse berichtet wird, stehen in der Öffentlichkeit, jedoch ist „die Welt, die die Massenmedien […] präsentieren ein kulturindustrielles Produkt, ihre Öffentlichkeit eine hergestellte“ (HOLZER 1967: 32). Dies bedeutet, dass sich diese Öffentlichkeit und deren Meinung steuern lassen. Laut der Untersuchungen von SCHWARZ-FRIESEL (2007) informieren Massenmedien die Öffentlichkeit nicht nur, sie bilden auch Meinungen.
„Sie formen mit ihrer spezifischen Berichterstattung Bewusstseinsinhalte im Kopf der Rezipienten, steuern Meinungen und erzeugen Perspektiven auf Sachverhalte. Es ist nicht die Realität, die möglichst neutral und objektiv abgebildet wird, sondern jeweils eine Symbolwelt, die sehr spezifisch geformt ist durch die Einstellung des Produzenten. Sprache ist kein Abbild der Realität, der Wirklichkeit per se, sondern Sprache konstruiert Realität.“ (SCHWARZ-FRIESEL 2007: 213)
Die Art und Weise, wie ein Sachverhalt dargestellt wird, wird also von dem Blickwinkel des Produzenten geprägt und prägt wiederum das Bild der Rezipienten davon (vgl. BENTELE/ SEIDENGLANZ 2004: 113). Jeder massenmediale Text ist demnach perspektiviert, das heißt, dass in die verbale Sachverhaltsrepräsentation eine bestimmte Perspektive einfließt, und zwar die des Produzenten des Textes (vgl. SCHWARZ-FRIESEL 2007: 212). Die Boulevardpresse tut dies unter anderem auch, um mehr Leser zu gewinnen und somit ihre Verkaufszahlen zu steigern. Im Allgemeinen gibt es relativ wenig Literatur zur Boulevardpresse. „Die Bedeutung dieses Zeitungstyps steht in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Beachtung in der Kommunikationswissenschaft“ (SCHIRMER 2001: 3).
Obwohl es keine genaue, einschlägige Definition von Boulevardpresse zu geben scheint, lassen sich in der Literatur Kriterien erkennen, durch die die Boulevardzeitung beschrieben und von anderen Zeitungen abgegrenzt werden kann. Dies wären die Simplifizierung der besprochenen Sachverhalte, das Benutzen von Umgangssprache, kurze, prägnante Schlagzeilen, der Einsatz von großen und auffälligen Illustrationen der Artikel und die Konzentration der Berichterstattung auf Human Interest Stories, wie Sex, Kriminalität, Klatsch, Prominenz und menschliche Schicksale (vgl. SCHIRMER 2001: 11). KOSZYK/PRUYS (1973) versuchen sich an einer Kurzdefinition dieses Zeitungstyps. Danach sind Boulevardzeitungen
„jene Periodika, die vorwiegend auf der Straße zum Verkauf angeboten werden, eine betont populär-sensationelle Aufmachung (Balkenüberschriften, großflächige Fotos, etc.) haben, den Leser durch schockierende Stories ansprechen wollen (sex, crime, war) und sich häufig bewusst einer sehr direkten Ausdrucksweise bedienen, die nicht selten die Vulgärsprache zu übertreffen sucht, um Neugier, Sensationshunger und Nervenkitzel einer bei der Lektüre kaum verharrenden Leserschaft permanent zu wecken und zu befriedigen.“ (KOSZYK/ PRUYS 1973: 61)
Bei der Wahl der Themen ist also das Interesse des Publikums von größerer Bedeutung als die sachliche Vermittlung von Information (vgl. SCHIRMER 2001: 10). Damit macht es sich die Boulevardpresse zur Aufgabe, die Unterhaltungsfunktion der Presse zu erfüllen und das menschliche Unterhaltungsbedürfnis anzusprechen (vgl. SCHIRMER 2001: 19).1
Denn „angesichts unserer immer komplexerer, ‚stressiger‘ werdenden Arbeits- bzw. Arbeitslosenwelt kann gefolgert werden, dass damit auch das (bewusste oder unbewusste) Bedürfnis der Menschen nach Zerstreuung und Ablenkung und damit auch nach unterhaltenden Medieninhalten weiter wächst. Die Eskapismus-Forschung beschreibt diesen Vorgang als Fluchttendenzen vor den Sorgen des Alltags.“ (BOENISCH 2007: 33)
Dabei werden auch komplexe Themen in der Boulevardpresse so weit wie möglich vereinfacht und oft auf ein schwarz-weiß Schema reduziert, um der Unterhaltungsfunktion zu entsprechen und als Unterhaltung konsumiert werden zu können (vgl. BOENISCH 2007: 34). Die Boulevardpresse zielt auf Emotionen des Lesers ab, sie „versorgt den Großteil der Bevölkerung mit Orientierungswissen, Serviceinformation und vergnüglichen Geschichten“ (BOENISCH 2007: 91). Hier sind die Texte besonders perspektiviert und vermitteln dem Rezipienten eine „dramatische, sensationalisierte und fiktionale Weltsicht“ (BOENISCH 2007: 91). Die Medien- und Kommunikationswissenschaften sind sich einig, dass dafür eher private Themen ausgewählt werden, die die Menschen auf einer persönlichen Ebene ansprechen und ergreifen (vgl. DULINSKI 2003).
Auch in der sprachwissenschaftlichen Forschung beschäftigt man sich mit der Boulevardpresse. Allerdings lässt sich auch in dieser Wissenschaft eine Tendenz zur Verachtung des Trivialen und Populären erkennen, während Boulevard, besonders durch seine Durchsetzung mit Kommerz, genau dies darstellt (vgl. SCHIRMER 2001: 4). Aus diesem Grund gibt es in der germanistischen Linguistik wenige Werke zur Sprache in der Boulevardpresse. Jegliche, während der Recherche für diese Arbeit entdeckte Literatur behandelt die Sprache in der Boulevardpresse nicht zeitungsübergreifend, sondern bezieht sich lediglich auf die BILD-Zeitung. Dies ist einerseits verständlich, da die BILD, wie bereits erwähnt, die Boulevardzeitung mit der größten Auflage ist und die einzige, die bundesweit verkauft wird (vgl. MITTELBERG 1967; WEBER 1980; VOSS 1999; SCHIRMER 2001; BOENISCH 2007). Andererseits ist eine Untersuchung, die unterschiedliche Zeitungen berücksichtigt, weitaus repräsentativer und kann Strategien aufdecken, die tatsächlich dem Boulevardgenre eigen sind und nicht nur den Stil einer Zeitung beschreiben.
Als Pionierwerk zur Sprache in der Boulevardpresse kann die Arbeit von MITTELBERG (1967) bezeichnet werden. In dieser untersucht er den Wortschatz und die Syntax, die in der BILD-Zeitung verwendet werden. Seine Analyse ist so wie andere linguistische Untersuchungen eher quantitativ und beleuchtet sprachliche Mittel der BILD, zum Beispiel die Ellipse, einfache Sprache, kurze Sätze, „affektische“ Partikel, onomatopoetische Verben und Superlative (vgl. MITTELBERG 1967: 20; SCHIRMER 2001: 46). Er stellt fest, dass die Boulevardpresse Umgangssprache, Vokative, Fragen, Metaphern und eine allgemein bildliche Sprache verwendet, denn die Bildkraft spricht die Rezipienten verstärkt an (vgl. MITTELBERG 1967: 21) und „das Volk denkt gerne in Bildern“ (MITTELBERG 1967: 123). Neben der Erläuterung verschiedener Wortfelder2, welche in der Boulevardpresse vermehrt benutzt werden, fasst MITTELBERG die sprachlichen Mittel wie folgt zusammen:
„Vulgäre Komposita aus Adjektiv und Verb oder aus verschliffenem Pronominaladverb und Verb, Kraftverben, originelle Verben aus der Gaunersprache, pralle, anschauliche, hyperbolische Aussagewörter, dynamische oder aufreizend lässige onomatopoetische Verben, oft präfigiert, angeberische Aussagewörter und umgangssprachliche Sprachkrücken aus Hilfsverb plus Adjektiv oder Adverb kommen den Lesern entgegen, die eine derbe, witzige, klangkräftige, sich schlagfertig gebende, möglichst einfache und vor allem durchschlagend plastische Ausdrucksweise lieben.“ (1967: 88)
Außerdem findet er eine Eigenschaft der BILD, welche auch andere Zeitungen als Boulevardpresse charakterisiert, nämlich die durcheinander gemischte Anordnung der Stoffbereiche. Denn die Boulevardzeitung „komponiert Kurzartikel von verschiedenstem Inhalt nebeneinander, um den Eindruck zu vermitteln, sie erfasse die Welt in ihrer Totalität“ (MITTELBERG 1967: 19).
Auch andere Autoren wie SCHIRMER (2001), VOSS (1999), BOENISCH (2007) und DULINSKI (2003) kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Es herrscht besonders Einigkeit über die vermehrte Verwendung von Umgangssprache und der Simplifizierung komplexer Sachverhalte, außerdem wird eine besondere Emphase auf Emotionen gelegt (vgl. SCHIRMER 2001; VOSS 1999; u.ä.). Es werden sehr übersichtliche Weltbilder konstruiert und komplexe Vorgänge auf anschauliche Handlungen einzelner Personen reduziert, was ein eindeutiges Urteil erleichtert, Schwarz-Weiß-Denken fördert und Emotionen provoziert (vgl. SCHIRMER 2001: 13; BOENISCH 2007: 34). Die Boulevardpresse benutzt die Alltags- und Umgangssprache, da bei dieser Textsorte „verschriftete Mündlichkeit und Alltagssprachlichkeit hergestellt wird“ (SCHWARZ-FRIESEL 2007: 160). Dies ist ein sehr einfaches Emotionalisierungsmittel. Emotionalisierung3 ist in der Boulevardpresse eine wichtige Strategie zur Ansprache der Leser und wird systematisch verwendet (vgl. BOENISCH 2007: 135). Dies spiegelt sich laut BOENISCH (2007) nicht nur in der Verwendung bestimmter Wortfelder und bestimmter semantischer Strategien wider, sondern auch in der Syntax der Boulevardpresse. Denn auch diese ist „rigoros verkürzt, simplifiziert, sukzessiv gängelnd, energisch appellierend, Spannung steigernd, aufschüttelnd, affektisch und leidenschaftlich kundgebend, künstlich akzentuiert und aufgeputscht, hastig und mitreißend, direkt, aktivistisch, indikativistisch, aufgelockert und naturalisiert im Sinne gesprochener Sprache sowie umgangssprachlich nachlässig, brüchig und ellipsenreich“ (BOENISCH 2007: 139), was für eine Emotionalisierung der Rezipienten sorgen soll.
Die Boulevardpresse versucht außerdem oft die Themen, über die die Zeitungen berichten, als Sensation zu verkaufen. Der Begriff Sensation bedeutet eigentlich bloß eine „Sinneswahrnehmung“, wird aber als eine besonders beeindruckende Sinneswahrnehmung verstanden und „definiert als ‚äußere Sinneswahrnehmung‘, bezogen auf alles was starken Eindruck macht, was Gemütsbewegungen oder Gefühle auslöst und zum spontanunreflektierten ‚leidenschaftlichen Ausdruck‘ drängt“ (VOSS 1999: 20). Im Boulevard verzerren die Journalisten oft die Darstellung eines Sachverhaltes, sodass dieser zu einer Sensation wird, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu wecken und Emotionen zu aktivieren. Dabei muss dieser in irgendeiner Weise besonders, außergewöhnlich oder normabweichend sein (vgl. DULINSKI 2003: 68).
„Die journalistische Sensation ist eine von Massenmedien vermittelte, aus einem außergewöhnlich aktuellen Ereignis resultierende Erkenntnis von hohem intellektuellen Gewinn und starker Erlebniskraft, die zu einer sprunghaften Modifikation des Bewusstseins von Lesern […] führt.“ (DULINSKI 2003: 70)
Der Leser ist gierig nach Sensationen, denn in ihm steckt die Neugier nach affektiven Erlebnissen. Dabei ist der tatsächliche Sachverhalt an sich oft weniger interessant als seine Darstellung. Diese Darstellung eines Sachverhaltes als Sensation ist eine sehr typische Strategie der Boulevardpresse und „besteht […] in einem ganz bestimmten semantischen Framing, dass darauf bedacht ist, möglichst starke Gefühle beim Rezipienten auszulösen. Zu diesem Zweck werden zwangsläufig bestimmte Aspekte eines Ereignisses oder Themas besonders hervorgehoben und andere weggelassen.“ (DULINSKI 2003: 255)
Eines der wichtigsten linguistischen Werke zur Boulevardpresse (und der BILD-Zeitung im Speziellen) ist die Untersuchung von Strategien der Emotionalisierung von VOSS (1999). Auch diese sagt aus, dass die Vermittlung von Gefühlswerten im Mittelpunkt des boulevardesken Diskurses steht (vgl. VOSS 1999: 19). Dies wird mithilfe verschiedener sprachlicher Mittel erreicht. VOSS konstatiert, dass die Boulevardpresse mithilfe eines telegrafischen Staccato-Stils ohne Puffer den Eindruck fesselnder, überraschender und sich überstürzender Ereignisse kommuniziert (vgl. VOSS 1999: 37). Außerdem dient der parataktische Satzbau zur Vereinfachung des Lesens. Es werden vorrangig Frage-, Exklamativ- und Apellsätze gebraucht (vgl. VOSS 1999: 40f; SCHIRMER 2001; MITTELBERG 1967). Neben sprachlichen und rhetorischen Mitteln, die sich auch in der Lyrik finden, stellt VOSS (1999) fest, dass in der Boulevardpresse der Inhalt in narrativen Strukturen wiedergegeben wird. Narration wird definiert als Textsorte, bei welcher
„1. an den erzählten Ereignissen oder Handlungen belebte bzw. im allgemeinen menschliche [oder personalisierte] Wesen beteiligt sein müssen, und […] 2. […] mindestens zwei in chronologischer und inhaltlicher Relation zueinander stehende Ereignisse oder Handlungen in einer Weise aufeinander folgen müssen, dass eine Veränderung des Ausgangszustands eintritt.“ (GÜLICH 1975: 113)
Alle oben genannten Kriterien werden in der kommunikations- und sprachwissenschaftlichen Literatur als Definitionsmerkmale von Boulevardpresse gehandelt und basieren auf den Untersuchungen der oben genannten Autoren. In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob diese für das Boulevard typischen Mittel als Teil von Strategien gesehen werden können, die die Produzenten dieser ganz spezifischen Textsorte verwenden, um den Rezipienten ein bestimmtes Image einer bekannten Persönlichkeit zu vermitteln. Die Untersuchung erfolgt, wie bereits erwähnt, am Beispiel der Artikel über Bettina Wulff und zieht im Gegensatz zu der bisherigen Forschung nicht nur die BILD- Zeitung in Betracht, sondern auch weitere Publikationen, die zum Boulevard gezählt werden können.
1.2. Das Image
Nachdem der Forschungsstand zur Boulevardpresse beleuchtet wurde, soll geklärt werden was genau Image in dem Kontext dieser Arbeit bedeutet, denn vorher kann nicht untersucht werden, durch welche Strategien dieses vermittelt wird. Image ist inzwischen ein sehr alltäglicher Begriff geworden. Jeder kennt Redewendungen wie „sie hat ein positives Image“ oder „er hat einen schlechten Ruf“ - doch was genau ist damit gemeint?
Der Image-Begriff ist vage und schwer zu definieren und abzugrenzen. Unterschiedliche Disziplinen beschäftigen sich mit dieser Thematik. In der kommunikationswissenschaftlichen Diskursanalyse wird das Image weitreichend untersucht. Als Grundlage dafür gilt die Definition des Image-Begriffes, die von dem Soziologen GOFFMAN (1967) aufgestellt und durch BROWN/ LEVINSON (1994) weiterentwickelt wurde. Dabei wird unter Image das Selbstbild einer Person verstanden, welches während eines Gespräches aufgebaut wird. Ein jeder ist darum bemüht, seinen eigenen Eindruck auf andere zu steuern (vgl. RUSTEMEYER 1992: 66). Dies geschieht durch verbales und non-verbales Verhalten und dient dazu, dass das Gegenüber die soziale Situation einschätzen und richtig mit ihr umgehen kann (vgl. RUSTEMEYER 1992: 67). Das Selbstbild kann gestärkt oder bedroht werden. Dieses Selbstbild wird auch als face bezeichnet, wobei zwischen negative face und positive face unterschieden wird (vgl. GOFFMANN 1967). Das negative Selbstbild beschreibt den Anspruch eines Gesprächsteilnehmers auf persönliche Handlungen, einen eigenen Charakter und freies Handeln, während das positive Selbstbild den Anspruch auf Anerkennung und Wertschätzung der Persönlichkeit durch andere meint (vgl. GOFFMAN 1967: 5; BROWN/ LEVINSON 1994: 61). “The term face may be defined as the positive social value a person effectively claims for himself by the line others assume he has taken during a particular contact” (GOFFMAN 1967: 5). Bedroht werden kann das positive Selbstbild durch sprachliche Handlungen wie Kritik, Beleidigungen und Zurückweisung; gestärkt durch Lob und Sympathie. Das Selbstbild soll von Anderen übernommen werden. Außerdem enthält das Image nach GOFFMAN (1967) auch die subjektive Einschätzung des Fremdbildes. In seinem Buch Interaktionsrituale beschreibt GOFFMAN (1971) dies als den „positiven sozialen Wert […], den man für sich durch die Verhaltensstrategie erwirkt, von der die anderen annehmen, man verfolge sie in einer bestimmten sozialen Interaktion“ (GOFFMAN 1971: 10). Laut den Werken des bekannten Sozialpsychologen ist Image also ein aus sozialen Eigenschaften bestehendes Selbstbild einer jeden Person.
„Von einer Person kann man sagen, dass sie ein Image hat, besitzt oder es wahrt, wenn ihre Verhaltensstrategie ein konsistentes Image vermittelt, das durch Urteile und Aussagen anderer Teilnehmer, durch die Umgebung dieser Situation bestätigt wird.“ (GOFFMAN 1971: 11)
In der Kommunikation gilt außerdem das Höflichkeitsprinzip, welches zur Rationalität und emotionalen Gesichtswahrung animiert und als sozial angemessenes Verhalten verstanden wird (vgl. SCHWARZ-FRIESEL 2007: 25). Allgemein kann festgestellt werden, dass die Definitionen des Imagebegriffes von GOFFMAN eher das persönliche Image von Gesprächsteilnehmern in einer direkten Interaktion betreffen. Dieses wird durch das eigene Auftreten und Verhalten vermittelt. In dieser Arbeit soll es aber um das öffentliche Image der öffentlichen Person Bettina Wulff gehen, welches durch Medien vermittelt wird.
Dieses wird nicht durch sie selbst in Gesprächen aufgebaut, sondern durch Berichte in der Boulevardpresse in eine bestimmte Richtung gelenkt.
In dieser Arbeit wird der Begriff Image als ein kommunikatives und soziales Phänomen verstanden, welches nicht nur durch Handeln, sondern auch durch die Sprache hergestellt werden kann und eine gewisse Stabilität besitzt (vgl. BENTELE/ SEIDENGLANZ 2004: 10). Allerdings kann man ein Image auch „aktiv verändern, […] gestalten oder […] auch ablegen“ (BENTELE/ SEIDENGLANZ 2004: 11). Dieses Phänomen ist in sich sehr widersprüchlich, denn es neigt „sowohl zur Dauerhaftigkeit als auch zur Flüchtigkeit […] [und ist] durch hohe Reagibilität und Sensibilität gekennzeichnet“ (MÜLLER-MICHAELIS 1992: 58).
„Das englische Wort ‚image’ verbindet die unterschiedlichen Bedeutungen: Sowohl ‚Bild‘, ‚Abbildung‘ und ‚Darstellung‘ als auch ‚Vorstellung‘, ‚Sinnbild‘ und ‚Verkörperung’ können gemeint sein“ (SCHWENDER 2006: 63). Für diese Arbeit ist die Definition des Begriffs Image, die OECKL (1976) aufstellte, besonders passend:
Das Image einer Person sei die „Summe von Meinungen, Vorurteilen, Erfahrungen und Erwartungen bei Einzelnen oder Gruppen oder in der relevanten Öffentlichkeit“ bezüglich dieser Person (OECKL 1976: 217).
Eine weitere, etwas ausführlichere Definition liefert die Deutsche Public Relations Gesellschaft:
„Ein Image ist ein vereinfachtes, überverdeutlichtes und bewertetes Vorstellungsbild, ein Quasi-Urteil, das keine Gültigkeitsgrenzen kennt und empirisch nicht hinreichend abgesichert ist. […] [Images] bilden die Realität nicht im fotografischen Detail ab, sondern sie machen ihre Schlussfolgerungen an Schlüsselreizen, exemplarischen Leistungen, einzelnen Erfolgen, aber auch einzelnen Misserfolgen fest. Images entstehen kurzfristig auf Basis eines Minimums an Information. Die dadurch erforderlichen psychologischen Mechanismen funktionieren mit hoher Geschwindigkeit weitgehend automatisiert und ohne Störungen durch Denken. Skepsis und Zweifel werden ausgeschaltet, Wenn und Aber werden nicht zugelassen, sondern nur subjektiv plausibel erscheinende eindeutige Urteile.“ (BERGLER 1991: 47)
Zu den Mechanismen, die ein Image bilden, gehören Vereinfachung durch Typologisierung, Verallgemeinerung von einzelnen Sachverhalten, das Hervorheben bestimmter Ausschnitte und subjektive Bewertungen (vgl. BENTELE/ SEIDENGLANZ 2004: 12). BERGLER (2008) fasst diese Mechanismen oder Prozesse zusammen:
„Ein Image ist immer das Resultat von Prozessen 1. der Vereinfachung und
Typologisierung, 2. der Verallgemeinerung von positiven bzw. negativen Einzelerfahrungen, […] 3. der Überverdeutlichung und Polarisierung und 4. der emotionalen Bewertung.“ (BERGLER 2008: 328)
Diese Mechanismen können durch Sprache vollzogen werden, was nicht nur in Kommunikationssituationen, sondern auch in den Medien geschieht, somit wird das Image hergestellt und beeinflusst wird.
Das öffentliche Image ist die Wahrnehmung einer Person durch die Öffentlichkeit, es ergibt sich durch subjektive und medienvermittelte Eindrücke (vgl. BRETTSCHNEIDER 2002: 135). Dies heißt, dass das Image nicht notwendigerweise die Realität abbildet, denn die mentale Vorstellung der Menschen gleicht einer tatsächlichen Wahrnehmung (vgl. SCHWENDER 2006: 62). Dabei wird das Image einer Person, welches durch Medien durch die Art und Weise der Berichterstattung aufgebaut und vermittelt wird, von den Rezipienten der Medien als Tatsache und Wahrheit empfunden, selbst wenn dies nicht der Fall ist. Die erhaltenen Informationen über eine Person werden nämlich nicht nur durch die Rezipienten selbst verarbeitet, vereinfacht, verzerrt und letztendlich selektiert, sondern auch durch die informationsvermittelnden Medien - was zu einer Wahrnehmung führt, die im Regelfall nicht notwendiger Weise dem tatsächlichen Sachverhalt entspricht (vgl. BERGLER 2008: 326).
Eine gute Zusammenfassung der Eigenschaften von Images liefert Peter SZYSKA in seinem Artikel Image und Vertrauen. Zu einer weniger beachteten Perspektive des Image-Begriffs (1992):
„- Schlagwort-Charakter: Ein Image stellt als schlagwortartige Aussage die maximal mögliche Verkürzung des Wesenszusammenhanges eines Image-Objektes4 auf einen Assoziationszusammenhang dar.
-Werturteil: Ein Image legt das Image-Objekt […] über diesen Assoziationszusammenhang auf bestimmte, zentrale Eigenschaften fest, die eine positive oder negative Bewertung einschließen.
- Dominanz: Ein Image verkürzt die Gesamtpersönlichkeit des Image-Objekts auf wenige
- teilweise nur einen - bewertete Aspekte; das so entstehende Bild verstellt den Blick für die Gesamtpersönlichkeit.
- Individualität: Ein Image bildet sich beim Image-Subjekt5 ; es ist persönlich motiviert und damit einmalig.“ (SZYSKA 1992: 105)6
Durch massenmediale Berichterstattung über prominente Persönlichkeiten wird die Information bereits vorselektiert, sodass der Rezipient den tatsächlichen Sachverhalt gar nicht kennt, sondern nur wahrnimmt, was ihm durch z. B. die BILD-Zeitung vermittelt wird. So entsteht bei einer prominenten Persönlichkeit zum Beispiel das Image eines rebellischen Partygirls, wenn die Medien vermehrt über die nächtlichen Fehltritte dieser Person berichten und diese oft betrunken zeigen. Außerdem wird durch die Verwendung bestimmter negativ besetzter Lexeme dem Leser bereits eine negative Bewertung dieser Person präsentiert, sodass dieser der Person ein negatives Image zuschreibt. Ob dies tatsächlich der Fall ist, oder ob diese Person privat ein sehr ruhiger und fürsorglicher Mensch ist, ist für den Rezipienten irrelevant, da seine Meinung schon gebildet ist und feststeht. Jedoch kann laut BENTELE/ SEIDENGLANZ ein Personenimage nicht gänzlich aus der Luft gegriffen sein, denn „die Machbarkeit von Personenimages hat ihre Grenzen in der Wirklichkeit der Person selbst“ (BENTELE/ SEIDENGLANZ 2004: 14). Jemand, der die oben erwähnte Person privat kennt, wird dieses durch die Medien fabrizierte Image schnell durchschauen und sich ein eigenes, eher der Realität entsprechendes bilden. Trotzdem verändert die Wirklichkeit nichts an dem Image, was der breiten Masse durch die Medien vermittelt wird, denn das öffentliche Image muss tatsächlich wenig mit der Realität zu tun haben.
Die Übereinstimmung des öffentlichen Images und der Realität ist sehr selten und eigentlich nicht möglich (vgl. MÜLLER-MICHAELIS 1992). Dabei überwiegen auch in der durch Fremdvermittlung entstandenen Beurteilung die emotionalen Elemente. Bei dem medienvermittelten Image wird dieses nicht durch das Imageobjekt selbst, sondern durch die Medien gesteuert. Die Realität wird also durch diese konstruiert bzw. rekonstruiert und in die relevante journalistische Form gebracht (vgl. BENTELE 1992: 160). Nur in dieser Form erreicht die Information den Rezipienten und wird wahrgenommen.
Die Persönlichkeit Bettina Wulff hat ein bestimmtes, durch Medien vermitteltes, öffentliches Image, also eine Art und Weise, wie sie durch die Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dieses Bild wird zwar vom Rezipienten wahrgenommen, allerdings durch die Medien stark beeinflusst. Dies wird erreicht indem bestimmte Strategien in der Berichterstattung verwendet werden. Durch welche sprachlichen Strategien vor allem die Boulevardpresse in der Produktion der veröffentlichten Texte diese Imagevermittlung zu erreichen versucht, ist die zentrale Fragestellung dieser Arbeit und soll anhand einer Korpusanalyse ermittelt werden. Zunächst stellt sich allerdings die Frage, warum es vor allem für öffentliche Persönlichkeiten von solch großer Bedeutung ist, ein bestimmtes Image zu vermitteln. Warum interessieren sich die Menschen so sehr für Personen, die sie selbst gar nicht kennen? Im folgenden Kapitel soll darüber diskutiert werden.
1.3. Der Klatsch um prominente Personen
In der heutigen Gesellschaft wird prominenten Persönlichkeiten aus Sport, Showgeschäft und Politik eine sehr hohe Bedeutung zugemessen. Besonders die Boulevardpresse scheint das Leben dieser Personen in allen Details zu interessieren. Auch die Leserschaft durstet nach immer neuen Informationen besonders aus dem Privatleben von Persönlichkeiten wie Bettina Wulff. Je nachdem auf welche Art und Weise berichtet wird, entsteht bei den Rezipienten ein Eindruck über diese Person, welcher sich maßgeblich auf deren Image auswirkt.
Prominente Persönlichkeiten werden allerdings in den seltensten Fällen prominent geboren. Prominenz entsteht als Resultat von Zuschreibung von Medien und Fans bzw. Bewunderern. Medien sind also „die Hauptinstanz, die Prominenz entstehen lässt“ (STIMNIKER 2008: 34). Nicht nur durch mediale Vermittlung, sondern auch durch die Inszenierung eines Images und das Interesse des Publikums wird eine Persönlichkeit prominent (vgl. STIMNIKER 2008: 20), denn bei der Berichterstattung in den Medien ist nichts zufällig. In unserer Inszenierungsgesellschaft ist „Aufmerksamkeit, das knappe und flüchtige Gut, nur durch ungewohnte und interessante Themen zu erreichen“ (STIMNIKER 2008: 30), wird aber besonders von denjenigen, die in der Öffentlichkeit stehen, angestrebt. Aus diesem Grund passen die Prominenten sich an die Gesetze der Medien an und inszenieren sich nach diesen (vgl. STIMNIKER 2008).
Warum ist die Beschäftigung mit Prominenten sowohl für die Medien, als auch für die Rezipienten von so großer Bedeutung? Eine mögliche Antwort auf diese Frage könnte wie folgt lauten:
„Die Prominenz entlastet durch ihr bloßes Vorhandensein den sozialen Kampf, indem sie Interessen auf sich zieht, die damit von den bestehenden Konflikten abgelenkt werden. Das ist eine ihrer Funktionen.“ (STIMNIKER 2008: 17)
Außerdem besteht bei den Menschen in unserer Gesellschaft ein großes Bedürfnis nach Identifikationsfiguren. Die Boulevardpresse benutzt dies, um die Leser zu erreichen und neue Leser zu gewinnen, indem der Leser das Gefühl vermittelt bekommt, dass seine Bedürfnisse erfüllt werden. Durch die Berichterstattung über das Privatleben von prominenten Persönlichkeiten, die der Leser eigentlich gar nicht kennt, sich aber trotzdem eine Meinung über sie bildet, soll die Identifikation erleichtert werden, denn ebendiese fungieren als Identifikationsfiguren. So wirken diese unerreichbaren Menschen wie gute Bekannte (vgl. HOLZER 1967: 50). Der Prominente erscheint so als „Alltagsmensch mit alltäglichen Gefühlen, Gedanken, Problemen“ (HOLZER 1967: 174), was Nähe zum Leser schafft. Der Leser identifiziert sich nicht nur mit Menschen aus seiner Umgebung und hat eine Wahrnehmung, also ein Image von ihnen, sondern auch mit Prominenten. Die Beschäftigung der Boulevardpresse mit dem Privatleben und dem Image prominenter Personen hat Vorteile. Sie bietet eine „doppelte Möglichkeit zur Projektion: der Leser kann auf ihn [den Prominenten] einmal eigene Wünsche nach sozialem Aufstieg und nach Vermehrung materieller Lebenschancen7 projizieren; zum anderen vermag der Leser - da er die Situationen vorgeführt bekommt - die eigene reale Beschränkung auf eine nicht minder frustrierende Berufs- und Familienpraxis am Schicksal jener Prominenten abzureagieren.“ (HOLZER 1967: 174)
Demgegenüber steht der Wunsch nach Ruhm und Bekanntheit, welcher schon in der Antike bei vielen Menschen vorhanden war (vgl. STIMNIKER 2008). Dies kommt daher, dass prominent zu sein eine gewisse Außergewöhnlichkeit mit sich bringt, die sich viele Menschen wünschen. Prominenz an sich ist erstrebenswert, Prominente dienen als Vorbilder, denn deren „Leben selbst ist außergewöhnlich“ (WEBER 1980: 40). Dies führt dazu, dass sich eine Symbiose zwischen Rezipient und Prominentem entwickelt, bei der sich beide Partizipierenden in gegenseitiger Abhängigkeit befinden.
Die Boulevardpresse erfüllt neben der Schaffung von Identifikationsfiguren eine weitere wichtige Funktion, nämlich das menschliche Bedürfnis nach Klatsch, welcher soziale Kontakte fördert. Klatsch wird von THIELE-DOHRMANN (1995: 7) definiert als „das mehr oder weniger freundliche Reden über abwesende Personen, die unnötigerweise verbreiteten Neuigkeiten über private Angelegenheiten anderer Menschen, häufig auch die ‚üble Nachrede‘, die sich bis zur Konsequenz des Rufmords steigern kann.“
Da Prominente von den Lesern als gute Bekannte empfunden werden, will über diese auch geklatscht werden. Evolutionspsychologisch wird dem Klatsch eine sehr hohe Bedeutung beigemessen.
„Klatsch und Tratsch definiert die soziale Gruppe. Wer keine Neuigkeiten erfährt ist ausgeschlossen. Damit wird Klatsch zur sozialen Kontrolle. Er ist eine Maßnahme, die jeden zwingt, den sozialen Normen zu gehorchen. Der Ruf, den man sich erwirbt wird im Klatsch definiert.“ (SCHWENDER 2006: 127)
Somit ist die Teilnahmen an Klatsch oder Klatschobjekt zu sein für das Bestehen in einer sozialen Gruppe essentiell. Dies liegt daran, dass evolutionstechnisch derjenige, der aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird, nicht überlebensfähig ist, da es für ihn schwierig wird Kooperations- und Sexualpartner zu finden (vgl. SCHWENDER 2006: 128). In der heutigen Gesellschaft dienen Prominente nicht nur als Idole, sondern auch als Klatschobjekte. Über diese wird nämlich ununterbrochen geklatscht, denn auch ein gemeinsames Klatschobjekt schafft ein Gemeinschaftsgefühl. „Prominente sind in den Medien, wenn sie etwas Neues präsentieren, […] wenn in ihrem Privatleben (sozialer Status) Veränderungen auftreten“ (SCHWENDER 2006: 151).
Prominente versuchen bei den Rezipienten im Gespräch zu bleiben, indem sie ein bestimmtes Image aufrechterhalten. Sprachlich wird dies erreicht, indem die Emotionen der Leser angesprochen und für die Rezipienten interessante Themen wie Skandale behandelt werden.8 Dieses Image wird durch die Berichterstattung in den Massenmedien vermittelt, in denen dafür bestimmte, in dieser Arbeit untersuchte Strategien verwendet werden. Trotz vermehrter Kommunikation durch Bilder, vor allem in der Boulevardpresse, ist die Sprache für die Berichterstattung über Prominente und die Vermittlung von deren Image essentiell (vgl. EPPLER 2003), denn obwohl auch das Bild werten und die Meinung der Leser in bestimmte Richtungen lenken kann, tut die Sprache dies stärker und wirkungsvoller. Somit werden Prominente nicht nur durch das bloße Auftreten in der Presse, sondern auch durch die Art und Weise der Berichterstattung als Identifikationsfiguren und Idole dargestellt und von den Lesern wahrgenommen.9 Dabei ist die Ausleuchtung und Hervorhebung des privaten Bereiches Voraussetzung für massenmedialen Klatsch, denn dies macht die Prominenten erreichbar für die Leser (vgl. VOSS 1999). Der „Klatsch über Prominente täuscht über tatsächliche soziale Distanzen hinweg“ (VOSS 1999: 82).
In der Boulevardpresse wird eine Pseudo-Dialogizität aufgebaut, sodass der Leser das Gefühl hat sich in einer gleichberechtigten Kommunikationssituation zwischen ihm und dem relevanten Medium zu befinden (vgl. VOSS 1999: 87). Außerdem hat er durch die Berichterstattung über das Privatleben des Prominenten eine Beziehung zu ihm als Identifikationsfigur und Idol. Prominenz, Presse und Publikum stehen somit in einer symbiotischen Dreierbeziehung (vgl. RÖSSLER 1999). Dabei wird durch die Presse ein Image der Prominenten vermittelt, welches ihn einerseits als unerreichbares, außergewöhnliches Wesen darstellt und sein prominentes Dasein legitimiert, andererseits wird er als Mensch von nebenan, mit den gleichen Problemen und Empfindungen beschrieben, sodass die Identifikation erleichtert wird.
„Als medial inszenierter Star eignet sich die öffentliche Person zum Identifikationsobjekt, weil sie einerseits durch herausragende Eigenschaften das Unerreichbare, Vorbildhafte verkörpert, andererseits aber auch die Niederungen menschlicher Existenz, das Leben als Mensch ‚wie du und ich‘ nicht ausgrenzt.“ (MECKEL 1999: 35)
Diese Inszenierung in den Medien geschieht durch bestimmte sprachliche Strategien, welche die Textproduzenten besonders in der Boulevardpresse bewusst verwenden, um dem Leser ein Image des Prominenten zu vermitteln, da dort die Berichterstattung über Prominente einen wichtigen und großen Teil ausmacht. Um welche Strategien es sich dabei handelt, wird in den folgenden Kapiteln genauer erläutert.
[...]
1 Es scheint in der Literatur Einigkeit darüber zu herrschen, dass die Boulevardpresse weniger zur Analyse und Aufklärung von Sachverhalten dient, sondern zur Emotionalisierung (siehe dazu Kapitel 3) und Unterhaltung des Lesers (vgl. BURKHARDT/ PAPE 2003). Allgemein soll die Presse mehrere Funktionen in unserer Gesellschaft erfüllen. Sie soll das Verlangen der Bevölkerung nach Informationen und Orientierung, welches die Folge der Anonymität und Abstraktheit unserer Zeit ist, stillen (vgl. HOLZER 1967: 17). Laut HOLZER (1967) ist der Drang nach Informationen und der Teilnahme an gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen umso höher, je anonymer und industrialisierter die Gesellschaft ist. Die Hauptfunktionen der Presse sind also das „Bereitstellen von detaillierten und zeitlich wie sachlich aktuellen Informationen“ (HOLZER 1967: 46), praktische Hilfe und Unterhaltung. Laut BOENISCH (2007) können Massenmedien sowohl normativ als auch beobachtend sein. Sie erfüllen die Funktionen der Sozialisation, also der Vermittlung von Normen und Werten, der sozialen Orientierung, also der Vermittlungen von Kenntnissen und Erfahrungen und der Unterhaltung, also Entspannung und Entlastung von der Arbeit (vgl. BOENISCH 2007: 32). Für die Boulevardpresse ist die Letztere die Hauptfunktion.
2 Wortfelder oder auch semantische Felder bezeichnen laut SCHWARZ/ CHUR (52007) die Organisation von Verbindungen zwischen Wortbedeutungen im Langzeitgedächtnis der Menschen. „Ein solches Feld umfasst eine Reihe von Wörtern, die sich inhaltlich ähnlich sind, d.h. gemeinsame semantische Merkmale besitzen und die einen gemeinsamen Referenzbereich haben“ (SCHWARZ/ CHUR 52007: 60). Diese Verbindungen sind u.a. von der Kultur und Gesellschaft des Rezipienten determiniert. Dies bedeutet, dass der Produzent eines Textes ein bestimmtes Weltwissen des Rezipienten antizipieren muss, wenn er durch die Verwendung bestimmter Wortfelder eine bestimmte Wirkung erreichen möchte.
3 „Emotionalisierung bezieht sich nicht auf den ich-bezogenen Erlebensprozess [beim Rezipienten eines Testes] […] sondern auf den durch äußere Reize ausgelösten reaktiven Vorgang der Emotionsauslösung“ (SCHWARZ-FRIESEL 2007: 141). Es ist eine Strategie, die in Texten (vor allem in persuasiven Texten wie Werbung und Presse) verwendet wird, um den Leser bzw. Rezipienten anzusprechen. Mehr zu dieser Strategie in Kapitel 3.
4 Das Image-Objekt ist die Person, die ein Image hat, also die Person, über die sich der Rezipient der Informationen eine Meinung bzw. Vorstellung bildet. Im Falle der Korpusanalyse in dieser Arbeit ist das Image-Objekt Bettina Wulff.
5 Das Image-Subjekt ist in unserem Fall zwar der Rezipient, allerding wird der Prozess der Imagebildung beim Rezipienten sehr stark von den durch Medien vorverarbeiteten Informationen beeinflusst.
6 In diesen Eigenschaften lassen sich bereits Strategien und Mittel erahnen, die die Boulevardpresse benutzt, um ihre Leser zu erreichen und ein Image zu vermitteln: die Emotionalisierung, die Perspektivierung, das benutzen von Lexemen mit bestimmten Konnotationen und die Simplifizierung der Sachverhalte.
7 Schließlich verdienen viele Prominente mit diesem Status gutes Geld und erscheinen dem Leser als durchaus wohlhabend und erfolgreich.
8 Siehe dazu Kapitel 3.
9 Es ist jedoch anzumerken, dass „Medienrepräsentationen […] sicher beteiligt [sind] an der Bildung von Idealen, aber sie sind nicht notwendig deren Initiatoren, sondern unter günstigen Umständen deren Spiegel“ (SCHWENDER 2006: 147). Diese Repräsentationen spiegeln die Meinung bzw. das Image, welches der Textverfasser aufgrund von diversen Informationen über eine Person hat, wider und versuchen dieses Image an die Rezipienten zu vermitteln.
- Citar trabajo
- Natalia Gubergritz (Autor), 2013, Sprachliche Strategien zur Imagevermittlung in der Boulevardpresse. Am Beispiel von Bettina Wulff, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/412615
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