Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen war bereits zu Lebzeiten mit seinem „Simplicissimus Teutsch“ ein namhafter Schriftsteller, der, wie seiner Zeit üblich, dem Leser eine rational angelegte Einsicht in das Wesen von Gut und Böse gewähren wollte.
So war die Intention des barocken Schriftstellers eng mit der Erkenntnisgewinnung des Lesers verbunden und lässt sich in Anlehnung an den Römer Horaz auf folgende Formel bringen: Prodesse et delectare. Literatur diente demnach nicht nur der Unterhaltung, sondern auch dem Nutzen. Zur Zeit des Barock, als der Dreißigjährige Krieg in vollem Gange war, lag der zu erzielende Nutzen meist in den sittlich religiösen Inhalten, die durch Übertreibung aller Dinge, die nicht ins damalige fromme Weltbild passte, als nonkonform darstellten und somit einen Gegenpol zur Religion schufen: den Aberglauben.
Alles ,was nicht der Sitte, der Moral oder christlichen Vorstellungen entsprach, wurde als vom Teufel oder von Hexen geschaffen, dargestellt, und galt demnach als schlecht. Dagegen wurde alles, was in das christliche Weltbild passte, wurde für gut gehalten. Den damaligen Leser auf diesen in der Welt existierenden Dualismus aufmerksam zu machen, das war wohl die Intention des barocken Schriftstellers.
Das mit dieser Arbeit angestrebte Erkenntnisinteresse liegt ergo in der Frage, inwieweit der Autor die Thematik des Aberglaubens in seinem Roman bearbeitet und welchen Nutzen diese für den damaligen Leser haben sollte. Um dieser Frage nachgehen zu können, scheint es erforderlich, zunächst ganz allgemein die Frömmigkeit und den Aberglauben in Form von Hexen- und Teufelsglauben zur Zeit des Barocks zu betrachten, um danach mit einem gewissen Grundwissen tiefer in das Werk einzudringen. Hierfür scheint es sinnvoll, zunächst die Frömmigkeitsbewegung innerhalb des Barock unter die Lupe zu nehmen und ausführlich auf Kirchenvater Augustinus und seine Lehre einzugehen, die den Barock bzw. das gesamte Mittelalter nachhaltig beeinflusste. Bevor wir schließlich ,in medias res’ gehen, verdient aber noch die Einstellung Grimmelshausens zu diesem Thema Betrachtung, vor allem aber, wie diese in seinem Werk vertreten ist.
Da sich nach sorgfältiger Stoffsammlung herausstellte, dass sich die Thematik des Aberglaubens besonders eindrücklich im zweiten Buch des Romans findet, werden schließlich im letzten Teil der Hausarbeit ausgewählte Textstellen zu diesem Thema dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
I Vorwort
II Augustinische Frömmigkeit und Aberglaube im17. Jahrhundert – Ein Wechselspiel
2.1 Die Lehre des Heiligen Augustinus
2.2 Augustinische Frömmigkeit im Barock
2.3 Der Nährboden für den Barocken Aberglaubens
III Hexenwahn und Teufelsglaube im „Simplicissimus Teutsch“
3.1 Die Religiosität Grimmelshausens und das religiöse Konzept seiner Schriften
3.2 Hexenwahn und Teufelsglaube im ,Simplicissimus’ – das zweite Buch des Romans
IV Literaturverzeichnis
1.Quellen
2.Darstellungen
I Vorwort
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen war bereits zu Lebzeiten mit seinem „Simplicissimus Teutsch“ ein namhafter Schriftsteller, der, wie seiner Zeit üblich, dem Leser eine rational angelegte Einsicht in das Wesen von Gut und Böse gewähren wollte.
So war die Intention des barocken Schriftstellers eng mit der Erkenntnisgewinnung des Lesers verbunden und lässt sich in Anlehnung an den Römer Horaz auf folgende Formel bringen: Prodesse et delectare. Literatur diente demnach nicht nur der Unterhaltung, sondern auch dem Nutzen. Zur Zeit des Barock, als der Dreißigjährige Krieg in vollem Gange war, lag der zu erzielende Nutzen meist in den sittlich religiösen Inhalten, die durch Übertreibung aller Dinge, die nicht ins damalige fromme Weltbild passte, als nonkonform darstellten und somit einen Gegenpol zur Religion schufen: den Aberglauben.
Alles ,was nicht der Sitte, der Moral oder christlichen Vorstellungen entsprach, wurde als vom Teufel oder von Hexen geschaffen, dargestellt, und galt demnach als schlecht. Dagegen wurde alles, was in das christliche Weltbild passte, wurde für gut gehalten. Den damaligen Leser auf diesen in der Welt existierenden Dualismus aufmerksam zu machen, das war wohl die Intention des barocken Schriftstellers.
Das mit dieser Arbeit angestrebte Erkenntnisinteresse liegt ergo in der Frage, inwieweit der Autor die Thematik des Aberglaubens in seinem Roman bearbeitet und welchen Nutzen diese für den damaligen Leser haben sollte. Um dieser Frage nachgehen zu können, scheint es erforderlich, zunächst ganz allgemein die Frömmigkeit und den Aberglauben in Form von Hexen- und Teufelsglauben zur Zeit des Barocks zu betrachten, um danach mit einem gewissen Grundwissen tiefer in das Werk einzudringen. Hierfür scheint es sinnvoll, zunächst die Frömmigkeitsbewegung innerhalb des Barock unter die Lupe zu nehmen und ausführlich auf Kirchenvater Augustinus und seine Lehre einzugehen, die den Barock bzw. das gesamte Mittelalter nachhaltig beeinflusste. Bevor wir schließlich ,in medias res’ gehen, verdient aber noch die Einstellung Grimmelshausens zu diesem Thema Betrachtung, vor allem aber, wie diese in seinem Werk vertreten ist.
Da sich nach sorgfältiger Stoffsammlung herausstellte, dass sich die Thematik des Aberglaubens besonders eindrücklich im zweiten Buch des Romans findet, werden schließlich im letzten Teil der Hausarbeit ausgewählte Textstellen zu diesem Thema dargestellt.
II Frömmigkeit und Aberglaube im 17.Jahrhundert – Ein Wechselspiel
2.1 Die Lehre des Heiligen Augustinus
Im 17. Jahrhundert war der im Jahre 354 in Thagaste (Nordafrika) geborene Augustinus neben der Bibel wichtigste Autorität auf dem Gebiet der Theologie und des christlichen Glaubens.
Augustinus lebte in einer Zeit, in der die Kirche nahezu als einzige Institution galt, die nicht vom allgemeinen Niedergang erfasst wurde und durch ihre Beständigkeit letztlich auch ihren Einfluss auf den Staat enorm ausbreiten konnte. Als Hauptwerk Augustins gilt neben seinen „Confessiones“ vor allem das im Zeitraum von 410 – 420 entstandene Werk „De civitate dei“, in dem Augustinus die Problematik von Religion, Geschichte und Staat aus christlicher Perspektive behandelt. Anlass zur Entstehung des Werkes war die Einnahme Roms durch die Westgoten unter Alarich im Jahre 410, die der Idee eines ewigen Roms einen schweren Schaden zugefügt hat und somit von Augustinus in seinem Werk über den Gottesstaat als Beispiel für mangelnden christlichen Glauben angeführt wird. Bei der Plünderung gaben sich nämlich die Heiden als Christen aus, um von den Westgoten verschont zu werden. Aus diesem Grunde hielt es Augustinus für notwendig, ein Werk zu verfassen, dass sich gegen die heidnische Weltanschauung richtet.
In „de civitate dei“ stellt er nun die Welt als Schauplatz des Kampfes zwischen dem Guten und dem Bösen dar und unterteilt sie aus diesem Grunde in ,civitas die’ und ,civitas terena’ , womit er die Gesamtheit der Zugehörigen Gottes den Zugehörigen des Teufels gegenüberstellt. Augustinus’ Bestreben geht dahin, die Christen als Bürger zweier Welten darzustellen, deren irdische Heimat ein bloßes Durchgangslager sei und deren Ziel in der ewigen Seeligkeit, der himmlischen Heimat liege. Durch die richtige Grundhaltung, die sich in Liebe und Demut zu Gott äußern soll, besteht die Möglichkeit auf ein Leben in der ,civitas dei’.
Gott ist in dieser Lehre ausschließlicher Gegenstand der Verehrung und Liebe, er wird dargestellt als personales Wesen, das dem Menschen als Schöpfer gegenübersteht. Der Gottesstaat wird von Augustinus als Interessengemeinschaft dargestellt, indem die Verwirklichung der ,vera iustitia’, der wahren Gerechtigkeit im Vordergrund steht.
Grundlage dieser ,Zwei -Welten –Lehre’ und ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf die Theodizee ist der Dämonenpakt.
Im Gottesstaat leben Engel, die guten Menschen und Gott, der Weltstaat setzt sich zusammen aus schlechten, heidnische Götter verehrenden Menschen, und den Dämonen, deren Staatsoberhaupt der Teufel ist.
Nach Augustinus bestehen die Haupteigenschaften der Dämonen in „Neid, Bosheit und Verstellung“[1], dennoch werden sie in der Lehre Augustins` als Geschöpfe Gottes dargestellt, die er benötigt, „um die Menschen zu prüfen und ihnen den Erweis ihrer Standhaftigkeit zu ermöglichen“[2], da sich die Menschen ja aus freiem Willen dem richtigen oder falschen Wertesystem anschließen können.
Da sich nun in der Welt das Gute mit dem Bösen mischt, muss der Mensch mit Argusaugen durch das Leben gehen, um nicht den von Gott gegebenen teuflischen Versuchungen zu erliegen und wird so quasi mit jedem Schritt auf die Probe gestellt. Die Zuwendung des Menschen zum Bösen mit seinem Weltstaat und die damit verbundene Abkehr von Gott (seine Lehre war streng dualistisch, Neutralität beiden Seiten gegenüber war nicht möglich) fing bei Augustinus schon mit Wahrsagerei und Astrologie an, wobei man ganz klar sagen muss, dass derartiges damals unter den Christen noch weit verbreitet war. Zauberei war für ihn Bestandteil der heidnischen Religion, die er „nicht durch Bestreitung ihrer Wirklichkeit, sondern nur durch Verurteilung ihrer moralischen Qualitäten bekämpfen“[3] konnte.
Einen Angelpunkt des augustinischen Denkens und einen weiteren wichtigen Aspekt hinsichtlich seiner ,Zwei- Welten- Lehre’ bildet die ,Gnadenlehre’, die auch als Bruch zwischen dem Früh- und Spätwerk gilt. Diese göttliche Gnade wird nicht aufgrund guter Werke erteilt, denn sonst wäre die göttliche Entscheidung ja zu beeinflussen, des weiteren ist die ,Gratia’ unwiderstehlich, was bedeutet, dass man sie nicht ablehnen kann, wenn sie einem zuteil wird, und zu guter Letzt ist sie eine Ausnahme, die nur wenige Menschen privilegiert.
Eng verknüpft ist die Gnadenlehre mit der Erbsündenlehre. Durch die Erbsünde sind alle Menschen bereits ausnahmslos schuldig geworden, da sie sich durch den Geschlechtsverkehr fortpflanze, und nur Gott kann als milder Richter einige vor der ewigen Strafe bewahren. So ist die Gnadenlehre eigentlich eine Erklärung dafür, weshalb nicht alle Menschen gerettet werden können und ein großer Teil schließlich der ewigen Strafe anheimfällt.
Hierbei ist es nahezu selbstverständlich, dass eine eventuelle göttliche Begnadigung nur Menschen zuteil werden kann, deren Streben sich auf die himmlische Heimat richtet.
2.2 Augustinische Frömmigkeit im Barock
Die Nachwirkung der gesamten augustinischen Lehre ist nun äußerst vielschichtig. Das Zeitalter des Barocks ist wie kein anderes vorher von Widersprüchen geprägt. So ist der Tod allgegenwärtig, das Leben der Menschen wurde beherrscht von einer gewissen Lebensangst, der verschiedene Ursachen zugrunde lagen. Zum einen kam es durch allerlei bedeutende Umwälzungen, stellvertretend sei hier nur Kopernikus genannt, und mit Sicherheit den damit verbundenen Endzeitvorstellungen zu einer äußerst großen Unsicherheit unter den Menschen, die ihrerseits noch die Begriffe Eitelkeit, Vergänglichkeit und Nichtigkeit mit sich brachte. Das dieser Epoche zugrundeliegende Gefühl wird wohl am treffendsten durch den lateinischen Begriff ,Vanitas’ beschrieben, der nahezu alle Lebensbereiche beherrscht, denn alles, was sich der Mensch im Diesseits ersehnt, ist eitel, alles Irdische ist Schein und Trug.[4]
Zum anderen lassen sich in Bezug auf die Unsicherheit und Weltangst auch die zahllosen Kriege anführen, die den Barock zu einem insgesamt düsteren Jahrhundert machen. Die den Menschen von Augustinus mit der Gnadenlehre aufgebürdete Schuld und auch die Lehre seines Dämonenpaktes taten ihr Übriges, so dass seine Lehre eines himmlischen Staates ein leichtes Spiel hatte, indem sie die Menschen dazu motivierte mit Christus eins zu sein, um sich so in diesem düsteren Zeitalter dem positiven Lebensgefühl anzunähern und die aufgekommenen Ängste und Unsicherheiten zu überwinden.
Aber es steht neben dem eben beschrieben ,memento mori’ gleichermaßen das ,carpe diem’, gerade wegen der Endlichkeit alles Schönen und Erfreulichen
Dieses antithetische Gefühl von Lebensfreude und Todesbangen, von Weltgenuss und Jenseitssehnsucht lässt sich an vielerlei Dingen ablesen und äußert sich natürlich nicht nur in der Literatur, sondern auch in Kunst und Musik. Vor allem in der Kunst kommt das lebendige Bewusstsein der Vergänglichkeit (Pest!) sehr stark zum Ausdruck, auch hier steht der Mensch im Zentrum. In dramatischer Lebendigkeit werden biblische und mythische Themen, aber auch Gefühlswelten und die Psyche dargestellt, meist in starkem Licht-Schatten –Kontrast, der der Vergegenwärtigung guter und böser Mächte wegen gesetzt wird.
Diese Sinnlichkeit und Bewegtheit der Formen, die in starker Energie und Spannung steht, bringt den Vanitas- Gedanken, der den Barock in allen Lebensbereichen prägte, besonders deutlich zum Ausdruck.
[...]
[1] Schwaiger, S. 68
[2] ders., S.68
[3] ders., S.74
[4] Szyrocki, S.53
- Arbeit zitieren
- Steffi Rothmund (Autor:in), 2002, Hexenwahn und Teufelsglaube im Simplicissimus Teutsch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41238
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