Um die Institution des Hofes besser fassen zu können, fokussiert die folgende Arbeit auf Basis der aktuellen Forschungsliteratur die konkrete Funktion des preußischen Kaiserhofes für die Hofgesellschaft. Insofern gilt es zu untersuchen, inwieweit, so die These, die Partizipation am preußischen Kaiserhof als adeliges Vorrecht der Hofgesellschaft noch im 19. Jahrhundert als Sicherung des Adelsprestiges und des exklusiven Zugangs zu politischer Macht diente. Dazu werden zunächst einige charakterisierende Bemerkungen über den preußischen Kaiserhof gegeben, etwa zur Finanzierung des Hofes und zur Hofgesellschaft, beziehungsweise deren Organisation, um in einem weiteren Schritt die erst daraus ermöglichten konkreten Funktionen für die Hofgesellschaft zu ermitteln. Dabei wird insbesondere auf den Hof als politisches Machtzentrum und als die Adelsprestige erhaltende Institution eingegangen; des Weiteren wird der Hof auf seine Möglichkeiten, Kulturstandards zu setzten, und zuletzt als Arbeitgeber untersucht. In einem letzten Schritt werden die Erkenntnisse resümiert.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Preußisch-deutsche Kaiserhof
2.1 Finanzen
2.2 Hofgesellschaft
3 Funktion des Hofes für die preußische Kaiserhofgesellschaft
3.1 Politisches Machtzentrum
3.2 Adelsprestige
3.3 Kulturdefizite
3.4 Der Hof als Arbeitgeber
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die deutschen Staaten waren im 19. Jahrhundert geprägt durch die sich durchset-zende Industrialisierung, das aufstrebende Bürgertum und dessen Wertevorstel-lung, das Herausbilden des modernen Staates und der damit verbundenen Entste-hung von Parteien und Verbänden.1 Trotz dieses gesellschaftlichen, wirtschaftli-chen und politischen Modernisierungsprozesses steht insbesondere das Wilhelmi-nischen Zeitalter für eine „Spätblüte der höfischen Kultur“, die man an der politi-schen und gesellschaftlichen Relevanz des preußisch deutschen Hofes festmachenkann.2 Bis zum Ersten Weltkrieg lebte das „aristokratische Wesen“ in Hof und Hof-gesellschaft Preußens weiter.3 Die Forschung hat sich in den letzten Jahren erstmalsintensiv mit dieser Thematik befasst. Etwa Karl Möckl richtet mit seinem Sammel-band über „Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19. und beginnen-den 20. Jahrhundert“ (Boppard am Rhein 1990) den Blick auf die Höfe der deut-schen Staaten und deren politische und gesellschaftliche Bedeutung. Ebenfalls zunennen ist der von Karl Ferdinand Werner herausgegebene Sammelband zu „Hof,Kultur und Politik im 19. Jahrhundert“ (Bonn 1985) oder Heinz Reifs Dissertationüber den „Adel im 19. und 20. Jahrhundert“ (München 1999). In Bezug auf Dar-stellungen zur höfischen Gesellschaft ist hier noch Norbert Elias zu nennen mit sei-nem Werk „Die höfische Gesellschaft“ (Frankfurt am Main 2002). Weitere nützli-che Beiträge finden sich in Eckart Conzes „Kleines Lexikon des Adels“ (München2005). Um die Institution des Hofes besser fassen zu können, fokussiert die fol-gende Arbeit auf Basis der aktuellen Forschungsliteratur die konkrete Funktion despreußischen Kaiserhofes für die Hofgesellschaft. Insofern gilt es zu untersuchen,inwieweit, so die These, die Partizipation am preußischen Kaiserhof als adeligesVorrecht der Hofgesellschaft noch im 19. Jahrhundert als Sicherung des Adelspres-tiges und des exklusiven Zugangs zu politischer Macht diente. Dazu werden zu-nächst einige charakterisierende Bemerkungen über den preußischen Kaiserhof ge-geben, etwa zur Finanzierung des Hofes und zur Hofgesellschaft, beziehungsweise deren Organisation, um in einem weiteren Schritt die erst daraus ermöglichten kon- kreten Funktionen für die Hofgesellschaft zu ermitteln. Dabei wird insbesondere auf den Hof als politisches Machtzentrum und als die Adelsprestige erhaltende Institution eingegangen; des Weiteren wird der Hof auf seine Möglichkeiten, Kulturstandards zu setzten, und zuletzt als Arbeitgeber untersucht. In einem letzten Schritt werden die Erkenntnisse resümiert.
2 Der Preußisch-deutsche Kaiserhof
Die Anzahl und Heterogenität der Höfe in den deutschen Staaten waren groß,4 undje nach Aufbau, finanzieller Möglichkeiten und Exklusivität des Hofes von unter-schiedlicher Bedeutung und Funktion für die Hofgesellschaft. Der Berliner Hof istmit der Reichsgründung 1871 respektive der Krönung Wilhelms II. zum Kaiserhofaufgestiegen und hat im internationalen Vergleich viel Einfluss behalten.5 Er bildeteden Mittelpunkt beziehungsweise sozialen Raum, in dem die preußisch-deutscheHofgesellschaft agierte.6
2.1 Finanzen
Die Finanzierung des Kaiserhofes basiert auf dem Kronvermögen (Zivilliste undKronfideikommißrente), dem Hausvermögen der Familie des Monarchen, dem Fi-deikommißvermögen und dem Schatullvermögen.7 Zwischen dem Napoleonischenund dem Zweiten Weltkrieg ist die Krondotation des preußisch-deutschen Hofesständig gewachsen, während Wilhelms II. Regierungszeit um 50% (auf 22,2 Milli-onen Mark); zum Vergleich, der bayrische Hof verfügte über eine Zivilliste von 5,4Millionen Mark. Die Steuergelder, die für die deutschen Höfe aufgebracht wurden,waren viermal so hoch wie die in England.8 Vor diesem Hintergrund entsteht einÜbergewicht der höfischen Gesellschaft in Deutschland9 und der Hof gewinnt po-litisch und gesellschaftlich an Relevanz und Einfluss. Davon profitiert die Hofge-sellschaft, die Zugang zu diesem hat; sie partizipiert also an seiner Stellung, die u.a.auf steigende monetäre Mittel zurückzuführen ist.
2.2 Hofgesellschaft
Die „rituale Funktion [des Hofes], deren Bedeutung, wenn auch schwer faßbar,nicht zu unterschätzen ist“, hängt unmittelbar mit der Hofgesellschaft zusammen.10 Bei der Hofgesellschaft handelt es sich um eine Gruppe von Menschen, die an ei-nem Hof lebt und an einem lokal begrenzten Ort zusammengebunden ist.11 DieseGruppe besteht zum Großteil aus von Geburt an adeligen Männern und Frauen, dieals hoffähig gelten.12 Die Ordnung und Hierarchie respektive Hofrangordnung unddie damit verbundenen verpflichtenden Zeremonielle der deutsch-preußischen Hof-gesellschaft regelte das ‚Zeremonialbuch für den Königlich Preußischen Hof‘.13 Die preußisch-deutsche Hofgesellschaft zeichnet sich auf der einen Seite durch ihrein 62 Rangstufen differenzierte Hofrangordnung (zum Vergleich: der bayrische Hofweist drei, der sächsische und österreichische fünf Rangstufen auf)14 und auf deranderen Seite durch die „strenge Ausschließung von Bürgerlichen“ von Hof undHofgesellschaft aus.15 Dies war die Voraussetzung, damit sie ihre Rolle als „Len-kungsinstrument und Bindeglied“ in politischen, gesellschaftlichen und militäri-schen Angelegenheiten wahrnehmen konnte, an dessen Spitze sich der Monarchbefand.16
3 Funktion des Hofes für die preußische Kaiserhofgesellschaft
Als Mittelpunkt des sozialen Lebens der deutsch-preußischen Hofgesellschaft und als politisches Machtzentrum17 fungierte der preußische Kaiserhof nicht nur als Stabilisierung des Adels im 19. und 20. Jahrhundert,18 sondern insbesondere als Mittel zur Behauptung des Adelsprestiges und als Zugang zu Machtchancen.19
3.1 Politisches Machtzentrum
Politische Macht bedeutet die Nähe zu einflussreichen Personen20 und die Hofge-sellschaft hatte dieses „Privileg der speziellen Nähe zum Herrscher“ inne.21 Wennetwa der Kaiser Geburtstag hatte oder der Hof Feste veranstaltete, verdichtete sich zudem durch die Gäste die Anzahl an politisch mächtigen Personen am Hof.22 Das
heißt, allein durch die Zugehörigkeit zum Hof konnte der Adel „politisches Kapitalschlagen“.23 Hinzu kommt, dass die Fürsten und Monarchen in Preußen über be-sonders viel Macht verfügten, gerade im Vergleich mit zum Beispiel England; kon-kret ermöglichte die Verfassung den Fürsten und Monarchen große Einflussnahmeauf Militär-, Außen- und Personalpolitik. Diese Einflussnahme betreffenden Ent-scheidungen wurden meist im höfischen Rahmen, also unter Ausschluss der Öffent-lichkeit, getroffen.24 Zusammengefasst bedeutet die Partizipation am Hof die Mög-lichkeit der Vertretung eigener Interessen durch den exklusiven unbehinderten Zu-gang zu dem politischen Machtzentrum.
3.2 Adelsprestige
Die Industrialisierung und Urbanisierung formten die deutschen Staaten zu einemmodernen Industriestaat. Als Konsequenz konfligierten zunehmend der bürgerlicheAufstiegswille und adelige Selbstbehauptung und Entfaltung.25 Der Hof stellte dieMöglichkeit der Sicherung des Adelsprestiges dar, indem er einerseits für das Bür-gertum durch die defensive Nobilitierungspolitk und die Haltung des Altadels ge-genüber der Integration des Bürgertums in den Adelsstand nahezu unzugänglichblieb.26 Und andrerseits, weil er das Bild eines „prunkhafte[n] Luxurieren[s] einerneoabsolutistischen Hofkultur“ vermittelte, 27 einer gesellschaftlichen Gruppe, de-ren Sicherung der gesellschaftlichen Positionierung, die Erhöhung des gesellschaft-lichen Ansehens und der gesellschaftliche Erfolg davon abhängig waren, ob undwie sie das Ethos des Statuskonsums und des „Prestigeverbrauch[s]“ erfüllte.28 Zu-dem repräsentierte er das exklusiv adelig-geburtsständische Leitbild, stützte denAdelsrang, betonte die Ungleichheit der Geburt, aber verschloss sich gegenüberbürgerlichen Rangvorstellungen.29 Der Hof ermöglichte der Hofgesellschaft somitdie gesellschaftliche und soziale Distanzierung zum Bürgertum.
[...]
1 Möckl, Karl: Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.Einleitende Bemerkungen, in: Möckl, Karl (Hg.): Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19.und beginnenden 20. Jahrhundert, Boppard am Rhein 1990, S. 7-15, S. 7, im Folgenden zitiert als: Möckl:Einleitende Bemerkungen.
2 Röhl, John C. G.: Hof und Hofgesellschaft unter Wilhelm II, in: Werner, Karl F. (Hg.): Hof, Kultur und Po-litik im 19. Jahrhundert. Akten des 18. Deutsch-französischen Historikerkolloquiums Darmstadt vom 27.-30.September 1982, Bonn 1985, S. 237-289, S. 237ff., im Folgenden zitiert als: Röhl: Hof und Hofgesellschaftunter Wilhelm II.
3 Möckl, Karl: Hof und Hofgesellschaft in Bayern in der Prinzregentenzeit, in: Werner, Karl F. (Hg.): Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert. Akten des 18. Deutsch-französischen Historikerkolloquiums Darmstadt vom 27.—30. September 1982, Bonn 1985, S. 183-235, S. 183.
4 Funck, Marcus: Art. Hofleben/-gesellschaft, in: Kleines Lexikon des Adels (2005), S. 117-118, S. 117, im Folgenden zitiert als: Funck: Hofleben/-gesellschaft. Reif, Heinz: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999, S. 36.
6 Röhl: Hof und Hofgesellschaft unter Wilhelm II, S. 262.
7 Philippi, Hans: Der Hof Kaiser Wilhelms II., in: Möckl, Karl (Hg.): Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19. und 20. Jahrhundert, Boppard am Rhein 1990, S. 361-393, S. 380, im Folgenden zitiert als: Philippi: Der Hof Kaiser Wilhelms II.
8 Röhl: Hof und Hofgesellschaft unter Wilhelm II, S. 241.
9 Röhl: Hof und Hofgesellschaft unter Wilhelm II, S. 248.
10 Röhl: Hof und Hofgesellschaft unter Wilhelm II, S. 262.
11 Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfi- schen Aristokratie, Frankfurt am Main 2002, S. 66, im Folgenden zitiert als: Elias: Die höfische Gesellschaft.
12 Funck: Hofleben/-gesellschaft, S. 117.
13 Philippi: Der Hof Kaiser Wilhelms II, S. 374.
14 Röhl: Hof und Hofgesellschaft unter Wilhelm II, S. 264.
15 Elias: Die höfische Gesellschaft, S. 168.
16 Möckl: Einleitende Bemerkungen, S. 12.
17 Asch, Ronald G.: Art. Hof, in: Enzyklopädie der Neuzeit 5 (2007), Sp. 564-574, Sp. 564.
18 Reif, Heinz: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999, S. 36.
19 Reif, Heinz: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999, S. 82.
20 Reif, Heinz: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999, S. 82.
21 Funck: Hofleben/-gesellschaft, S. 117.
22 Philippi: Der Hof Kaiser Wilhelms II, S. 376.
23 Reif, Heinz: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999, S. 82.
24 Reif, Heinz: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999, S. 36.
25 Demel, Walter; Schraut, Sylvia: Der deutsche Adel, München 2014, S. 102.
26 Funck: Hofleben/-gesellschaft, S. 117.
27 Röhl: Hof und Hofgesellschaft unter Wilhelm II, S. 237.
28 Elias: Die höfische Gesellschaft, S. 116. Reif, Heinz: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999, S. 36.
- Citar trabajo
- Anónimo,, 2018, Hof und Hofgesellschaft in Preußen unter Wilhelm II., Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/411881
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