Die Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung sind vom BGH und vom BVerfG mehrfach behandelt worden und gestaltet sich regelmäßig als äußerst schwierig. Die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung ist eines der zentralen Probleme des Medienrechts. Eine Definition dieser beiden Begriffe gestaltet sich äußerst schwierig. Gerade weil, wie in der Literatur mehrfach angeführt wird, die Meinungsfreiheit in der Vergangenheit bis an die äußersten Grenzen ausgeweitet wurde.1 Allgemein bekannt sind die Ausführungen wonach eine Meinung im Unterschied zur Tatsachenbehauptung durch das Element des Wertens, insbesondere der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt. Es handelt sich um die persönliche Auffassung, die sich der Einzelne zu Verhältnisses, Ereignissen, Ideen oder Personen.2 Tatsachenäußerung sind hingegen dem Beweis zugänglich. Diese allseits bekannten kurzen Lehrbuchdefinitionen werden im nachfolge nden noch näher erläutert, um dann festzustellen, dass eine Abgrenzung sich als äußerst schwierig erweist. Die Einordnung einer Äußerung als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung ist für die rechtliche Beurteilung von Eingriffen in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit von weichenstellender Bedeutung. 3 Die Frage, ob und inwieweit die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 II GG) Grenzen ziehen können, muss ebenfalls geklärt werden. Wie diese Auffassungen im Hinblick auf die Massenmedien betrachtet wirken, darf nicht vergessen werden, einen kurzen Überblick darüber zu verschaffen, was eigentlich unter dem Begriff Massenmedien zu verstehen ist. Im Übrigen müssen die Ansichten der beiden Gerichte grob anhand von verschiedenen Urteilen dargestellt werden, um dann abschließend ein Resumee zu ziehen, wie diese Auffassungen sich letztlich auf die Massenmedien auswirkten. [...]
1 Thomas Vesting, AöP, 122, 336, 338 2 BVerfGE 61, 1 (9); 85, 1 (14) 3 BVerfGE 61, 1 (7 f.); 99, 185 (196 f.)
Gliederung
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
II. Notwendigkeit der Grenzziehung zw. Meinungs- und Tatsachenäußerung
III. Rechtsprechung zur Meinungs- und Tatsachenäußerung
1. Grundzüge der Rechtsprechung des BVerfG
a) Unterscheidung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung
(1) Meinungsäußerung
(2) Tatsachenäußerung
b) Zwischenergebnis
2. Grundzüge der Meinungs- und Tatsachenäußerung des BGH
a) Unterscheidung von Meinungs- und Tatsachenäußerung
(1) Meinungsäußerung
(2) Tatsachenäußerung
b) Zwischenergebnis
3. Abgrenzungskriterien
IV. Folgen für die Massenmedien
1. Massenmedien
a) Geburtsstunde der Massenmedien
b) rechtliche Stellung der Massenmedien
2. Spannungsfeld zwischen Ehrenschutz und Kritikfreiheit
a) Bedeutung der beiden Rechte
b) Kritik an der Rechtsprechung bzgl. der Behandlung des Ehrenschutzes gegenüber der Meinungsfreiheit
c) verdeckte Behauptungen
V. Resümee
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. Einleitung
Die Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung sind vom BGH und vom BVerfG mehrfach behandelt worden und gestaltet sich regelmäßig als äußerst schwierig. Die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung ist eines der zentralen Probleme des Medienrechts. Eine Definition dieser beiden Begriffe gestaltet sich äußerst schwierig. Gerade weil, wie in der Literatur mehrfach angeführt wird, die Meinungsfreiheit in der Vergangenheit bis an die äußersten Grenzen ausgeweitet wurde.[1] Allgemein bekannt sind die Ausführungen wonach eine Meinung im Unterschied zur Tatsachenbehauptung durch das Element des Wertens, insbesondere der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt. Es handelt sich um die persönliche Auffassung, die sich der Einzelne zu Verhältnisses, Ereignissen, Ideen oder Personen.[2] Tatsachenäußerung sind hingegen dem Beweis zugänglich. Diese allseits bekannten kurzen Lehrbuchdefinitionen werden im nachfolgenden noch näher erläutert, um dann festzustellen, dass eine Abgrenzung sich als äußerst schwierig erweist. Die Einordnung einer Äußerung als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung ist für die rechtliche Beurteilung von Eingriffen in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit von weichenstellender Bedeutung.[3] Die Frage, ob und inwieweit die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 II GG) Grenzen ziehen können, muss ebenfalls geklärt werden. Wie diese Auffassungen im Hinblick auf die Massenmedien betrachtet wirken, darf nicht vergessen werden, einen kurzen Überblick darüber zu verschaffen, was eigentlich unter dem Begriff Massenmedien zu verstehen ist. Im Übrigen müssen die Ansichten der beiden Gerichte grob anhand von verschiedenen Urteilen dargestellt werden, um dann abschließend ein Resumee zu ziehen, wie diese Auffassungen sich letztlich auf die Massenmedien auswirkten.
II. Notwendigkeit der Grenzziehung zw. Meinungs- und Tatsachenäußerung
Die schwierige Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung hängt vor allem damit zusammen, dass beide Äußerungsformen selten in reiner Form auftreten.[4] Regelmäßig enthält eine Äußerung sowohl wertende als auch tatsächliche Elemente. Dies bringt Kritiker gerade dazu, stets zu betonen, auf die Unterscheidung von Tatsachen- und Meinungsäußerungen zu verzichten.[5] Dennoch erscheint eine Grenzziehung zwischen den beiden Begriffen notwendig, vor allem unwahre Tatsachenäußerungen sollen aus dem Schutzbereich des Art. 5 GG herausfallen. Allerdings sagt die Einbeziehung einer Äußerung in den Schutzbereich noch nichts über deren Zulässigkeit aus. Gerade wenn jemand nicht damit einverstanden ist, was über ihn in den Medien veröffentlicht wird, ist die „Äußerung“ der Ausgangspunkt der Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten des Betroffenen. Nach dem Inhalt der Äußerung bestimmt sich, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handelt. Bei Tatsachenbehauptungen hat der Betroffene weitreichendere Möglichkeiten als bei einer Meinungsäußerung, die dem besonderen Schutz des Art. 5 I GG unterfällt. Bei einer unwahren Tatsachenäußerung steht dem Betroffenen grundsätzlich das gesamte medienrechtliche Instrumentarium zur Verfügung. Dazu gehört unter anderem der Gegendarstellungs-, Unterlassungs-, Berichtigungs-, Schadensersatz- und Geldentschädigungsanspruch. Problematisch wird es für den Betroffenen erst dann, wenn es sich hingegen um eine Meinungsäußerung handelt. In dem Moment, in dem es sich bei der Äußerung um ein Werturteil bzw. eine Meinungsäußerung handelt, ist ein Unterlassungsanspruch auch nur dann gegeben, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das Persönlichkeitsrecht die Meinungsfreiheit überwiegt. Das Persönlichkeitsrecht überwiegt in der Regel dann, wenn es sich bei der Äußerung um eine Schmähkritik handelt oder durch die Äußerung eine der geschützten Sphären verletzt ist.[6] Eine Gegendarstellung kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um eine Tatsachenäußerung handelt. Schließlich sei der Wahrheitsgehalt bei einer Meinungsäußerung einer objektiven Nachprüfung nicht zugänglich. Gerade bei Werturteilen verbiete es Art. 5 I GG diese zurückzunehmen, auch wenn diese Äußerung unhaltbar sei.
III. Rechtsprechung zur Meinungs- und Tatsachenäußerung
Wie bereits ausgeführt, ist die Abgrenzung von Äußerungen als Tatsachen- oder Meinungsäußerungen ein zentrales Problem des Medienrechts.
1. Grundzüge der Rechtsprechung des BVerfG
a) Unterscheidung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung
(1) Meinungsäußerung
Durch Art. 5 GG ist nicht jede Form der Äußerung geschützt, sondern lediglich die Meinung. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die Meinungsäußerungen durch einen subjektiven Bezug zwischen dem Einzelnen und dem Gegenstand seiner Äußerung gekennzeichnet.[7] Bei der Beurteilung ist auf den Empfängerhorizont eines unbefangenen Durchschnittsmenschens abzustellen, der Gesamtzusammenhang der Äußerung zu betrachten und ihr Zweck zu berücksichtigen.[8] Eine Beschränkung auf „wertvolle“[9] Meinungen enthält das Grundgesetz nicht. Es kommt nicht darauf an, ob die Äußerung „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist.[10] Daraus folgt für das Verfassungsgericht, dass es bei der Klassifizierung eine Äußerung als Meinung gerade nicht auf den Wahrheitsgehalt ankommen kann.[11] Der Grundrechtsschutz hängt insbesondere nicht davon ab, ob eine Äußerung andere in ihren Rechten verletzt, Gemeinschaftsgüter gefährdet oder Grundprinzipien der sozialen und politischen Ordnung in Frage stellt. Gesichtspunkte dieser Art können erst bei der Beschränkung des Grundrechts, nicht schon bei seinem Umfang relevant werden.[12] Was für den Inhalt einer Meinungsäußerung gilt, gilt ebenfalls für die Form, in die diese gekleidet ist. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 GG. Selbst polemisch, abstoßende, verletzende oder ausfällige Äußerungen werden geschützt. Das BVerfGE hat stets in den Fällen, in denen Meinungsäußerungen wegen ihrer Schärfe oder ihrer Form der Grundrechtsschutz entzogen werden sollte, betont, dass auf der Ebene des Schutzbereichs eine Differenzierung von Meinung nicht stattfinden kann. Anderenfalls würde dem Staat eine Definitionkompetenz über erwünschte und unerwünschte Meinungen und Äußerungsformen eingeräumt, ohne dass die Ausübung dieser Befugnis noch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit geprüft werden könnte.[13] Der Art. 5 GG umfasst ebenfalls die Wirkung einer Meinungsäußerung. Dies hat das BVerfG im Lüth-Urteil im Zusammenhang mit dem Boykottaufruf gegen Veit Harlan festgestellt.[14] Danach sei es gerade Sinn einer Meinungsäußerung „geistige Wirkung“ zu erzielen, also den Kommunikationsprozess der Gesellschaft zu beeinflussen. Schließlich sei eine Trennung zwischen Äußerung und Wirkung auch sinnwidrig.[15] Der Wirkungsschutz der Meinungsäußerung ist jedoch auf ihre Kundgabe beschränkt. Der Schutzbereich des Art. 5 GG erstreckt sich nicht auf außer argumentative Druckmittel mit denen der Sprecher andere dazu bestimmen möchte, seiner Meinung zu folgen.[16]
(2) Tatsachenäußerung
Tatsachenäußerungen im engeren Sinne sind keine Meinungsäußerungen, sondern vielmehr durch die objektive Beziehung zwischen der Öu0erung und der Realität bestimmt.[17] Derartige Äußerungen sind gerade dem Beweis zugänglich und fallen somit aus dem Schutzbereich des Art. 5 I S. 1 raus. Das sich Meinungen in der Regel auf tatsächlich Annahmen stützen oder zu tatsächlichen Verhältnissen Stellung beziehen, sind sie durch das Grundrecht insoweit geschützt, als sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind, welche Art. 5 I GG in seiner Gesamtheit gewährleistet.[18] Gerade bei Tatsachenbehauptungen stellt das Gericht jene innere Verbindung zwischen der Äußerung und dem allgemeinen Normziel des Art. 5 I GG her, die es bei echten Meinungsäußerungen unterlässt. Die bewusste Behauptung unwahrer bzw. unrichtige Tatsachen ist dadurch nach Art. 5 I GG nicht mehr geschützt. Führt eine Tatsachenbehauptung zu einer Rechtsverletzung, hängt das Ergebnis der Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter vom Wahrheitsgehalt der Äußerung ab. Bewusste unwahre Tatsachenäußerungen genießen den Grundrechtsschutz überhaupt nicht, da sie kein schützenswertes Gut darstellen.[19] Schließlich sei nicht ersichtlich, dass die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit einen solchen Schutz fordert.[20] Für unwahre Tatsachenbehauptung gilt gerade nicht wie für Werturteile im öffentlichen Meinungskampf, dass im Interesse des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses ohne Rücksicht auf den Inhalt des Urteils die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede sprechen kann.[21] Offenbar unrichtig ist eine Tatsachenäußerung dann, wenn ihre Unwahrheit für das Gericht unzweifelhaft feststeht.[22] Dies nimmt das Gericht aber nur dann, wenn die Gegendarstellung klar auf der Hand liegt.[23] Letztendlich kann die Bevölkerung, wenn im Rahmen des Möglichen, zutreffend unterrichtet wird, sich die öffentliche Meinung richtig bilden, so dass unwahre Tatsachenbehauptungen von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 I GG fallen müssen. Insofern sind die Massenmedien daher, insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung gehalten, Nachrichten und Behauptungen, die sie weitergibt, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Wenn auch diese Prüfungs- und Wahrheitspflicht nicht überspannt werden darf, so ist es doch unzulässig, leichtfertig unwahre Nachrichten weiterzugeben.[24] Die Anforderungen an die Wahrheitspflicht müssen so bemessen werden, dass dadurch die Funktion der Meinungsfreiheit nicht in Gefahr gerät oder leidet. Eine Übersteigerung der Wahrheitspflicht und die daran anknüpfenden, unter Umständen schwerwiegenden Sanktionen könnten zu einer Einschränkung und Lähmung der Medien führen. Die Rechtsprechung des BVerfG begründet diese Auffassung dadurch, dass die Medien durch eine zu vehement auferlegte Wahrheitspflicht die Medien derartig lähmen würde, dass diese ihre Aufgaben, insbesondere diejenige öffentlicher Kontrolle, nicht mehr erfüllen könnte, wenn ihnen ein unverhältnismäßiges Risiko auferlegt werden würde.[25]
[...]
[1] Thomas Vesting, AöP, 122, 336, 338
[2] BVerfGE 61, 1 (9); 85, 1 (14)
[3] BVerfGE 61, 1 (7 f.); 99, 185 (196 f.)
[4] Grimm, NJW 1995, 1697 (1699)
[5] Thomas Vesting, AöP, 122, 336, 342
[6] Prinz/Peters, S. 2
[7] BVerfGE 33, 1 (14), Thomas Vesting, AöP, 122, 336, 338
[8] Paschke, Rdnr. 171
[9] BVerfG, NJW 1992, 2815, 2816
[10] BVerfGE 61, 1 (7)
[11] Thomas Vesting, AöP, 122, 336, 338
[12] BVerfGE 61, 1 (8)
[13] Grimm, NJW 1995, 1697, 1698
[14] Lüth-Urteil, BVerfGE 7, 198 (210)
[15] Lüth-Urteil, BVerfGE 7, 198 ( 210)
[16] BVerfGE 25, 256 (265)
[17] BVerfGE 90, 241 (247)
[18] BVerfGE 1 (8)
[19] BVerfGE 54, 208 (219)
[20] Lüth-Urteil BVerfGE 7, 198 (212); BVerfGE 54, 208 (219)
[21] BVerfGE 54, 208 (219)
[22] UFITA 89 (1981), 241 (246)
[23] UFITA 89 (1981), 241 (246)
[24] BVerfGE 12, 113 (130)
[25] BVerfGE 54, 208 (221)
- Arbeit zitieren
- Kristina Thürk (Autor:in), 2003, Die Rechtsprechung zur Differenz zwischen Meinungs- und Tatsachenäußerungen in der Rechtsprechung von BVerfG und BGH und die Folgen für die Massenmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40970
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