[...] Die vorliegende Arbeit wird sich mit der ersten und der dritten Frage dieses Forschungsprogramms auseinandersetzen und versuchen, die Sicht des Spracherwerbs in der Generativen Grammatik darzustellen. Die Generative Grammatik begann sich nach der Veröffentlichung des Buches „Syntactic Structures“ durch den Linguisten Noam Chomsky zu entwickeln und ist bis heute eng mit seinem Namen verknüpft. Was Chomsky mit diesem 1957 erschienenen Werk sowie den 1965 folgenden „Aspects of a theory of syntax“, die die sogenannte Standardtheorie begründeten, formulierte, läßt sich bereits an den Titeln der Publikationen ablesen: Die Generative Grammatik war bereits in ihren Anfängen im Kern eine Syntaxtheorie. Trotzdem ist sie mehr als eine weitere Richtung unter vielen in der Grammatikforschung, denn sie geht deutlich über den Versuch hinaus, die Sätze einer Sprache wissenschaftlich zu beschreiben und darzustellen. Vielmehr beinhaltet sie einen eigenen wissenschaftstheoretischen Ansatz, aus dem ihre spezielle Forschungsmethode resultiert, sowie auf dessen Basis einen umfassenden sprach- und grammatiktheoretischen Entwurf. Die Darstellung der wissenschaftstheoretischen Grundposition der Generativen Grammatik und der Auffassung ihres Gegenstandes – der Sprache als Teil des menschlichen Geistes - wird den ersten Teil der Arbeit einnehmen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Kritik verschiedener Spracherwerbstheorien durch die Generative Grammatik und beschreibt daraufhin die grundlegenden Komponenten ihrer Auffassung des Spracherwerbs. Den Abschluß bildet eine Zusammenfassung unterschiedlicher Kritikpunkte an der Generativen Grammatik.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gegenstand und wissenschaftstheoretische Grundposition
3. Die Sicht des Spracherwerbs
3.1. Spracherwerb aus der Sicht des Behaviorismus
3.2. Spracherwerb aus der Sicht des Deskriptivismus
3.3. Spracherwerb aus der Sicht der Generativen Grammatik
3.2.1. Die Universalgrammatik
3.2.2. Die Prinzipien
3.2.3. Beispiel 1: Das Prinzip der Stukturabhängigkeit
3.2.4. Die Parameter
3.2.5. Beispiel 2: Der Pro-drop Parameter
4. Kritik
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die „Grundfrage der Generativen Grammatik“ lautet:
„Was weiß jemand oder hat jemand im Kopf, der eine Sprache, z.B. die deutsche Sprache beherrscht?“ [i]
„Der mentalistischen Sicht zufolge ist die Untersuchung der menschlichen Sprachfähigkeit letztlich ein Studium des menschlichen Gehirns... Die mentalistische Sicht der Sprachfähigkeit ist mit der generativen Linguistik eng verbunden... Zu ihrem Forschungsprogramm gehört die Untersuchung folgender vier Fragestellungen:
1. Welche Form hat das der Sprachfähigkeit zugrundeliegende kognitive Wissenssystem?
2. Wie wird die Sprachfähigkeit beim Sprachverhalten benutzt?
3. Wie wird die Sprachfähigkeit erworben?
4. Welche physikalischen Eigenschaften und Mechanismen liegen der Sprachfähigkeit zugrunde?“[ii]
Die vorliegende Arbeit wird sich mit der ersten und der dritten Frage dieses Forschungsprogramms auseinandersetzen und versuchen, die Sicht des Spracherwerbs in der Generativen Grammatik darzustellen. Die Generative Grammatik begann sich nach der Veröffentlichung des Buches „Syntactic Structures“ durch den Linguisten Noam Chomsky zu entwickeln und ist bis heute eng mit seinem Namen verknüpft. Was Chomsky mit diesem 1957 erschienenen Werk sowie den 1965 folgenden „Aspects of a theory of syntax“, die die sogenannte Standardtheorie begründeten, formulierte, läßt sich bereits an den Titeln der Publikationen ablesen: Die Generative Grammatik war bereits in ihren Anfängen im Kern eine Syntaxtheorie. Trotzdem ist sie mehr als eine weitere Richtung unter vielen in der Grammatikforschung, denn sie geht deutlich über den Versuch hinaus, die Sätze einer Sprache wissenschaftlich zu beschreiben und darzustellen. Vielmehr beinhaltet sie einen eigenen wissenschaftstheoretischen Ansatz, aus dem ihre spezielle Forschungsmethode resultiert, sowie auf dessen Basis einen umfassenden sprach- und grammatiktheoretischen Entwurf.
Die Darstellung der wissenschaftstheoretischen Grundposition der Generativen Grammatik und der Auffassung ihres Gegenstandes – der Sprache als Teil des menschlichen Geistes - wird den ersten Teil der Arbeit einnehmen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Kritik verschiedener Spracherwerbstheorien durch die Generative Grammatik und beschreibt daraufhin die grundlegenden Komponenten ihrer Auffassung des Spracherwerbs. Den Abschluß bildet eine Zusammenfassung unterschiedlicher Kritikpunkte an der Generativen Grammatik.
2. Gegenstand und wissenschaftstheoretische Grundposition
Eine generative Grammatik ist definiert als eine Menge von Regeln, die Form und Bedeutung von Wörtern und Sätzen in einer Sprache, wie sie in einer bestimmten Gemeinschaft gesprochen wird, festlegt. Die linguistische Forschungsrichtung der Generativen Grammatik postuliert die Existenz einer solchen Grammatik im Kopf eines jeden Sprechers und versucht, diese zu beschreiben.
Die Generative Grammatik nimmt dabei eine Gegenposition sowohl zum Deskriptivismus als auch zum Behaviorismus ein. Die Abgrenzung vom Deskriptivismus, dessen Gegenstand eine bestimmte Anzahl von realen Äußerungen von Menschen in einer bestimmten natürlichen Sprache ist, erfolgt in Form einer Kritik seiner wissenschaftlichen Methode. Durch induktives Vorgehen werden im Deskriptivismus aus sprachlichen Korpora die Regeln der Grammatik gefiltert. Dabei entsteht ein äußerliches Objekt, z.B. die deutsche Grammatik, das sich in den sprachlichen Äußerungen der Sprecher des Deutschen ausdrückt und nach dessen Herkunft und Grundlage nicht gefragt wird. Die Kritik am Behaviorismus richtet sich vor allem gegen dessen Sicht des Spracherwerbs (s.u.).
Drei Charakteristika zeichnen die Sprachfähigkeit in der Generativen Grammatik aus. Diese ist
- genetisch veranlagt
- artspezifisch
- autonom.
Die Sprachfähigkeit gehört zur angeborenen Ausstattung des Menschen und unterscheidet ihn von allen anderen Lebewesen, da er die einzige Spezies ist, die diese Fähigkeit besitzt. Die Generative Grammatik sieht die Sprache als kognitive Fähigkeit, die eine Fähigkeit unter anderen in einem modular aufgebauten menschlichen Geist ist.
Die Autonomiehypothese der Sprachfähigkeit postuliert eine Entwicklung der Grammatik unabhängig von der Entwicklung semiotischer oder kommunikativer sowie anderer kognitiver Fähigkeiten. Sie ist eine spezielle formale Kompetenz zum Erwerb und Gebrauch natürlichsprachlicher Grammatiken, die durch Interaktion mit anderen kognitiven Fähigkeiten die Sprachkompetenz bildet.
„Sprache ist eine komplexe, hochentwickelte Fertigkeit, die sich ohne bewußte Anstrengung oder formale Unterweisung beim Kind ganz spontan entwickelt und sich entfaltet, ohne daß das Kind sich der ihr zugrundeliegenden Logik bewußt wird; sie ist qualitativ bei allen Menschen gleich und von allgemeineren Fähigkeiten wie dem Verarbeiten von Informationen oder intelligentem Verhalten zu trennen.“[iii])))
KOGNITION
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Module der Kognition [iv]
Die Generative Grammatik betreibt Kompetenz -Forschung, nicht Performanz -Forschung. Mit dem Begriff der Kompetenz wird das im Spracherwerbsprozeß erlernte sprachliche Wissen bezeichnet, das sich von der tatsächlichen Sprachverwendung, Performanz genannt, unterscheidet. Diese Unterscheidung knüpft an die Definitionen von langue und parole bei de Saussure an. Parole und Performanz lassen sich synonym verwenden, während sich langue und Kompetenz in einem wichtigen Punkt unterscheiden: Langue bezeichnet Sprache als ein statisches System von Zeichen, Kompetenz dagegen ist ein dynamisches Konzept, ein Erzeugungsmechanismus zu unendlichen Produktion von Sprache.
„Dank des diskreten kombinatorischen Systems namens 'Grammatik' ist die Sprache des Menschen unendlich (die Zahl der komplexen Wörter oder der Sätze einer Sprache ist unbegrenzt), digital (diese Unendlichkeit wird durch die Neuanordnung diskreter Elemente in bestimmten Reihenfolgen und Kombinationen erreicht und nicht durch kontinuierliches Variieren eines Signals wie die Quecksilbersäule in einem Thermometer) und kompositionell (jede der unendlichen Kombinationen hat eine andere Bedeutung, die sich aus den Bedeutungen ihrer Teile und den Regeln und Prinzipien zu ihrer Anordnung vorhersagen läßt).“ [v]
Es geht in der Generativen Grammatik vor allem um die Konstruktion eines idealen Sprechers bzw. Hörers, d.h. um die Frage, was der Mensch prinzipiell kann, nicht um den tatsächlichen Gebrauch der Kompetenz, in dem diese meist durch Umwelteinflüsse in ihrer idealen Form gestört wird. In der Erforschung der Kompetenz ist der ideale Sprecher/Hörer Mitglied einer homogenen Sprachgemeinschaft, die keinerlei dialektalen oder soziolektalen Einflüssen unterworfen ist.
[...]
[i] Linke, Angelika; Nussbaumer, Markus; Portmann, Paul R.: Studienbuch Linguistk. Tübingen 1996, S.91.
[ii] Clahsen, Harald: Die Untersuchung des Spracherwerbs in der generativen Grammatik. Eine Bemerkung zum Verhältnis von Sprachtheorie und Psycholinguistik.
In: Der Deutschunterricht, 42, 1990, S. 10.
[iii] Pinker, Steven: Der Sprachinstinkt. Wie der Geist die Sprache bildet. München 1996, S. 21.
[iv] Aus: Linke, Angelika et al.: Studienbuch Linguistik, S. 99.
[v] Pinker, Steven: Der Sprachinstinkt, S. 387.
- Arbeit zitieren
- Bernadette Ohmer (Autor:in), 2000, Spracherwerb aus Sicht der Generativen Grammatik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40906
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