Ausgehend von der Erkenntnis, dass eine Ausweitung des etablierten Gesundheitssystems mit seiner biomedizinischen Fokussierung auf die akute Patientenversorgung, bei einer sich stetig verändernden demographischen Entwicklung in der Gesellschaft mit ihren neuen Herausforderungen, keine signifikante Verbesserung des Gesundheitsstatus der Gesamtbevölkerung mehr erwarten lässt, hat zu einer Neu- bzw. Wiederentstehung der Gesundheitswissenschaften ab den 1970er Jahren in Deutschland beigetragen. Sie knüpft dabei an die Tradition der Sozialmedizin und der öffentlichen Gesundheitsversorgung des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts an und bezieht neueste Impulse aus der Public-Health-Bewegung.
Kennzeichnend für die neue Disziplin ist ihr interdisziplinärer Ansatz aus Soziologie, Biomedizin, Psychologie und Pflegewissenschaft aber auch aus Sozialpädagogik, Gesundheitsökonomie und der Betriebswirtschaft mit dem Ziel, „… die somatischen, psychischen, sozialen und ökologischen Bedingungen der Gesunderhaltung zu erforschen und hieraus Konsequenzen für die Gestaltung des Gesundheitssystems abzuleiten …“ (HURRELMANN/LAASER 1998, 20).
Entsprechend dieser Zielsetzung gilt es, die Definitionen von Sozialisation und Gesundheit herauszuarbeiten und ihre ursächliche Bedeutung für Ressourcen und Risiken der Gesundheitsentwicklung im Lebensverlauf des Einzelnen darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Gesundheitswissenschaften
2. Sozialisation und Gesundheit
2.1 Sozialisationstheorien und Persönlichkeitsentwicklung
2.2 Gesundheits- und Persönlichkeitsentwicklung
2.3 Belastungsfaktoren und Bewältigungsstrategien
2.4 Krankheitsursachen und Risikofaktoren
2.5 Ressourcen und Bedingungsfaktoren
3. Gesundheitsentwicklung im Lebensverlauf
3.1 Gesundheitsbedingende Einflussfaktoren in der Kindheit
3.1.1 Einflussfaktor Familienstrukturen
3.1.2 Einflussfaktor Interaktions- und Kommunikationsstile
3.2 Gesundheitsbedingende Einflussfaktoren in der Jugend
3.2.1 Einflussfaktor Pubertät
3.2.2 Einflussfaktor Schule und Berufsausbildung
3.2.3 Einflussfaktor Gleichaltrigengruppe
3.3 Gesundheitsbeding. Einflussfaktoren im Erwachsenenalter
3.3.1 Einflussfaktor berufliche Integration
3.3.2 Einflussfaktor Arbeitsbedingungen
3.4 Gesundheitsbedingende Einflussfaktoren im Alter
3.4.1 Einflussfaktor Austritt aus dem Berufsleben
3.4.2 Einflussfaktor physiologische Veränderungsprozesse
4. Resümee
5. Ausblick
Eidesstattliche Erklärung
Literaturverzeichnis
1. Gesundheitswissenschaften
Ausgehend von der Erkenntnis, dass eine Ausweitung des etablierten Gesundheitssystems mit seiner biomedizinischen Fokussierung auf die akute Patientenversorgung, bei einer sich stetig verändernden demographischen Entwicklung in der Gesellschaft mit ihren neuen Herausforderungen, keine signifikante Verbesserung des Gesundheitsstatus der Gesamtbevölkerung mehr erwarten lässt, hat zu einer Neu- bzw. Wiederentstehung der Gesundheitswissenschaften ab den 1970er Jahren in Deutschland beigetragen. Sie knüpft dabei an die Tradition der Sozialmedizin und der öffentlichen Gesundheitsversorgung des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts an und bezieht neueste Impulse aus der Public-Health-Bewegung.
Kennzeichnend für die neue Disziplin ist ihr interdisziplinärer Ansatz aus Soziologie, Biomedizin, Psychologie und Pflegewissenschaft aber auch aus Sozialpädagogik, Gesundheitsökonomie und der Betriebswirtschaft mit dem Ziel, „…die somatischen, psychischen, sozialen und ökologischen Bedingungen der Gesunderhaltung zu erforschen und hieraus Konsequenzen für die Gestaltung des Gesundheitssystems abzuleiten…“ (Hurrelmann/Laaser 1998, 20).
Entsprechend dieser Zielsetzung gilt es die Definitionen von Sozialisation und Gesundheit herauszuarbeiten und ihre ursächliche Bedeutung für Ressourcen und Risiken der Gesundheitsentwicklung im Lebensverlauf des Einzelnen darzustellen.
2. Sozialisation und Gesundheit
Der Zusammenhang von Sozialisation und Gesundheit ergibt sich wesentlich aus der Wechselbeziehung zwischen den sozialen, ökonomischen und ökologischen Lebensbedingungen des Einzelnen und seiner physischen und psychischen Gesundheitsentwicklung. Der Komplexität dieser Wechselbeziehungen folgend, wirken sich diese Lebensbedingungen entsprechend auf die Persönlichkeitsentwicklung aus und somit auch auf das Entstehen gesundheitlicher Risiken und entsprechender Ressourcen im Umgang mit diesen.
2.1 Sozialisationstheorien und Persönlichkeitsentwicklung
Hurrelmann definiert Sozialisation als einen „…Prozeß [!] der Konstituierung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von und in kontinuierlicher Auseinandersetzung mit der gesellschaftlich vermittelten sozialen und dinglich-materiellen Umwelt einerseits und der biophysischen Struktur des Organismus andererseits“ (Hurrelmann 1994, 15).
Dieser Definition folgend kann man Sozialisation als einen lebenslang andauernden komplexen Austausch- und Entwicklungsprozess des Individuums mit seiner Umwelt und seinen bio-psychischen Personenmerkmalen verstehen. Umwelt bezieht sich hierbei sowohl auf soziale Bindungen in Familie, Schule, Beruf und Freizeit, als auch auf ökologisch-ökonomische Rahmenbedingungen und soziale Schichtzugehörigkeit.
Der Mensch wird demgemäß in der Entwicklung seiner Persönlichkeit mittels seiner Umwelt und ebenso durch seine bio-psychischen Personenmerkmale geprägt und beeinflusst. Er gestaltet diese aber auch potentiell in einer interaktiven und interdependenten Wechselbeziehung, durch seine Person und sein Handeln für sich selbst und gemeinsam mit Anderen (Umwelt!). Dadurch wird der Einzelne vom passiven Rollen- und Symptomträger in einer funktionalen Umwelt zum aktiven Mitgestalter eigener sozialer Rollen, bio-psychischer Personenmerkmale und gemeinsam geteilter Realitäten und Umweltbedingungen. Folglich bezeichnet Hurrelmann „Persönlichkeitsentwicklung …[als] eine ständige Abstimmung zwischen den eigenen körperlichen und psychischen Bedürfnissen und Möglichkeiten und den Vorgaben und Angeboten der sozialen und materiellen Umwelt“ (Hurrelmann 2000, 61).
2.2 Gesundheits- und Persönlichkeitsentwicklung
In Anlehnung an die WHO, die Gesundheit als einen Zustand des völligen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als Zustand des Freiseins von Krankheit und Gebrechen definiert (vgl. WHO 2004) und in Abgrenzung zur biomedizinischen Sichtweise rein organischer Störungen innerhalb definierter Parameter, geht Hurrelmann in seinem Ansatz davon aus, dass „Gesundheit..den Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person [bezeichnet], der gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer [Persönlichkeitse]ntwicklung in Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet“ (Hurrelmann 1994, 16-17).
Demzufolge umfasst Gesundheit physische, psychische und soziale Anteile und ergibt sich aus den sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Lebensbedingungen des Einzelnen, den damit verbundenen Anforderungen und Belastungen sowie den im Lebenslauf erworbenen und entwickelten Bewältigungsstrategien und Ressourcen.
Gesundheit steht dadurch auch in engem Zusammenhang mit der Persönlichkeitsentwicklung des Individuums. So wirken sich individuell sozialisierte Einstellungen und Verhaltensweisen genauso auf die Gesundheitsentwicklung aus, wie Belastungsfaktoren und eventuelle Krankheitssymptome, also Gesundheitszustände, sich sozialisierend auf die Persönlichkeitsentwicklung, also individuelle Verhaltensweisen und Einstellungen, auswirken. Da auch hier eine interdependente und interaktive Wechselbeziehung zwischen Individuum und Umwelt besteht, begründet sich dadurch der kausale Zusammenhang von Sozialisation und Gesundheit.
2.3 Belastungsfaktoren und Bewältigungsstrategien
Der Konzeption Hurrelmanns folgend stellt Gesundheit keinen absoluten Zustand dar, sondern gestaltet sich als Prozess innerhalb eines Kontinuums zwischen Gesundheit und Krankheit. Dabei sind alle Abstufungen relativer Gesundheit bzw. relativer Krankheit möglich, abhängig von den individuellen Belastungen bezogen auf individuelle Ressourcen und Bewältigungsstrategien sowie sozialer Unterstützungsfaktoren. Gesundheit ergibt sich somit aus dem Gleichgewicht zwischen der Belastung durch Risikofaktoren und deren Kompensation durch entsprechende Ressourcen. Hurrelmann spricht von „Bedingungsfaktoren des Gesundheits- und Krankheitszustandes…“ (Hurrelmann 2000, 12) und unterscheidet dabei zwischen sozialen, psychischen und somatischen Risikofaktoren sowie personalen und sozialen Ressourcen (vgl. Hurrelmann 1994, 49-120).
2.4 Krankheitsursachen und Risikofaktoren
Durch die zunehmende Verschiebung des Krankheitsspektrums in den modernen Industriegesellschaften von akuten zu chronischen Krankheitsformen, lassen sich deren Entstehungsursachen nicht mehr in gewohnter Weise zuordnen. Im Gegensatz zu den akuten Infektionskrankheiten, deren Entstehung und Ausprägung kausal mit mikrobiologischen Erregern (Viren, Bakterien) in Zusammenhang steht, lässt sich bei chronischen Erkrankungen von einem Risikofaktorenmodell ausgehen.
In der medizinischen Forschung hat sich herauskristallisiert, dass es einen
statistischen Zusammenhang zwischen bestimmten Faktoren und der Entstehung einer chronischen Erkrankung gibt. Dabei entstehen Belastungen nicht nur durch physiologische Merkmale (z. B. Bluthochdruck), sondern auch durch psychische Disposition und sozio-ökologische Umweltbedingungen.
2.5 Ressourcen und Bedingungsfaktoren
Entscheidend für die Bewältigung von sozialen, psychischen und physischen Belastungen im Lebenslauf sind individuell sozialisierte Handlungskompetenzen und Verarbeitungsstile im Umgang mit Lebensereignissen und -situationen (personale Ressourcen) sowie das Vorhandensein von Unterstützungspotentialen durch soziale Netzwerke und Beziehungen (soziale Ressourcen).
Aus sozialisationstheoretischer Sicht bewirken soziale, psychische und physische Risikofaktoren sowie personale und soziale Ressourcen „Bedingungsfaktoren des Gesundheits- und Krankheitszustandes…“ (Hurrelmann 2000, 12), die nach Hurrelmann wie folgt klassifiziert werden: (vgl. Hurrelmann 2000, 12)
- Personale Faktoren:
- Alter, Geschlecht - Persönlichkeitsstruktur
- körperliche Konstitution - Lebensgewohnheiten
- ethnische Herkunft - Bildungsgrad
- genetische Disposition - Bewältigungskompetenz
- Soziale Faktoren:
- wirtschaftliche Lage - Umweltqualität
- Wohnverhältnisse - Arbeitsbedingungen
- Verkehrssicherheit - Arbeitsanforderungen
- soziale Integration - private Lebensformen
- Gesundheitssystem-Faktoren:
- Erreichbarkeit - Versorgungsqualität
- Zugänglichkeit - Versicherungssystem
- Bedarfsgerechtigkeit
[...]
- Arbeit zitieren
- Christian Ackermann (Autor:in), 2005, Das Sozialisationskonzept von K. Hurrelmann. Zur Bedeutung der Sozialisation für die Gesundheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40577
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