Jeder kennt die These von der Medienmacht als neuerdings vierter Staatsgewalt. Diese ist jedoch durchaus umstritten. Genauer gesagt stehen ihr mindestens drei weitere Ansätze der einschlägigen Literatur gegenüber, die die Beziehung dieser gesellschaftlichen Sphären näher beleuchten und vor allem, erklären wollen. Im Einzelnen werden also überblicksartig das Gewaltenteilungsparadigma, die Dependenz des Politischen, die Abhängigkeit der Medien, sowie die Annahme eines symbiotischen "Supersystems" vorgestellt. Erweitert um die Erläuterung zahlreicher Rahmenvariablen, wie die rechtlichen Bedingungen, die im weitesten Sinne "schauspielerischen" Einflüsse, die Sozialisation der Berufsgruppe Journalist, das Maß der Regulierbarkeit durch Entscheidungsträger etc. soll anschließend zu einem Loblied auf die Vorteile grundgesetzlich verankerter Meinungs- & Willensbildung in einem Kulturkreis, der die Pressefreiheit schätzt und wenigstens bis zum Zeitpunkt der Abfassung einigermaßen hochhielt (man denke an den Skandal um "Cicero"), angesetzt werden, bevor eine abrundende Betrachtung um Perspektiven, Nutzen & Chancen der neuesten IT-Technologie "Internet" für die in der Tat offene Entwicklung politischer Systeme weltweit (Stichwort: globale Demokratie) die Arbeit ihrem bis dato logischen Ende entgegenführt.
1. Inhaltsverzeichnis
2. Vorwort
3. Konzeptuelle Grundlagen
4. Überblick der theoretischen Ansätze
4.1 “Gewaltenteilung”
4.2 Instrumentalisierung der Medien
4.3 Dependenz des Politischen
4.4 Interdependenz - Symbiose - “Supersystem”
5. Strukturelle Rahmenbedingungen
5.1 Kommunikationswissenschaftliche Voraussetzungen
5.1.1 Nachrichtenwerttheorie
5.1.2 “gatekeeper“-Forschung
5.1.3 Das PR-Modell
5.1.4 Der “uses & gratifications”-Ansatz
5.2 Gemeinsame Folgen “sui generis”
5.2.1 Veränderte Logiken
5.2.2 Theaterwissenschaftliches
5.2.3 Politikverdrossenheit/”Videomalaise”
5.2.4 Andere Besonderheiten
6. Exkurs: (Nicht-) Demokratien oder die Rolle des Rechts
7. Versuch einer Bilanz
8. Verheißung Internet - ein Ausblick
9. Bibliographie
2. Vorwort
Wir befinden uns teilweise an der Schwelle, haben andernteils schon “einen Fuß in der Tür” oder stehen bereits mit beiden Beinen fest darin, je nach gesellschaftlichem, persönlichem oder mit vergleichbaren ausschlaggebenden Faktoren kontingentem Entwicklungsstand - gemeint ist das Informationszeitalter.
Viel beschworen und doch sehr unscharf in seiner Konsequenz, “spukt” dieser Begriff nun bald schon seit mehreren Jahrzehnten durch mancherlei Kreise, Diskussionen, Foren. Was genau aber veranlasst selbige, von einem genuin neuen Zeitalter, womöglich gar einer Epoche zu sprechen?
Zunächst einmal kommt es nicht von ungefähr, derart drastische Veränderungen zu konstatieren; das soll heißen, es findet sich durchaus reichlich Evidenz für bahnbrechenden Wandel in den fundamentalen Strukturen unserer Lebensweise. Einen dieser Bereiche bezeichnet namentlich die Politik im weitesten Sinne, welche sich, mehr oder minder freiwillig, einem “Übergriff der Informationsmacht” exponiert. Ob es sich dabei allerdings um einen der freundlichen oder feindlichen Art handelt bzw. auch und vor allem in Zukunft handeln wird, ist hingegen noch nicht vollends abzusehen.
Das Mediensystem also: Beschaffung, besser “Jagd” nach Neuigkeit, koste es was es wolle, deren Verwertung, gegebenenfalls durch massive “Aufbereitung” und anschließende, möglichst effektive Distribution, ebenso um jeden Preis. Inwiefern sich diese klischeehafte Zuspitzung bewahrheitet und mit welchen Auswirkungen für das polische System dies einhergeht, steht im Brennpunkt vieler politik- und kommunikationswissenschaftlicher Debatten, über deren aktuellen Stand einen Überblick zu gewinnen, im folgenden der Versuch unternommen wird.
Vorweg sei gesagt, dass es dabei aufgrund zwei verschiedener fachspezifischer Ausgangslagen und Perspektiven zu leichten inhaltlichen Überschneidungen und, wo zum Verständnis kontextuell nicht vermeidbar, Wiederholungen kommen könnte, da schließlich beide Disziplinen der gleichen Wahrheit auf der Spur sind und die resultierenden Theorien u. U. nur unter anderen Benennungen im Umlauf sind. Aber bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom.
Leider und das sei vorweg auch noch zu erwähnen, kann diese Thematik insgesamt hier nur sehr skizzenhaft und abrissartig dargestellt werden.
3. Konzeptuelle Grundlagen
Einleitend wäre es von Nutzen, die beiden betroffenen Teilsysteme etwas deutlicher zu umreißen und voneinander abzugrenzen, also zu definieren. Ebenso deren Vermittlungsprozess, um den es sich hier auch ganz wesentlich handelt, die Kommunikation selbst.
Das politische System lässt sich nach Saxer sinnvoll deuten als “jener gesellschaftliche Handlungszusammenhang [...], der die allgemeinverbindlichen Entscheidungen hervorbringt”, während das publizistische System “das Insgesamt der um die publizistischen Medien ablaufenden Prozesse” ist. Kepplinger wiederum gelingt es, das Verbindungsstück ausfindig zu machen, nämlich die Willensbildung, also “alle Werturteile und Tatsachenbehauptungen, die die Beliebigkeit politischer Urteile strukturieren und somit auf faktisch mögliche Alternativen eingrenzen.”1 Die Willensbildung stellt somit einen Spezialfall der Kommunikation dar, wie er für den Austausch der hier untersuchten Sphären charakteristisch ist.
Dabei sind vorerst zwei Sachen festzuhalten. Erstens, dass bei geringfügiger Modifikation der Vorstellung, diese Definitionen auch für individuelle Funktionen anwendbar sind, vorausgesetzt man betrachte den Einzelmensch als gesellschaftlichen Verband von Zellen und verstehe unter Medien metaphorisch die (über-)sinnlichen Modalitäten als die Quelle unserer jeweiligen Gedanken, Vorstellungen, Intuitionen etc., frei nach dem Motto: im Großen wie im Kleinen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Willensbildung, wo die Kontur zwischen Individuum und Gesellschaft sowieso verschwimmt, respektive faktisch gar nicht relevant ist. Zweitens, dass die “conditio sine qua non” im Wechselspiel des Politik- & Medienkomplexes liegt, diese also insofern aufeinander angewiesen sind, als eine Trennung praktisch gar nicht denkbar ist, was besonders deutlich vor Augen tritt, wenn man erneut die Analogie zur Person zieht und dadurch auffällt, dass Willensbildung ohne Verknüpfung mit Kommunikatoren, d. h. jeglichen Erzeugern von Kommunikation, unmöglich ist, da ansonsten keine Substanz zur Wahl zwischen Alternativen gegeben wäre, weil es zu keiner Informationsübertragung käme. Für die anschließende Aufzählung der gängigen Blickwinkel hinsichtlich der Bewertung des Verhältnisses von Politik & Medien, ist letzteres Faktum von tragender Bedeutung. Zunächst aber sei noch eine Definition von “Kommunikationspolitik” vorangestellt, was zwar begrifflich ziemlich genau den Kern dieses Aufsatzes trifft, leider aber nur in rein technischer Hinsicht. Laut Tonnemacher dient sie der “Schaffung, Durchsetzung oder Erhaltung von Normen im Bereich der Information und Kommunikation” und stellt damit einen wichtigen Bestandteil der “Medienpolitik” im Allgemeinen dar, welche außer mit der Organisation, Rechtsstellung, den Funktionen, sowie personeller und materieller Ausstattung, darüber hinaus mit konkreter Lobbyarbeit einzelner Institutionen befasst ist bzw. soeben Genanntes bezeichnet.2 Die formalen Randbedingungen sind somit gegeben.
4. Überblick der theoretischen Ansätze
Es gibt vier Theorien, die mehr oder minder ernsthaft den Anspruch erheben, die Beziehung zwischen den gegenwärtig untersuchten Aspekten des sozialen Handelns korrekt und realistisch widerzuspiegeln. Die Haltbarkeit der jeweiligen Position in Opposition zu den restlichen drei Standpunkten scheint sich aber eventuell im Verlauf der Behandlung mindestens als fraglich zu erweisen.
4.1 “Gewaltenteilung”
Da wäre primär das Gewaltenteilungsparadigma. Die Crux dabei ist die Annahme, das Mediensystem bilde eine “vierte Gewalt” im Staat, reihe sich derart zwischen Legislative, Exekutive & Judikative ein und stehe in demselben wechselseitigen Kontrollverhältnis.3
Diese Unabhängigkeit ist jedenfalls schwer umstritten. Selbst wo eine Gewaltenteilung de facto vorhanden ist (im Gegensatz zur hiesigen Gewaltenverschränkung), stellt sich die Frage, ob nicht, wie o.g., allein die Tatsache genügt, dass aufgrund von systemimmanenten Zwängen die mutmaßliche “vierte Gewalt” den übrigen näher steht, als diese unter sich, da die Notwendigkeit des Kommunizierens allen verbindlich ist, wodurch eine eindeutige Kompetenzabgrenzung zu den Medien schwerer fällt, als untereinander. Hinweise darauf liefern beispielsweise die Zusammensetzungen von Rundfunk- & Medienräten im öffentlich- rechtlichen Fernsehen, die unter anderem nach Parteiproporz geregelt werden. Außerdem zeichnet sich seit langem ein Trend zu Konglomeraten aus Konzern-, Partei- & Verlagsinteressen ab, der seinen logischen Gipfelpunkt im multinationalen Medienmogul gefunden zu haben scheint.4 Eine strikte Independenz zu unterstellen, erübrigt sich hiermit. Das lässt sich auch schon bei Max Weber ersehen, beklagt dieser doch bereits 1918 eine zunehmend straffe Organisation der Parteien, in deren Verlauf ökonomischen Interessen Vorschub geleistet wird, aus der Einsicht, Wahlkreise nur noch unter erheblichem finanziellen Aufwand erobern zu können und dies keineswegs ohne Zuhilfenahme von Rednerschulen zur Hervorbringung von Agitatoren, umfangreicher Parteiliteratur mitsamt Zeitungen und einem ausgeklügelten Verfahren zur Ermittlung von Wahlparolen.5 Der Gemeinplatz, dass auch die hellenistische Demagogie, also ihre Rhetorik, per Definition im Wesen eines “klassischen” Medienverständnisses liegt und daher die intime Verflechtung verdeutlicht, dürfte diese Theorie endgültig zum Artefakt machen.
4.2 Instrumentalisierung der Medien
Die Instrumentalisierungshypothese postuliert ihrerseits zwar eine Zunahme der medialen Wichtigkeit, sieht selbiges Potential jedoch in Abhängigkeit zur Politik stehen. Daraus ergibt sich eben jene Ausnutzung der Medien zugunsten politischer Kontrolle, die dieses System seiner Mündigkeit beraubt und deren Methoden, Mittel und Maschinerie gezielt manipuliert und es so zweckmäßig in den Herrschaftsdienst stellt. Zentral sind dabei die veränderten Anforderungen an eine komplizierter und vielfältiger werdende Staatstätigkeit, bei gleichzeitig gesteigerter Unüberschaubarkeit, die ein enormes Bedürfnis nach Legitimität kreiert. Auf dem Wege der vordergründig audiovisuellen Transportierbarkeit, aber nicht zuletzt auch im Bereich der Printmedien, ist dieses Anliegen offensichtlich realisierbar.6
Damit jedenfalls verbundene, weitreichende Umgestaltungen für den Informationsgehalt selbst, werden im Weiteren noch erörtert; vorerst sei lediglich das Beispiel vom “Pseudo- Ereignis”, eine Kreation der “public relations”, insbesondere der “spin doctors”, erwähnt, welches darauf hinweist, dass der politische Anteil von Rückkoppelungen der vermeintlichen Instrumentalisierung nicht verschont bleibt und sich in diesem Kontext hervorragend als “Brückenschlag” zur folgenden Theorie eignet.
4.3 Dependenz des Politischen
In der Beschreibung des “Dependenzparadigmas” zeigt sich der exakte Gegenpart, nämlich die Instrumentalisierung der Politik durch die Medien, mit anderen Worten deren Abhängigkeit.
Diese These wird etwa durch Heinrich Oberreuter, der von einer “Mediatisierung” der politischen Umwelt, oder aber von Thomas Meyer, welcher von einer “Kolonisierung” durch das Mediensystem spricht, vertreten, dazu ausführlicher unter Kapitel 5. Hier sei vornehmlich erwähnt, dass es sich dabei im Grunde um aufgezwungene Funktionslogiken handelt, die mit negativen Folgen für das Politische einhergehen, insbesondere wegen der mangelnden demokratischen Legitimierung der Media an sich. Betont werden muss ebenfalls noch die de facto unzweifelhaft gegebene Angewiesenheit politischer Berichterstattung, Willensbildung u. ä. Formen staatlicher Implementierungsleistungen auf einen kompetenten “Wissensverteiler“, sowohl zur Gewinnung von Anhängerschaft und sozialem Rückhalt, als auch, soweit umsetzbar, von breitestmöglichem “Feedback“. Gerade in letzterem erhellt der interaktive Charakter des Verhältnisses, den auch das wachsende authentisch politische Gewicht der Kommunikatoren, beispielsweise durch Vorwegnahme der Themen oder gesteuerte Meinungsmanipulation, nicht völlig wettmachen kann.7 Vermutlich resultiert daraus die Erkenntnis eines Zustandes der alltäglichen Praxis, der irgendwo zwischen dem idealtypischen Instrumentalisierungs- und Dependenzkonzept lokalisiert werden kann.
4.4 Interdependenz - Symbiose - “Supersystem”
Im Prinzip schildert gegenwärtiger Ansatz mehr oder minder die Synthese der beiden vorangehenden. Max Kaase nennt es “reflexive Verschränkung”. Ein ausgefeiltes Input- Output-Modell zur Veranschaulichung dieses Begriffs liefert Saxer.
[...]
1 zit. nach Kunczik, a. a. O., S.84 f.
2 zit. nach Pürer, a. a. O., S. 402 f.
3 vgl. Kunczik, a. a. O., S. 85
4 Allgemein über mediale Globalisierung, vgl. Kunczik, a. a. O. S. 434-38, ausführlicher am Beispiel von Rupert Murdoch ab S. 438, hierfür interessant, vor allem exemplarisch S443-46 zum intensiven Verhältnis zur Politik, z.B. Fraser (australischer Premier a. D.), Giuliani, Gingrich, Thatcher, z. T. Blair; der Begriff „Korruption“, bestenfalls „unlauterer Wettbewerb“ scheint dort nicht unangebracht. Auch sein konformistisches Verhalten zur chinesischen Regierung sprechen Bände für rein ökonomisch opportunes Handeln.
5 vgl. Weber, a. a. O., S. 403 f.
6 vgl. Kunczik, a. a. O., S. 85-87
7 ibid., S. 87 f.
- Arbeit zitieren
- Oliver Köller (Autor:in), 2005, Die Debatte um das Verhältnis von Politik und Medien - Ein aktueller Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40247
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