1. Einleitung
Vorliegende Arbeit soll an dieser Stelle in Konzeption und eingeschlagenem Lösungsweg vorgestellt werden. Das Thema bedarf zuerst der Einordnung in einen größeren historiographischen Bezug.
Den strukturhistorischen Hintergrund bildet das Problem der Moderne, also der gesellschaftliche Transformationsprozeß vom Ancien Régime zur modernen bürgerlichen Welt. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts wird hierfür wenn nicht als Beginn, so doch als Periode angesehen, welche diese Entwicklung enorm beschleunigte, gleichsam verdichtete und für ihren Vollzug als ausschlaggebend zu gelten hat. Der Ausgangspunkt der Trennung von Staat und Gesellschaft ist in dieser Zeit zu finden. Die bislang selbstverständliche Unterordnung der gesellschaftlichen unter die staatliche Sphäre begann sich zu einem Gegeneinander zu entwickeln1, neben dem modernen zentralisierten und einheitlich verwalteten Staat etablierte sich – partiell gegen diesen - die vom Bürgertum beherrschte, sich rasch industrialisierende Gesellschaft2. Folgerichtig nahm die Entstehung der maßgeblichen politischen Strömungen in Deutschland hier ihren Anfang. Neben der umfassenden, vornehmlich in der Sphäre intellektueller Diskurse angesiedelten Aufklärungsbewegung ist dieser Politisierungsprozeß mit dem für das „gesellige Jahrhundert“ so typischen Phänomen der geheimen Gesellschaften verbunden.
Den Anstoß für die intensive Durchdringung dieser Zirkel gab Reinhart Koselleck mit seiner Arbeit Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt.3 Darin interpretierte er die Entstehung der Freimaurerei und ihre Abgrenzung nach außen mit Hilfe des Geheimnisses als dialektisches Pendant des Absolutismus.4 Bürgerliche Eliten, im absoluten Staat in ein – im Vergleich zum ständischen System – kaum Profilierungsmöglichkeiten bietendes Untertanenverhältnis gezwungen, hätten im arkanen Binnenraum eine moralische Gegenwelt kultiviert und in dieser bürgerliche Freiheit bereits verwirklicht. Standesüberschreitende Gleichheit, Brüderlichkeit, religiöse Toleranz und Leistungsprinzip – diese bürgerlichen Ideale fänden sich hier schon umgesetzt. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gesellschaftliche Gruppenbildung: Der Aufstieg der Beamtendynastie Beyer
3. Politische Gruppenbildung: Die Beamtendynastie Beyer und der Orden der Gold- und Rosenkreuzer in Brandenburg-Preußen
3.1. Überblick über die Geschichte der Freimaurerei in Brandenburg-Preußen 1738-1800
3.2. Die Bruderschaft des Ordens der Gold- und Rosenkreuzer in Brandenburg-Preußen
3.3. Johann Christoph von Wöllner – Aufstieg und Einfluß in Brandenburg-Preußen
3.4. George Eberhard Friedrich Beyer – Wöllners „graue Eminenz“
3.5. Ein vernünftiger Gold- und Rosenkreuzer: Christian Samuel Ludwig Beyer
4. Schlußbetrachtung
Abkürzungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Anhang: Genealogische Tafel der Beamtendynastie Beyer
1. Einleitung
Vorliegende Arbeit soll an dieser Stelle in Konzeption und eingeschlagenem Lösungsweg vorgestellt werden. Das Thema bedarf zuerst der Einordnung in einen größeren historiographischen Bezug.
Den strukturhistorischen Hintergrund bildet das Problem der Moderne, also der gesellschaftliche Transformationsprozeß vom Ancien Régime zur modernen bürgerlichen Welt. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts wird hierfür wenn nicht als Beginn, so doch als Periode angesehen, welche diese Entwicklung enorm beschleunigte, gleichsam verdichtete und für ihren Vollzug als ausschlaggebend zu gelten hat. Der Ausgangspunkt der Trennung von Staat und Gesellschaft ist in dieser Zeit zu finden. Die bislang selbstverständliche Unterordnung der gesellschaftlichen unter die staatliche Sphäre begann sich zu einem Gegeneinander zu entwickeln[1], neben dem modernen zentralisierten und einheitlich verwalteten Staat etablierte sich – partiell gegen diesen ‑ die vom Bürgertum beherrschte, sich rasch industrialisierende Gesellschaft[2]. Folgerichtig nahm die Entstehung der maßgeblichen politischen Strömungen in Deutschland hier ihren Anfang. Neben der umfassenden, vornehmlich in der Sphäre intellektueller Diskurse angesiedelten Aufklärungsbewegung ist dieser Politisierungsprozeß mit dem für das „gesellige Jahrhundert“ so typischen Phänomen der geheimen Gesellschaften verbunden.
Den Anstoß für die intensive Durchdringung dieser Zirkel gab Reinhart Koselleck mit seiner Arbeit Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt.[3] Darin interpretierte er die Entstehung der Freimaurerei und ihre Abgrenzung nach außen mit Hilfe des Geheimnisses als dialektisches Pendant des Absolutismus.[4] Bürgerliche Eliten, im absoluten Staat in ein – im Vergleich zum ständischen System – kaum Profilierungsmöglichkeiten bietendes Untertanenverhältnis gezwungen, hätten im arkanen Binnenraum eine moralische Gegenwelt kultiviert und in dieser bürgerliche Freiheit bereits verwirklicht. Standesüberschreitende Gleichheit, Brüderlichkeit, religiöse Toleranz und Leistungsprinzip – diese bürgerlichen Ideale fänden sich hier schon umgesetzt. So sei es dann auch nur noch eine Frage der Zeit und der geeigneten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gewesen, bis das protodemokratische innere Wertesystem der Loge seinen praktischen Niederschlag in der Außenwelt gefunden und so die Mittel an die Hand gegeben habe, das Ancien Régime zu Grabe tragen zu können. Der diesem Konzept zugrundeliegende Absolutismusbegriff soll hier nicht erörtert werden, es handelt sich aber selbstverständlich um den traditionalen.
Diese „rationale“ Sicht des Phänomens Freimaurerei hat bis heute ihre Stellung als die maßgebliche behauptet. Noch vor kurzer Zeit hat Florian Maurice die verblüffende Attraktivität des Logenwesens gerade für Beamte mit einem unbefriedigten „Tätigkeitstrieb“ begründet. Hier habe sich ein Feld für die Erfüllung des Bedürfnisses nach Tätigkeit und Wirksamkeit, der Befriedigung des Gefühls von Einfluß und Bedeutung geboten, das im Staatsdienst nur schwer zu finden gewesen sei[5]. In diese „rationale“ Linie können auch die Arbeiten von Richard van Dülmen,[6] Helmut Reinalter,[7] Rudolf Vierhaus,[8] Horst Möller[9] und Karlheinz Gerlach[10] gestellt werden.
Monika Neugebauer-Wölk hat hingegen Reiz und Erfolg des arkanen Sozietätenwesens unter dem Aspekt philosophischer und esoterischer Wirkungslinien langer Dauer untersucht.[11] Denn die vorgenannten Modelle geraten in Erklärungsnöte, wenn es darum geht, den Fortbestand der Freimaurerei in die Moderne hinein zu begründen.[12] Zudem bereitet die Deutung des der Maurerei wesentlich zugehörigen esoterischen Elements Schwierigkeiten. Der Ausweg, Esoterik nur bei den mystisch-okkulten Spielarten freimaurerischer Systeme Bedeutung zuzumessen, und sie bei „vernunftorientierten“ Varianten lediglich zum den Binnenraum schützenden und so nun leider nicht zu vermeidenden Beiwerk zu erklären, läßt durchaus Fragen offen. So schleicht sich z. B. der Verdacht ein, daß auf diese Weise heutige Sichtweisen in die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts zurückprojiziert werden könnten.[13]
Meine Arbeit versucht sich nun in gewisser Weise zwischen diesen Interpretationslinien zu positionieren. Die Fragen, ob die arkanen Gesellschaften des 18. Jahrhunderts wirklich den zur Etablierung einer bürgerlichen Gegenwelt benötigten Ort oder vielmehr doch vor dem Hintergrund esoterischer Traditionen Gelegenheit und Anreiz für die Suche nach immanenzüberschreitenden Erkenntnissen boten, sind zwar im Auge zu behalten, bilden aber keineswegs den Interessenschwerpunkt.
Wichtiger für die hier zu behandelnde Fragestellung ist die Untersuchung der erwähnten praktischen Folgen des Sozietätenwesens. Als eine gilt die in diesen freien Zusammenschlüssen wurzelnde Entstehung der die letzten zwei Jahrhunderte maßgeblich prägenden politischen Strömungen. Die organisierte geheime Geselligkeit des späten 18. Jahrhunderts gilt als Keimzelle für Identitäts- und Organisationsfindung von Konservatismus, Liberalismus und frühen sozialistischen Utopien.[14] Sie haben gewisse Funktionen späterer politischer Parteien erfüllt. Den ideengeschichtlichen Hintergrund dieses Prozesses bilden die ebenso weitumfassenden wie schwer zu definierenden Begriffe der „Aufklärung“ und deren Gegenbewegung, bekannt als „Gegenaufklärung“ oder gar „Reaktion“.[15]
Einen Schwerpunkt meiner Untersuchungen bildet die Einordnung von Mitgliedern des para-maurerischen Ordens der Gold- und Rosenkreuzer in dieses Gegensatzpaar. Dem Geheimbund ist große Bedeutung für die geistesgeschichtliche und politische Entwicklung gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland zugemessen worden.[16] Die vorherrschende historiographische Tradition war im Bezug auf diese Organisation um eindeutige Zuordnungen nicht verlegen. Der Orden und seine Mitglieder wurden gemäß der größtenteils aus der freimaurerischen Geschichtsschreibung übernommenen Einschätzungen als in Zielen und „Ideologien“ irrational und somit rückwärtsgewandt betrachtet, ihre politische Ausrichtung als reaktionär eingestuft. Eine Keimzelle des Konservatismus wurde hier verortet: „ Die jüngeren Gold- und Rosenkreuzer […] waren konservativen Bestrebungen ergeben und haben einen wichtigen Anteil an der Entstehung des deutschen Konservatismus gewonnen.“[17] Der Orden habe als „ Kristallisationspunkt aller in Deutschland latent vorhandenen konservativen und obskurantischen Kräfte “ gedient.[18]
Sozialgeschichtliche Untersuchungen, besonders prosopographisch angelegte, die in erster Linie das Phänomen der Vernetzung und somit auch die internen Verbindungen zwischen „aufgeklärten“, d.h. im freimaurerischen Sinne regelrechten, und „irrationalen“ Geheimgesellschaften zum Gegenstand wählten, haben dieses Urteil erschüttert.[19] Denn es zeigte sich, daß gerade die Zugehörigkeit zu Sozietäten, deren Charakter sich doch auszuschließen schien, vielfach üblich war. So konnten dezidierte Vertreter der „rationalen“, radikal-aufklärerischen Seite eben auch Angehörige des Orden der Gold- und Rosenkreuzer sein.[20] Zu fragen ist, wie dies mit der angeblich strikt konservativ-rektionären Ausrichtung des Ordens vereinbar gewesen ist.
Diese durch Strukturforschungen gewonnenen Differenzierungen sollen in der vorliegenden Arbeit durch Fallbeispiele ergänzt werden. Im Mittelpunkt stehen aber nicht die eventuellen Mehrfachmitgliedschaften der untersuchten Personen im Sozietätenspektrum des 18. Jahrhunderts, sondern einerseits die durch ihr arkanes Engagement entstandenen Verbindungen und Kontakte in dem „profanen“ Bereich von sozialem Aufstieg, beruflicher Karriere und persönlichem Fortkommen. Andererseits sollen Aussagen über den „geistigen Standort“ dieser Personen getroffen werden. Diese können sowohl aus dem praktisch-politischen Handeln der Akteure an ihrem Platz im Staatsgefüge, als auch aus ihrer publizistischen Beteiligung an den öffentlichen zeitgenössischen Diskursen getroffen werden. Es ist einfach die Frage zu stellen, ob diese Personen, die – soweit Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ‑ aufgrund ihrer Sozietätszugehörigkeit als Frühkonservative oder Reaktionäre eingestuft worden sind, auch in beruflicher und politischer Hinsicht als solche in Erscheinung traten? Wenn dies der Fall wäre, würden die oben geschilderten Positionen der Gleichsetzung von Rosenkreuzertum und umfassender konservativer Gesinnung, oder besser gesagt Lebenseinstellung, bestätigt. Läßt sich eine solche Konvergenz jedoch nicht feststellen, dann wären einer Argumentation Indizien an die Hand gegeben, die den pauschal formulierten Zusammenhang zwischen Konservatismus und Rosenkreuzerorden zu differenzieren, wenn nicht ganz in Frage zu stellen sucht.
Unbedingt notwendig für dieses Vorhaben ist es, einen funktionalen Begriff von Konservatismus zu entwickeln, um ein Beurteilungskriterium für die Einordnung der Handlungsweisen der untersuchten Personen zu gewinnen. Dies hat sich als eine der Hauptschwierigkeiten erwiesen. Dafür sind verschiedene Gründe anzuführen. Zum einen die dürftige Forschungslage zum deutschen Konservatismus vor 1789[21], obgleich doch auf die Bedeutung der vorrevolutionären Epoche für die Entwicklung des politischen Konservatismus verwiesen worden ist.[22] Zum anderen der dem Begriff durch seinen umgangsprachlichen Gebrauch zukommende Mangel an Präzision.[23]
Die Debatten um die genaueren Ursprünge konservativen Denkens interessieren im Zusammenhang dieser Arbeit nur am Rande. Davon bleibt als wichtig lediglich festzuhalten, daß schon vor der Zäsur der Französischen Revolution ein sich durchaus auch selbst als solches verstehendes konservatives Denken zu finden ist. Schon Fritz Valjavec betonte in seiner 1951 veröffentlichten wegweisenden Studie zur Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland, daß die Ursprünge des mitteleuropäischen Konservatismus eben nicht in dem politischen Vorgang der Revolution von 1789 sondern in der Auseinandersetzung mit der geistigen Strömung der Aufklärung zu suchen sind.[24] Konservatives Denken und Handeln entwickelte sich demzufolge als eine Reaktion auf die zunehmende Bedrohung der Überlieferung auf sozialem, kulturellem, geistigem und religiösem Gebiet. Eine schon längst vorhandene traditionalistische Haltung, sozusagen anthropologische Konstante, wurde so ins Bewußte gesteigert und bewirkte die Ausbildung ausgeprägter konservativer Anschauungen. Diese erwuchsen somit unmittelbar aus Stimmungen und Auseinandersetzungen mit dem Zeitgeist und dessen Rationalisierungs und Säkularisierungsbestrebungen, womit die Verneinung einer einseitig rational ordnenden Sicht notwendig verbunden war.[25] Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts sei demzufolge ein Prozeß der Steigerung und Verdichtung konservativer Bestrebungen zu beobachten, der schließlich auch zur Gruppenbildung geführt habe.[26] Zu ähnlichen Schlüssen auf der Suche nach einer Definition konservativer Ideen gelangte auch Klaus Epstein in seiner umfangreichen Arbeit über die Ursprünge des Konservatismus in Deutschland.[27] Er sieht diese wie Valjavec durch die Aufklärungsbewegung, aber auch den wachsenden Einfluß des kapitalistischen Wirtschaftens und den Aufstieg des Bürgertums provoziert. Konservatismus versteht Epstein als zielgerichtete Bewegung und bewußte Opposition gegen die Absicht, „ die Gesellschaft in Richtung auf eine säkulare, egalitäre, sich selbst regierende Gesellschaft zu verändern.“[28] Besonders die Aufklärung, mit ihrem Anspruch, das Selbst- und Weltbild des Menschen drastisch und unwiderruflich zu verändern, ihrer Überzeugung von Erreichbarkeit der Glückseligkeit auf Erden, mußte unweigerlich eine konservative Reaktion hervorrufen. Denn so verstandene Aufklärung bedeutete nach konservativer Lesart den „ Sieg diesseitiger, materialistischer und hedonistischer Werte über die Jenseitsorientierung, den Spiritualismus und Asketismus der christlichen Tradition.“[29] Was von Valjavec als kaum möglich betrachtet wurde[30], nämlich die Typisierung konservativen Gedankenguts, hat Epstein zu verwirklichen versucht. Neben einer Einteilung der Akteure in schlichte Verteidiger des status quo, Reformkonservative und Reaktionäre unternahm er die Aufstellung einer Idealtypik konservativer Argumentationsformen.[31] Demzufolge wurden Rationalismus als Mittel und Utopismus als Ziel des Fortschrittes abgelehnt. Die rationale Kritik wisse nur zu zerstören, könne aber nicht wie die Tradition auf allgemeinem Konsens beruhende Alternativen bieten. Sie bewirke die Erosion der traditionalen Grundlagen zivilisierten Benehmens, wie Religion, Verhaltensweisen, die Achtung vor etablierten Bräuchen und entfessele ungewollt primitive menschliche Triebe nach Reichtum, Macht und Lust. Radikale Utopien brächten die endgültige Zuspitzung des verweltlichten Hedonismus mit sich und seien deswegen nicht einmal wünschenswert. Säkularismus bedeute nach konservativem Verständnis die Zurückweisung aller transzendenten religiösen Vorstellungen und somit auch des Glaubens an Jenseits und Unsterblichkeit der Seele. Damit werde die psychologisch beruhigende Wirkung des Glaubens zerstört. Auch bleibe die wahre Tiefe der menschlichen Persönlichkeit Rationalisten verborgen, da Glückseligkeit mehr als materiellen Wohlstand umfasse, der, da unbegrenzt erweiterungsfähig, nur relativ bemeßbar sei. Egalitätsansprüche, erwachsend aus den Allgemeingültigkeit beanspruchenden Normen eines abstrakten und eintönigen Rationalismus, zerstörten die Vielfalt der statischen Hierarchie, die Pluralität konkurrierender Werte, denen das Ancien Régime in seiner Unbeweglichkeit viele geschützte Nischen geboten habe.
Zuletzt sei Panajotis Kondylis genannt, der den Konservatismus als ideologische und sozialpolitische Strömung an den Adel band. Ziel sei die Aufrechterhaltung der societas civilis und der Herrschaftsstellung ihrer Oberschichten gewesen. Als dieser konservative und in der Revolutionszeit lediglich reformulierte Ideenbestand gelten die Lehre von der traditionellen Einheit von Staat und Gesellschaft, die Vorstellung eines ewigen göttlich begründeten Rechts, einer von Gott geschaffenen, unantastbaren Weltordnung, einer ständisch gegliederten politischen Ordnung, die Freiheit gerade in dieser ständischen Zuordnung durch festgelegte Eigenrechte und Schutzansprüche sichert.[32] Konservatismus wird also von Kondylis nicht allein als Reaktion auf Aufklärung und Französische Revolution, sondern als ‑ sich auf das traditionelle, wenngleich modernisierte, weltanschauliche und sozialphilosophische Gedankengut der societas civilis theoretisch stützende ‑ Ideologie definiert.[33] Damit legt er die Anfänge noch weiter als Valjavec und Epstein zurück. Auch wenn sich das Konzept dieser Anbindung des Konservatismus an eine scharf abgrenzbare soziale Trägerschaft als nicht ausreichend erwiesen hat[34], verweist es dennoch ebenfalls auf den vorrevolutionären Ursprung der Grundüberzeugungen des Konservatismus. Dies ist als Voraussetzung meiner Arbeit von entscheidender Bedeutung, denn nur diese zeitliche Prämisse berechtigt zu qualitativen Aussagen zur Einordnung von Gold- und Rosenkreuzern. Wie an entsprechender Stelle gezeigt werden wird, entfaltete der Geheimbund seine größte Wirkung in den Jahren vor 1789.
Damit sollen die Überlegungen über die methodischen Voraussetzungen der Arbeit abgeschlossen werden. Als Zwischenbilanz ist festzuhalten, daß konservatives Gedankengut und konservative Gruppenbildung ihre Ursprünge schon vor den Ereignissen von 1789 haben. Ebenso wichtig ist der gewonnene Katalog typisch konservativer Überzeugungen, der nun im weiteren als Beurteilungskriterium für die Aktivitäten der untersuchten Personen dienen kann.
Abschließend ist noch auf die Konzeption der vorliegenden Arbeit einzugehen. Untersucht werden die profanen und arkanen Verbindungen von Angehörigen der Halberstädter Beamtendynastie Beyer. Dabei läßt sich ein Beziehungsgeflecht rekonstruieren, daß in seinen Anfängen die Merkmale traditioneller Protektionsverhältnisse aufweist (gesellschaftliche Gruppenbildung), aber durch die Beziehung zu dem geheimen Gold- und Rosenkreuzerorden und dessen führender Gestalt Johann Christoph von Wöllner in den Bereich des Politischen übergriff (politische Gruppenbildung). Anhand von zwei Fallstudien wird dann eine Beurteilung und Einordnung dieser Verknüpfung in das ideengeschichtliche Spektrum des späten 18. Jahrhunderts versucht.
2. Gesellschaftliche Gruppenbildung: Der Aufstieg der Beamtendynastie Beyer
In diesem Kapitel wird die Entwicklung eines auf Familienstrukturen aufbauenden Beziehungsgeflechts dargestellt, das in der Absicht entstand, sich gegenseitig zu sozialem Aufstieg zu verhelfen. Über die Hilfestellung zum beruflichen Vorwärtskommen erlangte die untersuchte Gruppe in der höheren Beamtenschaft und der Regierung Brandenburg-Preußens einen gewissen, wenn auch bislang nur schwer abzuschätzenden Einfluß. Die hier zugrundeliegenden Protektionsverhältnisse werden sich aber vorerst als unpolitisch erweisen und somit der Frage nach einer Einordnung in politische Lager zunächst entziehen. Gleichwohl können sie als Vorstufe der später zu schildernden politisch qualifizierbaren und wirksamen Verflechtungen angesehen werden.
Der Beginn des Aufstiegs der „Beamtendynastie“[35] Beyer aus Halberstadt in die höheren und zentralen Staatsbehörden ist genau datierbar. Am 5. Februar 1766[36] wurde Johann August Beyer als Geheimer Finanzrat des 4. Departements[37] in das Generaldirektorium, die oberste preußische Verwaltungsinstanz, „introduziert“. Der Minister Ludwig Philipp von Hagen (1724-1771) hatte ihn nach Berlin berufen.
Johann August kam am 3. Februar 1732[38] als ältestes von neun Kindern des Kriegs- und Domänenrats, Bergrats und Direktors des örtlichen Colegii medici Johann Albert Beyer (gest. 1750) und dessen Frau Johanna Dorothea, geb. Dietrich (gest. 1762),[39] in Halberstadt zur Welt. Nach einem Jurastudium an der Friedrichs-Universität in Halle[40] trat er am 11. Dezember 1752[41] als Kammersekretär in die Halberstädter Kriegs- und Domänenkammer ein. Bis zu seinem Wechsel nach Berlin erreichte er hier den Rang eines Kriegs- und Domänenrats und Kammer-Justiziars.[42] War schon seine Berufung in das Generaldirektorium im Alter von nur 34 Jahren bemerkenswert, so muß seine weitere Karriere innerhalb der höchsten Verwaltungsinstitutionen des Landes als außergewöhnlich angesehen werden. Dem Generaldirektorium gehörte er über 40 Jahre bis zu seiner Pensionierung nach 1807[43] in verschiedenen Funktionen an. So fielen im Laufe der Jahre das 6. Departement für die Angelegenheiten der Kurmark, das Stempeldepartement und das 3. Departement mit der Zuständigkeit für das Fürstentum Minden in seinen Verantwortungsbereich. Im 1. Departement führte er das Generalprotokoll. Später, als einer der dienstältesten Geheimen Finanzräte, oblag ihm der Vortrag der Generalia sämtlicher Departements.[44] Im Bereich der Justiz gelang es ihm, führende Positionen einzunehmen.[45] 1769 wurde er zum Direktor des Revisions-Kollegiums ernannt, das 1771 zum Ober-Revisions-Kollegium in Kameraljustizsachen erhoben wurde, als dessen Präsident er dann fungierte. Damit hatte er den Vorsitz im höchsten preußischen Verwaltungsgericht inne.[46] Zwei Jahre später, 1771, erhielt er die Berufung zum Direktor des Ober-Gerichts in Tobacks-Sachen, das 1783 in der Revisions-Instanz der Tabacks-Gerichtssachen beim Ober-Appellationsgericht aufging, der er ebenfalls angehörte. Besondere Erwähnung verdient seine Stellung als Erster Direktor der Gesetzeskommission ab 1783. Er stand damit dem Gremium vor, von dessen Prüfung und Zustimmung das Zustandekommen jedes Gesetzes in Brandenburg-Preußen abhängig gemacht wurde.[47] Die Kommission gab Gutachten über neu zu erlassende Gesetze ab und beurteilte in den Landeskollegien schwebende Rechtsstreitigkeiten.[48] Er wirkte somit an zentraler Stelle der Justizverwaltung des Landes. Der steile Aufstieg Johann Augusts lohnte sich auch in finanzieller Hinsicht. 1799, nach nunmehr 33 Dienstjahren in Berlin, verfügte er über das ungewöhnlich hohe Jahresgehalt von 5954 Talern, was den Minister von der Schulenburg zu der Bemerkung veranlaßte: „ Daß dieses ein sehr großes und für einen Diener, der zu keinem Aufwand Amts wegen verbunden ist, zu großes Gehalt, ist leidet wohl keinen Widerspruch.“[49] Mit seinem in jeder Hinsicht sehr erfolgreichen Werdegang in der Berliner Zentralverwaltung scheint Johann August Beyer hier auch erheblichen informellen Einfluß gewonnen zu haben. Die überlieferten Indizien sind naturgemäß spärlich. Lediglich Adrian Heinrich von Borckes[50] nach dem Regierungswechsel von 1786 im Folgejahr anonym erschienene polemische Schrift Geheime Briefe über die preußische Staatsverfassung seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms des Zweyten liefert einiges Material, dessen Glaubwürdigkeit jedoch mit Vorsicht beurteilt werden sollte. Denn es war Borckes ausgesprochene Absicht, die führenden Köpfe der neuen Administration zu kompromittieren. Inwieweit er zum Erreichen seines Zieles eher phantasievollen Gebrauch von den tatsächlichen Gegebenheiten und Umständen machte, ist bisher noch nicht genau zu beurteilen. Johann August Beyer hatte laut Borcke[51] den schnellen beruflichen Aufstieg seiner Ehe mit der Tochter des Halberstädter Kammerdirektors Dietrich[52] zu verdanken. Dennoch konnte ihm Borcke „ eine hinlängliche Kenntnis von Geschäften “ nicht absprechen. Beyer habe sich aber den ihm vorgesetzten Ministern mit großem Geschick unentbehrlich gemacht, wodurch es ihm gelungen sei, „ fast alle Bedienungen und Aemter im Fürstenthum Halberstadt, theils mit Leuten von seiner zahlreichen Anverwandschaft, theils mit anderen ihm ergebenen Subjekten zu besetzen.“ Ob der Einfluß Johann Augusts wirklich derart weit reichte, konnte nicht überprüft werden. Daß er aber Mittel und Wege fand, seinen Brüdern das Vorankommen zu erleichtern, ist offensichtlich.
Gleichzeitig mit Johann August gelang 1766 auch dessen jüngerem Bruder George Eberhard Friedrich Beyer der Sprung in die Haupt- und Residenzstadt. Dieser war als viertes Kind der Familie des Kriegs- und Domänenrats Johann Albert Beyer am 22. Dezember 1739[53] geboren worden. Über seine Jugendjahre und seinen Ausbildungsweg konnten nur wenige Angaben ermittelt werden. Im Gegensatz zur Mehrzahl seiner Brüder studierte George Eberhard Friedrich nicht.[54] Er „ erlernte die Handlung “[55], d.h. er durchlief eine kaufmännische Ausbildung. Danach arbeitete er als Kaufmann in Braunschweig und Magdeburg, wo er die Firma Gebr. Schwartz leitete, in deren Auftrag er auch durch Deutschland und Holland reiste[56]. 1765 übertrug ihm die Firma Schwartz die Oberaufsicht über die von ihr erworbene Stempelpacht in Magdeburg. Der Berliner Adreßkalender erwähnt ihn 1766 erstmals und sogleich als Leiter einer Berliner Verwaltungsbehörde.[57] In seiner Funktion als Verwalter der Magdeburger Stempelpacht hatte er den Minister von Hagen kennengelernt. Dieser[58] berief ihn nun zum Ersten Hauptinspektor und damit Chef der Haupt-Stempel- und Kartenkammer im Range eines Kriegsrats. Inwieweit die Position des älteren Bruders Johann August den Aufstieg George Eberhard Friedrichs begünstigte, darüber können nur Vermutungen angestellt werden. Als Geheimer Finanzrat stand der ältere – einem heutigen Staatssekretär vergleichbar ‑ im Rang unmittelbar unter dem Minister und war so für die Bearbeitung aller Geschäftsvorgänge in dessen Verantwortungsbereich zuständig.[59] Diese berufliche Nähe zu Minister von Hagen dürfte der Plazierung seines Bruders nicht hinderlich gewesen sein, zumal Johann August, wie bereits erwähnt, die Oberaufsicht über die Stempelsachen führte und sein Bruder eben genau in diesem Ressort, der Stempelkammer, Anstellung fand. Die entsprechenden fachlichen Qualifikationen George Eberhard Friedrichs sollten aber dennoch als objektive und von verwandtschaftlichen Beziehungen unabhängige Voraussetzung seiner Berufung nach Berlin angenommen werden.[60] George Eberhard Friedrich Beyer hatte sich die Befähigungen zu seiner nun beginnenden Beamtenlaufbahn nicht durch ein Universitätsstudium, anschließendes Referendariat und Assessorat und die Beförderung zum Kriegs- und Domänenrat, sondern auf dem Wege zielgerichteter praktischer Spezialisierungen erworben.[61] Aber erst ab 1770 wurde es übliche Praxis, Kandidaten, die eine Plazierung im höheren Staatsdienst anstrebten, einem ersten Examen über theoretische und praktische Fragestellungen im Kameralfach zu unterziehen, wozu die beste Vorbereitung ein Universitätsstudium bot.[62] George Eberhard Friedrich begann seine Laufbahn jedoch früher. Insofern erscheint sein „Quereinstieg“ nicht außergewöhnlich. Er sollte der Stempelkammer sein gesamtes Berufsleben hindurch bis zu seiner Pensionierung 1810 vorstehen. 1771 wurde er in die Oberrechenkammer berufen. Der Aufstieg zu verantwortlichen Positionen im Generaldirektorium gelang ihm nach dem Regierungswechsel 1786. Darauf wird weiter unten genauer eingegangen.[63]
Der Familiensinn der Beyers verstand es, erreichte Positionen weiterhin kontinuierlich zu nutzen: 1769[64] finden wir Johann Bernhard, den am 23. Juli 1746[65] in Halberstadt geboren jüngsten Bruder, als in der Haupt-Stempel- und Kartenkammer angestellten expedierenden Sekretär und somit im direkten Einflußbereich seiner beiden älteren Brüder tätig.[66] Damit war auch für ihn der Grundstein zu einer erfolgreichen Beamtenlaufbahn gelegt. Bis 1775 verblieb er auf seiner Sekretärsstelle in der Stempelkammer.[67] Danach machte er in den im Zuge der Polnischen Teilungen an Brandenburg-Preußen gefallenen westpreußischen Gebieten Karriere. Als Kriegs- und Domänenrat und Justizkommissar (letzteres läßt auf eine frühere juristische Ausbildung schließen) arbeitete er an der Kammerdeputation in Bromberg[68]. Im Jahre 1788 hatte er es zum Zweiten Direktor der Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder gebracht,[69] zu deren Erstem Direktor er später noch aufstieg.[70] 1797 wurde er zum Regierungspräsidenten in Neu-Ostpreußen befördert.[71]
Ein weiteres Familienmitglied, der am 06. Oktober 1744[72] geborene August Friedrich Karl Beyer, erhielt 1774 eine Referendarsstelle am Berliner Kammergericht.[73] Wie sein Bruder Johann Bernhard scheint er 1775/1776 in die Verwaltung der neu angeschlossenen Gebiete gewechselt zu sein.[74] Hier brachte er es bis spätestens 1786[75] zum Kriegsrat, Ober-Akzise-, Zoll-, Tabaks- und Bergrichter. Für das Jahr 1788 wird er als Kriegs- und Kreis-Justizrat bei der Kreis-Justizkommission in Stoltzenberg (Westpreußen) geführt.[76] Als August Friedrich Karl sein Referendariat begann, wohnte er bei dem Geheimen Tribunalrat Friedrich Ludwig Dietrich (übrigens im selben Haus wie sein älterer Bruder Johann August).[77] Damit schließt sich der Kreis zu der anderen Halberstädter „Beamtendynastie“, der mit den Beyers verwandten Familie Dietrich. Die Mutter der acht Brüder Beyer war eine geborene Dietrich, Johann August hatte wie erwähnt eine Angehörige dieser Familie (wohl eine Cousine) geheiratet. Die Bande zwischen beiden Familien waren somit eng geknüpft. Daher überrascht es wenig, ähnlich den Beyer-Brüdern auch mehrere Dietrichs nach und nach in Behörden der Berliner Zentralverwaltung aufzufinden. Stellvertretend sei hier nur Ludwig August Dietrich (1745-1829) genannt. Er hatte in den Provinzialbehörden in Halberstadt und Magdeburg gearbeitet und wurde von Johann Christoph von Wöllner 1787 von Magdeburg direkt als Geheimer Finanzrat in das Generaldirektorium berufen, wo er bis zu seiner Pensionierung 1810 arbeitete.[78]. Mit ihm fand ein weiterer Angehöriger der „Beyer-Dietrich-Dynastie“ Zutritt in die Berliner Zentralbehörden. Auch wenn Ludwig August Dietrich seine Ernennung zum Geheimen Finanzrat allein seinem guten Ruf als Beamter zu verdanken gehabt haben soll,[79] erscheint es durchaus begründet, wenn Adrian Heinrich von Borcke 1787 monierte, die „ Beyerische Parthey “ habe immer mehr um sich gegriffen.[80] Die drei Brüder Julius Heinrich Wilhelm, George Eberhard Friedrich und Johann August Beyer hätten schon seit Jahren (demnach auch in der Regierungszeit Friedrich II.) über erheblichen Einfluß verfügt. Für Borcke erstreckte sich der Arm Johann August Beyers und seiner Frau Louise Henriette sogar bis auf die Besetzung von Ministerposten. "Seine Erhebung soll er [der am 05. Dezember 1786 zum Etatsminister ernannte Karl Maximilian Ferdinand von Mauschwitz] besonders dem Betriebe der Beyerischen Familie zu verdanken haben, denn die Frau des geheimen Finanzraths von Beyer, des älteren [d. i. Johann August v. Beyer] , zeigt sich in ihrem Kreise noch immer sehr wirksam [...] . Indessen ist dies schon der zweyte Minister [der erste sei der damals schon verstorbene Staatsminister Michaelis gewesen] , der durch ihren Kanal sein Glück gemacht hat, und man siehet daraus, wie dankbar sie gegen ihre Freunde ist. Auch ihrem Manne kann man die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß er sich ihr in dergleichen Angelegenheiten jederzeit besonders gefällig erwiesen, und allen zärtlichen Ehemännern ein gutes Beispiel gegeben hat."[81] Ob die Macht des Ehepaars wirklich so weit reichte, darf gewiß bezweifelt werden. Eine enge persönliche Bindung zwischen dem Minister Mauschwitz und Johann August als auch George Eberhard Friedrich Beyer bestand jedoch in der Tat. Im März 1792 veröffentlichte Johann August Beyer in der Berlinischen Monatsschrift wie so oft ein Gedicht.[82] Dieses aber richtet sich schon im Titel direkt an den Bruder. Zum Inhalt hatte es den zu wählenden richtigen Umgang mit der Trauer um den am 23. Januar des Jahres nach längerer Krankheit verstorbenen von Mauschwitz. Es fällt schwer, Johann August andere als persönliche Gründe für diesen Schritt an die Öffentlichkeit zu unterstellen. Sentimentale Loyalitätsbekundungen hatte er in seiner Position nicht nötig.
Mit Julius Heinrich Wilhelm Beyer gelang einem fünften der acht Brüder ein bemerkenswerter Aufstieg in der Hauptstadt. Leider ließen sich gerade zu seiner Biographie und Karriere nur wenige Angaben ermitteln. Er wurde am 24. Juli 1743 in Halberstadt geboren[83] und studierte seit dem Frühjahr 1762 die Rechte in Halle.[84] Sein Werdegang bis 1786 ist weitestgehend unbekannt. Wahrscheinlich verwaltete er in den letzten Regierungsjahren Friedrichs II. das Amt Wusterhausen.[85] Am 2. Juni 1786 wurde er zum Kabinettssekretär in Potsdam im Range eines Geheimen Kriegsrats bei einem Gehalt von 1200 Talern[86] ernannt. Er rückte an die Stelle des kurz zuvor verstorbenen Geheimen Kabinettsrates Johann Christian Friedrich Stellter. Warum die Wahl des Königs ausgerechnet auf ihn fiel, kann nicht gesagt werden. Für Adrian Heinrich von Borcke lagen die Ursachen klar auf der Hand. Julius Heinrich Wilhelm Beyer sei allein durch die Vermittlung seines älteren Bruders Johann August auf den Platz Stellters gerückt, der „ sein [Johann Augusts] Freund und Landsmann “ gewesen sei.[87] Die Ehefrau Johann Augusts, so Borcke, sei mit der Gattin des Verstorbenen eng befreundet gewesen. Die Stellter soll die persönliche Nähe ihres Mannes zu Friedrich II. genutzt haben, um ihre Schützlinge – zeitweise wohl auch gegen Bares – in den Gesichtskreis des Königs zu rücken.[88] Ob Julius Heinrich Wilhelm Beyer seinen Aufstieg ebenfalls dieser Seilschaft zu verdanken hatte, muß aus Mangel an echten Beweisen offenbleiben. Für die Verteidiger der Beyers waren natürlich allein Verdienst und Können Ursache des Aufstiegs. So sei denn Julius Heinrich Wilhelm „ von der Seite seines Kopfes und Herzens “ der „ vortrefflichste Mann “ und damit auf seinem Posten ganz recht plaziert gewesen.[89]
Die drei in Berlin verbliebenen Brüder Johann August, George Eberhard Friedrich und Julius Heinrich Wilhelm hätten laut Borcke von nun an nach Wöllner und Johann Rudolf von Bischoffwerder die wichtigste Rolle in der Umgebung des neuen Königs gespielt und "sich allenfalls kein Bedenken daraus “ gemacht, „ das Vertrauen des Monarchen zu benutzen".[90] Richtig ist, daß Julius Heinrich Wilhelm als Kabinettsrat in der Schaltzentrale der preußischen Macht[91] und in unmittelbarer Nähe Friedrich Wilhelms II. arbeitete. Er hatte diesem noch am Todestag Friedrichs II., dem 17. August 1786, den Treueid geleistet.[92] Über welchen konkreten Einfluß auf den König Julius Heinrich Wilhelm Beyer tatsächlich verfügte, ist schwer abzuschätzen. Er zählte zu den führenden Beamten im Kabinett, die durchaus gewisse Wirkungs- und Gestaltungsspielräume besaßen. In den letzten Regierungsjahren Friedrichs II. hatte sich das Kabinett mehr und mehr zu einer Nachbildung der gesamten Staatsverwaltung entwickelt.[93] Dies spiegelte sich in der Zuweisung entsprechender Ressorts an die leitenden Kabinettsräte wider. Das Kabinett war in die Abteilungen Militärangelegenheiten, Kameral- und Finanzsachen, Justiz, geistliche und Armensachen, Kassen- und Gnadensachen, Dechiffrement und französische Korrespondenz sowie die Verwaltung des Amtes Wusterhausen untergliedert worden. In ihren Bereichen konnten die Räte weit über die expedierende Kanzleitätigkeit hinaus selbständig tätig werden,[94] wenngleich auch immer direkte Verantwortlichkeit dem König gegenüber bestand. Beachtung verdienen überdies die Einflußmöglichkeiten, die sich aus den Vorträgen des Kabinettspersonals zu Sachfragen vor dem Monarchen ergaben. So wußten die Beamten Techniken zu entwickeln, durch geschicktes Vorlegen Angelegenheiten wirkungsvoll zu fördern.[95]
Vor dem Thronwechsel hatte Wöllner für den Kronprinzen eine Denkschrift über vorzunehmende Veränderungen im Arbeitsablauf des Kabinetts verfaßt. Seine darin unterbreiteten Vorschläge flossen direkt in eine königliche Verfügung vom 5. November 1786 ein. Danach oblag Julius Heinrich Wilhelm Beyer die Bearbeitung aller Finanzsachen, einschließlich der militärischen.[96] Der König zog ihn damals auch zu Arbeiten heran, die über seinen direkten Aufgabenbereich hinausgingen. Eine von Hermann Hüffer angeführte, allerdings nicht näher bezeichnete Quelle von 1797 schrieb: „ Am Anfang seiner Regierung erbrach der König alle Briefe selbst, schrieb auf die, deren Inhalt klar zu Tage lag, kurz seine Entscheidung und verteilte sie zu gleichen Teilen zur Expedition an die Kabinetsräte. Ueber solche, die eine nähere Beleuchtung erforderten, ließ er sich von dem Kabinetsrat von Beyer mündlichen Vortrag halten.“[97] In der ersten Zeit griff Friedrich Wilhelm offensichtlich in Fragen der Regierungspraxis auf Julius Heinrich Wilhelm Beyer zurück. Dies überrascht, da Beyer selbst ja erst seit kurzem im Kabinett tätig war und somit über geringere Erfahrung verfügte als die meisten der anderen leitenden Beamten. Möglicherweise findet sich hier eine Verbindungslinie zu Wöllner. Dieser könnte den König auf Beyer hingewiesen haben. Es fanden sich Belege für enge persönliche Kontakte zwischen Beyer und Wöllner, die auf eine berufliche Zusammenarbeit der beiden hindeuten.[98] Andererseits kann die Vorliebe des Monarchen für Beyer auch in ganz anderen Motiven begründet gewesen sein. Obwohl Hüffer anmerkte, Beyer, der schon 1792 erfolglos um seine Pensionierung nachgesucht hatte, habe sich niemals als sehr eifriger Arbeiter ausgezeichnet,[99] verblieb der Kabinettsrat in verantwortlicher Position. Die bereits zitierte Quelle berichtet für den Herbst 1797: „ gegenwärtig werden alle Civilangelegenheiten ohne Distinktion dem Kabinetsrat von Beyer und Kabinetssekretär Lombard [der Beyer als Mitarbeiter zugeordnet war] , durch ein eigenhändiges Dekret begleitet, zugeschickt. Nur die Etats- und Kassensachen erhält der Kabinetsrat von Beyer; und die auswärtigen Sachen, sowie die französische Korrespondenz, insofern sie nicht auf militärische Dinge Bezug hat, erhält der Kabinetssekretär Lombard ungeteilt zur Expedition.“[100] Julius Heinrich Wilhelm Beyer war also nach wie vor im wesentlichen für die Bearbeitung der Finanzangelegenheiten zuständig. Davon, daß die mündlichen Vorträge der Kabinettsräte nach 1786 allmählich unterblieben,[101] war er ebenso betroffen. Auch mit ihm trat Friedrich Wilhelm II. – wie die zitierte Quelle beweist ‑ nur noch schriftlich in Kontakt. Dies läßt den Schluß auf einen dauerhaft starken Einfluß Beyers auf die Person des Königs nicht zu. Hüffer merkte an, daß der König die wichtigsten Geschäfte mehr als mit den Kabinettsräten, mit Wöllner, Bischoffwerder und Haugwitz „in unmittelbarem mündlichem Verkehr“ erledigt habe.[102] Besonders Wöllner konnte es sich erlauben, das Kabinett durch seinen direkten Zugang zum König zu umgehen.[103] Die funktionale Bedeutung des Kabinetts und die Führungskompetenz seiner Angestellten nahmen damit ab.[104] In die Funktion eigentlicher Berater des Königs traten die Kabinettsräte erst unter Friedrich Wilhelm III.[105] Obwohl die Bedeutung seines Einflusses sicher differenziert gesehen werden muß, erhielt Julius Heinrich Wilhelm Beyer 1798 von Friedrich Wilhelm III. den Abschied, da er laut Hüffer „ tief in die Intriguen der vorigen Regierung verflochten “ gewesen sei.[106] Seine beiden Brüder Johann August und George Eberhard Friedrich, letzterer eindeutig eingebunden in den politisch aktiven Kreis der Gold- und Rosenkreuzer um Wöllner,[107] verblieben jedoch in Amt und Würden. Möglicherweise bestand bei Julius Heinrich Wilhelm Beyer, der ja schon früher aus dem Kabinett hatte ausscheiden wollen, auch kein Interesse mehr an der Fortführung seiner Dienstgeschäfte. Für seine Beteiligung an den Bestrebungen der politisierten Gruppe um Wöllner sind bis auf die Unterstellungen Borckes noch keine überzeugenden Beweise erbracht worden.
[...]
[1] Horst Möller: Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer. Struktur, Zielsetzung und Wirkung einer anti-aufklärerischen Gesellschaft, in: Helmut Reinalter [Hg.]: Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Europa, Frankfurt am Main 1989, S. 199-239, hier S. 217.
[2] Panajotis Kondylis: Konservativismus. Geschichtlicher Gehalt und Untergang, Stuttgart 1986, S. 23.
[3] Frankfurt am Main 71992.
[4] A.a.O., S. 49-81, bes. S. 52f., 56ff., 68
[5] Florian Maurice: Freimaurerei um 1800. Ignaz Aurelius Feßler und die Reform der Großloge Royal York in Berlin (=Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 5), Tübingen 1997, 12f.
[6] Richard van Dülmen: Die Aufklärungsgesellschaften in Deutschland als Forschungsproblem, in: ders.: Gesellschaft der frühen Neuzeit. Kulturelles Handeln und sozialer Prozeß. Beiträge zur historischen Kulturforschung, Wien, Köln, Weimar 1993, S. 331-360, hier S. 338-341, 346-349; ders.: Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland, Frankfurt a. M. 1996, bes. S. 55-66.
[7] Aus der Vielzahl seiner Arbeiten sei stellvertretend genannt: Helmut Reinalter: Einleitung. Zur Aufgabenstellung der gegenwärtigen Freimaurerforschung, in: ders. [Hg.]: Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt a. M. 41984, S. 9-34.
[8] Rudolf Vierhaus: Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, in: Helmut Reinalter [Hg.]: Freimaurerei und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt a. M. 41984, S. 115-139.
[9] Möller: Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer (wie Anm. 1), ebd.
[10] Vgl. Karlheinz Gerlach: Die Berliner Freimaurer 1740-1806. Zur Sozialgeschichte der Freimaurerei in Brandenburg Preußen, in: Erich Donnert [Hg.]: Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 4: Deutsche Aufklärung, Weimar, Köln, Wien 1997, S. 446-453.
[11] Vgl. Monika Neugebauer-Wölk: Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft. Entwicklungslinien zur modernen Welt im Geheimbundwesen des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1995.
[12] A.a.O., S. 8.
[13] Monika Neugebauer-Wölk: Esoterik im 18. Jahrhundert – Aufklärung und Esoterik. Eine Einleitung, in: dies.: [Hg.]: Aufklärung und Esoterik (=Studien zum 18. Jahrhundert 24), S. 37.
[14] Fritz Valjavec: Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770-1815, Kronberg / Ts. 1978 (unveränderter Nachdruck d. Ausgabe v. 1951), S. 233.
[15] Dazu Wolfgang Albrecht, Christoph Weiß: Einleitende Bemerkungen zur Beantwortung der Frage: Was heißt Gegenaufklärung?, in: Christoph Weiß [Hg.]: Von „Obscuranten“ und „Eudämonisten“. Gegenaufklärerische, konservative und antirevolutionäre Publizisten im späten 18. Jahrhundert, St. Ingbert 1997, S. 7-34.
[16] Valjavec: Entstehung der politischen Strömungen (wie Anm. 14), S. 287.
[17] A.a.O., S. 231.
[18] Klaus Epstein: Die Ursprünge des Konservatismus in Deutschland, Princeton 1966, Frankfurt a. M., Berlin 1973, S. 128.
[19] Vgl. Holger Zaunstöck: Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen. Die mitteldeutschen Aufklärungsgesellschaften im 18. Jahrhundert, Tübingen 1999, bes. S. 251-271.
[20] Christina Rathgeber: Forschungsperspektiven zu dem Gold- und Rosenkreuzer-Orden in Norddeutschland. Ein Überblick, in: Helmut Reinalter [Hg.]: Aufklärung und Geheimgesellschaften. Freimaurer, Illuminaten und Rosenkreuzer: Ideologie, Struktur und Wirkungen. Internationale Tagung 22./23. Mai 1992 an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, S. 164f.
[21] Vgl. Hans-Christof Kraus: Stand und Probleme der Erforschung des deutschen Konservatismus bis 1890, in: Caspar von Schrenck-Notzing [Hg.]: Stand und Probleme der Erforschung des Konservatismus, Berlin 2000, S. 9-26, hier S. 9-13.
[22] Panajotis Kondylis: Konservativismus (wie Anm. 2), S. 11-28, hier S. 24.
[23] Rudolf Vierhaus: Artikel „Konservativ, Konservatismus“, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck [Hgg.]: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 531-565, hier S. 531.
[24] Valjavec: Entstehung der politischen Strömungen (wie Anm. 14), S. 5.
[25] A.a.O., S. 255.
[26] A.a.O., S. 258.
[27] Vgl. Anm. 18.
[28] A.a.O., S. 16.
[29] A.a.O., S. 14.
[30] Valjavec: Entstehung der politischen Strömungen (wie Anm. 14), 6f.
[31] Epstein: Ursprünge des Konservatismus (wie Anm. 18), S. 25-30.
[32] Ebd.
[33] Kondylis: Konservativismus (wie Anm. 2), S. 24.
[34] Kraus: Stand und Probleme (wie Anm. 21), S. 10.
[35] Rolf Straubel: Beamte und Personalpolitik im altpreußischen Staat. Soziale Rekrutierung, Karriereverläufe, Entscheidungsprozesse (1763/86-1806) (=Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 2), Potsdam 1998, S. 32.
[36] Edith Ruppel-Kuhfuß: Das Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich Wilhelms II. mit Berücksichtigung der interimistischen Instruktion von 1798 (=Berliner Studien zur neueren Geschichte, Heft 2), Würzburg 1937, S. 158.
[37] Adres-Calender der Königl. Preuß. Haupt- und Residentz-Städte Berlin, derer daselbst befindlichen hohen und niederen Collegen, Instanzien und Expeditionen, Berlin 1766, S.101.
[38] Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Rede bei der 50jährigen Dienstjubelfeier des Königl. Geheimen Finanzraths und Präsidenten Hrn. von Beyer, in: Neue Berlinische Monatsschrift, 1. Halbjahr 1803, Berlin 1803, S. 191-193, hier S. 191.
[39] Gothaisches genealogisches Taschenbuch der briefadligen Häuser, Jg. 18 (1925), S. 40.
[40] Er immatrikulierte sich am 03.11.1749 an der Juristischen Fakultät. (Universitätsarchiv Halle: Matrikel der Universität zu Halle 1741-1767, Bl. 92, Nr. 149.)
[41] Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Zu der Amtsjubelfeier des Hrn. Geheimen Finanzraths und Präsidenten Joh. Aug. von Beyer, in: Neue Berlinische Monatsschrift, 1. Halbjahr 1803, S. 93-98, hier S. 96. Daß ausgerechnet Gleim das genaue Geburtsdatum überliefert, überrascht, ist jedoch einfach zu erklären. Johann August Beyer konnte zeitlebens auf einigen Erfolg als Lyriker verweisen. Sein Name findet sich in den einschlägigen Literaturlexika des 18. und 19. Jahrhunderts (aus Platzgründen sei stellvertretend genannt: Karl Heinrich Jördens: Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten, Bd. 5, Leipzig 1810, S. 739-741, der eine Übersicht der Publikationen Beyers [des öfteren z. B. in Friedrich Nicolais Berlinischer Monatsschrift] liefert.) Gleim, bekannt für die Förderung vieler zeitgenössischer Dichter, nahm sich offenbar noch in Halberstadt des einige Jahre jüngeren Nachwuchspoeten an. Beide Männer blieben, wie die angeführte Quelle beweist, bis zum Tode Gleims 1803 eng verbundene Duzfreunde.
[42] Fabian Bernhard, Willi Gorzny, Hans-Albrecht Koch [Hgg.]: Deutsches Biographisches Archiv. Eine Kumulation aus 254 der wichtigsten biographischen Nachschlagewerke für den deutschen Bereich bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, Teil 1, München, New York 1982 (im Folgenden DBA), Fiche 97, Nr. 182.
[43] Der letzte für diese Arbeit verfügbare Adres-Calender (wie Anm. 37), S.116, führte Johann August immer noch auf.
[44] Ruppel-Kuhfuß: Generaldirektorium (wie Anm. 36), S.158.
[45] Zu den im folgenden angeführten Jahreszahlen vgl. in entsprechender Reihe: Adres-Calender (wie Anm. 37), Jahrg. 1769, S. 109; Jahrg. 1771, S. 108; Jahrg. 1774, S. 125; Jahrg. 1783, S. 122; Jahrg. 1784, S. 117, 224.
[46] Für eine detaillierte Beschreibung der Aufgaben und Kompetenzen des Oberrevisionskollegiums vgl.: Adreß-Kalender der Königlich Preußischen Haupt- und Residenz-Städte Berlin und Potsdam, besonders der daselbst befindlichen hohen und niederen Collegien, Instanzien und Expeditionen, Berlin 1797, S. 230.
[47] Martin Philippson: Geschichte des preußischen Staatswesens vom Tode Friedrichs des Großen bis zu den Freiheitskriegen, 2 Bde., Leipzig 1880/82, Bd. 1, S. 157.
[48] Anhang zum Handbuche über den Königlich-Preussischen Hof und Staat für das Jahr 1798, Berlin 1798, S. 24.
[49] Straubel: Beamte und Personalpolitik (wie Anm. 35), S. 403.
[50] Borcke (1715-1788) war ursprünglich preußischer Offizier. 1751 ernannte ihn Friedrich II. zum Erzieher des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, wodurch Borcke in die nähere Umgebung des Königs aufrückte. Trotz dieses „Zivilpostens“ auch weiterhin militärisch befördert, wurde er 1764 aus bisher ungeklärten Gründen als Gouverneur des Thronfolgers entlassen und ihm der Rückzug auf seine Güter befohlen (immerhin bei vollen Bezügen). Hier widmete er sich intensiv der Landwirtschaft und Nationalökonomie und verfasste verschiedene Schriften zu diesen Themen (vgl. Allgemeine deutsche Biographie, hg. durch die Historische Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften [im Folgenden: ADB], Bd. 3, 2. unveränd. Aufl. [Neudr. d. 1. Aufl. v. 1875], Berlin 1967, S. 157f.). Wodurch Borckes Gegnerschaft gegen die neuen führenden Kreise um Friedrich Wilhelm II. veranlaßt wurde, ist nicht bekannt. Seine Widersacher warfen ihm „Privathaß“ und „Geldgier“ vor (vgl. [Anonym]: Was ist der Verfasser der geheimen Briefe über die Preußische Staatsverfassung seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms II., Berlin 1788, S. 22 u. S. 25). Der zweite Vorwurf kam nicht von ungefähr. Martin Philippson merkte an, die Nachfrage nach den Geheimen Briefen sei so groß gewesen, daß „die Broschüre von sehr bescheidenem Umfange“ für 2 Taler verkauft wurde. (Philippson: Staatswesen (wie Anm. 47), S. 188.
[51] Vgl. Adrian Heinrich von Bor>
[52] Louise Henriette Dietrich (vgl. Homepage des Instituts für Deutsche Adelsforschung: http://home.foni.net/~adelsforschung/testa01.htm).
[53] Genealogisches Taschenbuch (wie Anm. 39), a.a.O.
[54] Fünf der sieben Brüder George Eberhard Friedrichs finden sich in den Matrikellisten der Friedrichs-Universität zu Halle: Johann August (1734-1814) (vgl. Anm 40); Friedrich Samuel Heinrich (1733-1790), immatrikuliert am 22.05.1753 an der Theologischen Fakultät; Albert Gottfried Friedrich (1738-1784), 15.5.1757, Juristische Fakultät; Christian Samuel Ludwig (geb. 1742), 18.05.1761, Theologische Fakultät; Julius Heinrich Wilhelm (geb. 1743), 12.5.1762, Juristische Fakultät (Universitätsmatrikel [wie Anm. 40], Bl. 126, Nr. 392; Bl. 187, Nr. 344; Bl. 193, Nr. 351). Die finanziellen Verhältnisse der Familie ermöglichten also selbst nach dem Tod des Vaters 1750 (Genealogisches Taschenbuch [wie Anm. 39], a.a.O.) den Kindern ein Studium. Daß so viele der Beyers in Halle studierten, kann als ein weiteres Beispiel für die hohe Attraktivität dieser Universität in bürgerlichen Kreisen angesehen werden. Vgl. hierzu: Monika Neugebauer-Wölk: Der Kampf um die Aufklärung. Die Universität Halle 1730-1806, in: Gunnar Berg, Hans-Hermann Hartwich [Hgg.]: Martin-Luther-Universität. Von der Gründung bis zur Neugestaltung nach zwei Diktaturen, Opladen 1994, S. 27-56, hier S. 28f.
[55] So nach der bei Ruppel-Kuhfuß: Generaldirektorium (wie Anm. 36), S. 151. wiedergegebenen „Charakteristik guter Leute“ Johann Christoph von Wöllners aus dem Jahre 1786, auf die weiter unten noch näher eingegangen wird.
[56] Diese und weitere biographische Informationen zu George Eberhard Friedrich Beyer in Franz August von Etzel: Geschichte der Großen National-Mutterloge in den Preußischen Staaten genannt zu den drei Weltkugeln, Berlin 61903, S. 464f.
[57] Adres-Calender (wie Anm. 37), S. 178.
[58] So Etzel: Geschichte der Großen National-Mutterloge (wie Anm. 56), S. 464, der das Jahr der Berufung Beyers jedoch mit 1776 falsch angibt.
[59] Ruppel-Kuhfuß: Generaldirektorium (wie Anm. 36), S. 24.
[60] Rolf Straubel hat nachdrücklich auf die vorrangige Bedeutung fachlicher Qualifikationen für die Beförderung in die Berliner Zentralbehörden verwiesen. Für die Beförderung in eine zentrale Behörde sei neben der fachlichen Befähigung oft auch das vorher bearbeitete Ressort ausschlaggebend gewesen (Straubel: Beamte und Personalpolitik [wie Anm. 35], S. 367.). Straubels Befund wird durch das Beispiel George Eberhard Friedrich Beyers nur bestätigt.
[61] Straubel: Beamte und Personalpolitik (wie Anm. 35), S. 129, schätzt den Anteil höherer Beamter, denen ein solcher „Seiteneinstieg“ gelang, auf ca. 5%. Vgl. auch a.a.O., S. 134.
[62] A.a.O., 45.
[63] Siehe Kapitel 3.4.
[64] Adres-Calender (wie Anm. 37), Jahrg. 1769, S. 119. Siehe auch die zeitgenössischen handschriftlichen Zusätze auf dem Titelblatt des in der Universitätsbibliothek Halle vorhandenen Exemplars (Sign. Za 2427b) von: Gespräch Der über den frühzeitigen und schmerzlichen Verlust Ihres Herzlichgeliebten und Hochgeneigten Herrn Vaters Johann Alberts Beyers, Welcher den 5ten Nov. merklich empfunden und darauf den 9 Nov. des 1750sten Jahrs bey Beerdigung Desselben wieder erneuret wurde, von dem natürlichen Mitleiden kräftig gerührten sieben Söhne, Halberstadt 1750.
[65] Genealogisches Taschenbuch (wie Anm. 39), ebd.
[66] Johann August war 1767 als Geheimer Finanzrat in das 3. Departement gewechselt, in dem ihm u.a. die Stempelsachen unterstanden. Vgl. Adres-Calender (wie Anm. 37), Jahrg. 1767, S. 102.
[67] Der Adres-Calender (wie Anm. 37) für das Jahr 1776 führt ihn nicht mehr auf. Er war somit in keiner der in der Stadt ansässigen staatlichen oder munizipalen Behörden mehr angestellt. Da die Adreßkalender in der Regel im Mai oder Juni des betreffenden Jahres erschienen, muß er Berlin Ende 1775 oder Anfang 1776 verlassen haben.
[68] Genealogisches Taschenbuch (wie Anm. 39), S. 41.
[69] Adress-Kalender vom Königreich Preussen, der daselbst befindlichen hohen und niedern Collegien, Instanzien und Expeditionen, Magisträten, Universität, Kirchen und Schulen, Stiftern, Klöstern und in öffentlichen Aemtern stehenden Personen, Königsberg 1788, S. 273.
[70] Straubel: Beamte und Personalpolitik (wie Anm. 35), S. 326.
[71] Henning von Bonin: Der Adel in der höheren Beamtenschaft der Preußischen Monarchie 1794-1806. Ein Beitrag zur Sozialstruktur des Preußischen Staates vor den Reformen, Diss. masch. Göttingen 1961, S. 22.
[72] Genealogisches Taschenbuch (wie Anm. 39), S. 41.
[73] Adres-Calender (wie Anm. 37), Jahrg. 1774, S. 78.
[74] Auch er wird im Adres-Calender von 1776 nicht mehr aufgeführt (vgl. Anm. 37).
[75] Die handschriftlichen Zusätze auf dem Gespräch (wie Anm. 64) müssen zwischen 1769-1776 (Johann Bernhard wird noch als „ Secretarius bey der Stempel Cammer in Berlin “ geführt, was er in eben diesem Zeitraum war) und 1784-1786 (der 1784 verstorbene Albert Gottfried Friedrich Beyer gilt schon als „ mortus est “ und der Ende 1786 zum Geheimen Finanzrat in das Generaldirektorium beförderte George Eberhard Friedrich ist lediglich als „ Königel. Rath u. Director der Stempel Cammer in Berlin “ verzeichnet) angefügt worden sein. Demzufolge müßte der als „ Krieges Rath u. Accise Richter in neu Preußen “ verzeichnete August Friedrich Karl Beyer diese Position in den Jahren 1784-1786 bereits erreicht haben.
[76] Adress-Kalender vom Königreich Preussen (wie Anm. 69), S. 238.
[77] Adres-Calender (wie Anm. 37), ebd.
[78] Straubel: Beamte und Personalpolitik (wie Anm. 35), S. 376; Ruppel-Kuhfuß: Generaldirektorium (wie Anm. 36), S. 117f., 158.
[79] Straubel: Beamte und Personalpolitik (wie Anm. 35), S. 210.
[80] Bor>
[81] A.a.O., S. 32.
[82] Johann August von Beyer: An meinen Bruder, den Geheimen Finanzrath und Accise-Regissör, Friedrich Eberhard Georg v. Beyer, in: Berlinische Monatsschrift, 1. Hj. 1792, S. 385f.
[83] Genealogisches Taschenbuch (wie Anm. 39), a.a.O.
[84] Siehe Anm. 54.
[85] Hermann Hüffer: Die Beamten des älteren preußischen Kabinetts von 1713-1808, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 5 (1892), S. 157-190, hier S. 180; hier auch das Berufungsdatum Beyers.
[86] Wolfgang Neugebauer: Das preußische Kabinett in Potsdam. Eine verfassungsgeschichtliche Studie zur fürstlichen Zentralsphäre in der Zeit des Absolutismus, in: ders. [Hg.]: Potsdam – Brandenburg – Preußen. Beiträge der Landesgeschichtlichen Vereinigung zur Tausendjahrfeier der Stadt Potsdam (=Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 44 [1993]), S. 69-115, hier S. 94.
[87] Bor>
[88] Hüffer: Die Beamten des Preußischen Kabinetts (wie Anm. 85), S. 178.
[89] [Anonym]: Was ist der Verfasser der geheimen Briefe (wie Anm. 50), S. 21.
[90] A.a.O., S. 17.
[91] Neugebauer: Das preußische Kabinett in Potsdam (wie Anm. 86), S. 114.
[92] Hüffer: Die Beamten des Preußischen Kabinetts (wie Anm. 85), S. 181.
[93] Ebd.
[94] Neugebauer: Das preußische Kabinett in Potsdam (wie Anm. 86), S. 90.
[95] Vgl. dazu a.a.O., S. 89, und besonders die dort angeführte Quelle.
[96] Hüffer: Die Beamten des Preußischen Kabinetts (wie Anm. 85), S. 181.
[97] A.a.O., S. 185.
[98] Philippson: Staatswesen (wie Anm. 47), Bd. 1, S. 183, Anm. 3, zitiert einen Brief Wöllners an Beyer vom 26.6.1789. Die Anrede „ Mein liebster Freund ! “, der informelle Stil (obwohl Dienstangelegenheiten behandelt werden) und die „ tausend Complimente an Ihrer liebsten Frau Gemahlinn “ beweisen ganz offensichtlich die freundschaftliche Nähe. Aus der Schlußformel „ Sum maneoque in sempiternum Totus Tuus “ glaubte Philippson jedoch die Mitgliedschaft Julius Heinrich Wilhelms im Orden der Gold- und Rosenkreuzer und seine Einbindung in das rosenkreuzerische Beziehungsgeflecht am preußischen Hofe um Wöllner und Bischoffwerder (siehe dazu Kapitel 3.4.) folgern zu können. Denn dabei habe es sich um die typische Anrede [!] der Rosenkreuzer gehandelt. Dieser Schluß hat sich aber nicht bestätigt. Die Auswertung des Nachlasses Wöllners erbrachte keine Hinweise auf eine Mitgliedschaft Beyers im Orden (vgl. Karlheinz Gerlach: Die Gold- und Rosenkreuzer in Berlin und Potsdam 1779-1789. Zur Sozialgeschichte des Gold- und Rosenkreuzerordens in Brandenburg-Preußen, in: Quatuor Coronati Jahrbuch 32 [1995], S. 87-147, hier S. 110-138.). Sein Name findet sich überdies auch in keiner freimaurerischen Mitgliederliste Brandenburg-Preußens bis 1806. (Dies wurde mir freundlicherweise von Karlheinz Gerlach, Berlin, auf Anfrage mitgeteilt.) Von arkanen Aktivitäten oder gar Verbindungen Julius Heinrich Wilhelm Beyers kann also bislang nicht ausgegangen werden. Daß sich Wöllner von ihm als „für immer ganz der Deine“ verabschiedete, dürfte somit wohl dem Stil des Schreibens und der Zeit geschuldet gewesen sein.
[99] Hüffer: Die Beamten des Preußischen Kabinetts (wie Anm. 85), S. 184.
[100] A.a.O., S. 185.
[101] Neugebauer: Das preußische Kabinett in Potsdam (wie Anm. 86), S. 95, Hüffer: Die Beamten des Preußischen Kabinetts (wie Anm. 85), S. 185.
[102] Hüffer: Die Beamten des Preußischen Kabinetts (wie Anm. 85), S. 185.
[103] Neugebauer: Das preußische Kabinett in Potsdam (wie Anm. 86), S. 96.
[104] A.a.O., 95f.
[105] Hermann Hüffer: Die Kabinettsregierung in Preußen und Johann Wilhelm Lombard. Ein Beitrag zur Geschichte des preußischen Staates vornehmlich in den Jahren 1797 bis 1810, Leipzig 1891, S. XI, nach Neugebauer: Das preußische Kabinett in Potsdam (wie Anm. 86), S. 97.
[106] Hüffer: Die Beamten des Preußischen Kabinetts (wie Anm. 85), S. 186.
[107] Siehe Kapitel 3.4.
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- M.A. Ulrich Herrmann (Author), 2001, Politische und gesellschaftliche Gruppenbildung im Preußen Friedrich Wilhelms II, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40243
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