Grundlage der Welt ist das Vertrauen. Das stellte schon Hans-Günther Sohl, Ehrenpräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI) fest, als er sagte: „In einer solchen Welt kann man nur zusammenleben, wenn man nicht Misstrauen zur Grundlage seiner menschlichen Handlung macht. Was wir brauchen, ist Mut zum Vertrauen.“1 Diesen Mut bringen viele Bürger im täglichen Leben immer wieder auf, auch gegenüber staatlichen Institutionen. Doch dieses Vertrauen wird immer wieder enttäuscht, immer häufiger kommen Skandale der Politiker ans Tageslicht, die das Vertrauen in den Staat schwächen. Dies geschah zuletzt bei der Entlassung von Florian Gerster, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, dessen Verwaltungsrat ihm aufgrund von Ungereimtheiten bei der Auftrags vergabe von Beraterverträgen das Vertrauen entzogen hatte.2
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, den Begriff des Vertrauens zu definieren und ihn in Zusammenhang zu bringen mit Situationen, in den Vertrauen entsteht. Die Voraussetzungen für Vertrauen werden hierbei erläutert. Im Anschluss daran wird mit Hilfe der Prinzipal-Agenten- Theorie dargestellt, wie sich der Vertrauensgeber und der Vertrauensnehmer verhalten und welche besonderen Probleme mit den Rollen verknüpft sind. Das vierte Kapitel erklärt den Begriff der Reputation und wie dieser im Zusammenhang mit Vertrauen steht. Danach wird auf die Funktionen von Vertrauen eingegangen und ihre Auswirkungen auf den Markt. Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit Objekten des Vertrauens, hier wird besonders das Vertrauen in Institutionen und in den Staat dargestellt. Die Ergebnisse aus einer Befragung verdeutlichen hierbei die dargelegten Theorien. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und einem Ausblick auf die zukünftige Entwicklung.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Thematik und Aufbau der Arbeit
2. Der Begriff des Vertrauens
2.1. Entstehung von Vertrauen
2.1.1. Komplexität der Umwelt
2.1.2. Vertrauen bei Risiken
2.2. Definition von Vertrauen
3. Die Prinzipal-Agenten-Theorie im Zusammenhang mit Vertrauen
3.1. Die Prinzipal-Agenten-Problematik
3.2. Der Vertrauensgeber
3.3. Der Vertrauensnehmer
4. Reputation als Beitrag zum Vertrauen
5. Funktionen von Vertrauen
5.1. Abbau von Informationsdefiziten
5.2. Einsparung von Transaktionskosten
5.3. Aufrechterhaltung der Märkte
6. Objekte des Vertrauens .
6.1. Vertrauen in Institutionen
6.2. Vertrauen in den Staat
7. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Thematik und Aufbau der Arbeit
Grundlage der Welt ist das Vertrauen. Das stellte schon Hans-Günther Sohl, Ehrenpräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI) fest, als er sagte: „In einer solchen Welt kann man nur zusammenleben, wenn man nicht Misstrauen zur Grundlage seiner menschlichen Handlung macht. Was wir brauchen, ist Mut zum Vertrauen.“[1] Diesen Mut bringen viele Bürger im täglichen Leben immer wieder auf, auch gegenüber staatlichen Institutionen. Doch dieses Vertrauen wird immer wieder enttäuscht, immer häufiger kommen Skandale der Politiker ans Tageslicht, die das Vertrauen in den Staat schwächen. Dies geschah zuletzt bei der Entlassung von Florian Gerster, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, dessen Verwaltungsrat ihm aufgrund von Ungereimtheiten bei der Auftragsvergabe von Beraterverträgen das Vertrauen entzogen hatte.[2]
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, den Begriff des Vertrauens zu definieren und ihn in Zusammenhang zu bringen mit Situationen, in den Vertrauen entsteht. Die Voraussetzungen für Vertrauen werden hierbei erläutert.
Im Anschluss daran wird mit Hilfe der Prinzipal-Agenten-Theorie dargestellt, wie sich der Vertrauensgeber und der Vertrauensnehmer verhalten und welche besonderen Probleme mit den Rollen verknüpft sind. Das vierte Kapitel erklärt den Begriff der Reputation und wie dieser im Zusammenhang mit Vertrauen steht. Danach wird auf die Funktionen von Vertrauen eingegangen und ihre Auswirkungen auf den Markt. Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit Objekten des Vertrauens, hier wird besonders das Vertrauen in Institutionen und in den Staat dargestellt. Die Ergebnisse aus einer Befragung verdeutlichen hierbei die dargelegten Theorien. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und einem Ausblick auf die zukünftige Entwicklung.
2. Der Begriff des Vertrauens
Vertrauen ist ein Begriff, der jedem geläufig ist. Verschiedene Disziplinen wie die Psychologie, die Soziologie oder die Ökonomie beschäftigen sich mit dem Begriff. Im Weiteren soll eine Definition den ökonomischen Vertrauensbegriff erläutern und die Voraussetzungen für Vertrauen darstellen.
2.1. Entstehung von Vertrauen
„In der Theorie des vollkommenen Marktes bei Sicherheit braucht man kein Vertrauen“[3]. Der wirtschaftlich denkende und sich rational verhaltende homo oeconomicus behandelt alle Marktakteure gleich und ist in der Lage, den gesamten Markt zu überblicken. Vertrauen ist also nicht notwenig, da er das Verhalten der Teilnehmer kennt und der Markt transparent ist.[4]
Da der homo oeconomicus aber nur in der Theorie existiert und sich die realen Marktteilnehmer auf einem unvollkommenem Markt bewegen der von Intransparenz geprägt ist, bedarf es einer Reduktion dieser Unsicherheiten am Markt. Daher grenzen wir selbst unsere Umwelt ein, indem wir vertrauen oder misstrauen.[5][6]
2.1.1. Komplexität der Umwelt
Dem Marktteilnehmer stehen am Markt unendlich viele Handlungsalternativen offen. Schon bei einem Einkauf von Äpfeln kann man z.B. unter verschiedenen Sorten wählen und diverse Einkaufsmöglichkeiten wie den Supermarkt oder den Wochenmarkt nutzen. Dabei kann man unter so vielen Handlungsalternativen wählen, dass nicht alle Alternativen optimal gestalten werden können. So ist es schier unmöglich, den gesündesten, billigsten und bestschmeckendsten Apfel unter den Möglichkeiten heraus
zufinden, da der Marktteilnehmer nur eine begrenzte Rationalität besitzt, die durch diese Komplexität überschritten wird. Der Mensch ist also faktisch nicht in der Lage, alle erdenklichen Handlungsalternativen miteinander zu vergleichen.[7]
Als Folge reduziert er die Komplexität indem er z.B. nur auf dem Wochenmarkt einkauft und dort den günstigsten Apfel auswählt. Der Mensch grenzt so seine Möglichkeiten bewusst auf die Handlungsalternativen ein, die ihm am sinnvollsten und am wahrscheinlichsten sind. Er kauft daher auf dem Wochenmarkt ein, da die Äpfel seiner Erwartung nach hier am gesündesten und am wenigsten mit Pestiziden belastet sind.[8]
Mittels dieser Reduktion der Handlungsalternativen wird die Umwelt eingeschränkt und gewisse Dinge als selbstverständlich vorausgesetzt. Dass der Bauer tatsächlich die besten Äpfel anbietet bestätigt sich nach mehreren Käufen und führt so zu Vertrauen in die Person des Bauern, die positiven Erfahrungen der Vergangenheit führen also zu Vertrauen in der Zukunft, obwohl Unsicherheit über die zukünftige Qualität der Äpfel besteht.[9]
2.1.2. Vertrauen bei Risiken
Bei Interaktionen am unvollkommenen Markt bestehen für die Akteure Risiken. Sie besitzen keine vollständigen Informationen über den Markt und die anderen Akteure und sind so Risiken durch deren Handlungsalternativen ausgesetzt. Diese Risiken lassen sich unterscheiden in Risiken exogener und endogener Art.[10]
Mit exogenen Risiken werden Risiken bezeichnet, die die Umwelt der Akteure am Markt umgibt.[11] So kann z.B. beim Autokauf ein exogenes Risiko ein Streik des Automobilzulieferers darstellen, der zu einer verspäteten Auslieferung des Autos führt. Diese Situation ist für beide Marktteilnehmer unvorhersehbar und nicht auf eine Handlung des jeweils anderen Transaktionspartners zurückzuführen. So ist keine der beiden Vertragsparteien dafür verantwortlich, dass es zu einer Verzögerung der Auslieferung kommt.
Endogene Risiken beschreiben die Unsicherheiten über das Verhalten eines Dritten. Die Marktteilnehmer wissen nicht, wie sich ihr Gegenüber verhalten wird, ob er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen wird oder nicht.[12] Der Akteur hat die Möglichkeit, sich opportunistisch zu verhalten. Das bedeutet, dass Akteure am unvollkommenen Markt dazu neigen, Informationsasymmetrien auszunutzen.[13] Wenn also ein Bauer seine Äpfel verkaufen will, so wird er unter Umständen nicht sagen, dass eine gewisse Sorte Äpfel nicht schmeckt. So nutzt der Bauer seinen Informationsvorsprung gegenüber dem Käufer aus, um auch diese Äpfel gewinnbringend zu verkaufen. Der Käufer besitzt diese Informationen nicht, er weiß allerdings auch nicht um den Informationsvorsprung des Bauern. Er kann nur spekulieren, ob der Bauer eine gute oder bewusst eine schlechte Ernte verkauft.
Solche Opportunismusspielräume bestehen bei allen Transaktionen, allerdings werden diesen nicht immer ausgenutzt. Bei jeder Transaktion kann eine Informationsasymmetrie herrschen, der besser informierte Transaktionspartner wird dieses Informationsgefälle aber nicht immer in seinem Sinne nutzen. Dennoch sollte sich jeder Akteur dieses Handlungsspielraums bewusst sein und ihn in seine Entscheidung mit einfließen lassen.[14]
Verringern kann man solche Handlungskomplexitäten, indem Verträge abgeschlossen werden. Mittels eines Vertrages sind beide Transaktionspartner an ihre vertraglich festgelegten Handlungen gebunden, wodurch die Handlungsalternativen der beiden Akteure eingeschränkt werden. Verträge erfüllen darüber hinaus aber auch eine Risikominimierungsfunktion. Das Risiko wird geschmälert, indem Sanktionen vereinbart werden, wenn bestimmte Handlungen nicht erwartungs- und absprachegemäß erfüllt werden.[15]
2.2. Definition von Vertrauen
Die dieser Arbeit zugrundeliegende Definition des ökonomischen Vertrauensbegriffs geht auf Ripperger zurück. Sie definiert Vertrauen folgendermaßen:
„Vertrauen ist die freiwillige Erbringung einer riskanten Vorleistung unter Verzicht auf explizite vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten in der Erwartung, dass sich der andere, trotz Fehlen solcher Schutzmaßnahmen, nicht opportunistisch verhalten wird.“[16]
Darunter ist zu verstehen, dass der Vertrauensgeber eine freiwillige Vorleistung erbringt, um die Komplexität seiner Umgebung zu verringern. Damit setzt er sich bewusst einem Risiko aus, da er nicht weiß, wie der Vertrauensnehmer darauf reagieren wird. Der Vertrauensgeber verzichtet somit auf vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten, die sein Risiko minimieren würden. Indem dem Vertrauensnehmer Vertrauen entgegengebracht wird, verzichtet er auf Schutzmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten, die den Vertrauensgeber vor endogenen Risiken bewahren würden. Da er nicht mit opportunistischem Verhalten rechnet, sichert er sich auch nicht mit Schutzmaßnahmen ab.[17]
Dem Vertrauensnehmer stehen nun zwei Möglichkeiten offen: er kann das Vertrauen honorieren oder enttäuschen.[18]
Darüber hinaus haben auch andere Wissenschaften den Begriff des Vertrauens für sich definiert, so z.B. die Soziologie und die Psychologie[19]. Darauf wird an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen.
3. Die Prinzipal-Agenten-Theorie im Zusammenhang mit Vertrauen
Basierend auf den durch die Umwelt gegebenen Ungewissheiten in Form von begrenzter Rationalität und Opportunismus wird bei der Prinzipal-Agenten-Theorie unterschieden zwischen den Parteien des Prinzipals und des Agenten. Auf der Vertrauensdefinition aufbauend wird erläutert, wer unter welchen Voraussetzungen der anderen Partei Vertrauen entgegenbringt und wie sich diese im Gegenzug verhält.
[...]
[1] Zitate.de: Suchbegriff Vertrauen, http://www.zitate.de, Stand 29.01.2004.
[2] Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Das Kabinett entlässt Florian Gerster, Nr. 24, Seite 15, http://www.faz.net/s/Rub6B15D93102534C72B5CF6E7956148562/Doc~E619412EE4E5342389B31ABAB729E8A57~ATpl~Ecommon~Scontent.html, Stand 29.01.2004.
[3] Albach, Horst: Vertrauen in der ökonomischen Theorie, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (ZgS), 136 (1980), S. 3.
[4] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon Lexikon, MDI-Media Dynamics Ingenieurgesellschaft mbH, Wiesbaden 1997, Stichwort homo oeconomicus.
[5] Vgl. Offermanns, Matthias: Bürokratie und Vertrauen: die Institution Vertrauen in der Ökonomischen Theorie der Bürokratie, 1. Auflage, Baden-Baden 1990, S. 176f.
[6] Ein Beispiel hierfür ist das Vertrauen in die Polizei, alleine die Uniform lässt uns vertrauen ohne zu hinterfragen, welche Person in der Uniform steckt.
[7] Vgl. Vogt, Jörg: Vertrauen und Kontrolle in Transaktionen: eine institutionenökonomische Analyse, Wiesbaden 1997, S. 26.
[8] Vgl. Luhmann, Niklas: Vertrauen: ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 4. Auflage, Stuttgart 2000, S. 35ff.
[9] Vgl. Horst Albach: a.a.o., S. 5.
[10] Vgl. Nuissl, Henning: Dimensionen des Vertrauens: Kategorale Bausteine einer Ressource ökonomischen Handelns (im Transformationskontext), Herausgeber Joerden, J.C., Schultz, H., Wagener, H.-J., No. 10/00, Frankfurter Institut für Transformationsstudien, Frankfurt (Oder) 2000 , S. 12.
[11] Vgl. Ripperger, Tanja: Ökonomik des Vertrauens: Analyse eines Organisationsprinzips, Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften, Band 101, Tübingen 1998, S. 37f.
[12] Vgl. Ripperger, Tanja: a.a.o., S. 38ff.
[13] Vgl. Vogt, Jörg: a.a.o., S. 27.
[14] Vgl. ebenda.
[15] Vgl. Ripperger, Tanja: a.a.o., S. 29ff.
[16] Ripperger, Tanja: a.a.o., S.45.
[17] Vgl. Ripperger, Tanja: a.a.o., S. 42ff.
[18] Vgl. Ripperger, Tanja: a.a.o., S. 42ff.
[19] Vgl. hierzu Becker, Cornelia: Vertrauen als Instrument der Finanzbehörde – Eine vertrauenstheoretische Studie, Sofia-Studien zur Informationenanalyse, Nr. 02-2, Darmstadt 2002, Tabelle 1, S. 4f.
- Citation du texte
- Beate Breitbach (Auteur), 2004, Vertrauen - Begriff und Wirkungszusammenhänge, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40190
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