Wolfram von Eschenbach (ca. 1190-1220), der Dichter des „Parzival“, hat wenige Lieder geschrieben, zumeist Tagelieder. Diese Gattung, die in Spannung zum Hohen Sang steht, weil sie von der heimlichen Erfüllung der Liebe in einer verbotenen Nacht zwischen Ritter und Herrin spricht, kommt bei Wolfram von Eschenbach voll zur Geltung. Heinrich von Morungen (1200-1222) pries am Hofe die „Hohe Minne“. Seine 33 überlieferten Minnelieder sind in Form (Kanzonenform) und Inhalt von der provenzalischen Troubadourdichtung beeinflusst und bilden den Höhepunkt des mittelalterlichen Minnesangs. Seine Lieder sind sowohl durch die antike Tradition als auch durch die religiöse Lyrik geprägt. 1 Ziel dieser Arbeit ist der Vergleich der Lieder von Wolfram von Esche nbach „Den morgenblic bî wahtaeres“ und Heinrich von Morungen „Owé, sol aber mir iemer mê“ unter Berücksichtigung der Gattungsbegriffe Tagelied und Wechsel, beziehungsweise der Sonderform Tageliedwechsel in Heinrich von Morungens Lied „Owé, sol aber mir iemer mê“. Im Folgenden sollen die beiden Lieder hinsichtlich ihres Inhalts interpretiert werden. Dabei soll darauf eingegangen werden, inwieweit Wolframs Lied der allgemeinen Definition des Tagelieds entspricht und wie Morungens Lied diese Gattung mit dem Wechsel verbindet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Minnesang
2.1 Begriffsklärung
2.2 Tagelied
2.3 Wechsel
3. Wolfram von Eschenbach „Dem morgenblic bî wahtaeres“
3.1 Formanalyse
3.2 Inhaltsanalyse
3.2.1 Beschreibung der Situation
3.2.2 Interpretation
4. Heinrich von Morungen „Owé, sol aber mir iemer mê“
4.1 Formanalyse
4.2 Inhaltsanalyse
4.2.1 Beschreibung der Situation
4.2.2 Interpretation
5. Reflexion
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wolfram von Eschenbach (ca. 1190-1220), der Dichter des „Parzival“, hat wenige Lieder geschrieben, zumeist Tagelieder. Diese Gattung, die in Spannung zum Hohen Sang steht, weil sie von der heimlichen Erfüllung der Liebe in einer verbotenen Nacht zwischen Ritter und Herrin spricht, kommt bei Wolfram von Eschenbach voll zur Geltung.
Heinrich von Morungen (1200-1222) pries am Hofe die „Hohe Minne“.
Seine 33 überlieferten Minnelieder sind in Form (Kanzonenform) und Inhalt von der provenzalischen Troubadourdichtung beeinflusst und bilden den Höhepunkt des mittelalterlichen Minnesangs. Seine Lieder sind sowohl durch die antike Tradition als auch durch die religiöse Lyrik geprägt.[1]
Ziel dieser Arbeit ist der Vergleich der Lieder von Wolfram von Eschenbach „Den morgenblic bî wahtaeres“ und Heinrich von Morungen „Owé, sol aber mir iemer mê“ unter Berücksichtigung der Gattungsbegriffe Tagelied und Wechsel, beziehungsweise der Sonderform Tageliedwechsel in Heinrich von Morungens Lied „Owé, sol aber mir iemer mê“.
Im Folgenden sollen die beiden Lieder hinsichtlich ihres Inhalts interpretiert werden. Dabei soll darauf eingegangen werden, inwieweit Wolframs Lied der allgemeinen Definition des Tagelieds entspricht und wie Morungens Lied diese Gattung mit dem Wechsel verbindet.
2. Minnesang
2.1 Begriffserläuterung
Minnesang ist die höfische Liebeslyrik von ihren Anfängen um 1150 bis zum Auslaufen der klassischen Traditionen am Anfang des 14. Jahrhunderts.
Die Minnesänger waren Angehörige des Fürstenstandes, des Adels und der Ministerialen und später auch bürgerliche Dichter. Ihre Auftrittsorte waren die Höfe kunstliebender Fürsten.
Die Forschung nach den Quellen des zuerst in der Provence (Troubadours) voll entwickelten Minnesangs hat auf mögliche Einflüsse in der volkstümlichen Lyrik, der mittellateinischen Dichtung (besonders der Vaganten-Dichtung), der Antike (besonders Ovadis), der christlichen Marienverehrung und vor allem die Dichtung der Araber in Spanien aufmerksam gemacht, die eine sangbare Liebeslyrik mit einem dem Minnesang ähnlichen Frauenpreis und Minneerlebnis vor dem europäischen Minnesang hatten. Bevor der Einfluss des provenzalischen Minnesangs im deutschen Sprachgebiet wirksam wurde, gab es im Donauraum eine eigenständige ritterliche Liebeslyrik.
Der Minnesang ist keine Erlebnisdichtung. Die für das Mittelalter neuartige Darstellung sinnlicher und seelischer Beziehungen zwischen Mann und Frau vollzog sich vielmehr im Rahmen gesellschaftlicher Konventionen (Rahmenbedingungen). Wichtig war das grundsätzlich als hoffnungslos vorausgesetzte Lieben und Werben des ritterlichen Sängers um die verheiratete höfische, unerreichbare und im Loblied idealisierte Frau.
Der Minnesang ist durch eine dreigeteilte Strophe bestimmt: zwei in sich gleich gebaut Stollen (Aufgesang) steht ein dritter, abweichender Teil (Abgesang) gegenüber. Diese Form ist musikalisch bedingt, da der Minnesang nicht gesprochen oder gelesen, sondern gesungen wurde. Wie die Strophen wurde auch der Reim eines Liedes immer kunstvoller gestaltet[2]
2.2 Tagelied
Im Zentrum des mittelalterlichen Tageliedes steht die Trennung eines Liebespaares nach einer gemeinsam verbrachten Nacht.
In seiner überlieferten Form gehört das Tagelied in den Kontext der Troubadourlyrik (alba) und des Minnesangs. Im Tagelied verschmelzen Einflüsse klerikaler Kultur (Bibel, Ovid, Hymnendichtung) mit volkstümlichen Wurzeln.
Im Gegensatz zur dominanten Minnekanzone (klassisches Minnelied) fehlt dem Tageleid das lyrische Ich. Das Tagelied reflektiert die erfüllte höfische Liebe wieder, wobei die Leidthematik - inhaltlich anders gefüllt und gegenseitig – in der Trennung präsent bleibt. Diesen Liedtyp prägen Erzählung und Dialog und geben ihm einen episch-dramatischen Charakter.
Das Tagelied besteht aus den Personen Wächter, Dame und Ritter. Der Ort des Geschehens ist der Wohnbereich der Dame, der spannungsstiftende Zeitpunkt der Tagesanbruch und damit der unumgängliche Zwang zur Trennung, verbunden mit der existentiellen Gefahr des Entdecktwerdens. Das realitätsferne personale Dreiecksverhältnis bietet Raum zur lyrischen Gestaltung und schafft mit der Wächterrolle eine Vermittlung zwischen Innen- und Außenperspektive, Liebespaar und Publikum.
Im klassischen Minnesang ist das Tagelied vor allem im Hintergrund, in der Form von Anspielungen präsent.
Virtuose Varianten des Grundmusters des Tageleides bieten Heinrich von Morungen mit seinem wächterlosen Tageliedwechsel und Walter von der Vogelweide mit seiner Thematisierung des Liedtyps. Wolfram von Eschenbach ist der erste Vertreter des voll entwickelten Tageleides. Gestalterisch und formal steht das Tagelied nur bei Wolfram von Eschenbach im Mittelpunkt des lyrischen Schaffens. Für ihn ist der Tagesanbruch der wichtigste Spannungsmoment. Er nutzt die Möglichkeit der Wächterrolle und konzentriert die Spannung aus bevorstehender Trennung und Begehren in einer letzten, unvergleichlichen Vereinigung der Liebenden. Die Vorgaben Wolfram von Eschenbachs prägen die Entwicklung des Tageliedes des 13. Jahrhunderts, wobei besonders die Rolle des Wächters zur Variation genutzt wird.[3]
2.3 Wechsel
Der Wechsel ist ein Liedtyp des Mittelhochdeutschen Minnesangs, in dem eine oder mehrere Männer- und Frauenstrophen inhaltlich und formal miteinander kombiniert sind. Der Wechsel ist kein Dialoglied, da die Figuren nicht miteinander sprechen, sondern in Selbstgesprächen in der 3. Person übereinander reden. Das Geschlecht der Sprechenden und der strophenweise Sprecherwechsel werden durch den Redetext selbst angezeigt.
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[1] Tagelieder des deutschen Mittelalters. Mhd. / Nhd. Ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Martina Backes. Stuttgart 1992, s. 240
[2] Lexikon des Mittelalters. Band VI. München und Zürich: Artemis und Winkler Verlag 1993, S. 647
[3] Lexikon des Mittelalters. Band VIII. München und Zürich: Artemis und Winkler Verlag 1993, S. 427
- Quote paper
- Juliane Meyer (Author), 2002, Vergleich der beiden Gattungen Tagelied und Tageliedwechsel bei Morungen und Eschenbach, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40146
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