Der Markt für Gesundheitsleistungen ist geprägt von Marktversagen. Inhalt dieser Arbeit ist die Untersuchung des imperfekten Marktergebnisses für Krankenversicherungsverträge (KV). Die Gründe liegen in den vorhandenen Informationsasymmetrien, welche adverse selection und moral hazard hervorrufen. Lösungsansätzen zu deren Reduzierung kommen heute eine gestiegene Bedeutung zu. Dies zeigt sich auch darin, dass der Nobelpreis für Wirtschaft 2001 an die Wissenschaftler Akerlof, Stiglitz und Spence für ihre Analyse der Märkte mit asymmetrischen Informationen verliehen wurde.
Die heutige Gesundheitspolitik hat ein zweidimensionales Zielsystem: Einerseits gewährleistet ein funktionierender Wettbewerbsmarkt eine stetige Effizienzerhöhung. Gleichzeitig muss die Politik aber auch das Ziel der distributiven Gerechtigkeit verfolgen, was unter Umständen Markteingriffe nötig macht. Am Beispiel des Marktes für KV wird dieser trade-off beschrieben und analysiert.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Motivation
1.2. Aufbau und Ziel der Arbeit
2. Zur Relevanz von Krankenversicherungsverträgen
2.1. Hintergrund
2.2. Versicherung für Gesundheitsleistungen
3. Analyse alternativer Krankenversicherungsverträge
3.1. Versagen des Marktes für Krankenversicherungen
3.1.1. Die Ursachen für Marktversagen
3.1.2. Das Modell von Rothschild und Stiglitz
3.2. Wohlfahrtsmaximale Ausgestaltung von Krankenversicherungsverträgen
3.2.1. Die Problematik des Moral Hazard
3.2.2. Staatliche Vollversicherung
3.2.3. Staatliche Basisversicherung mit freiwilliger Zusatzversicherung
3.2.4.“Opting Out“ und Wettbewerbsintensivierung
3.3 Implikationen für die Gestaltung optimaler Krankenversicherungsverträge
4. Der deutsche Krankenversicherungsmarkt
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1. Motivation
Die Ausgaben für Gesundheit sind Verhältnis zum Bruttosozialprodukt in den letzten vier Jahrzehnten in den westlichen Industrieländern deutlich angestiegen. Im Durchschnitt lag der Anteil in 2002 bei 9,5% in den damaligen EU Staaten.[1] Somit repräsentiert der Gesundheitssektor nicht nur eine signifikante Einkommens- und Wohlstandsquelle, sondern stellt die Staaten vor neue Herausforderung in der Steuerung und Gewährleistung der Gesundheitsversorgung ihrer Bürger.
Der Markt für Gesundheitsleistungen ist geprägt von Marktversagen. Inhalt dieser Arbeit ist das imperfekte Marktergebnis für KV. Die Gründe liegen in den vorhandenen Informationsasymmetrien, welche adverse selection und moral hazard hervorrufen. Lösungsansätzen zu deren Reduzierung kommen heute eine gestiegene Bedeutung zu. Dies zeigt sich auch darin, dass der Nobelpreis für Wirtschaft 2001 an die Wissenschaftler Akerlof, Stiglitz und Spence für ihre Analyse der Märkte mit asymmetrischen Informationen verliehen wurde.
Die heutige Gesundheitspolitik hat ein zweidimensionales Zielsystem: Einerseits gewährleistet ein funktionierender Wettbewerbsmarkt eine stetige Effizienzerhöhung. Gleichzeitig muss die Politik aber auch das Ziel der distributiven Gerechtigkeit verfolgen, was unter Umständen Markteingriffe nötig macht. Am Beispiel des Marktes für KV wird dieser trade-off beschrieben und analysiert.
1.2. Aufbau und Ziel der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in vier Bereiche. Im folgenden Abschnitt werden die Aufgaben der KV und ihre historische Entwicklung erörtert. Anschließend werden die unterschiedlichen Organisationsformen des Marktes für KV analysiert, bevor darauf aufbauend die unterschiedlichen Vertragsformen auf Effizienz und Wirkungsgrad untersucht werden. Der dritte Abschnitt schließt mit einer Empfehlung für die optimale Ausgestaltung eines KVV. Im vierten Kapitel werden die Gegebenheiten des deutschen Marktes für KV anhand der zuvor gewonnenen Resultate analysiert. Abschließend wird ein Fazit gezogen und ein kurzer Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen gegeben.
2. Zur Relevanz von Krankenversicherungsverträgen
2.1. Hintergrund
Die Gesundheitspolitik vieler Staaten stellt das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in den Mittelpunkt ihres Wirkens. In Deutschland z.B. verpflichtet das Grundgesetz gemäß dem Sozialstaatsprinzip den Staat, die materiellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der menschlichen Grundrechte zu schaffen.[2]
Eine Erkrankung ist nach Breyer, Zweifel & Kifmann immer mit einem doppelten Verlust verbunden. Neben dem Verlust an Gesundheit durch die Erkrankung ist das Wirtschaftsubjekt auch immer mit einem finanziellen Verlust in Höhe der Behandlungskosten und entgangenem Arbeitseinkommen konfrontiert.[3] Die Intention der KV besteht somit in der Versicherung des finanziellen Risikos. Daraus resultierende Versicherungssysteme lassen sich, je nach Liberalisierungsgrad der Gesundheitsmärkte, in staatliche, private oder hybride Formen unterscheiden.
Das deutsche Gesundheitswesen wurde in seinen gesetzlichen Grundlagen maßgeblich durch die Entwicklungen im 19. Jahrhundert gestaltet. Durch die Sozialgesetze des Deutschen Reiches zur Kranken-, Unfall- sowie Alters- und Invalidenversicherung (1883-1889) wurden breite Bevölkerungsschichten erstmalig gegen soziale Risiken abgesichert. Die Leistungen der damaligen Sozialversicherungen waren zunächst im Wesentlichen auf finanzielle Unterstützung bei Krankheit, Tod und Schwangerschaft beschränkt.[4]
2.2. Versicherung für Gesundheitsleistungen
„Versicherung ist die Deckung eines im einzelnen ungewissen, insgesamt aber schätzbaren Geldbedarfs auf der Grundlage eines zwischenwirtschaftlichen Risikoausgleichs“.[5] Sie kann also als ein Instrument gesehen werden, mit dem das Risiko zukünftiger Ereignisse im Austausch von Geld gemindert werden kann.
Die zu versichernden Gesundheitsleistungen werden auf dem Gesundheitsmarkt gehandelt. Sachgüter (z.B. Medizin) und Dienstleistungen (z.B. ärztliche Behandlung) stellen die konkret gehandelten Güter. Deren Bedarf wird durch einen objektiven Mangel an Gesundheit ausgelöst. Zur quantitativen Erfassung der gesundheitlichen Defizite werden die Konzepte der DALYs, QUALYs und HYEs herangezogen.[6] Auf Basis dieser objektiven Bedürfnisse, unter Umständen durch die subjektive Gesundheitswahrnehmung verstärkt, entfaltet der Bedarf die Marktnachfrage. Die definierten Rahmenbedingungen der Versorgung bestimmen das Angebot für medizinische Leistungserstellung, welches durch die Produktionsbetriebe Arztpraxen, Krankenhäuser und Pharmazien gewährleistet wird. Der Markt führt Angebot und Nachfrage in ein Gleichgewicht, wobei die KV die Nachfrage finanziert bzw. auch induzieren kann. Gegenstand der folgenden Untersuchung ist, inwiefern das Marktgleichgewicht eine wohlfahrtsmaximierende Situation darstellt, und ob es pareto-optimal ist.
3. Analyse alternativer Krankenversicherungsverträge
3.1. Versagen des Marktes für Krankenversicherungen
3.1.1. Die Ursachen für Marktversagen
Der Markt für KV ist gekennzeichnet durch Informationsasymmetrien. Die Informationsasymmetrie ist ein Begriff aus der Informationsökonomie und kennzeichnet einen Zustand, in dem zwei Vertragspartner, Prinzipal und Agent, bei Abschluss und/oder bei Erfüllung eines Vertrags über unterschiedliche Informationen verfügen. Man unterscheidet zwischen drei Grundtypen asymmetrischer Informationen: Die Situation unmittelbar vor Vertragsabschluss ist geprägt durch hidden characteristics. Zu diesem Zeitpunkt kennt der Prinzipal die Eigenschaften bzw. die des Produktes des Agenten nicht. Hier besteht die Gefahr der adverse selection. Die Zustände der hidden information und hidden action sind Asymmetrien, die nach Vertragsabschluss auftreten. Sie können zu moral hazard führen, dessen unterschiedliche Formen in Kapitel 3.2. behandelt werden.[7]
Adverse selection tritt auf dem Markt für KV auf, wenn Personen mit niedrigem und hohem Erwartungsschaden, also gute und schlechte Gesundheitsrisiken, in der gleichen Risikogruppe zusammengefasst werden.[8] Kann der Versicherer (=Prinzipal) keine eindeutige Risikoeinklassifizierung nach guten und schlechten Risiken vornehmen, liegt der Zustand der hidden characteristics vor. Der Versicherungsnehmer (=Agent) hingegen kennt sein Schadensrisiko. Somit zahlen Agenten mit niedrigem und hohem Krankheitsrisiko einen einheitlichen Prämiensatz. Die guten Risiken beanspruchen die Versicherung in einem zu geringem Umfang, die schlechten Risiken hingegen zu stark. Dies resultiert in gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsverlusten. Die Gruppe mit niedrigem Erwartungsschaden sieht sich einem ungünstigen Verhältnis der zu zahlenden Durchschnittsprämie zu den erwarteten Krankheitskosten gegenüber. Sie werden somit auf Versicherungsschutz verzichten, wodurch der Anteil der hohen Risiken im Versicherungspool steigt. In der Konsequenz muss die Versicherung die Prämie erhöhen, um weiterhin wirtschaftlich arbeiten zu können. Dies bewegt wiederum die Gruppe mit geringfügig schlechtem Risiko zum Austritt, was eine erneute Prämienerhöhung notwendig macht. Dieser Prozess wird auch Todesspirale[9] genannt, da er zu vollständigem Marktversagen führen kann. Bei Existenz dieser negativen Wohlfahrtseffekte kann der Staat eine pareto-Verbesserung, hin zu einer second best Lösung, durch regulierende Maßnahmen erzielen.[10]
Die These einer staatlichen Regulierung des Marktes für KV liegt neben den negativen Auswirkungen bestehender Informationsasymmetrien auch in den Folgen von Trittbrettfahrerverhalten begründet. Durch die Etablierung eines verpflichtenden Mindestschutzes für alle Bürger wird verhindert, dass sich Personen eventuell überhaupt nicht versichern und im Falle einer akuten Erkrankung gemäß dem Sozialstaatsprinzip auf eine kostenlose medizinische Grundversorgung vertrauen (= Trittbrettfahrer). Über den sozialen Ausgleich innerhalb eines regulierten Systems werden finanzschwache Gruppen subventioniert.
3.1.2. Das Modell von Rothschild und Stiglitz
Die unterschiedlichen Allokationen auf dem Markt für KV bei symmetrischer und asymmetrischer Information untersuchen Rothschild & Stiglitz in ihrem Modell. Die beiden Autoren zeigen, unter welchen Bedingungen sich wohlfahrtsmaximale und zugleich individuell pareto-optimale Allokationen am Markt einstellen und wann es einer staatlichen Regulierung bedarf.[11]
Zur Veranschaulichung wird in dem Modell von unterschiedlichen Präferenzen abstrahiert. Alle Agenten sind risikoavers und unterscheiden sich lediglich in der exogen gegebenen Schadenswahrscheinlichkeit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], wobei [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Der Schaden in Höhe [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] reduziert das gegebene Vermögen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Die Versicherungen sind risikoneutral und agieren auf einem vollkommenen Wettbewerbsmarkt, d.h. ihr Angebotspreis entspricht den Grenzkosten (= faire Prämie) und die Unternehmen machen keine Gewinne.
Im Falle symmetrischer Informationsverteilung kann die Versicherung jeden Agenten gemäß seines individuellen Risikotyps versichern, ihm also einen Prämiensatz bieten, der für das Individuum und die Gesellschaft pareto-optimal ist. Der Erwartungsnutzen des Agenten, der einen Vertrag mit der Form [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] angeboten bekommt, wird durch eine von Neumann-Morgenstern Nutzenfunktion beschrieben:
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], sei [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] das Einkommen im gesunden Zustand und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]im Krankheitsfall, wobei [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] die zu zahlende Prämie und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] die Höhe der Schadensdeckung ist.
Durch Maximierung der Nutzenfunktion nach [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]erhält man:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Bedingung erster Ordnung ist nur dann erfüllt, wenn [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gilt. Der Nutzen im Krankheitsfall entspricht dem Nutzen ohne Krankheit, wenn die Höhe der Deckungsleistung den finanziellen Verlust der Krankheit vollständig ausgleicht. Der Agent wählt somit den für seinen Risikotyp optimalen Vertrag. Der Marktmechanismus führt bei Abwesenheit von Informationsasymmetrie in eine pareto-optimale Allokation.
Bei asymmetrischer Informationsverteilung sind der Versicherung die jeweiligen Risikoausprägungen der Agenten unbekannt. Folglich kann sie keine individuelle Krankheitsabsicherung betreiben sondern lediglich unterschiedliche Verträge für verschiedene Risikotypen anbieten. Der Einfachheit halber gäbe es zwei Risikotypen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für eine hohe und niedrige Krankheitswahrscheinlichkeit. Im Marktergebnis werden alle Agenten, auch die mit hohem Risiko, den Vertrag für niedrige Wahrscheinlichkeiten wählen, denn aufgrund der adverse selection können Agenten mit hoher Schadenserwartung durch den unverhältnismäßigen niedrigen Beitrag ihren Nutzen erhöhen. Der Vertrag für [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] muss aufgrund realisierter Verluste vom Markt genommen werden. Als Folge scheiden die Agenten mit niedrigem Risiko aus der Versicherungsgemeinschaft aus. Die hohen Schadenserwartungen verbleiben in der Versicherung. Der Marktmechanismus führt in die Todesspirale. Die Autoren Rothschild & Stiglitz stellen fest, dass sich kein stabiles Marktgleichgewicht bei heterogener Information einstellt.[12] Aufgrund der adverse selection greifen Staaten häufig regulierend in das System ein, z.B. in Form einer Zwangsversicherung.[13]
[...]
[1] WHO Europe (Health Database). Statistisches Bundesamt (Faltblatt Gesundheitsausgaben).
[2] Beck-Texte (Grundgesetz), Art. 20 Abs.1.
[3] Breyer, Zweifel & Kifmann (Gesundheitsökonomie), S. 207.
[4] Statistische Bundesamt (Gesundheitsbericht für Deutschland), Kapitel 2.2.
[5] Hax (Versicherungswesen), S.2350.
[6] Für eine ausführliche Darstellung zur ökonomischen Bewertung von Gesundheit: Breyer, Zweifel & Kifmann (Gesundheitsökonomie), Kapitel 2.
[7] Küpper (Controlling), S. 47-51.
[8] Schulenburg & Greiner (Gesundheitsökonomik), S.57.
[9] Cutler & Reber (Health Insurance), S. 453.
[10] Marktversagen aufgrund adverse selection beschreibt Akerlof (Lemons) als einer der ersten Auto- ren mit dem sogenannten Zitronenprinzip in seinem Aufsatz „Market for Lemons“.
[11] Das Kapitel 3.1.2. orientiert sich an dem Aufsatz von Rothschild & Stiglitz (Insurance Markets).
[12] Rothschild & Stiglitz (Insurance Markets), S. 637.
[13] Als Gegenargument lässt sich anführen, dass in der Realität die privaten Versicherungsunternehmen entsprechende Lösungskonzepte für die adverse selection entwickelt und somit einen funktionsfähi- gen Markt geschaffen haben. Vgl. dazu Abschnitt 3.2.4..
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.