Aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kinder sind meist von früh morgens bis spät abends in Bewegung, scheinen nie richtig bei einer Sache zu sein, fangen alles an, führen selten etwas zu Ende, sprechen oft dazwischen, hören nicht richtig zu, reagieren auf jeden möglichen Reiz und sind manchmal sogar aggressiv. Andere Kinder wiederum scheinen ständig verträumt zu sein, wirken lethargisch und ständig versunken in ihrer »eigenen Welt«. Eine AD/HS kann schwerwiegende Begleiterscheinungen mit sich bringen. Eltern betroffener Kinder stoßen an ihre erzieherischen Grenzen. Aussagen Betroffener zufolge wird jeder einzelne Tag als nicht endender Kampf empfunden und schnell leidet das gesamte Familienleben und die eheliche Gemeinschaft unter dem »nervtötendem Zappelphilipp« oder der »nervtötenden Störenfrieda«. Aber auch Lehrkräfte wissen sich nach einiger Zeit meist nicht mehr zu helfen. Das aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kind kaspert im Schulunterricht herum, hat Probleme mit seinen Mitschülern und erbringt nur unzureichende schulische Leistungen.
Gravierend sind die psychosozialen Folgen dieser Störung. Die Kinder geraten in böse Teufelskreise, innerhalb derer sich die (falschen) Reaktionen der Umwelt und die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes gegenseitig aufstacheln und das Kind sich somit in einer immer schwierigeren Situation befindet.
Die kindliche Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung fordert zweifelsohne Pädagogen heraus und stellt sie vor eine schwierige Aufgabe. Eltern, Lehrer, Therapeuten und letztendlich alle, die mit diesen Kindern direkt (bspw. als Therapeut) oder indirekt (bspw. als Berater betroffener Eltern) zu tun haben, müssen angemessen mit dieser Störung und der damit verbundenen Problematik umgehen, Unterstützung bieten und entsprechende Interventionsmaßnahmen einleiten, damit diese Kinder sich bestmöglich entwickeln können. Wenn den Kindern die Anforderungen der Umwelt erschwert sind und sie damit nicht klarkommen, dann liegt es an den Erwachsenen, diese so zu gestalten, dass sich die jungen Individuen, die im Prinzip lediglich etwas mehr an Unterstützung und Anleitung brauchen, sich darin zurechtzufinden.
Inhalt
Einleitung
Zur Wahl des Themas
Aufbau und zentrale Absicht
Kapitel 1: Hinführung zum Thema
1.1 Eltern sind ratlos
1.2 Ein Blick ins Säuglings- und Vorschulalter
1.3 Was Eltern sich oft fragen
1.3.1 »Warum ausgerechnet mein Kind ?« und: » Nur mein Kind?«
1.3.2 Ist die Intelligenz der Kinder beeinträchtigt?
1.3.3 Wovon spricht man eigentlich? Von aufmerksamkeitsgestört, hyperaktiv
oder hyperkinetisch?
1.3.4 Dann sind nicht alle Kinder gleich?
1.4 Die elterliche Sorge um die Zukunft des Kindes – zum wesentlichen Verlauf der Störung
1.5 AD/HS und was sonst noch? – Häufige Begleitstörungen
1.6 Verdacht auf AD/HS – zur Relevanz einer Diagnosenstellung
Kapitel 2: Verstehen schafft Toleranz! – zum kindlichen Verhalten des AD/HSlers
2.1 Die drei Kernmerkmale
2.2 Aufmerksamkeitsstörungen
2.2.1 Was bedeutet eigentlich 'Aufmerksamkeit'?
2.2.2 Was ist eine Aufmerksamkeitsstörung und wie kommt
sie zum Ausdruck?
2.3 Hyperaktivität
2.4 Impulsivität
2.4.1 Kaum gedacht – schon getan!
2.4.2 Impulsivität beim Problemlösen
2.5 Problematische Situationen
2.6 Weitere Merkmale
2.6.1 Schwierigkeiten im feinmotorischen Bereich
2.6.2 Probleme mit Regeln und Anweisungen
2.6.3 Neigung zu extremen emotionalen Reaktionen
2.6.4 Das »Hier und Jetzt zählt«
2.7 Positive Eigenschaften und Stärken der Kinder
2.7.1 ADS-Kinder als »Jäger«
Kapitel 3: Die Folgen von AD/HS im Umfeld des Kindes
3.1 Das Kind mit AD/HS im Kontext der Familie
3.1.1 Der Alltag – ein »endloser Hindernislauf«
3.1.2 Isolierungstendenzen und Familienaktivitäten
3.1.3 Geschwisterstreit
3.1.4 Interaktion und Beziehung zwischen Eltern und Kind
3.1.5 Elterliche Belastung
3.2 AD/HS und Schule
3.2.1 Leistung und Noten
3.2.2 Ausgrenzung und Reaktionen des Kindes
3.2.3 Lehrkräfte fühlen sich »genervt«
3.2.4 Das Kind in der »Abwärtsspirale«
3.2.5 Die Sicht des Kindes und psychische Folgen
Kapitel 4: Diagnosenstellung
4.1 Diagnostische Klassifikation
4.2 Ausschluss- und Differentialdiagnostik
4.3 Diagnostisches Vorgehen
4.3.1 Verhaltens- und Interaktionsdiagnostik
4.3.2 Intelligenz- und Leistungsdiagnostik
4.3.3 Familiendiagnostik
4.4 Indikation und Verlaufskontrolle
4.5 Diagnose AD/HS – was bedeutet das für Eltern?
Kapitel 5: Erklärungsansätze
5.1 Neurobiologische Ansätze
5.1.1 Schädigungen des Zentralnervensystems
5.1.2 Entwicklungsanomalien des Gehirns
5.1.3 Die Rolle der Gene
5.1.4 Gestörte Immunregulation
5.2 Psychosoziale Faktoren
5.3 Zusammenfassung und Fazit
Kapitel 6: Zur Medikation von AD/HS mit Stimulanzien
6.1 Stimulanzien für Kinder – ein schwieriges Thema für Eltern
6.2 Welche Medikamente werden verwendet?
6.3 Indikation und Kontraindikation
6.4 Wirksamkeit und Effekte
6.4.1 Kurz- und Langzeiteffekte
6.4.2 Stimulanzientherapie in Kombination mit Verhaltenstherapie
6.5 Wirkungsweise
6.6 Nebenwirkungen
6.7 Kritische Aspekte und mögliche Gefahren
Kapitel 7: Verhaltenstherapeutische Interventionen
7.1 Überblick über die Verfahren und ihre Indikation
7.2 Theoretische Grundlagen der Verhaltenstherapie mit Kindern
7.2.1 Klassische Lerntheorie
7.2.2 Kognitive Lerntheorie
7.3 Kindzentrierte Verfahren
7.3.1 Ziele
7.3.2 Beziehungsaufbau und Information
7.3.3 Spezielle Trainingseinheiten und Methoden
7.4 Eltern- und familienzentrierte Verfahren
7.4.1 Ziele
7.4.2 Vorbereitung der Therapie
7.4.3 Förderung einer positiven Eltern-Kind-Beziehung
7.4.4 Pädagogisch-therapeutische Maßnahmen für zuhause
7.4.5 Unterstützung spezieller Trainingseinheiten durch die Eltern
7.4.6 Bewältigung spezieller Problemsituationen im Alltag
7.4.7 Wenn in Zukunft Verhaltensprobleme auftreten
7.5 Interventionen im Kindergarten und in der Schule
7.5.1 Interventionen im Kindergarten
7.5.2 Interventionen in der Schule
7.6 Eine abschließende Bemerkung
Kapitel 8: Was Eltern sonst noch tun können
8.1 Einstellung ändern - 'Niemand ist perfekt'
8.2 Was Eltern für sich selbst tun können
Schlussbetrachtung
Literatur
Einleitung
Aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kinder scheinen ständig unter Strom zu sein. Sie sind meist von früh morgens bis spät abends in Bewegung, scheinen nie richtig bei einer Sache zu sein, fangen alles an, führen selten etwas zu Ende, sprechen oft dazwischen, hören nicht richtig zu, reagieren auf jeden möglichen Reiz und sind manchmal sogar aggressiv. Sie sind aber keineswegs zu verwechseln mit besonders aufgeweckten, lebhaften oder so genannten »schwierigen« Kindern, denn diese können durchaus still sitzen und sich konzentrieren, wenn es die Situation erfordert. Das können aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kinder aber meist nicht bzw. nur unter besonderen Bedingungen, weswegen sie auch immer wieder aufgrund ihres unangemessenen Verhaltens in bestimmten Situationen auffallen. Andere Kinder wiederum, die zwar ebenfalls aufmerksamkeitsgestört sind, aber keine zusätzlichen hyperaktiven Verhaltensweisen aufweisen, scheinen ständig verträumt zu sein, wirken lethargisch und ständig versunken in ihrer »eigenen Welt«. Eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung kann bei einem falschen Umgang seitens der Erwachsenen, etwa infolge von Ignoranz oder Kompetenzmangel, schwerwiegende Begleiterscheinungen mit sich bringen. Eltern betroffener Kinder stoßen schnell an ihre erzieherischen Grenzen, geben sich oft selbst die Schuld, sind verzweifelt und ratlos. Aussagen Betroffener zufolge wird jeder einzelne Tag als nicht endender Kampf empfunden und schnell leidet das gesamte Familienleben und die eheliche Gemeinschaft unter dem, wie es in der Literatur so oft heißt, »nervtötendem Zappelphilipp« oder der »nervtötenden Störenfrieda«, weil die banalsten Situationen bereits Schwierigkeiten bereiten. Aber auch Lehrkräfte wissen sich nach einiger Zeit meist nicht mehr zu helfen. Das aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kind kaspert im Schulunterricht herum, hat Probleme mit seinen Mitschülern und erbringt nur unzureichende schulische Leistungen.
Gravierend sind die psychosozialen Folgen dieser Störung. Die Betroffenen selbst leiden unter ihrem, ihnen durchaus bewusstem, »Anderssein«. Die mangelnde Akzeptanz durch Gleichaltrige, die Ablehnung von Lehrern zusammen mit den häufig stattfindenden Fehlverurteilungen, das Scheitern in allen möglichen leistungsbezogenen Situationen und das permanente Erleben der eigenen Unfähigkeit im Vergleich zu anderen können das Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein der Kinder stark beeinträchtigen. Die Kinder geraten nicht selten in böse Teufelskreise, innerhalb derer sich die (falschen) Reaktionen der Umwelt und die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes gegenseitig aufstacheln und das Kind sich somit in einer immer schwierigeren Situation befindet. Da das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom nicht altersabhängig ist und nicht etwa mit zunehmendem Alter verschwindet, kann sich die Störung wie ein schwarzer Faden durch das gesamte Leben ziehen und sich so auf Beruf, Paarbeziehungen und letzten Endes auf die gesamte Lebensqualität nachhaltig auswirken.
Die kindliche Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung fordert zweifelsohne Pädagogen[1] heraus und stellt sie vor eine schwierige Aufgabe. Eltern, Lehrer, Therapeuten und letztendlich alle, die mit diesen Kindern direkt (bspw. als Therapeut) oder indirekt (bspw. als Berater betroffener Eltern) zu tun haben, müssen angemessen mit dieser Störung und der damit verbundenen Problematik umgehen, Unterstützung bieten und entsprechende Interventionsmaßnahmen einleiten, damit diese Kinder sich bestmöglich entwickeln können. Wenn den Kindern die Anforderungen der Umwelt erschwert sind und sie damit nicht klarkommen, dann liegt es an den Erwachsenen, diese so zu gestalten, dass sich die jungen Individuen, die im Prinzip lediglich etwas mehr an Unterstützung und Anleitung brauchen, sich darin zurechtzufinden.
Im Folgenden möchte ich, bevor zum Aufbau übergegangen wird, zunächst einmal kurz darstellen, wie ich auf dieses Thema gekommen bin. Der Grund war eine interessante Begegnung mit einem Kind namens Thorben.
Zur Wahl des Themas
Im Jahre 1999 absolvierte ich ein studienbedingtes 20wöchiges Praktikum im Haus der Jugend in Bielefeld/Ummeln. Meine Hauptaufgabe bestand u. a. darin, die täglich stattfindende Kindergruppe mitzubetreuen und an der Gestaltung und Durchführung des Freizeitangebotes (Kurse, Ausflüge, Feste, Spielaktionen usw.) mitzuwirken. Da hauptsächlich immer wieder dieselben Kinder kamen und ich mich täglich in der Einrichtung befand, kam es schnell zu einer intensiven und freundschaftlichen Beziehung zwischen den Kindern und mir. Bereits nach kurzer Zeit fiel mir ein Kind namens Thorben auf, das immer wieder durch sein von der Gruppe deutlich abgehobenes ungewöhnliches Verhalten im Sinne von »ausgeflippt« aus der Reihe tanzte. Thorben stritt sich mehrmals am Tag mit anderen, hielt sich beim Spielen nicht an die Regeln, wollte ständig die Führung des Geschehens übernehmen und begab sich selbst des Öfteren durch waghalsige Aktionen in gefährliche Situationen[2]. Auffällig war auch seine extrem niedrige Frustrationstoleranz; wenn es einmal nicht nach seinem Kopf ging oder er von Betreuern oder mir zurechtgewiesen wurde, gab es zwei Möglichkeiten; die erste war, dass er sich abwandte und total beleidigt war. Allerdings nur für kurze Zeit. In diesem Zusammenhang war erstaunlich, wie schnell er in Anbetracht seiner Verletztheit, die übrigens in keinerlei Verhältnis zum vorgefallenen Ereignis stand, und auch in Anbetracht dessen, dass derjenige, mit dem er in Disput geraten war, für »ihn gestorben« war, wie er in solchen Situationen immer zu sagen pflegte, plötzlich wieder mitten im Geschehen war und vor Ideen, womit man sich z.B. noch die Zeit vertreiben könnte oder wie man ein Spiel weiter abändern könnte (letzteres war ohnehin seine Spezialität), nur so strotzte und diese – auch, wenn es sichtlich keiner hören wollte – lautstark und begeistert vermittelte. Die zweite Möglichkeit war, dass er einen schrecklichen Tobsuchtanfall bekam. Danach war er dann auch meist noch beleidigt und es folgte der bereits beschriebene Ablauf.
Zugegebenermaßen war dieser damals zehnjährige Junge jemand, dem ich anfangs aufgrund seiner Unberechenbarkeit mit Unbehaglichkeit gegenübertrat (um nicht zu sagen, dass er mir ein Dorn im Auge war). Ich kam mit ihm anfangs überhaupt nicht zurecht. Im Laufe der Zeit begriff ich dieses Kind aber mehr und mehr als ein durchaus liebes Kind, das im Grunde anders wollte, aber nicht konnte. »Ich will ja gar nicht immer der Spielverderber sein, aber irgendwie bin ich es dann doch immer« – so sagte er oft nach seinen krisenhaften Szenen und war dabei tief betroffen. So konnte ich zunehmend mehr Verständnis für den Jungen aufbringen.
Als ich einmal Gelegenheit dazu hatte, Thorbens Mutter[3] anzusprechen, tat ich dies auch. Der erste Satz war unter Augenrollen und Aufstöhnen: »Ach Thorben schon wieder, was hat er denn nun angestellt?« Sie erzählte mir, dass sie wegen Thorben schon öfter mit der Schule Probleme hätte und dass es sehr schwierig sei, mit einem Kind wie Thorben den Alltag zu bewältigen. Sie zweifelte an ihren erzieherischen Fähigkeiten und wusste gar nicht mehr, was sie mit ihm anstellen sollte.
Damals beschäftigte ich mich zum ersten Mal mit dieser Störung bei Kindern, allerdings nur kurz und oberflächlich. Eine intensivere Auseinandersetzung mit diesem Thema soll nun im Rahmen dieser Diplomarbeit erfolgen.
Aufbau und zentrale Absicht
Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich aus acht Kapiteln zusammen. Im ersten Kapitel soll eine Hinführung zum Thema erfolgen. Dazu wird die Situation aus Sicht der Eltern geschildert, wenn das Kind in die Schule kommt und somit die »ersten« Probleme aufkommen.
Das zweite Kapitel ist dem Störungsbild gewidmet. Es wird hierbei insbesondere um die Frage gehen, was sich eigentlich genau hinter der Kernsymptomatik, also Begriffen wie Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität verbirgt und welche Verhaltensweisen man sich darunter vorzustellen hat. In diesem Abschnitt sollen auch die nicht zu vergessenen positiven Seiten der Kinder Berücksichtigung finden.
Das dritte Kapitel ist den Folgen im Umfeld des Kindes gewidmet. Es soll zunächst verdeutlicht werden, welche Belastungen speziell die Eltern, aber auch die Familie als Ganzes auf sich nehmen müssen und zu welchen Beeinträchtigungen es innerhalb der Familie kommt. Darauf werden schulbezogene Probleme von AD/HS-Kindern behandelt, wobei diese sich auch wieder unwillkürlich auf die häusliche Atmosphäre auswirken und auch einen wesentlichen Faktor elterlicher Belastung darstellen. Dieses Kapitel schließt mit der Betrachtung der Störung aus Sicht des Kindes und den psychischen Folgen ab.
Das vierte Kapitel hat das Thema 'Diagnosenstellung' zum Gegenstand. Die Störung wird in diesem Kapitel anhand der beiden international anerkannten diagnostischen Klassifikationssysteme DSM-IV und ICD- 10 erklärt und beschrieben. Darauf sollen die wesentlichen Ebenen des diagnostischen Vorgehens dargestellt werden.
Das fünfte Kapitel verschafft einen Einblick über die neuesten und relevantesten Erklärungsansätze der AD/HS-Forschung.
Im sechsten Kapitel geht es um das Thema der Stimulanzienbehandlung von Kindern mit AD/HS. Hierzu werden verschiedene Aspekte aufgegriffen, die für Eltern relevant sind.
Das siebente Kapitel behandelt in Anlehnung an die beschriebenen problematischen Aspekte verhaltenstherapeutische Interventionen. Dazu werden nach einer kurzen Darstellung der grundlegenden Theorien der Verhaltenstherapie von Kindern zunächst kindzentrierte Verfahren, dann Möglichkeiten im Elternhaus für einen verbesserten Umgang mit den betroffenen Kindern sowie schulbezogene Interventionen vorgestellt. Die Ausführungen in diesem Kapitel erfolgen dabei zwar nicht ausschließlich, wohl aber vorwiegend in starker Orientierung an das Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten – THOP von Manfred Döpfner, Stephanie Schürmann und Jan Frölich.
Im achten und letzten Kapitel soll beschrieben werden, was für Eltern von Kindern mit AD/HS sonst noch grundlegend wichtig ist und welche Entlastungsmöglichkeiten es für die Erziehenden gibt. Der letzte Aspekt ist wichtig, da auch Helfer Hilfe brauchen.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt dem Titel entsprechend auf AD/HS beim Kind und der Bedeutung für die Familie. Es wird die Absicht verfolgt, Klarheit über die Symptomatik der Störung zu verschaffen, die vielschichtigen Folgen der Störung darzustellen und aufmerksam darauf zu machen, in welche Teufelskreise das Kind im Umgang mit seiner unmittelbaren Umwelt geraten kann, was die ohnehin bereits schwierige Lebenslage der Betroffenen zusätzlich verschlimmert, so dass die weitere Entwicklung als ernsthaft gefährdet einzustufen ist. In diesem Zusammenhang erscheint es weiterhin wichtig, Möglichkeiten pädagogisch sinnvollen Eingreifens aufzuzeigen.
Den Abschluss der vorliegenden Diplomarbeit bildet eine Schlussbetrachtung, die die Gesichtspunkte in Bezug auf die zentrale Absicht noch einmal in wesentlichen Zügen resümiert und einen eigenen Standpunkt darlegt.
An dieser Stelle sei noch vermerkt, dass es bezüglich der Störung viele unterschiedliche Begriffe gibt. Im folgenden Verlauf des Textes lege ich mich auf den Begriff der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (gemäß dem DSM) fest, wobei mit der Verwendung dieser Bezeichnung immer aufmerksamkeitsgestörte Kinder mit und ohne Hyperaktivität gemeint sind. Der Kürze halber werde ich dafür das entsprechende Kürzel AD/HS verwenden. Sollte ich einen speziellen Subtypen ansprechen, werde ich dies durch entsprechende Bezeichnungen, bspw. (vorwiegend) aufmerksamkeitsgestörte Kinder (kurz ADS) oder (vorwiegend) hyperaktive Kinder (kurz ADHS) kennzeichnen.
Nähere Erläuterungen zu manchen Begriffen und Textstellen werden, wie ebenfalls bereits deutlich wurde, in Form von Fußnoten gefasst, sofern sie den Lesefluss behindern würden.
Kapitel 1 Hinführung zum Thema
1.1 Eltern sind ratlos
Die Eltern werden zumeist mit dem Schuleintritt des Kindes auf die Störung aufmerksam. Vielleicht haben sie sich aber auch schon vorher Gedanken gemacht, wie das Kind in der Schule wohl zurechtkommen würde, da sie das Kind auch vor dem Schuleintritt schon im Vergleich zu anderen Kindern als »wilder« und »ausgeflippter«, einfach anders empfunden haben. Eltern haben oft die Hoffnung, dass sich die Verhaltensauffälligkeiten ihres Kindes mit der Zeit schon »legen werden«. Hat das Kind aber tatsächlich AD/HS[4] werden die Verhaltensauffälligkeiten sich bestimmt nicht legen, sondern vielmehr kommt es im Grundschulalter zu weiteren Schwierigkeiten und Konflikten. Wenn dann die ersten Anrufe von Müttern anderer Kinder kommen und diese sich über das Verhalten des Kindes ihrem eigenen Kind gegenüber beschweren, dann werden Eltern wahrscheinlich schon etwas intensivere Überlegungen anstellen, denken aber möglicherweise immer noch, dass es sich dabei um ganz normale Dinge des Lebens, Kinderstreitereien eben handelt. Zu einem bestimmten Zeitpunkt werden sich aber gewiss auch die Lehrkräfte des Kindes einmischen, und wenn die Eltern dann in einem Lehrerbrief zu hören bekommen, dass ihr Sohn nicht tragbar in der Klasse ist, dann bekommen sie Angst. In der Regel folgt darauf eine Zeit der Ermahnung, des Schimpfens und der Strafandrohung, was die Verhaltensprobleme des Kindes aber nicht verbessert, eher noch verschlimmert. Spätestens dann sind die Eltern ratlos und verzweifelt und wissen nicht, was sie tun sollen.
1.2 Ein Blick ins Säuglings- und Vorschulalter
Während die meisten Eltern zur Zeit des Säuglings- und Kleinkindalters ihres Kindes oft denken, dass die auffälligen Verhaltensweisen in diesem Alter »normal« sind, da eben nicht jedes Kind gleich ist und es 'einfache' und etwas 'schwierigere' Kinder gibt, kommt ihnen hingegen mit dem Grundschulalter und Eintritt in die Schule des Kindes meistens die »Erleuchtung«. Während frühere Zweifel über die »Normalität« des kindlichen Verhaltens verdrängt wurden und die »Specials« wenig beachtet wurden, oder man sich zumindest nicht bewusst diesem Problem zugewandt hat (denn so ein Schreibaby hat schon gewisse Auswirkungen auf das Verhalten der Eltern), werden die frühkindlichen Verhaltensweisen zum Zeitpunkt des Schuleintritts des Kindes eher als Bestätigung dafür genommen, dass mit dem Kind etwas nicht stimmt und es bestimmte Gründe dafür geben muss, dass es so aus der Reihe tanzt. Den Eltern wird dann oft bewusst, dass sie das Kind bereits im Säuglingsalter als »schwierig« empfunden haben.
In der Tat ist es so, dass Kinder mit ADHS bereits seit der Geburt durch ihr im Gegensatz zu anderen unübliches Verhalten auffallen und es bereits in diesem frühen Alter zu aversiven Reaktionen der Umwelt, insbesondere der Eltern kommen kann. Das aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kind schreit im Säuglingsalter typischerweise ungewöhnlich viel und fällt zumeist durch Eß-, Verdauungs- und Schlafprobleme sowie ein allgemein erhöhtes Aktivitätsniveau, welches sich in ununterbrochener Bewegung zeigt, auf. Außerdem hat es eine generell gereizte Stimmung, ist quengelig, wirkt selten entspannt und lässt sich auch nicht durch körperliche Zuwendung beruhigen. Ein solches unruhiges und quengeliges Kind führt zu einer allgemein angespannten und nervösen Familienatmosphäre, kann zu psychischen Störungen bei den Eltern, zu Eheproblemen und zu einer feindseligen Einstellung dem Kind gegenüber führen. Oft kommt es durch ADHS beim Kind schon frühzeitig zu einer beeinträchtigten Eltern-Kind-Interaktion. Aber nicht jedes Schreibaby hat zwangläufig ADHS. Eine dauerhaft beeinträchtigte Mutter-Kind-Interaktion stellt allerdings einen Risikofaktor dar, das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein ADHS-Kind handelt, ist größer, wenn eine dauerhaft negative Eltern-Kind-Interaktion besteht. Obgleich psychosoziale Bedingungen nicht zu den primären Ursachen gezählt werden, haben sie eine bedeutsame Wirkung auf den Schweregrad der Störung, da sie eine starke Ausgeprägtheit der Symptomatik erheblich begünstigen. Häufig treten bei denjenigen, die auch später die Verhaltensauffälligkeiten weiterhin aufweisen, Entwicklungsrückstände in der Motorik, der Sprache und der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit auf (vgl. Döpfner, Frölich & Lehmkuhl 2000, S. 17f).
Aber auch wenn die Eltern in das Vorschulalter des Kindes zurückblicken, werden sie in der Regel feststellen, dass die beschriebenen Verhaltesauffälligkeiten bestehen geblieben sind und sich gegebenenfalls verschlimmert haben bzw. neue auffällige Verhaltensweisen hinzugekommen sind.
Kennzeichnend sind nämlich in diesem Alter für Kinder mit ADHS eine verstärkte motorische Unruhe und Umtriebigkeit. Das Kind hört nicht auf Anweisungen, überschreitet Grenzen und bekommt häufige und heftige Wutanfälle. Ein Teil der Kinder in diesem Alter fällt zusätzlich durch ihr oppositionelles Verhalten gegenüber Erwachsenen und/oder aggressive Verhaltensweisen gegenüber gleichaltrigen Kindern auf. Konstruktive Spiele kommen oft nicht zustande. Der Kindergartenbesuch ist in der Regel aufgrund der mangelnden sozialen Integrierbarkeit mit Problemen verbunden. Insbesondere zu dieser Zeit besteht eine erhöhte Unfallgefahr durch die Impulsivität des Kindes. Von dreijährigen Kindern mit den Verhaltensauffälligkeiten des Syndroms zeigen etwa 50% im Alter von sechs Jahren weiterhin diese typischen Merkmale (vgl. Döpfner et al. 2000, S. 18). Zu den Risikofaktoren für die Persistenz der Störung kann gesagt werden, dass die Wahrscheinlichkeit umso höher ist, je aversiver die Eltern-Kind-Interaktion ist und je stärker die Symptome ausgeprägt sind. Außerdem sind psychische Erkrankungen der Eltern, Partnerkonflikte und das Auftreten des auffälligen Verhaltens in zwei Bereichen, das heißt im Elternhaus und im Kindergarten weitere Faktoren, die die Persistenz der Störung bedeutsam erhöhen. (vgl. Döpfner, Schürmann & Frölich 2002, S. 24; Imhof, Skrodzki & Urzinger 2003, S. 64ff).
Ein bisschen »gestört« in diesem Sinn ist wohl jedes Kind in diesem Alter. Wir kennen alle das so genannte Trotzalter, in dem die Kinder ausprobieren, wie weit sie gehen können, die gesetzten Grenzen von Erwachsenen überschreiten, und sich schreiend auf den Boden werfen, wenn sie mal einen geäußerten Wunsch nicht erfüllt bekommen oder Anforderungen an sie gestellt werden, zu denen sie im Moment keine Lust haben. Manche Kinder sind auch einfach von Natur aus lebhafter, temperament- und energievoller als andere. Impulsives Verhalten und motorische Unruhe, aber auch Aufmerksamkeitsschwächen, sind im Prinzip normale Entwicklungserscheinungen eines jeden Kindes; bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger ausgeprägt. Der Unterschied zu »normalen« Kindern ergibt sich aus dem Ausmaß und der Stärke der Verhaltensprobleme (vgl. Eisert 1981, S. 13). Sie sind oft so stark, dass es der Umwelt schwer fällt, sie zu tolerieren und dass die Umwelt dem Kind gegenüber sichtbar abgeneigt ist.
1.3 Was Eltern sich oft fragen
1.3.1 »Warum ausgerechnet mein Kind ?« und: » Nur mein Kind?«
Wenn die Eltern, zumeist zum Zeitpunkt des Schuleintritts des Kindes, sei es durch Vermutungen von Lehrern, Freunden oder Verwandten, denen die Eltern sich mit dem Problem anvertraut haben oder durch den Kinderarzt darauf aufmerksam geworden sind, dass ihr Kind möglicherweise AD/HS haben könnte, sehen sie sich meistens mit einem Haufen von Fragen konfrontiert. Eine dieser Fragen wird vor allem anfangs sicher sein: »Warum ausgerechnet mein Kind ?« und vor allem auch: » Nur mein Kind?«
Die erste Frage bezieht sich dabei gewiss nicht auf die möglichen Ursachen (wie kommt es denn, dass mein Kind eine solche Störung hat?), sondern ist eher gemeint in dem Sinne eines Schicksalsschlages (warum hab ich bloß so ein Kind?). Diese Frage ist leicht zu beantworten bzw. gar nicht zu beantworten. Eltern müssen solche destruktiven Gedanken abwerfen und dürfen sich nicht fragen, warum gerade sie ein solches Kind haben müssen. Das würde sie psychisch nur zusätzlich belasten. Sie müssen vielmehr begreifen, dass die Störung des Kindes nicht als Schicksal zu betrachten ist, dessen weiterer Entwicklung sie ohne Einfluss gegenüberstehen, sondern als eine Störung, über die sie sich eingehend informieren und mit der sie einen angemessenen Umgang erlernen können und auch sollten, so dass es nicht zu Beeinträchtigungen des Lebens kommt. Die Störung ist keine Sache, der man ihren Lauf lässt. Das wäre sogar gravierend. Es handelt sich bei AD/HSlern im Grunde um ganz normale Kinder; sie sind nur insofern als »nicht normal« zu bezeichnen, als dass sie durch besondere Verhaltensweisen auffallen und sich dadurch von anderen Kindern abheben. Sie brauchen im Gegensatz zu anderen etwas mehr Unterstützung und Hilfen bei der Bewältigung von Aufgaben und alltäglichen Anforderungen. Ihren Zustand durch angemessene Maßnahmen dahingehend zu verändern, dass auch sie wie andere Kinder unabhängig von äußeren Einwirkungen die alltäglichen Anforderungen des Lebens erfolgreich bewältigen können, dies muss Sinn der Bemühungen, Sinn eines Eingreifens sein. Dieses Ziel ist erreichbar und somit muss die Störung zwar schon als Entwicklungsgefährdung, nicht aber als Schicksalsschlag betrachtet und einfach hingenommen werden. Schaden kann und muss unbedingt minimiert werden und es sind Voraussetzungen zu treffen, die dem Kind eine bestmögliche Entwicklungschance bieten.
Die zweite Frage ist ebenso leicht zu beantworten. Betroffenen Eltern kommt es oft so vor, als sei nur ihr Kind von der Störung betroffen. Tatsächlich gelten Aufmerksamkeitsdefizit- und/oder Hyperaktivitätsstörungen aber als das Problem unserer Zeit, was allerdings nicht heißt, dass es die Störung nicht schon lange bzw. schon immer gegeben hat. Der erste, der auf das Störungsbild von AD/HS aufmerksam machte, war der Kinderarzt Heinrich Hoffmann mit seinem weltberühmten Kinderbuch »Struwwelpeter«, und zwar bereits im Jahre 1847. Hoffmann beschreibt in seinen Bildergeschichten Kinder, die ständig durch ihr immer wiederkehrendes ungewöhnliches Verhalten auffallen. Es scheint, als hätten sie nichts als Unfug im Kopf. Durch ihr unbedachtes und unaufmerksames Verhalten geraten sie immer wieder in ungünstige Situationen und werden auch schon bald darauf bestraft. Auffällig ist, dass die Strafen im Struwwelpeter übertrieben und überzogen erscheinen, so muss bspw. ein Kind, das seine Suppe nicht isst, verhungern, oder eines, das am Daumen lutscht, bekommt mit einer riesigen Schere den Daumen abgeschnitten. Hoffmanns Absicht wird es gewesen sein, an die Moral der Kinder zu appellieren, schlechtes Verhalten aufzuzeigen und durch die unmittelbare Darstellung negativer Konsequenzen „unartige“ Kinder abzuschrecken, um so Schaden und Unfälle zu vermeiden.
Diese Sichtweise entsprach dem Denken und den Auffassungen der damaligen Zeit. So wurden Kinder, die gegen eine gesellschaftliche Norm verstießen oder eine elterliche Anordnung nicht befolgten, als »böse« beschimpft und durch Bestrafung streng diszipliniert. Das spezifische Verhaltensmuster betroffener Kinder wurde ausschließlich als Folge von Erziehungsfehlern, elterlicher Schwäche und mangelnder Strenge und Härte gesehen. Das Störungsbild ist also bereits lange bekannt; es wurde früher lediglich nicht als eine Störung bezeichnet und behandelt, wie das gegenwärtig der Fall ist, weil die Ursachenforschung diesbezüglich noch nicht derart entwickelt war, sondern wurde vielmehr als Folge von Erziehungsfehlern definiert und demnach auch behandelt.
Die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die an einer Störung leiden, liegt zwischen 3 bis 5%[5], womit sie als die häufigste Entwicklungsbeeinträchtigung im Kindesalter betrachtet werden kann. Als Faustregel gilt, dass pro Schulklasse ein Kind aufmerksamkeitsgestört und/oder hyperaktiv ist (vgl. Lauth & Schlottke 1993; Lauth, Schlottke & Naumann 2002, S. 37). Bekannt ist ferner, dass Jungen vorwiegend an einer ADHS (Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität) leiden und bei Mädchen eher ADS, also das Störungsbild der Aufmerksamkeit ohne hyperaktive Symptome anzutreffen ist (vgl. Altherr 1999). Es wird häufig gesagt, dass Jungen generell eher und häufiger von der Störung (mit oder ohne Hyperaktivität) betroffen sind (vgl. Pitzer & Schmidt 1999, S. 135). Wenn es allerdings stimmt, dass Mädchen vorwiegend von einer Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität betroffen sind, dann könnte dies auch damit zusammenhängen, dass eine »reine« Aufmerksamkeitsstörung seltener diagnostiziert wird, weil sie weniger auffällt, nicht aber aus dem Grunde, weil sie seltener vorkommt (vgl. Imhof et al. 2003, S. 12).
Obgleich die Prävalenzraten im Vergleich mit anderen europäischen und außereuropäischen
Ländern schwanken[6], kann man sagen, dass die Störung als ein internationales Problem gesehen werden muss (vgl. Altherr 1999, S. 200).
1.3.2 Ist die Intelligenz der Kinder beeinträchtigt?
Eine andere Frage, die anfangs oft noch unwissende Eltern häufig quält, ist die Frage nach der Intelligenz ihres Kindes. Kinder mit AD/HS sind in der Regel genauso begabt bzw. nicht begabt wie andere »normale« Kinder auch. Geringere IQ-Testwerte ergeben sich zumeist aus der Störung heraus, weil diese bedingt, dass die Kinder in standardiesierten Intelligenztests benachteiligt sind, so dass es zu Werten kommt, die ihrem eigentlichen Leistungspotential nicht entsprechen. Durch besondere Instruktionen, die den Kindern helfen, konzentrierter und durchdachter an Aufgaben heranzugehen, kann man erreichen, dass sich die Intelligenztestergebnisse verbessern und denen anderer, normal begabter Kinder gleichkommen (vgl. Wagner 1991, S. 57ff). Dennoch gibt es auch weniger begabte AD/HS-Kinder. Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass einerseits Aufmerksamkeitsstörungen sich beeinträchtigend auf das Lesen- und Schreibenlernen auswirken, andererseits wiederum schwache Lese- und Schreibleistungen eine beeinträchtigende Wirkung auf die Konzentration haben (ebd., S. 16, 48). Vereinzelte Lernstörungen wie z.B. Legasthenie oder eine isolierte Rechenschwäche kommen teilweise aber auch unabhängig von der Störung vor; sie sind dann keine unmittelbare Folge der Störung, sondern fallen einfach nur zeitlich mit ihr zusammen[7] (vgl. Döpfner et al. 2002, S.7ff).
1.3.3 Wovon spricht man eigentlich? Von aufmerksamkeitsgestört, hyperaktiv oder hyperkinetisch?
Bezüglich der Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der Störung herrscht ein regelrechtes Chaos. Einzelne Wissenschaftler beschäftigten sich schon frühzeitig verstärkt mit der Symptomatik der Störung, was auch immer mit der Suche nach möglichen Ursachen verbunden war. Im Laufe der Zeit kamen immer wieder neue Bezeichnungen zustande, wie bspw. Anfang des 20. Jahrhunderts von Georg Still benannt, »willensschwach mit ernstem Defekt in der moralischen Kontrolliertheit des Verhaltens«, oder 1934 von Kahn und Cohen bezeichnet, »mangelhafte Impulskontrolle, übertriebene Aktivität und reduzierte Aufmerksamkeitsspanne«, oder 1937 von dem Forscherpaar Bradley beschrieben als »Unruhesyndrom«. Im Allgemeinverständnis wurde die Störung dennoch lange Zeit zulasten betroffener Eltern und vor allem der Kinder als Folge verweichlichter, zu lascher Erziehung betrachtet. Erst in den 60er Jahren wandte man sich nach und nach speziell in den USA von dieser Vorstellung ab (vgl. Neuhaus 2002, S. 46f).
Der Begriff der »minimalen cerebralen Dysfunktion« (MCD) oder »minimale Gehirnschädigung« wurde am häufigsten gebraucht, gilt gegenwärtig allerdings bereits seit über zehn Jahren als überholt und veraltet. Diese Bezeichnung wurde von vielen Wissenschaftlern abgelehnt, da durch den Namen die unzutreffende Schlussfolgerung provoziert wird, dass die Störung immer das Ergebnis einer hirnorganischen Schädigung, und wenn sei sie noch so klein, darstellen würde. Etwas später wurde die Störung in Deutschland als »kindliches exogenes Psychosyndrom« bezeichnet. Seit einiger Zeit hat sich in Deutschland gemäß ICD- 10 der Begriff »Hyperkinetische Störung« (HKS) durchgesetzt. In der Schweiz wird von dem »frühkindlichen psychoorganischen Syndrom« (POS) gesprochen. In den USA und nach der Weltgesundheitsorganisation gilt bereits seit Jahrzehnten die Bezeichnung Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität, abgekürzt bezeichnet als ADHD (attention deficit hyperactivity disorder) und Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität, abgekürzt bezeichnet als ADD (attention deficit disorder). In Deutschland steht ADS mit Hyperaktivität (kurz auch ADHS) und ADS ohne Hyperaktivität (kurz auch ADS) synonym für ADHD und ADD (vgl. Imhof et al. 2003, S. 9).
1.3.4 Dann sind nicht alle AD/HS-Kinder gleich?
AD/HS-Kinder sind keinesfalls alle gleich. Es kann die Aufmerksamkeitsstörung mit und ohne Hyperaktivität geben. Während vorwiegend hyperaktive Kinder (Kinder mit ADHS) insbesondere durch motorische Unruhe auffallen, fallen die vorwiegend aufmerksamkeitsgestörten (Kinder mit ADS) vor allem durch ihre Träumereien auf, weswegen sie in der Literatur auch häufig als »Träumer« bezeichnet werden. Sie sind typischerweise still, verträumt, sensibel, wirken trödelig, eingeschüchtert und in sich gekehrt. Beide Formen ziehen soziale Schwierigkeiten, wenngleich auch in verschiedenen Ausdrucksformen, nach sich. Die Problematik liegt bei den „Träumern“ selten in häufig begleitenden aggressiven Verhaltensweisen, wie das bei aufmerksamkeitsgestörten Kindern mit Hyperaktivität häufig der Fall sein kann, sondern viel eher in einem sozialen Rückzug. Die Kinder zeigen meist wenig Interesse an gemeinsamen Spielen und ziehen sich aus den Bereichen des Lebens zurück in „ihre Traumwelt“. Da sie typischerweise scheu sind und soziale Kontakte in aller Regel vermieden werden, haben auch diese Kinder kaum Freunde. Sie weinen schnell und wirken generell traurig und ängstlich. Wünsche und Bedürfnisse bringen sie nicht oder kaum zum Ausdruck. In der Schule haben diese Kinder bezüglich der Leistungen dieselben Probleme wie solche mit Hyperaktivität (vgl. Lauth et al. 2002, S. 31, 66; Neuhaus 2002, S. 33).
1.4 Die elterliche Sorge um die Zukunft des Kindes – zum wesentlichen Verlauf der Störung
AD/HS beim Kind geht auch immer mit der elterlichen Sorge einher, was später mal aus den Kindern wird. Äußerst ungewöhnlich ist die Auffassung mancher, die Störung würde im zunehmenden Alter nach und nach verschwinden. Es ist aber wohl zutreffend, dass sich das Erscheinungsbild der Störung im Altersverlauf ändert und die Störung im Kindes- und Jugendalter am schwierigsten empfunden wird. Dies liegt zum Einen daran, dass man unangebrachtem Verhalten eines Kleinkindes meist noch größtenteils mit Nachsicht begegnet und die Erwartungen, die an ein Kleinkind gestellt werden, noch nicht so hoch angesetzt und sie vor allem nicht vergleichbar mit den relativ festen und restriktiven Verhaltensforderungen sind, wie sie z.B. später in der Schule bestehen. Zum Anderen ist die Störung im Erwachsenenalter nicht so beeinträchtigend, wenn man durch eine entsprechende Berufswahl und/oder geeignete Freizeitgestaltung Konfrontationen größtenteils vermeidet. Außerhalb der Schule ist es eher möglich, die Lebenszusammenhänge so zu verändern, dass man Schwierigkeiten umgehen kann (vgl. Imhof et al. 2003, S. 13f).
Im Jugendalter vermindert sich die motorische Unruhe zumeist, während Aufmerksamkeitsprobleme und impulsive Handlungen häufig bestehen bleiben. Vor allem diejenigen, die bereits als Kinder zusätzlich aggressiv waren, entwickeln im Jugendalter häufig dissoziale Verhaltensweisen. Ein weiteres Problem stellen emotionale Auffälligkeiten sowie Drogen- und Alkoholkonsum dar. 30% bis 70% tragen die Störung ins Erwachsenenalter hinein (vgl. Döpfner et al. 2002, S. 16ff).
Tabelle 1: Verlauf hyperkinetischer Störungen
(aus Döpfner et al. 2000, S. 17)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein Drittel derjenigen, bei denen AD/HS mit Problemen in allen drei Kernbereichen diagnostiziert wird, weist die Störung im Erwachsenenalter in voller Ausprägung auf. Damit verbunden sind dann, je nach Grad der Störung mehr oder weniger, ein verminderter Beschäftigungsstatus, Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens sowie eine herabgesetzte soziale Integration. Manche entwickeln eine Persönlichkeitsstörung (Dissozialität, Delinquenz, Sucht) und Probleme im Bereich der interpersonellen Beziehungen (ebd., S. 25).
Die Störung ist demnach als in allen Altersgruppen vorkommende chronische Störung zu betrachten. Da wir feststellen müssen, dass es bei einigen zu Problemen im Jugend- und Erwachsenenalter kommt, die auf die Störung zurückzuführen sind, erscheint es umso wichtiger, die Intensität der Symptomatik so gut es geht durch entsprechende Maßnahmen und einen angemessenen Umgang mit der Störung und der damit verbundenen Problematik so gering wie nur möglich zu halten und somit auch spätere Schwierigkeiten zu minimieren.
Für einen chronifizierten und schwerwiegenden Verlauf machen Döpfner et al. (2000) folgende Faktoren geltend:
1. Niedrige Intelligenz;
2. Früh einsetzende schwere und hartnäckige oppositionelle und aggressive Verhaltensstörungen;
3. Schlechte Beziehung zu Gleichaltrigen und Eltern; schlechte soziale Einbindung;
4. Psychische Störungen bei den Eltern, vor allem antisoziale Persönlichkeitsstörung des Vaters;
5. Familiäre Instabilität, Ehezwistigkeiten;
6. Niedriger sozioökonomischer Status;
7. Strafender und inkonsistenter Erziehungsstil. (S. 20)
Dagegen haben sich Merkmale wie eine hohe Intelligenz des Kindes, eine harmonische häusliche Atmosphäre mit einer positiven Eltern-Kind-Beziehung, eine soziale Eingebundenheit des Kindes (in die Schule und Gleichaltrigengruppe) sowie eine frühzeitig beginnende und dauerhaft und intensiv durchgeführte multimodale Therapie als schützende Faktoren für eine Störung mit in ihrer weiteren Entwicklung geringer Symptomatik herausgestellt (ebd., S. 19).
1.5 AD/HS und was sonst noch? – Häufige Begleitstörungen
AD/HS tritt selten allein auf. Barkley (1997) sagt in diesem Bezug: »…die meisten Patienten mit ADS haben wenigstens eine, wenn nicht zwei oder mehrere zusätzliche Störungen« (Barkley 1997, zitiert nach Reuner & Oberle 2000, S. 139). Neben den bereits erwähnten Lernstörungen oder Teilleistungsstörungen, die unter AD/HSlern vermehrt vorzufinden sind (mehr als die Häufigkeit von Lernstörungen in der Normalbevölkerung), stellen oppositionelle Verhaltensstörungen (mit 50%) und Störungen des Sozialverhaltens (mit 30 bis 50%) wie Aggressivität und/oder Dissozialität die häufigste komorbide Störung dar (vgl. Döpfner 2000). Die Kinder hören dann nicht auf die Anweisungen von Erwachsenen, widersetzen sich ihnen, befolgen festgelegte Regeln innerhalb der Familie nicht, halten sich im Kindergarten oder in der Schule nicht an allgemein gültige Vorschriften, verweigern Leistungsanforderungen und bekommen schnell und häufig Tobsuchtanfälle. Aufgrund des mangelnden Regelverständnisses und der Frustrationsintoleranz geraten sie häufig in Konflikt mit ihren Geschwistern und mit Gleichaltrigen. Mit zunehmendem Alter treten oft dissoziale Verhaltensweisen hinzu, wie z.B. Schuleschwänzen, Lügen, Stehlen und Zerstören fremden Eigentums, so dass es auch zu Konflikten mit dem Gesetz kommen kann. Döpfner et al. (2000) teilen mit, dass diese komorbiden Störungen nach Reeves et al. (1987) meistens mit einer stärkeren Symptomatik einhergehen und dass sich weiterhin nach Lahey et al. (1988) feststellen lässt, dass der sozioökonomische Status geringer ist als bei Kindern mit AD/HS ohne weitere komorbide Störungen (nach Döpfner et al. 2000, S. 8).
Auch depressive Verstimmungen sowie Angststörungen kommen bei Kindern mit AD/HS infolge mangelnder Erfolgserlebnisse, Frustrationen und Ablehnung oft vor. Döpfner et al. (2000) bezieht sich auf Untersuchungen nach Biedermann et al. (1992), die ergaben, dass zwischen 9 und 28% aller betroffenen Kinder Depressionen haben und nach Angaben von Cohen et al. (1993) 25% unter Angstzuständen leiden. Ausdrucksformen depressiver Verstimmung sind eine traurige Grundstimmung, ein negatives Selbstkonzept und ein mangelndes Selbstvertrauen. Dies ist häufig gepaart mit einem sozialen Rückzug und somatischen Problemen. Angststörungen treten zumeist in Form generalisierter Angst und Leistungsangst auf. Das Kind macht sich ständig Sorgen, wirkt bekümmert, angespannt, müde und hat Schlafstörungen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den Blick auf den Verlauf zu richten, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, was Ursache und was Wirkung ist, denn depressive Verhaltensauffälligkeiten als auch Angststörungen können ihrerseits zu psychomotorischen Auffälligkeiten und Konzentrationsstörungen führen. Die Störung hat in der Regel einen stetigen Verlauf mit Beginn im frühen Alter, während hingegen affektive Störungen und Angststörungen meist erst später auftreten und ihre weitere Entwicklung im Verhältnis dazu eher diskontinuierlich verläuft (nach Döpfner et al. 2000, S. 8).
Darüber hinaus treten bei den betroffenen Kindern gehäuft Sprech- und Sprachstörungen sowie Tics auf. Die Kinder weisen sich nicht richtig entwickelnde grammatikalische Sprechmuster sowie Fehler in der Aussprache auf, und benutzen altersungemäß Kleinkindwörter wie »Saugstauber« statt »Staubsauger« usw. (vgl. Neuhaus 2002, S. 19). Motorische Tics sind rasche sinnlose Bewegungen wie bspw. Augenblinzeln, Kopfrucken oder Grimassieren. Lautäußernde Tics sind bspw. Räuspern, Fiepen, Quieken, Grunzen, Schnüffeln oder Zunge schnalzen. Bestehen mehrere motorische und vokale Tics zugleich, spricht man von dem »Gilles-de-la-Tourette-Syndrom«[8] (vgl. Reuner & Oberle 2000, S. 141).
Üblicherweise kommt es auch oft zu Beziehungsstörungen, da einerseits die betroffenen Kinder selbst aufgrund der Störung mit anderen nur schwer zurechtkommen, und andererseits aber auch andere Kinder oft den Kontakt zu den Betroffenen meiden oder sich zumindest distanzieren, wenn sich ein Kontakt nicht vermeiden lässt (vgl. Döpfner et al. 2000a, S. 17; Döpfner 2000, S. 154).
Die differentialdiagnostische Abklärung komorbider Störungen stellt eine besonders herausfordernde Aufgabe für entsprechend spezialisierte Ärzte, Therapeuten und Psychologen dar.
1.6 Verdacht auf AD/HS – zur Relevanz einer Diagnosenstellung
Wenn Eltern über längere Zeit Merkmale von AD/HS bei ihrem Kind beobachten und sie sich diese durch keine anderen möglichen Ursachen besser erklären können und es bereits zu Beeinträchtigungen gekommen ist, dann sollten sie sich um Hilfe und Unterstützung für ihr Kind (und für sich selbst auch) kümmern. Besser wäre es, bereits lediglich dem Verdacht auf AD/HS zu folgen, den Kinderarzt zu befragen und gegebenenfalls auch nachzuhaken, so dass es gar nicht erst zu Beeinträchtigungen kommt. Dies würde aber wohl eher die Ausnahme darstellen.
Wie bei jeder anderen Störung oder Erkrankung auch, ist es auch bei AD/HS wichtig, dass eine genaue Diagnose gestellt wird, damit angemessene therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden können. Denn nur wenn Maßnahmen angemessen, das heißt zugeschnitten auf die Problematik des Kindes sind, kann ein Effekt erreicht werden. Eine genaue Diagnosenstellung erfordert viel Zeit und Sorgfalt, da sie nach strengen Regeln durchgeführt wird. Es gibt eine Vielzahl von genauen Vorgaben, die überprüft werden müssen. In der Regel erfolgt sie durch Fachleute, die sich mit dem Phänomen auskennen, wie etwa spezialisierte Kinderärzte, Kinder- und Jugendpsychiater und/oder auch spezialisierte Kinder- und Jugendverhaltenstherapeuten (vgl. Neuhaus 2002, S. 76).
Es ist erforderlich, dass Eltern eine Diagnose durchführen lassen, auch wenn Lehrer oder sonstige Miterzieher sicher sind, dass es sich um AD/HS handelt. Insbesondere Lehrer bezeichnen Schüler nur allzu schnell als »aufmerksamkeitsgestört«. Es ist aber nicht so leicht, betroffene Kinder von so bezeichneten »schwierigen« Kindern zu unterscheiden. Oftmals landen diese und jene Kinder in derselben »Schublade«, was die gesamte Situation nur erschwert.
Anzumerken ist auch, dass, so notwendig eine genaue Diagnosenstellung durch spezielle Fachleute auch ist, wenn sie gestellt sein sollte, dies zwar in gewisser Weise oft eine Art Beruhigung für die Eltern darstellt, die Verhaltensweisen des Kindes dadurch aber nicht automatisch als »entschuldigt« gelten. Hier muss anscheinend von allen Seiten statt verbissener Sturheit mehr Wissen und Verständnis aufgebracht werden, so dass ein nötiger »lockerer« Umgang mit diesen Kindern möglich ist.
Das allerwichtigste für betroffene Eltern ist zunächst einmal, dass sie sich ausführlich über die Störung informieren und sich aufklären lassen. Dies erfolgt größtenteils durch die Fachleute, die auch die Diagnose stellen und Behandlungsmaßnahmen einleiten. Eltern, die sich darüber hinaus selbständig auf die Suche nach nützlichen und hilfreichen Informationen begeben, können dies tun, sollten dann aber nicht alles unkritisch glauben, was sie lesen. Texte, die wenig wissenschaftlich fundiert sind, eigenen sich für Eltern genauso wenig wie solche, in denen die Störung fälschlicherweise als »Mythos« oder »Modeerscheinung« dargestellt wird oder in denen bezüglich der Ursachen traditionelle Sichtweisen vertreten werden, die einfach nicht stimmen und bei Eltern lediglich für Verwirrung und Schuldgefühle sorgen.
Die Aufklärung stellt für Eltern das A&O dar, denn sie sind diejenigen, die tagtäglich mit den Extravaganzen ihres Kindes konfrontiert werden und die Kraft und die Geduld aufbringen müssen, diese zu dulden und zu akzeptieren. Dies erfordert zu aller erst einmal, dass sie die kindlichen Verhaltensweisen verstehen und folglich richtig einschätzen und beurteilen. Um das »Verstehen« soll es im Folgenden gehen.
Kapitel 2 Verstehen schafft Toleranz! – zum kindlichen Verhalten des AD/HSlers
2.1 Die drei Kernmerkmale
Einen kleinen Eindruck über die Ausdrucksformen von AD/HS wurde dem Leser bereits in der Einleitung dieser Arbeit vermittelt. Das spezifische Verhaltensmuster beim Kind mit AD/HS ist gekennzeichnet durch drei Kernmerkmale, und zwar durch eine Aufmerksamkeitsstörung, durch Impulsivität und Hyperaktivität (vgl. Saß et al. 2003, S. 62). Diese Merkmale müssen nicht zwangsweise alle gleichermaßen stark auftreten, sondern können in ihrer Intensität variieren (vgl. Kap. 4). Im Folgenden soll dargestellt werden, was genau mit den Begriffen Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität gemeint ist und wie diese Symptome in Erscheinung treten.
2.2 Aufmerksamkeitsstörungen
2.2.1 Was ist eigentlich Aufmerksamkeit?
Um zu verstehen, was eine Aufmerksamkeitsstörung ist, erscheint es zunächst einmal angebracht, zu schauen, was der Begriff Aufmerksamkeit eigentlich meint und bedeutet.
Aufmerksamkeit bedeutet, die »gezielte Lenkung des Denk- und Wahrnehmungsprozesses auf bestimmte Situationen, Personen, Objekte und Aufgaben, die das Individuum vor einer Überflutung von Reizen schützt und der besseren Aufnahme und Verarbeitung von Informationen dient, was eine Leistungssteigerung zur Folge hat. Dabei ist die geleitete und über einen längeren Zeitpunkt bestehende Aufmerksamkeit gleichzusetzen mit der Konzentration« (Kleines Pädagogisches Wörterbuch 1979, S. 40). Wagner (1991, S. 48) verweist im Zusammenhang mit den Begriffen der Aufmerksamkeit und Konzentration auf eine Definition von Hofstätter (1965, S. 35), nach der es heißt: »Es gibt die Hinwendung der Aufmerksamkeit auf einzelne Gegenstände und Ereignisse dem Bild der erlebten Welt einen Schwerpunkt, innerhalb dessen auch minimale Unterschiede deutlicher erfasst werden als außerhalb. Auf der Stufe der Anschauung werden daher im Vollzug der aufmerksamen Beobachtung bereits Abstraktionsleistungen vorgenommen. Die Wahl des zu beobachtenden Phänomens impliziert zum Teil auch schon eine Entscheidung darüber, von welchen anderen Phänomenen mehr oder minder weitgehend abgesehen werden soll – Konzentration bedeutet u. A. auch die Einengung des Blicks auf das für wesentlich Erachtete« (Wagner 1991, zitiert nach Hofstätter 1965, S. 35). Laut diesen Definitionen kann man Aufmerksamkeit also als ein »Gerichtet-Sein auf Etwas« oder den »Blick auf eine Sache lenkend«, als die Fähigkeit, das Denken und das Wahrnehmen auf eine wichtige Aufgabe (oder Sonstiges) zu beschränken und dabei alle übrigen nicht wichtigen Nebensächlichkeiten absichtlich zu »übersehen« und nicht zu beachten. Ferner wird das Vermögen beschrieben, diesen Zustand auch über längere Zeit beibehalten zu können. In diesem Sinn und im Zusammenhang mit der Störung wird der Begriff oft differenziert; man spricht von der selektiven Aufmerksamkeit und der Daueraufmerksamkeit (vgl. Döpfner et al. 1997, S. 3).
2.2.2 Was ist eine Aufmerksamkeitsstörung und wie kommt sie zum Ausdruck?
Eine Aufmerksamkeitsstörung ließe sich demnach pointiert in folgenden Sätzen formulieren:
Es ist die Unfähigkeit,
- gewollt und planmäßig gedankliche Prozesse zu steuern;
- sich (die eigene Wahrnehmung und das Denken) auf eine Sache zu beschränken;
- dabei zu unterscheiden, was wichtig ist und was nicht;
- Unwichtiges gleichsam »auszuschalten«, während hingegen das Wichtige in seinen erforderlichen Details erfasst wird;
- lange bzw. genügend Zeit mit einer Aufgabe oder Tätigkeit zu verbringen und dabei den beschriebenen Zustand zu halten.
Bei aufmerksamkeitsgestörten Kindern bestehen sowohl Beeinträchtigungen in der selektiven Aufmerksamkeit als auch in der Daueraufmerksamkeit. Zu den speziellen Ausdrucksformen beeinträchtigter selektiver Aufmerksamkeit zählt vor allem, dass die Kinder nicht konzentriert bei einer Sache bleiben können, da sie auf jeden möglichen Reiz reagieren, weshalb sie von Eltern und Lehrern oft als leicht ablenkbar bezeichnet werden. Alles erscheint wichtig und wird gleichermaßen vom Kind wahrgenommen; man spricht hierbei auch von dem »hüpfenden Wahrnehmungsstil« (vgl. Neuhaus 2002, S. 59). Aufgrund der verminderten Fähigkeit, die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten (Daueraufmerksamkeit), werden begonnene Aufgaben oft abgebrochen und nicht zu Ende geführt. Typischerweise springen aufmerksamkeitsgestörte Kinder von einer Aktivität zur anderen. Sie verlieren leicht das Interesse und lassen sich schnell wieder für etwas anderes begeistern. Insbesondere bei fremdbestimmten Aufgaben, vor allem aber Aufgaben, die eine geistige Anstrengung erfordern, wie z.B. Hausaufgaben, ist die Störung beeinträchtigend. Bei selbst erwählten Tätigkeiten kommt die Störung oft nicht derart zum Ausdruck. Folgende Beispiele machen diese kindlichen Verhaltensweisen deutlich:
Ein hyperaktives Kind soll eine Frage über eine Hasengeschichte beantworten. Draußen ertönt das Martinshorn. Völlig unvermittelt sagt das Kind laut und deutlich: » Gell, das Feuerwehrauto hat eine rote Farbe. «
(aus Neuhaus 2002, S. 61)
Ein Kind mit dem ADS ohne Hyperaktivität, 7 Jahre, hört im Unterricht das Wort » Schmetterling«. In seiner Gedankenwelt träumt es dabei sofort weg zu seinem noch immer geliebten Buch von der » Kleinen Raupe Nimmersatt«, in der es vor der Verwandlung der Raupe in den Schmetterling heißt: » Und in der Nacht …«, bei dem Wort Nacht denkt es plötzlich an seine Puppe im Puppenbett.
(ebd.)
Diese Beispiele machen die »Reizoffenheit« und die »Sprunghaftigkeit« der Gedanken deutlich. Versuche, die Aufmerksamkeit zu messen, haben sich als schwierig erwiesen, da einerseits viele Faktoren, wie Interesse, Motivation und Begabung für ein konzentriertes Arbeiten eine entscheidende Rolle spielen und andererseits die Kinder bei solchen Tests oftmals viel besser abschneiden, als dass sie mit den schulischen Anforderungen zurechtkommen. Aufmerksamkeitsgestörte Kinder können durchaus ihre Aufmerksamkeit kurzfristig halten (unter bestimmten Bedingungen auch über längere Zeit) und sich innerhalb der in der Testsituation erforderlichen kurzen Zeitspanne anstrengen und gute Leistungen erbringen. Die Realität des Schulalltages sieht allerdings ganz anders aus. Die Kinder werden mit mehreren Anforderungen konfrontiert, werden mehr eingeschränkt und müssen sich im Laufe eines Schultages zeitlich länger anstrengen. Typischerweise werden im Laufe des Tages zunehmend mehr Fehler gemacht (vgl. Wagner 1991, S. 12).
2.3 Hyperaktivität
Hyperaktives Verhalten macht sich durch ständige extreme motorische Unruhe bemerkbar. Die Kinder sitzen selten still und spielen selten still für sich. Sie laufen und klettern ständig herum, stehen beim Essen und im Schulunterricht mehrmals auf, rutschen auf Stühlen hin und her, legen sich auf den Boden oder auf Tische, trommeln auf Stühlen und Tischen herum, machen ständig unmotivierte Hand- und Armbewegungen usw. Die Hyperaktivität ist wie ein »Verhaltensüberschuss«, ein »Zuviel an Verhalten«. Auffällig ist ebenso ein starker Rededrang dieser Kinder. Sie sind nie still, sondern ständig am Erzählen, am Fragen stellen und scheinen sich überall und in jedes Gespräch einmischen zu wollen. Wenn sie mal nicht reden, dann machen sie oft andere komische Geräusche; sie singen, summen, schreien oder quieken. Viele hyperaktive Kinder bewegen sich bis in die Nacht hinein und zappeln sogar während des Schlafens weiter. Morgens sind sie häufig schon früh und vor allem blitzschnell wach und gleich »voll da«. Dieses Übermaß an Aktivität ist von Außenstehenden nicht zu übersehen und wird quasi nie abgelegt, weswegen die Kinder besonders in Situationen auffallen, die eine gewisse Verhaltenskontrolle erfordern (vgl. Döpfner et al. 1997, S. 5).
In Untersuchungen (vgl. Barkley 2002, S. 77) konnte beobachtet werden, dass sich Kinder mit ADHS bis zu achtmal so viel im Raum umherbewegten und dass sie ferner mehr als doppelt so viele Armbewegungen und fast viermal so viele Beinbewegungen machten wie andere Kinder ohne ADHS. Die Kinder legen in vielen Situationen ein Übermaß an Aktivität zutage, doch insbesondere in solchen, in denen sie motorisch ruhig sein müssen, wie dies z.B. in der Schule erforderlich ist. Die Kinder geraten vor allem dann in Schwierigkeiten, wenn sie von einer Situation, in der sie sich frei bewegen können (z.B. auf dem Pausenhof) in eine andere Situation, die über längere Zeit stilles Sitzen erfordert (z.B. im Unterricht) überwechseln sollen. Hyperaktiven Kindern fällt es schwer, ihren Aktivitätspegel zu senken, wenn es die Situation erfordert. In weiteren Untersuchungen konnte darüber hinaus festgestellt werden, dass Kinder mit ADHS im Vergleich zu Kindern ohne ADHS ca. 20% mehr reden, was sich übrigens auch darauf auswirkt, dass die Mütter dieser Kinder in Gesprächen mit ihren Kindern mehr reden als Mütter von Kindern ohne ADHS (ebd., S.78).
Neben den Störungen der Aufmerksamkeit und der Hyperaktivität gilt die Impulsivität als weiteres Kernmerkmal auch als sehr problematisch, da dieses Symptom viele Probleme schafft. Da sich viele bzw. im Prinzip die meisten problematischen Verhaltensweisen auf die Impulsivität zurückführen lassen, aber auch aufgrund des aktuellen Forschungsstandes wird die Impulsivität häufig als vorrangig betrachtet (vgl. z.B. Barkley 2002, S. 88).
2.4 Impulsivität
2.4.1 Kaum gedacht – schon getan!
Der Satz 'Kaum gedacht, schon getan!' passt nur zu gut. Die Kinder haben kaum einen Gedanken und sind schon dabei, ihn in die Tat umzusetzen. Da die möglichen Folgen einer Handlung meist unberücksichtigt bleiben, können die Kinder in gefährliche Situationen geraten, weswegen sie oft für waghalsig gehalten werden. Folgendes Beispiel illustriert:
Ohne Schwimmen zu können, sprang Ludwig mit drei Jahren ins tiefe Wasser; als Vierjähriger vom 3-m-Brett. Fahrradunfälle waren häufig, weil er Rennfahrer werden wollte. Mit sieben lag er sechs Wochen mit einem Schädelbruch im Krankenhaus. Er hatte im Fernsehen einen Stuntman beobachtet, wie er durch eine Wand raste, und hatte versucht, es nachzumachen: Auf dem Fahrrad mit dem Kopf voraus durch die Wand. Zweimaliger Sturz vom Baum. Beim Luftanhalten schaffte er es, ohnmächtig zu werden. Zum Skifahren konnte die Mutter nicht mehr mit ihm gehen, weil er so wild und gefährlich den Hang hinunterraste.
(aus Imhof et al. 2003, S. 67)
Der Begriff der Impulsivität ist demnach im Kontext mit AD/HS weniger wie dem alltäglichen Sprachverständnis entsprechend mit positiven Merkmalen, wie z.B. temperamentvoll, energievoll, spontan und lebhaft behaftet (obgleich diese Merkmale auch ungemein zutreffend wären), sondern vielmehr im negativen Sinn zu betrachten. Wenn im Zusammenhang mit der Störung von Impulsivität gesprochen wird, sind vorwiegend Merkmale wie unbeherrscht, unkontrolliert, unbesonnen, von plötzlichen Ideen abhängig und Gedanken sogleich folgend ohne Bedenken der möglichen (negativen) Konsequenzen gemeint.
Wie wir gesehen haben, wirkt sich die Impulsivität auf das Allgemeinverhalten des Kindes aus. Es handelt in jeder Hinsicht, ohne groß zu überlegen. Impulsivität schafft aber insbesondere speziell beim Problemlösen komplexerer Aufgaben Schwierigkeiten.
2.4.2 Impulsivität beim Problemlösen
Wagner (1991, S. 13) beschreibt den kognitiven Arbeitsstil von aufmerksamkeitsgestörten, impulsiven Kindern und spricht in diesem Zusammenhang von »kognitiv-impulsiv«, womit überstürztes, unüberlegtes und dadurch meist fehlerhaftes Vorgehen beim Problemlösen gemeint ist. Meist wenden impulsive Kinder für eine komplexe Aufgabe zu wenig Zeit auf und machen dabei viele Fehler. Ein strategisches Vorgehen, die Ausführung mehrerer Einzelschritte, die zur Erreichung der Gesamtlösung erforderlich wären, wird nicht vorgenommen. Aufgaben werden auch oft schon begonnen, bevor die Aufgabenstellung richtig durchgelesen und verstanden wird. Der Gegensatz zu diesem Arbeitsstil ist die »kognitive Reflexivität«, bei der relativ viel Zeit aufgewandt wird und keine oder kaum Fehler gemacht werden. Dieses impulsive Vorgehen beim Problemlösen zeigt sich z.B. in Blickbewegungs-Untersuchungen (vgl. Wagner 1991, S. 26) während Konzentrationstests, bei denen man aus einer Gruppierung mehrerer Muster dasjenige auswählen muss, welches einer Vorlage genau entspricht, also ein Zuordnen und Vergleichen optisch ähnlich aussehender Abbildungen verlangt wird (siehe Abb. 1). Eine solche Aufgabe kann nicht all zu schnell gelöst werden, denn sie erfordert mehrere Einzelschritte, um letztendlich zur Lösung zu kommen. Aus diesen Beobachtungen schließt Wagner, dass es sich um ein Defizit in der »kognitiven Steuerung« oder »kognitiven Selbstkontrolle« handelt und um die mangelnde Fähigkeit, »Handlungsimpulse kurzfristig zu bremsen« (ebd., S. 56).
Abbildung 1: Beispiele aus dem Dortmunder Konzentrationstest
(aus Lauth & Schlottke 1993, S. 10)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Lauth und Schlottke (1993) beschreiben den zum Problemlösen komplexerer Aufgaben notwendigen Handlungsablauf folgendermaßen:
- zunächst die Aufgabenstellung verstehen und das Aufgabenziel (»finde die mit dem Standardreiz übereinstimmende Figur«) erreichen wollen,
- dieses Ziel während seiner Aufgabenbearbeitung beibehalten (und beispielsweise nicht die Figuren ausmalen oder die interessanteste Figur bestimmen),
- sodann den Standardreiz ausführlich mustern (im Blickverhalten abtasten – »scannen«) und sich seine lösungsrelevanten Einzelheiten gegebenenfalls einprägen,
- die Lösungsmöglichkeiten systematisch mustern und die richtige Lösung systematisch einengen (z.B. durch Ausschluss von Figuren, die sofort als unzutreffend zu erkennen sind, oder durch den genauen Vergleich der Lösungsfigur mit dem Standardreiz),
- die favorisierte Lösung letztlich nochmals im direkten Abgleich mit dem Standardreiz überprüfen sowie
- das eigene Vorgehen handlungsbegleitend „überwachen“ (z.B. sich fragen, wo man steht) und die eigene Lösungstätigkeit gegebenenfalls korrigieren.
- Darüber hinaus kann die Bewältigung innerer und äußerer Störungen (Unlust, Ablenkung) erforderlich sein. (S. 10f)
Ein derartiger (gedanklicher) Handlungsablauf findet bei aufmerksamkeitsgestörten, impulsiven Kindern nicht statt. In diesem Sinn beschreiben und definieren Lauth und Schlottke (1993, S. 11) Aufmerksamkeit als eine Leistung des Handelns. Demnach wird Aufmerksamkeit aktuell hergestellt. Als Voraussetzung für das Erreichen eines Zustandes der Aufmerksamkeit werden handlungsnotwendige Operationen (Kompetenzen, Fertigkeiten, Wissen), zielbezogenes Organisieren (vorausschauendes Planen, strategisches Vorgehen, Einleitung von der Anforderungsstruktur entsprechenden Handlungsschritten) sowie die Steuerung der Handlungsführung (selbständiges „Überwachen“ der Handlung und des Handlungsverlaufs, Überprüfung von Ergebnissen, Korrigieren von Fehlern) als notwendig betrachtet. Ein Zielverhalten beizubehalten schließt die Fähigkeit mit ein, während der Handlung sowohl innere als auch äußere Reize außer Acht zu lassen und zu bewältigen. Nach Lauth und Schlottke (1993, S. 10) kann eine Aufmerksamkeitsstörung demnach als Handlungsbeeinträchtigung verstanden werden. Aufmerksamkeitsgestörte Kinder zeigen ein ungünstiges, impulsives Vorgehen beim Lösen von Aufgaben. Sie nehmen sich wenig Zeit und suchen »verkürzte« Problemlösungen. Es mangelt an den Voraussetzungen, die für ein aufmerksames und konzentriertes Arbeiten erforderlich wären.
Die Fähigkeit zum Planen und Problemlösen stellt eine höhere kognitive Exekutivfunktion dar. Diese Fähigkeit setzt eine Schlüsselfähigkeit voraus, und zwar Informationen in kleinere Bestandteile zu zergliedern (Analyse) und wieder zusammenzusetzen (Synthese). Informationen werden nicht als Ganzes aufgenommen, sondern im Gehirn bearbeitet. Gedanken werden bspw. in kleinere Einheiten zerlegt, z.B. in ihre darin vorkommenden Objekte, in die an diesen Objekten vorgenommenen Handlungen usw. Die einzelnen Bestandteile können dann auf unendlich viele Art und Weisen wieder zusammengesetzt werden, wobei dann diejenige Variante oder Reaktion ausgewählt wird, die einem am sinnvollsten erscheint. Nur so sind Individuen in der Lage, Probleme zu lösen und richtig zu handeln bzw. zu reagieren (vgl. Barkley 2002, S. 101f).
2.5 Problematische Situationen
AD/HS bereitet logischerweise insbesondere in Situationen Schwierigkeiten, die eine längere Aufmerksamkeitsspanne und eine gewisse Verhaltenskontrolle erfordern. Wenn eine Sache das Kind allerdings anspricht und fesselt, ist es durchaus in der Lage, sich auch über längere Zeit zu konzentrieren und sich mit dieser Sache auch lange zu beschäftigen. Schwierigkeiten bestehen also insbesondere bei nicht intrinsisch motivierten Tätigkeiten. Dies zeigt, dass bei den betroffenen Kindern keine grundlegende Unfähigkeit, aufmerksam zu sein, besteht, sondern vielmehr eine Unfähigkeit, ihre Aufmerksamkeit, Wachheit[9] und das Arbeitsgedächtnis dann »einzuschalten« und auch über eine erforderliche Zeit hinweg aufrechterhalten, wenn Tätigkeiten ausgeführt werden sollen, die nicht aus eigenem inneren Anlass erfolgen und die nicht so interessant empfunden werden (vgl. Brown 2000, S. 132). AD/HS-Kindern fällt es schwer, eine eigene innere Motivation aufzubauen und demnach unabhängig von äußeren Anreizen, die Ausdauer und Willenskraft, die für die Erledigung von Aufgaben nötig wäre, aufzubringen. Die Basis für den Aufbau einer inneren Motivation ist die Verinnerlichung von Gefühlen. Die Gefühle sagen uns, ob wir etwas als positiv, negativ oder neutral empfinden oder anders ausgedrückt, ob wir uns mit einer Sacher gerne oder nicht so gerne beschäftigen. Die innere Motivation ermöglicht erst zielstrebiges Handeln und den menschlichen Ehrgeiz, etwas erreichen und bewältigen zu wollen. AD/HS-Kinder haben Schwierigkeiten, eine solche innere Motivation aufzubauen. Je schwieriger, unbefriedigender und langweiliger ihnen eine Aufgabe erscheint, desto weniger sind sie motiviert und sind dazu geneigt, diese abzubrechen und sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Durch äußere Anreize, z.B. dadurch, dass dem Kind die Aussicht auf unmittelbare Belohnungen gegeben wird, kann man erreichen, dass Kinder eine innere Motivation aufbauen können. Diese „Wechselhaftigkeit“ im Aufmerksamkeitsverhalten führt manchmal zu dem falschen Schluss, dass die Kinder sich durchaus konzentrieren können, wenn sie nur wollen oder eine attraktive Belohnung dafür erhalten. Richtig ist es aber, dies als biologisches Problem in der Funktionsweise des Gehirns zu betrachten, das nichts mit Faulheit oder dergleichen zu tun hat (vgl. Barkley 2002, S. 100).
Die Symptome können gar nicht oder in verminderter Form auftreten, wenn das Kind sich in einer neuen Situation befindet. Daher ist darauf zu achten, dass ein mögliches Wegfallen der symptomatischen Verhaltensweisen in Testsituationen oder bei Arztbesuchen nicht falsch interpretiert wird (vgl. Döpfner et al. 1997, S. 6).
2.6 Weitere Merkmale
2.6.1 Schwierigkeiten im feinmotorischen Bereich
AD/HS-Kinder haben häufig auch Schwierigkeiten im feinmotorischen Bereich, was insbesondere in Form einer krickeligen, unleserlichen Handschrift zum Ausdruck kommt. Die Hand ist aufgrund falscher Stiftführung oft verkrampft. Zeilen werden nicht eingehalten, Buchstaben unregelmäßig groß geschrieben, Wörter durchgestrichen und in krakeliger Schrift darüber auf dem wenigen Platz gequetscht usw. Außerdem haben die betroffenen Kinder oft auch Schwierigkeiten im Dosieren nötiger Kraftanwendung. Sie wenden zuviel Kraft an. So kommt es zu abgebrochenen Bleistiftminen, zu dicken Tintenflecken, die sich durch die Hefte durchdrücken, weil zu starker Druck beim Schreiben aufgewendet wird, in Heftblätter werden Löcher hineinradiert usw. Insgesamt wirken die Kinder dadurch trottelig und schusselig, denn dieses Unvermögen, die nötige Kraft kalkulieren zu können, wirkt sich auf jeden Bereich aus, in dem man mit Gefühl an die Sache herangehen muss (etwa auf den Sportunterricht oder das Werken). Auffällig ist darüber hinaus, dass das Kind beim Schreiben oder Malen häufig unkontrollierte Mitbewegungen der anderen Hand und des Arms macht (vgl. Imhof et al. 2003, S. 19).
2.6.2 Probleme mit Regeln und Anweisungen
Ein weiteres unverkennbares Merkmal von Kindern mit AD/HS ist ihre Schwierigkeit, Regeln und Anweisungen zu befolgen. Die Kinder schweifen immer wieder von ihren Aufgaben, die sie erledigen sollen, ab und fangen Dinge an, die sie nicht tun sollen:
Johannes, 11 Jahre, soll für die Mutter im Keller einen Korb und die Keksdose holen. Den Auftrag hört er nur halb. Eigentlich wollte er gerade in sein Zimmer gehen, um an der Eisenbahn weiterzubauen. Auf dem Weg in den Keller fällt sein Blick beim Vorbeigehen ins Wohnzimmer auf das ferngesteuerte Auto des Bruders, der gerade nicht da ist. Spontan läuft er ins Wohnzimmer und beginnt an der Fernbedienung herumzuspielen, der Auftrag ist vergessen (die Eisenbahn auch). Die Mutter ruft nach einigen Minuten, wann sie denn mit den Sachen rechnen kann. Sie hört den Jungen im Wohnzimmer und wird gleich ärgerlich, weil er schon wieder nicht das getan hat, was sie ihm gesagt hat.
(aus Neuhaus 2002, S. 65)
Psychologisch betrachtet sind die Kinder nicht in der Lage zu »regelgeleitetem Verhalten«. Sie haben Probleme, sich nach Anweisungen zu verhalten, weil sie sich immer wieder beeinflussen lassen von Dingen, die um sie herum geschehen. Dies hat zur Folge, dass diese Kinder von ihrem Umfeld immer wieder ermahnt und daran erinnert werden müssen, was sie zu tun haben, was auf Dauer sehr frustrierend sein kann. Oft werden die Kinder deswegen auch als schlichtweg faul oder verantwortungslos gehalten (vgl. Barkley 2002, S. 82).
Diese Unfähigkeit ergibt sich zwangsläufig aus einem »hüpfenden Wahrnehmungsstil» und der damit einhergehenden Ablenkbarkeit, wie ich das bereits beschrieben habe. Barkley (2002, S. 94) macht darauf aufmerksam, dass diese Unfähigkeit die Folge eines mit Impulsivität oft einhergehenden eingeschränkten sprachlichen Vermögens ist. Menschen mit guten sprachlichen Fähigkeiten reagieren meist überlegter und weniger impulsiv. Kleine Kinder lernen bereits, wenn sie Aufgaben erledigen, innerlich zu sich selbst zu sprechen und sich so zu steuern, aufkommende Impulse zu unterdrücken und planmäßig vorzugehen. Man spricht dabei von »verinnerlichtem oder internalisiertem Sprechen« (ebd.). Die Kinder sind nicht in der Lage, sich selbst Anweisungen zu geben und ihr Verhalten zu steuern. Der kleine Johannes aus dem Beispiel hätte sich mit der aufkommenden Lust, das Auto (Impuls) des Bruders zu bedienen, erstmal bremsen können (Impulshemmung) und sich in Gedanken sagen können (inneres Sprechen), dass er erst einmal die Anweisung der Mutter befolgt und dann mit dem Auto spielen würde (Plan, Selbstkontrolle). Dieses Verhalten hat mit innerem Sprechen und der Fähigkeit, Impulse zu hemmen, zu tun. Ist man dazu nicht in der Lage, führt das dazu, dass Impulsen sofort nachgegangen wird und dabei ganz vergessen wird, was man eigentlich vorhatte.
2.6.3 Neigung zu extremen emotionalen Reaktionen
»Kinder mit ADHS sind auch hyperreaktiv« - so lautet ein Zitat von Barkley (Zitat, Barkley, 2002, S. 78)[10]. Menschen sind normalerweise ebenso, wie sie in der Lage sind, ihr eigenes Verhalten zu kontrollieren, fähig, Emotionen zu kontrollieren. Das heißt nicht, dass wir eine emotionale Reaktion vollkommen ausschalten können, aber wir sind im Regelfall in der Lage, sie soweit zu unterdrücken, dass sie anderen gegenüber verborgen bleibt, wenn wir dies für nötig halten. Die Fähigkeit, Gefühle zu verinnerlichen, ermöglicht z.B. übermäßige Reaktionen durch Beruhigung im inneren Monolog (Selbstinstruktionen) oder dadurch, dass wir an etwas Positives denken, abzudämpfen, uns zu sammeln und Gefühlsreaktionen gegebenenfalls in veränderter Form zum Ausdruck zu bringen (z.B. sachlich bleiben, obwohl man gerne beleidigend werden würde). Wir haben unsere Emotionen und uns unter Kontrolle und wissen, wie wir Gefühle und Emotionen auszudrücken haben, damit Situationen nicht eskalieren, es nicht zu Tragödien kommt und wir uns »normal« verhalten (vgl. Barkley 2002, S. 100).
Ein wesentliches Merkmal von ADHS-Kindern ist, dass sie genau das nicht können. Ebenso wenig, wie sie ihr Verhalten anscheinend kontrollieren können, sind sie auch unfähig, ihre Emotionen im Zaum zu halten. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang an meine Beschreibung des Verhaltens von Thorben am Anfang dieser Arbeit. Thorben scheint dabei nicht ein Extremkind zu sein, sondern sein Verhalten ist vielmehr typisch für Kinder mit ADHS. Es gibt für diese Kinder anscheinend kein Mittelmaß; ihre Reaktionen sind sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht immer sehr extrem. Entweder platzen sie fast vor Begeisterung oder Freude, oder sie regen sich so sehr über etwas auf, dass sie um sich schlagen, sich auf den Boden werfen und einen Tobsuchtanfall bekommen. Meist sind sie auch nicht »ein bisschen« ungeduldig, sondern sie sind eher kaum imstande, etwas auch nur kurz abzuwarten. Wenn ihnen mal eine Sache nicht gelingt oder es nicht nach ihrem Willen geht, sind sie sogleich erheblich frustriert und neigen dann dazu, Tätigkeiten sofort abzubrechen, bevor sie es noch einmal versuchen. Genauso schnell, wie ADHS-Kinder einen Wutanfall bekommen, genauso schnell ist der Vorfall aber auch wieder durch neuerlich aufkommende Ideen vergessen und ihr Gemütszustand schwankt wieder in das andere Extrem. Extrem sind aber auch ihre Selbsteinschätzungen in Bezug auf ihre körperlichen Fähigkeiten, weswegen sie häufig als waghalsig oder unberechenbar gelten. Leistungen werden generell auch überschätzt und übertrieben dargestellt (vgl. Neuhaus 2002, S. 26, 64).
Nach Barkley (2002, S. 78) lassen sich diese extremen Verhaltensweisen, ebenso wie die Hyperaktivität, als extremes Aktivitätsverhalten auf den Mangel an Selbstbeherrschung bzw. die Unfähigkeit, das eigene Verhalten hemmen zu können, also die Impulsivität zurückführen. Mehr als andere Kinder reagieren ADHSler schneller und ungestümer auf die Einflüsse ihrer Umgebung, da sie unfähig sind, erst einmal „kurz in sich“ zu gehen, sich zu bremsen und kurz zu überlegen, bevor sie auf etwas reagieren.
Kinder mit ADS könnte man in diesem Sinn aber auch als „extrem“ bezeichnen. Während Kinder mit ADHS ihr Befinden nach außen hin zeigen, neigen die Kinder mit ADS zu extrem introvertierten Verhaltensweisen, werden als sehr scheu angesehen, scheinen überängstlich zu sein, fangen im Gegensatz zu anderen Kindern weit aus schneller an zu weinen usw. Man könnte hierbei also im Prinzip auch von »extrem« sprechen bzw. wie Barkley (2000) es ausdrückt von »hyperreaktiv« (S. 78).
2.6.4 Das »Hier und Jetzt« zählt
Eltern von Kindern mit AD/HS beklagen sich häufig darüber, dass ihre Kinder nicht aus Fehlern lernen würden. Dies habe zur Folge, dass sie sie immer wieder für ein und dieselbe Sache ermahnen müssten, was auf Dauer betrachtet verständlicherweise sehr mühselig und anstrengend empfunden werde. Barkley (2002, S. 90) stellt zur Erklärung dieses Verhaltens Überlegungen an und zieht in diesem Zusammenhang die Theorie Bronowskis heran. Diese besagt u. a., dass durch die Fähigkeit des Menschen, Reaktionen zu verzögern, das Individuum in die Lage versetzt würde, über Ereignisse nachzudenken, sie sorgfältig zu betrachten und in Beziehung zu Ereignissen aus der Vergangenheit zu setzen. Frühere Erlebnisse und Ereignisse sowie deren Konsequenzen würden dadurch stets in das aktuelle Geschehen mit einkalkuliert werden und so Grundlage für das aktuelle Verhalten sein. Gleichzeitig seien Individuen in der Lage, sich unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen, ein Bild von der Zukunft zu machen, Pläne zu schmieden, Einschätzungen vorzunehmen usw. Diese würden ebenso berücksichtigt werden und das aktuelle Verhalten, was Reaktionen mit einschließt, beeinflussen. Barkley spricht in diesem Zusammenhang von einem »mentalen Zeitfenster« (er meint den Zugang des Individuums auf Vergangenes und Zukünftiges) und führt Bezug nehmend auf impulsive Kinder weiter fort, dass sie, sofern sie aufgrund ihrer Impulsivität stets schnell reagieren, ein relativ schmales mentales Zeitfenster besitzen dürften und sie deshalb geringeren Zugang zu ihren Erfahrungen und ihren Zukunftseinschätzungen haben würden, so dass diese vom Kind auch nicht berücksichtigt werden könnten und es so dazu komme, dass aus Fehlern nicht gelernt werde. In diesem Sinn, so Barkley (2002, S. 91), seien impulsive Kinder »zeitblind». Aus diesen Überlegungen lassen sich Schlüsse für den Umgang mit impulsiven Kindern ziehen, und zwar insofern, als dass man ihnen unmittelbare Konsequenzen auf ein Verhalten bereitstellt, z.B. Belohnungen. Ähnliches wurde bereits im Zusammenhang mit der Motivation gesagt. Darauf werde ich später aber noch ausführlicher eingehen. Zu diesen Überlegungen ist mir ein gelesenes Beispiel eingefallen:
Marc begrüßt Florian mit einem freundlichen Schlag auf die Schulter. Florian dreht sich um und verpasst Marc einen kräftigen Schlag. Er hat die Situation nicht richtig eingeschätzt.
(aus Imhof et al. 2003, S. 22)
[...]
[1] Zur besseren Lesbarkeit des Textes beschränke ich mich im Folgenden der Einfachheit halber auf die männliche Geschlechtsform von Berufsgruppen. Gemeint sind immer auch Pädagoginnen, Lehrerinnen, Therapeutinnen, Ärztinnen, Psychologinnen usw.
[2] Als wir uns eines Tages wieder einmal mit Spielen die Zeit vertrieben, rannte Thorben plötzlich zur Tür heraus. Das Gebäude, in dem wir uns befanden, ist mehrstöckig und wir befanden uns in der ersten Etage. Wenn man aus dem Fenster schaut, kann man direkt den Vorhof überblicken. An diesem Tag sollte es später noch zum Schwimmen gehen. Nachdem Thorben hinaus gerannt war, war es zunächst still und auf einmal ertönte ein entsetzliches Geheule. Er hatte das Treppengerüst hinunterrutschen wollen und sich dabei sehr wehgetan (zum Glück war nichts gebrochen). Auf die Frage hin, wieso er das getan habe, sagte er schmerzlich unter Tränen, dass er den Bus vom Fenster aus gesehen habe und ihn doch unbedingt als erster habe betreten wollen, um Tim und sich den besten Sitzplatz zu sichern.
[3] Die Mutter von Thorben war zur damaligen Zeit selbst ehrenamtliche Mitarbeiterin der Einrichtung. Ihre Tätigkeit bezog sich allerdings vorwiegend auf den Jugendbereich am Abend.
[4] Bei den verkürzten Bezeichnungen wird auf die weibliche Geschlechtsform des Begriffs verzichtet; folglich wird z.B. »bei« AD/HS statt »bei der« AD/HS usw. geschrieben.
[5] Prävalenzraten sind abhängig von verwendeten Beurteilungskriterien (DSM oder ICD), vom Alter der Untersuchten sowie von den verwendeten Messinstrumenten der Erhebung (z.B. Elternfragebogen oder Interview mit Lehrern). Je nachdem können die ermittelten Raten schwanken.
[6] Als Grund für die Schwankungen kommen unterschiedliche, national geprägte wissenschaftliche Beurteilungen, die in Erhebungen mit einfließen, in Frage. Zudem können gesellschaftspolitische und gesundheitspolitische Überlegungen eine Rolle spielen.
[7] Im Gegensatz zum Begriff der »Komobidität«, der gebraucht wird, wenn es Annahmen darüber gibt, warum verschiedene Störungsbilder gemeinsam auftreten (Syndrome), spricht man in diesem Fall eher von „Koinzidenz“.
[8] Diese Störungen wurden 1885 von dem französischen Nervenarzt Dr. George Gilles de la Tourette beschrieben.
[9] Neuropsychologisch betrachtet spricht man von der Aktivitätssteuerung als eine Leistung des Gehirns. Diese soll bei den Betroffenen nur unzureichend erfolgen, was sich u.a. in einer gestörten Verhaltenskontrolle niederschlägt. In dem Ursachenteil wird darauf ausführlicher eingegangen.
[10] Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Wengenroth.
- Quote paper
- Tamara Di Quattro (Author), 2004, Das AD/HS-Syndrom beim Kind und die Bedeutung für seine Familie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40035
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