Zur Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen.
Ergebnisse der Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung
Abstract
Auch in der Bundesrepublik Deutschland, der zweitgrößten Handelsmacht der Welt und damit einem der reichsten Länder dieser Erde, finden Kinder und Jugendliche sehr unterschiedliche Lebensbedingungen und Entwicklungschancen vor. Die erhoffte Annäherung der Lebensverhältnisse breiter Bevölkerungsschichten durch gleiche, vom sozioökonomischen Status der Familie weitgehend unabhängige Bildungschancen, generelle Einkommenszuwächse, verbesserte Wohnqualität und soziale Absicherung, ist nicht eingetreten. Das Gegenteil ist der Fall. Trotz des im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschriebenen Grundsatzes der Sozialstaatlichkeit und des sozialen Ausgleichs werden auch in Deutschland Arme immer ärmer und Reiche immer reicher.
Kinder und Jugendliche erweisen sich dabei als Hauptleidtragende dieser Entwicklung. Wie Abbildung 1 (siehe Text) zeigt, ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren generell gestiegen, aber unter 18jährige leben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, überproportional häufig von Sozialhilfe und somit in Armut (vgl. KLOCKE 2001, 6).
Ob und wenn ja welche Auswirkungen sich daraus für den Gesundheitszustand der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen ergeben, soll nachfolgend aufgezeigt werden. Dies geschieht in Anlehnung an epidemiologische Forschungsergebnisse und unter Einbeziehung von Veröffentlichungen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes.
Zunächst werden die Begriffe Epidemiologie, Gesundheitsberichterstattung, Gesundheit und soziale Ungleichheit definiert. Anschliessend sind Aussagen zum Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit getroffen worden. Untermauert werden diese dann beispielhaft durch aus einer Reihe von Studien gewonnene statistische Ergebnisse.
Inhaltsverzeichnis
1 Abgrenzung der Themenstellung
2 Epidemiologie
2.1 Definition der Epidemiologie
2.2 Aufgaben der Epidemiologie
2.3 Anwendungsfelder epidemiologischer Methoden
3 Gesundheitsberichterstattung
3.1 Definition der Gesundheitsberichterstattung
3.2 Aufgaben und Grundsätze der Gesundheitsberichterstattung
3.3 Inhalte der Gesundheitsberichterstattung
4 Gesundheit und soziale Ungleichheit
4.1 Definition von Gesundheit
4.1.1 Monodisziplinäre Definitionen
4.1.2 Interdisziplinäre Definitionen
4.2 Definition von sozialer Ungleichheit
4.3 Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit
4.4 In Deutschland leben und von Armut betroffen sein – ein Widerspruch ?
5 Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen
5.1 Zur Mortalität
5.2 Zur Morbidität
5.2.1 Zum Zahnstatus von Kindern und Jugendlichen
5.2.2 Zur psychosozialen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
5.2.3 Zur Ungleichverteilung von Unfällen
5.2.4 Zur Verteilung von Allergien
5.3 Gesundheitsverhalten und gesundheitliche Ungleichheit
6 Schlussbetrachtung
7 Abbildungsverzeichnis
8 Tabellenverzeichnis
9 Literaturverzeichnis
1 Abgrenzung der Themenstellung
Auch in der Bundesrepublik Deutschland, der zweitgrößten Handelsmacht der Welt und damit einem der reichsten Länder dieser Erde, finden Kinder und Jugendliche sehr unterschiedliche Lebensbedingungen und Entwicklungschancen vor. Die erhoffte Annäherung der Lebensverhältnisse breiter Bevölkerungsschichten durch gleiche, vom sozioökonomischen Status der Familie weitgehend unabhängige Bildungschancen, generelle Einkommenszuwächse, verbesserte Wohnqualität und soziale Absicherung, ist nicht eingetreten. Das Gegenteil ist der Fall. Trotz des im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschriebenen Grundsatzes der Sozialstaatlichkeit und des sozialen Ausgleichs werden auch in Deutschland Arme immer ärmer und Reiche immer reicher.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kinder und Jugendliche in der Sozialhilfe am Jahresende im Zeitvergleich, Anteil der Bevölkerung gleichen Alters in Prozent (bis einschließlich 1990: früheres Bundesgebiet, ab 1991: Deutschland) - Quelle: Zimmermann 2000 (bearbeitete graphische Darstellung; zitiert nach Klocke 2001, 6).
Kinder und Jugendliche erweisen sich dabei als Hauptleidtragende dieser Entwicklung. Wie Abbildung 1 zeigt, ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren generell gestiegen, aber unter 18jährige leben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, überproportional häufig von Sozialhilfe und somit in Armut (vgl. Klocke 2001, 6).
Ob und wenn ja welche Auswirkungen sich daraus für den Gesundheitszustand der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen ergeben, soll nachfolgend aufgezeigt werden. Dies geschieht in Anlehnung an epidemiologische Forschungsergebnisse und unter Einbeziehung von Veröffentlichungen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes.
2 Epidemiologie
Um sich ein Bild von der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung und die Wirksamkeit entsprechender Gesundheitsprogramme machen zu können, bedarf es umfangreicher Informationen, die zu einem wesentlichen Teil mit epidemiologischen Methoden erarbeitet werden (vgl. Hurrelmann/Laaser 1998, 231).
2.1 Definition der Epidemiologie
Epidemiologie ist die “Lehre von den epidemischen Erkrankungen“ (Duden 2004, 343), wobei eine Epidemie als Seuche und Massenerkrankung definiert wird (vgl. Duden 2004, 343). Die Epidemiologie gilt als “...eine wichtige Methode der Gesundheitswissenschaft zur Beschreibung und Erklärung der Verteilung von Krankheiten in der Bevölkerung“ (Waller ohne Jahrgang, 39). Allerdings hat sich in der heutigen Zeit die Dominanz der Medizin auf diesem Gebiet abgeschwächt. Auch Sozialwissenschaftler, Pädagogen, Statistiker und andere Professionen betätigen sich in diesem Bereich (vgl. Hurrelmann/Lasser 1998, 232). Daher lautet eine moderne, weiter gefasste Definition: “Epidemiologie ist die Bearbeitung von Fragen aus dem Bereich der Medizin, der Gesundheitssystemforschung und der Gesundheitswissenschaften mit Methoden der empirischen Sozialforschung und der Statistik” (Hurrelmann/Laaser 1998, 232).
2.2 Aufgaben der Epidemiologie
Das Betätigungsfeld der Epidemiologie reicht heute weit über die Beschreibung der Entstehung und des Auftretens von Krankheiten hinaus. Ein Paradigmenwechsel vollzieht sich und salutogenetische Fragestellungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Folgende Aufgaben soll die Epidemiologie erfüllen:
„-Ausgehend von der Verteilung spezifischer Krankheiten sollen
Gesundheitsstörungen vermehrt in sogenannten Risikogruppen erfasst
werden.
- Zusätzlich zur Beschreibung des Auftretens von spezifischen Krankheiten
wird zunehmend eine Begründung ihrer gesellschaftlichen Ursachen
verlangt ... .
- Es wird ihr die Aufgabe gestellt, Bevölkerungsgruppen untereinander oder
in Bezug zur Gesamtbevölkerung hinsichtlich des Auftretens von
sogenannten Risikofaktoren zu vergleichen.
- Nicht nur dem Auftreten von Gesundheitsstörungen, sondern auch ihrem
Verlauf, ihren sozialen und volkswirtschaftlichen Folgen, soll sie
nachgehen.
- Sozial- Epidemiologie wird nicht nur als Grundlage der Prävention
verwendet, sondern immer mehr wesentlicher Teil gesundheitspolitischer
Maßnahmen überhaupt” (Mielck/Bloomfield 2001, 264).
2.3 Anwendungsfelder epidemiologischer Methoden
- Deskriptive Epidemiologie: Krankheiten werden in Bezug auf ihre Verbreitung und die betroffenen Gruppen beschrieben. Die hier gewonnen Daten dienen als Grundlage für alle Bereiche der Gesundheitswissenschaften.
- Analytische Epidemiologie: bestimmte Krankheiten, die in der Bevölkerung gehäuft vorkommen, werden darauf untersucht, ob ein relevanter Zusammenhang mit der Lebensumwelt der Menschen, ihrer Lebensweise oder sonstigen belastenden Umständen nachgewiesen werden kann. Anwendung findet dies in der Ätiologieforschung.
- Primäre Prävention: die zielgerichtete Planung und Anwendung von
Maßnahmen zur vorbeugenden Beeinflussung von Verhaltensweisen und
Umweltbedingungen betroffener Bevölkerungsgruppen, wodurch die
Entstehung von Krankheiten verhindert werden soll, ist ohne die
Ergebnisse der Epidemiologie nicht praktikabel.
- Politische Entscheidungen im Gesundheitswesen: die politisch gewollte Verknappung der Ressourcen im Gesundheitssektor führt dazu, dass von einer großen Zahl sinnvoller gesundheitspolitischer Maßnahmen nur wenige durchgeführt werden können. Um dennoch den größten Nutzen für die Gesamtbevölkerung zu erzielen, werden mit epidemiologischen Methoden erhobene Daten verwendet.
- Gesundheitssystemforschung: Effektivität und Effizienz aller Bereiche des Gesundheitswesens werden untersucht. Dabei wird die Qualität einzelner Maßnahmen daran gemessen, welcher Nutzen sich für die Bürger ergibt (vgl. Hurrelmann/Laaser 1998, 233).
Es handelt sich um einige Beispiele. Der Anspruch auf Vollständigkeit soll hier nicht erhoben werden.
3 Gesundheitsberichterstattung
Dank langjähriger und umfangreicher epidemiologischer Untersuchungen über die Verteilung von Krankheiten in der Bevölkerung, ist die Erkenntnis, dass Mortalitäts- und Morbiditätsrisiken in Bevölkerungsgruppen mit niedrigem sozialen Status ausgeprägter sind als in anderen Schichten, nicht neu. Auch die Bemühungen, die Ungleichverteilung dieser Risiken zu verringern, blicken in Deutschland auf eine lange Tradition zurück. So kann zum Beispiel die Einführung der Sozialversicherungen in den 1880er Jahren durch Bismarck dahingehend gedeutet werden. Doch selbst heute, da der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt 10,9% beträgt, bestehen die Unterschiede weiter(vgl. Statistisches Bundesamt 2003).
Zur Verminderung dieser Ungleichheit kann die Gesundheitsberichterstattung ihren Beitrag leisten, in dem sie sozial bedingte Mortalität und Morbidität beschreibt und Orientierungspunkte für nachhaltige Lösungsansätze bietet (vgl. Helmert u.a. 2000, 223).
3.1 Definition der Gesundheitsberichterstattung
„Unter Gesundheitsberichterstattung verstehen wir die systematische Darstellung und Analyse des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, der Gesundheitsgefährdung und der Gesundheitsversorgung“ (Hurrelmann/ Laaser 1998, 330). Nach Auffassung des Europäischen Parlaments und der Europa-Kommission ist die “...Gesundheitsberichterstattung als Festlegung gemeinschaftlicher Gesundheitsindikatoren sowie die Sammlung, Verbreitung und Analyse gemeinschaftlicher Gesundheitsdaten und -indikatoren [definiert]” (Hurrelmann/Laaser 1998, 330). Die Gesundheitsberichterstattung der Bundesrepublik Deutschland enthält ergänzende Informationen über das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung, die Verbreitung von Risikofaktoren, die Inanspruchnahme von Leistungen, die Kosten und Ressourcen des Gesundheitswesens (vgl. Klocke 2001, 2).
3.2 Aufgaben und Grundsätze der Gesundheitsberichterstattung
Zur Erleichterung der Entscheidungsfindung und zur Festlegung von wirkungsvollen Maßnahmen durch die Gesundheitspolitik, soll die Gesundheitsberichterstattung die nötigen Informationen bereitstellen. Außerdem liefert sie Datenmaterial über Gesundheitszustand, Gesundheitsgefährdung und Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, um gesundheitspolitische Programme zu entwickeln und umzusetzen. (vgl. Murza/Hurrelmann 1996; zitiert nach Hurrelmann/Laaser 1998, 330). „Darüber hinaus dient sie der Erfolgskontrolle durchgeführter Maßnahmen und trägt zur Entwicklung und Evaluierung von Gesundheitszielen bei. Nicht zuletzt bietet sie allen Interessierten eine datengestützte Informationsgrundlage” (Klocke 2001, 2).
1992 hat der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen im Sinne einer entscheidungsorientierten Gesundheitsberichterstattung folgende Grundsätze festgelegt:
„1. Gesundheitsberichterstattung ist Analyse- und Prognoseinstrument einer differenzierten, den dezentralen Entscheidungsstrukturen unseres Gesundheitssystems folgenden Darstellung.
2. Gesundheitsberichterstattung ist ordnungsneutral im gegenwärtigen
Ordnungsrahmen angelegt.
3. Gesundheitsberichterstattung ist auf parlamentarisch untermauerte und an prioritären Zielen ausgerichtete Gesundheitspolitik wie auch stärker an der marktwirtschaftlichen Gesundheitsversorgung für die Ergebniskontrolle orientiert.
4. Gesundheitsberichterstattung nimmt der Politik und Selbstverwaltung nicht die Setzung von Prioritäten für gesundheitspolitische Entscheidungen ab, sondern dient vorzugsweise als verbesserte Grundlage für die ökonomische und medizinische Orientierung und somit zur gesundheitspolitischen Entscheidungsfindung” (Sachverständigenrat 1992; zitiert nach Hurrelmann/Laaser 1998, 329).
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- Quote paper
- Mike Jahn (Author), 2005, Zur Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse der Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39969
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