Vorstände von Aktiengesellschaften werden in der nahen Vergangenheit immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Durch aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung steigen die Handlungsanforderungen stetig. Vor allem unter den Schlagwörtern Transparenz und Publizitätsgesetz, Viertes bis Siebtes Finanzmarktförderungsgesetz, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Corporate Governance und Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes sind die Haftungsrisiken kontinuierlich gestiegen.
Beispielhaft für diese Entwicklung zu nennen ist die mit dem im Juli 2002 in Kraft getretenen Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) erstmalige Umsetzung der Reformvorschläge der Regierungskommission „Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ (Cromme-Kommission) in ein bindendes Gesetz. Ebenfalls im Jahre 2002 wurde der Deutsche Corporate Governance Kodex fertiggestellt und veröffentlicht, der wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften darstellt und national und international anerkannte Standards guter Unternehmensführung und –kontrolle beinhaltet. Aus diesen beiden und den oben aufgeführten Veränderungen entsteht ein vergrößerter Aufgaben- und Pflichtenkanon für Vorstände einer Aktiengesellschaft (AG), den diese zu befolgen haben, wollen sie haftungsrechtlichen Konsequenzen entgehen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Zur zunehmenden Bedeutung der Vorstandshaftung
2. Grundlagen der Haftung von Vorständen einer Aktiengesellschaft
2.1. Stellung des Vorstands als Organ und dessen Aufgaben
2.2. Gesamthaftungsgrundsatz
2.3. Zweispurigkeit der Haftung
2.3.1. Innenhaftung
2.3.2. Außenhaftung
3. Ausgewählte Fälle der Innenhaftung
3.1. Kreditgewährung an den Vorstand der AG
3.2. Sorgfaltspflicht bei Insolvenzreife
3.3. Verbot der Rückgewähr von Einlagen an Aktionäre
3.4. Verbot verdeckter Gewinnausschüttung
4. Haftung gegenüber Außenstehenden (Außenhaftung)
4.1. Allgemeine rechtliche Voraussetzungen der Außenhaftung
4.2. Ausgewählte allgemeine Vorstandspflichten und daraus erwach sende Haftungsrisiken
4.2.1. Pflicht zur Abführung von Steuern
4.2.2. Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen
4.2.3. Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages
4.3. Spezielle Vorstandspflichten für börsennotierte Aktiengesell schaften
4.3.1. Pflicht zur Erklärung nach § 161 AktG
4.3.2. Kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten (Ad-hoc-Publizität)
5. Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Durchsetzungsmöglichkeiten von Schadenersatzklagen durch Aktionäre
5.1. Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts
5.2. Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
6. Fazit und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: DAX-Performance von 1996 bis 2005
Abbildung 2: Anzahl der neu eingegangenen Verfahren beim XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
Abbildung 3: Anzahl der Unternehmensinsolvenzen 2002 - 2003
Abbildung 4: Insolvenzen im ersten Halbjahr des Jahres 2004
1. Zur zunehmenden Bedeutung der Vorstandshaftung
Vorstände von Aktiengesellschaften werden in der nahen Vergangenheit immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Durch aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung steigen die Handlungsanforderungen stetig. Vor allem unter den Schlagwörtern Transparenz und Publizitätsgesetz, Viertes bis Siebtes Finanzmarktförderungsgesetz, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Corporate Governance und Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes sind die Haftungsrisiken kontinuierlich gestiegen.[1]
Beispielhaft für diese Entwicklung zu nennen ist die mit dem im Juli 2002 in Kraft getretenen Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) erstmalige Umsetzung der Reformvorschläge der Regierungskommission „Corporate Governance[2] – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ (Cromme-Kommission) in ein bindendes Gesetz.[3] Ebenfalls im Jahre 2002 wurde der Deutsche Corporate Governance Kodex fertiggestellt und veröffentlicht, der wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften darstellt und national und international anerkannte Standards guter Unternehmensführung und –kontrolle beinhaltet.[4] Aus diesen beiden und den oben aufgeführten Veränderungen entsteht ein vergrößerter Aufgaben- und Pflichtenkanon für Vorstände einer Aktiengesellschaft (AG), den diese zu befolgen haben, wollen sie haftungsrechtlichen Konsequenzen entgehen.[5]
Die Diskussion um eine weiterführende Haftung von Vorstandsmitgliedern bei AGs ist damit jedoch nicht abgeschlossen. Im Jahre 2004 beispielsweise wurde von der Bundesregierung mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der die persönliche Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber ihrer Gesellschaft und gegenüber den Kapitalmarktteilnehmern ausweiten und das Klagerecht der Aktionäre erleichtern soll.[6] Die Haftungsfrage für Vorstände von Aktiengesellschaften ist und bleibt somit aus gesetzgeberischer Sicht höchst aktuell.
Ein weiterer Grund für die zunehmende Bedeutung der Vorstandshaftung ergibt sich aus der Rechtssprechung aufgrund von Aktionärsklagen. Insbesondere seit Beginn der Börsenbaisse im Jahre 2000 stieg die Anzahl der Schadenersatzklagen von Aktionären gegen Vorstände stark an.[7] In Zeiten wirtschaftlicher Krisen wächst die Neigung der Betroffenen, speziell der Aktionäre, in der persönlichen Inanspruchnahme der tatsächlichen oder vermeintlich Verantwortlichen ihr Heil zu suchen[8]. Dieser positiv korrelierte Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Not und Anzahl der Aktionärsklagen lässt sich im Folgenden grafisch veranschaulichen. Hierzu ist zunächst die stark negative Performance des Deutschen Aktienindex (DAX) zu betrachten, der im Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2003 von seinem Höchststand bei über 7.500 Punkten bis zum Tiefstand von knapp 2.500 Punkten rund 5.000 Punkte eingebüßt hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: DAX-Performance von 1996 bis 2005[9]
Im Gegensatz zu den sinkenden Aktienkursen stieg die Anzahl der Aktionärsklagen stark an. In der obersten zivilgerichtlichen Instanz, dem Bundesgerichtshof, werden gemäß des dort praktizierten Geschäftsverteilungsplans Ansprüche aufgrund des Börsengesetzes und des Depotgesetzes sowie Prospekthaftungsansprüche vom XI. Zivilsenat bearbeitet[10]. Als Verifizierung der obigen Aussage soll die Übersicht über die neu eingegangenen Verfahren vor dem XI. Senat dienen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Anzahl der neu eingegangenen Verfahren beim XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs[11]
Auch die Berichterstattung in den Medien befasst sich zunehmend kritisch mit schadenverursachenden Fehlentscheidungen von Geschäftsleitern.[12] In der Öffentlichkeit sehr präsente Beispiele sind hierbei u. a. die Klagen gegen die Vorstände der Neuen Markt Werte EM.TV und Comroad.[13] So wurde beispielsweise der ehemalige Vorstand von Comroad Bodo Schnabel, im November 2002 vom Landgericht München zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er hatte im Rahmen seiner Tätigkeit bei dem Telematik-Unternehmen über 90 % des Umsatzes lediglich vorgetäuscht. Das Landgericht verurteilte ihn im darauf folgenden Prozess wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Kursbetrugs und Insiderhandels.[14] Ein weiteres in der Öffentlichkeit sehr präsentes Beispiel ist der Mannesmann-Prozess, bei dem u. a. auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank AG Rolf Ackermann, in seiner Funktion als ehemaliges Aufsichtsratsmitglied bei Mannesmann wegen Organuntreue angeklagt war.[15]
Im folgenden Verlauf dieser Ausarbeitung werden nun zunächst grundlegende Zusammenhänge auf dem Gebiet der Vorstandshaftung dargestellt. Im Anschluss daran werden beispielhaft ausgewählte Haftungsrisiken, unterteilt in die Bereiche der Innen- und Außenhaftung beschrieben.[16] Zum Abschluss wird ein Überblick über die bereits zu Beginn erwähnten, höchst aktuellen Gesetzesvorhaben und deren Relevanz für Haftungsfragen gegeben, bevor im letzten Abschnitt eine Würdigung erfolgt.
2. Grundlagen der Haftung von Vorständen einer Aktiengesellschaft
Unternehmen in Deutschland unterscheiden sich in der Ausgestaltung ihrer gewählten Rechtsform unter anderem in der Frage der Haftung. Bei Personengesellschaften, wie beispielsweise der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder der Kommanditgesellschaft (KG), haftet der Geschäftsinhaber im Grundsatz unbeschränkt[17], also nicht nur mit dem betrieblichen Vermögen, sondern ebenfalls mit dem Privatvermögen.[18] Im Gegensatz dazu haftet bei Kapitalgesellschaften wie der AG oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) das Gesellschaftsvermögen in voller Höhe. Die einzelnen Organe der Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich von einer Haftung ausgeschlossen[19]. Dieser Grundsatz der Haftungsfreiheit von Vorständen und Geschäftsführern bezieht sich jedoch lediglich auf regulär eingegangene Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Für sein Wirken als Organ der AG und einer damit eventuell einhergehenden Pflichtverletzung kann ein Vorstand hingegen zur Verantwortung gezogen werden[20], wie dies unter anderem auch das eingangs angeführte Beispiel deutlich werden lässt.
2.1. Stellung des Vorstands als Organ und dessen Aufgaben
Eine AG besteht aus drei Organen, dem Aufsichtsrat, der Hauptversammlung und dem Vorstand.[21] Der Vorstand leitet die AG und vertritt sie. Dies wird auch als Geschäftsführung und Vertretung bezeichnet.[22] Er besteht dabei aus einer oder mehreren Personen und wird vom Aufsichtsrat für längstens 5 Jahre bestellt, wobei eine Wiederwahl zulässig ist.[23] Die rechtlichen Regelungen zum Organ des Vorstandes finden sich in den §§ 76-94 Aktiengesetz (AktG). Der Aufsichtsrat der AG überwacht die Geschäftsführung des Vorstands. Zudem bestellt und entlässt er ihn. Die Hauptversammlung beschließt in den durch Gesetz und Satzung bestimmten Angelegenheiten der AG, wie beispielsweise der Verwendung des Bilanzgewinns.[24]
§ 76 AktG regelt die Leitung einer AG: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten.[25] “ Demzufolge obliegt dem Vorstand die Geschäftsführung einer AG, er ist grundsätzlich nicht an Weisungen von Aufsichtsrat oder Hauptversammlung gebunden.[26] Der wichtigste Teil dieses Paragraphen ist die Formulierung unter eigener Verantwortung. Hieraus leitet sich zum einen die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes ab, zum anderen beinhaltet der Ausdruck implizit die Unveräußerbarkeit dieser wichtigen Eigenschaft.[27] Ein Vorstand einer AG ist zudem konträr zu den Geschäftsführern einer GmbH nicht an Weisungen von Anteilseignern gebunden.[28]
Trotz der auf den ersten Blick weit gefassten Unabhängigkeitsklausel des § 76 AktG existieren zwei maßgebliche Richtpunkte für die Selbstverantwortung des Vorstands.[29] Der erste Richtpunkt ist das Unternehmensinteresse, der zweite das Gemeinwohl. Diese beiden Begriffe sind nach herrschender Meinung nicht eindeutig charakterisierbar und definierbar, sie werden, auch in der Rechtsprechung, teilweise einzelfallorientiert interpretiert. Dies kann bei auf den ersten Blick identischen Sachlagen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.[30] An diese beiden Richtpunkte knüpft unter anderem eine persönliche Haftung des Vorstands an.[31]
An einer abschließenden Definition mangelt es ebenso im Bereich der Geschäftsführungsaufgaben des Vorstands.[32] Im Gesetz explizit erwähnt sind folgende Aufgaben:
- § 82 AktG:
Die Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen,
- § 90 AktG:
Die Berichtserstattung an den Aufsichtsrat,
- §91 AktG:
Die Führung der Handelsbücher sowie die Einrichtung und Führung eines Risikomanagementsystems,
- § 92 AktG:
Gewisse Pflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit,
- § 93 AktG:
Die Pflicht zur Sorgfältigkeit eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters,
- § 264 I Handelsgesetzbuch (HGB):
Die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts.[33]
Eine weitere wichtige Charakterisierung für den Vorstand einer AG befindet sich in § 78 AktG. Dieser beinhaltet die Vertretungsbefugnis des Vorstands.[34] Er vertritt die Gesellschaft außergerichtlich als auch gerichtlich.[35]
2.2. Gesamthaftungsgrundsatz
Gemäß dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 AktG obliegt dem Vorstand die Leitungsaufgabe nach dem Prinzip der Gesamtgeschäftsführung grundsätzlich als Kollegialorgan.[36] Da jedoch gerade in größeren Gesellschaften häufig eine interne Verteilung der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten nach dem Ressortprinzip stattfindet stellt sich die Frage, inwieweit diese Teilablösung der Geschäftsführung eine Haftungsfreistellung unbeteiligter Vorstandsmitglieder bewirkt.[37] „Sie wird dahingehend beantwortet, dass die Geschäftsverteilung unter den Vorstandsmitgliedern die Pflichtentbindung unzuständiger Mitglieder grundsätzlich nicht aufhebt und es bei der Gesamtverantwortung im haftungsrechtlichen Sinne aus § 76 Abs. 1 AktG verbleibt.“[38] Allerdings kann sich diese Leitungsverpflichtung dahingehend vereinfachen lassen, dass sie sich auf allgemeine Aufsichts- und Überwachungspflichten gegenüber anderen Vorstandsmitgliedern beschränkt, so dass eine Haftung nur bei einer Pflichtverletzung im Bereich der Überwachung einer sorgfältigen Geschäftsführung eintritt. Fehlen demnach objektive Anhaltspunkte dafür, dass ein Vorstandsmitglied seinen Pflichten nicht nachkommt, besteht keine Pflicht zum Einschreiten.[39] Grundsätzlich aber bleiben Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzt haben gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG der AG gegenüber als Gesamtschuldner zum Schadenersatz verpflichtet. Damit wird bewirkt, dass kein Vorstandsmitglied auf ein Mitverschulden eines anderen verweisen kann.[40]
2.3. Zweispurigkeit der Haftung
Betrachtet man die unterschiedlichen Fälle der Haftung von Vorständen, so muss dabei strikt zwischen der so genannten Innenhaftung und der Außenhaftung differenziert werden.[41] Dieses ist insbesondere aufgrund den mit der Unterteilung zusammenhängenden unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen und Anspruchsvorrausetzungen wichtig.[42] Die unterschiedlichen Haftungen resultieren aus den verschiedenen Anspruchsgruppen, denen der Vorstand als Organ der AG gegenübersteht. Zum einen ist dies die Gesellschaft selbst, zum anderen sind dies Dritte, denen die Gesellschaft gegenübersteht.
2.3.1. Innenhaftung
Die Innenhaftung, auch interne Haftung genannt, bezeichnet die Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft und resultiert aus Verletzungen gesetzlicher, organschaftlicher oder dienstvertraglicher Pflichten.[43] Im Speziellen sind dies mögliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand aufgrund von aktivem Tun oder aufgrund des Unterlassens von Maßnahmen.[44] Im Bereich der Innenhaftung sind zwei wesentliche Gesetzesnormen relevant: Zum einen sind dies aufgrund der vorherrschenden vertragsrechtlichen Gestaltung von Vorstandsverträgen die Regelungen zum Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB. Zum anderen ist dies der § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, der eine persönliche Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft bei Pflichtverletzung explizit aufführt.[45]
§ 93 Abs. 1 fordert von den Vorstandsmitgliedern die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden[46] “. Der Begriff der Sorgfalt ist dabei ein unbestimmter Rechtsbegriff, er wird konkretisiert durch die Bindung des Vorstands an das Unternehmensinteresse.[47] Vergleichen lässt sich dieses am besten mit der Position eines Treuhänders. Ähnlich diesem ist dem Vorstand fremdes Vermögen zur Verfügung anvertraut, welches er sorgsamer zu verwalten hat als beispielsweise ein Einzelkaufmann, der im eigenen Namen, für eigene Rechnung und somit auch auf eigenes Risiko handelt.[48] Trotzdem ist der Begriff der Sorgfaltspflicht nicht abschließend geregelt und definiert.[49] Zwar enumeriert § 93 Abs. 3 AktG neun verschiedene Fälle des Eintretens einer Innenhaftung[50], jedoch sind dies lediglich wenige Beispiele.
Die Frage nach der Abgrenzung von unternehmerischem Ermessen und haftungsbegründender Pflichtverletzung hat jedoch im Zuge der Corporate Governance-Diskussion neue Bedeutung gewonnen. Auch bislang bestand Einigkeit darüber, dass mit der Unternehmensführung das Eingehen von unternehmerischen Risiken untrennbar verbunden ist, da die Auswirkungen einer Entscheidung nicht exakt im Voraus zu prognostizieren sind.[51] Hierzu hat sich die Bewertung einer unternehmerischen Entscheidung aus ex-ante-Sicht durchgesetzt. Dies bedeutet, dass es zur Beurteilung der Frage einer Pflichtverletzung darauf ankommt, ob „...die Entscheidungsträger nach dem tatsächlichen Bild, wie es sich zur Zeit der Beschlussfassung darbot, auf Grund sorgfältiger, von gesellschaftsfremden Einflüssen freien Abwägung von einer sachlichen Rechtfertigung der Maßnahme ausgehen durften.“[52] Dieser Ermessensspielraum der Vorstände ist zudem nötig, um einen gesunden Wettbewerb zu fördern, da ansonsten möglicherweise aus Sorge vor der persönlichen Haftung keine Risiken mehr eingegangen würden.[53] Als Neuerung kommt hinzu, dass diese, aus dem angelsächsischen Rechtsraum als „business judgement rule“ bekannte Ansicht im Zuge des UMAG nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ins Aktiengesetz aufgenommen werden soll.[54]
[...]
[1] Vgl. Buchta (2003), S. 694; Turiaux/Knigge (2004), S. 2199; Fleischer (2002), S. 1869; Fissenewert (2003), S. 858 und Plück/Lattwein (2004), S. 15ff.
[2] Der Begriff Corporate Governance kann zweifach interpretiert werden: Zum einen kann er rechtlich interpretiert werden, wobei im Wesentlichen die Aufbau- und Ablauforganisation innerhalb des Unternehmens in den Vordergrund gestellt wird. Zum anderen kann er kapitalmarktorientiert interpretiert werden, wobei die Außenbeziehungen des Unternehmens, speziell die Transparenz sowie die Kommunikation, im Vordergrund stehen. Vgl. dazu Dörner/Orth (2003), S. 6.
[3] Vgl. Pfitzer/Oser (2003), S. V.
[4] Vgl. Treuberg/Zitzmann (2004), S. 22. Zu beachten ist jedoch, dass dem Kodex keine Rechtsnormqualität zukommt. Er wiederholt zu 50% geltendes Gesetzesrecht, die andere Hälfte stellt lediglich Verhaltensempfehlungen und Anregungen dar. Diese hingegen wurden bereits und werden wohl noch in der Zukunft im Einzelnen kodifiziert (vgl. beispielhaft § 161 AktG, s. dazu Kapitel 4.3.1.). Nicht auszuschließen ist jedoch, dass der Kodex bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zunehmende Bedeutung erlangt. Vgl. Treuberg/Zitzmann (2004), S. 29f und Claussen/Bröcker (2002), S. 1199.
[5] Vgl. Pfitzer/Oser (2003), S. V.
[6] Vgl. Turiaux/Knigge (2004), S. 2199. Vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt 5. dieser Arbeit.
[7] Vgl. Buchta (2003), S. 696, der in diesem Zusammenhang sogar von einer „Konjunktur“ spricht. Siehe auch Abbildung 2.
[8] Vgl. Thümmel/Sparberg (1995), S. 1013.
[9] Quelle: www.onvista.de, Abrufdatum: 30.05.2005.
[10] Vgl. o. V. (2005b).
[11] Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an: www.bundesgerichtshof.de, Abrufdatum: 01.06.2005. Dabei ist aufgrund unterschiedlicher gerichtlicher Zuständigkeiten (der BGH ist lediglich die oberste Instanz) nicht die absolute Zahl entscheidend. Vielmehr ist ein relativer Anstieg um 100% zu beobachten, was die Tendenz eindeutig bestätigt. Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei den Instanzen auf unteren Ebenen zu vermuten, ohne hierüber genaue Statistiken vorliegen zu haben.
[12] Vgl. Thümmel/Sparberg (1995), S. 1013.
[13] Vgl. Buchta (2003), S. 694.
[14] Vgl. Kusitzky/Reimer (2004), S. 142.
[15] Vgl. Schünemann (2004), S. 42ff.; siehe auch Bingener/Gazeas (2004), S. 1ff.
[16] Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass es im Rahmen der vorliegenden Arbeit aufgrund der Vielzahl haftungsrechtlich relevanter Aspekte nicht möglich ist, eine umfassende und lückenlose Darstellung über das bearbeitete Themengebiet zu bieten, weshalb eine schwerpunktorientierte Bearbeitung unabdingbar ist.
[17] Ausnahmen sind dabei der stille Gesellschafter sowie der Kommanditist bei der KG.
[18] Vgl. Wöhe (2000), S. 285.
[19] Vgl. Preitz/Dahmen/Detering (2001), S. 60.
[20] Vgl. o. V. (2000), S. 3391f.
[21] Vgl. o. V. (2005a).
[22] Vgl. Grill/Reip (1983), S. 86f.
[23] Vgl. Wöhe (2000), S. 296.
[24] Vgl. Richard/Mühlmeyer/Wefers/Bergmann (2001), S. 54.
[25] O. V. (1998a), S. 31.
[26] Vgl. Wöhe (2000), S. 296.
[27] Vgl. Schmidt (1997), S. 812f.
[28] Vgl. Schmidt (1997), S. 812f.
[29] Vgl. Schmidt (1997), S. 812ff.
[30] Ein Beispiel hierfür ist die so genannte feindliche Übernahme: Der Vorstand muss diese nicht zwingend zu verhindern suchen, sondern lediglich dann, wenn sie die Rentabilität oder die Existenz des Unternehmens gefährden. Vgl. Schmidt (1997), S. 812ff.
[31] Zur Abgrenzung zwischen unternehmerischer Entscheidung und haftungsbegründender Pflichtverletzung vgl. Abschnitt 2.3.1.
[32] Vgl. Schmidt (1997), S. 814.
[33] Vgl. o. V. (1998a), S. 34ff und o. V. (2001), S. 61ff.
[34] Vgl. o. V. (1998b), S. 64.
[35] Vgl. o. V. (2000), S. 3392. Einen groben Überblick über den Aufbau und die Struktur der Organe einer AG liefert im Rahmen dieser Arbeit Anhang 1.
[36] Vgl. Fissenewert (2003), S. 859. Ein Ausgleichsanspruch im Innenbereich der Vorstandsmitglieder nach § 426 BGB bleibt hiervon jedoch unberührt. Vgl. Raguß (2005), S. 252.
[37] Vgl. Fissenewert (2003), S. 859.
[38] Fissenewert (2003), S. 859. Somit wird indirekt eine Pflicht zur Selbstkontrolle des Vorstands bewirkt. Vgl. Turiaux/Knigge (2004), S. 2203.
[39] Vgl. Fissenewert (2003), S. 859 und BHGZ 133, 370, S. 378f.
[40] Vgl. o. V. (1998b), S. 71; siehe auch Schmidt (1997), S. 824.
[41] Vgl. Plück/Lattwein (2004), S. 18.
[42] Vgl. Plück/Lattwein (2004), S. 18.
[43] Vgl. Raguß (2005), S. 253f.
[44] Vgl. Plück/Lattwein (2004), S. 18.
[45] Vgl. Buchta (2003), S. 695. Diese lässt sich zudem weder durch Anstellungsvertrag oder Satzung zu Gunsten der Vorstandsmitglieder mildern, noch ihren Lasten verschärfen. Vgl. Fissenewert (2003), S. 860.
[46] O. V. (1998a), S. 39.
[47] Vgl. Buchta (2003), S. 695.
[48] Vgl. Raguß (2005), S. 253.
[49] Vgl. Plück/Lattwein (2004), S. 18.
[50] Aufgezählt werden u. a. die Fälle, wenn Einlagen an Aktionäre zurückgezahlt werden, Zinsen oder Gewinnanteile an Aktionäre zurückgezahlt werden oder Zahlungen geleistet werden, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der AG eingetreten ist oder sich eine Überschuldung ergeben hat. Vgl. dazu o. V. (1998a), S. 39f.
[51] Vgl. Fissenewert (2003), S. 861.
[52] Buchta (2003), S. 695. Vgl. auch Beetz (o. J.), S. 15.
[53] Vgl. Buchta (2003), S. 694f.
[54] Vgl. Fissenewert (2003), S. 860, BMJ (2004b), S. 8 und UMAG-Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Artikel 1, abrufbar unter www.bmj.bund.de.
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