Ziel dieser Arbeit ist es, einen Vergleich der Vornamensgebung dreier katholischer oberösterreichischer Pfarren, Ostermiething, St. Oswald bei Freistadt und der Stadtpfarre Steyr, im Abstand von einhundert Jahren, 1830 und 1930, durchzuführen. Dabei sollen insbesondere die hinter der Vornamensgebung liegenden Prozesse untersucht und ausgewertet werden. Anhand von Literaturstudium und Auswertung der gesammelten Daten soll untersucht werden, in welchem Ausmaß von welchen Parametern die Vornamensgebung abhängig ist. So sind regionale, religiöse, soziale und kulturelle Aspekte für die Vornamensgebung bedeutsam. Die Analyse der Vornamensgebung verlangt die intelligente Kombination verschiedener soziologischer Erklärungsmodelle.
In der vorliegenden Arbeit soll die Vornamensgebung im ländlich bäuerlichen zu gleichen Zeitpunkten mit jener im städtisch bürgerlichen Raum verglichen werden. Die Wahl der Orte viel auf die Stadtpfarre Steyr, die sowohl im Jahr 1830 als auch im Jahr 1930 die zweitgrößte Stadt Oberösterreichs war und eine städtisch bürgerliche Struktur vorweist. Als Repräsentanten des bäuerlich ländlichen Raums wurden zwei Pfarren gewählt, um in Summe einen annähernd vergleichbaren Stichprobenumfang zu gewährleisten.
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Aufgabenstellung und Themenwahl
1.2 Methodologie
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Namenskultur
2.1 Allgemeines
2.2 Heilige
2.3 Persönlichkeiten
2.4 Lokale Gegebenheiten
2.5 Verwandte
3 Auswertung der Datensammlung
3.1 Erhebungsgegenstand
3.2 Statistische Ergebnisse
3.3 Heilige
3.4 Persönlichkeiten
3.5 Lokale Gegebenheiten
3.6 Verwandte
4 Zusammenfassung und Ausblick
5 Literaturverzeichnis
6 Anhang
1 Einleitung
1.1 Aufgabenstellung und Themenwahl
Zur Vorbereitung der Erstellung einer Dissertation bzw. Diplomarbeit wird vom Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte das Seminar „Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens“ für Studierende der Sozial- und Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät angeboten. Aufgabenstellung dieser Lehrveranstaltung ist es, im Rahmen einer Seminararbeit eine wissenschaftliche Untersuchung zu einem vorgegebenen Thema anzustellen.
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Vergleich der Vornamensgebung dreier katholischer oberösterreichischer Pfarren, Ostermiething, St. Oswald bei Freistadt und der Stadtpfarre Steyr, im Abstand von einhundert Jahren, 1830 und 1930, durchzuführen. Dabei sollen insbesondere die hinter der Vornamensgebung liegenden Prozesse untersucht und ausgewertet werden. Anhand von Literaturstudium und Auswertung der gesammelten Daten soll untersucht werden, in welchem Ausmaß von welchen Parametern die Vornamensgebung abhängig ist. So sind regionale, religiöse, soziale und kulturelle Aspekte für die Vornamensgebung bedeutsam. Die Analyse der Vornamensgebung verlangt die intelligente Kombination verschiedener soziologischer Erklärungsmodelle[1].
In der vorliegenden Arbeit soll die Vornamensgebung im ländlich bäuerlichen zu gleichen Zeitpunkten mit jener im städtisch bürgerlichen Raum verglichen werden. Die Wahl der Orte viel auf die Stadtpfarre Steyr, die sowohl im Jahr 1830 als auch im Jahr 1930 die zweitgrößte Stadt Oberösterreichs war und eine städtisch bürgerliche Struktur vorweist. Als Repräsentanten des bäuerlich ländlichen Raums wurden zwei Pfarren gewählt, um in Summe einen annähernd vergleichbaren Stichprobenumfang zu gewährleisten.
1.2 Methodologie
Ziel der durchgeführten Untersuchung ist zu überprüfen, ob zu oben genannten Zeitpunkten in den oben genannten Gemeinden eine Abhängigkeit der Vornamensgebung von sozialen, regionalen, religiösen und familiären Einflüssen gegeben ist. Um dabei stichhaltige Aussagen zu treffen, bedarf es eines relativ homogenen Datenbestandes. Vornamen des Kindes, das Taufdatum und Namen von Verwandten sind in den meisten Kirchenbüchern seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert durchgängig vorhandene Informationen[2]. Für die untersuchten Pfarren bietet das Oberösterreichische Landesarchiv im gewählten Untersuchungszeitraum vollständige Aufzeichnungen in den jeweiligen Pfarrmatriken. In der vorliegenden Arbeit wurde die Taufbücher der entsprechenden Pfarren herangezogen, da in diesen die wesentlichen Informationen für den Untersuchungsgegenstand enthalten sind.
Nachteilig für die Auswertung der Informationen wirkt sich aus, dass es sich bei den offiziellen im Taufbuch eingetragenen Namen nicht um die konkreten, nach regional spezifisch Idiomen abgewandelten Rufnamen oder sonstige – im Lebensverlauf manchmal ändernde – Varianten handelt[3]. Des Weiteren leidet die Vollständigkeit der Aufzeichnungen über die Namensgebung darunter, dass in Pfarrmatriken lediglich Aufzeichnungen über katholisch getaufte Kinder zu finden sind und die Geistlichen angewiesen waren nur Taufnamen einzutragen, die im Martyrologium Romanum aufschienen[4]. Darüber hinaus ermöglichen es die Pfarrmatriken lediglich über die Namen der Eltern, eine Rekonstruktion der Verwandtschaftsverhältnisse und der damit verbundenen Praktiken der Namensgebung in den Familien anzustellen; Namen der Großeltern und übrigen Verwandten sind von den Aufzeichnungen nicht erfasst.
Trotz des sicheren häufigen Abweichens von den konkreten Rufnamen bzw Varianten eignen sich die offiziellen Taufnamen dennoch wie kaum eine andere Quelle dazu, Auskunft über soziokulturelle Massenphänomene der Neuzeit zu geben[5]. Als Ausprägungen der Einflussfaktoren auf die Vornamensgebung wurden für die vorgenommene Untersuchung folgende gewählt:
- Sozial – Beruf der Eltern
- Regional – ländlicher und städtischer Raum
- Religiös – Glaubenszughörigkeit und Patrozinium/Pfarrheilige
- Familiär – Vornamen der Eltern
Zur Auswertung der eben bezeichneten Einflussfaktoren wurden folgende statistische Daten aus den Taufbüchern aller drei Pfarren zu den jeweiligen Zeiträumen durch Studium der Pfarrmatriken in den Räumlichkeiten des Oberösterreichischen Landesarchivs gesammelt und anschließend ausgewertet:
- Vornamen der Täuflinge
- Religionsbekenntnis
- Geschlecht
- Ehelich oder unehelich geboren
- Beruf der Eltern
- Vornamen der Mutter
- Vorname des Vaters
Der gesamte Stichprobenumfang der getätigten Untersuchung beträgt 369 Datensätze, die im Anhang der Arbeit angeführt sind und sich folgendermaßen verteilen:
Ostermiething 1830/31[6]: 36
Ostermiething 1930: 43
St. Oswald bei Freistadt 1830: 50
St. Oswald bei Freistadt 1930: 62
Stadtpfarre Steyr 1830: 102
Stadtpfarre Steyr 1930: 76
1.3 Aufbau der Arbeit
Zu Beginn der Arbeit wird ein Überblick über Aufgabenstellung, Vorgehensweise und Gliederung der Arbeit gegeben. Anschließend folgt auf Basis verschiedenster literarischen Quellen und spezieller demographischen und statistischen Gegebenheiten der untersuchten Pfarren eine Einführung in das Thema der Vornamensgebung hinsichtlich genereller Namenskultur, somit unter welchen Voraussetzungen in welchen Gebieten welche Vornamen gegeben wurden. Der dritte Abschnitt widmet sich in Folge der Auswertung der im Rahmen der Feldforschung ermittelten Datensammlung und den daraus abgeleiteten Folgerungen. Den Abschluss der Arbeit bildet unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen der Vornamensgebung die Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse.
2 Namenskultur
2.1 Allgemeines
Namen eröffnen den Zugang zu wichtigen Aspekten des Alltagslebens und zu Weltbildern von Menschen in unterschiedlichen historischen Zeiten. Sie repräsentieren kein Oberflächenphänomen, denn Namengebung findet, so Margareth Lanzinger „innerhalb eines ganzen Ensembles von soziokulturellen Bedeutungsfeldern statt, die Erinnerung, Vorstellungen, Wünsche, soziale Bindungen, Verpflichtungen, Freiräume, persönliche Vorlieben, Zufälle und anderes mehr einschließen.“
Lanzinger stellte in einer Untersuchung fest, dass das Vergabeparadigma "alten" Regimes beherrscht war von Namen einerseits aus der Familie und von Seiten der Taufpaten und andererseits von Prominenten- und Kalenderheiligen. Doch bedeutet dies keineswegs, dass die Vergabe einem fixen Schema gefolgt wäre: Bei jedem Kind in der Reihenfolge der Geburten ist eine Palette an Optionen gegeben. Ihre Annahme, dass Veränderungen von Lebenswelten und Lebenskonzepten auch in "neuen" Namen oder Namenstypen ihren Niederschlag finden, hat sich im Lauf ihrer vielen Untersuchungen aufgefächert zu einem Neben- und Miteinander von "alt" und "neu", von Kontinuität und Wandel. Und dieses Ergebnis ist auch auf vergangene Jahrhunderte übertragbar, wenn auch nicht in derselben Gewichtung.
2.2 Heilige
Im europäischen Kulturraum war die Nachbenennung nach Heiligen über Jahrhunderte die vorherrschende Form der Namensgebung[7]. Heute spielt die Bezugnahme auf Heilige nicht mehr diese wichtige Rolle, wenngleich das Namensgut noch stark durch Heiligennamen bestimmt ist. Bis ins 19. Jahrhundert lässt sich diese Bedeutung des Schutzcharakters verfolgen. Verbreitet war die Vorstellung, dass über das Namenspatronat eine Wirkung bzw Kraft auf den Namensträger übergehen konnte, der Tag des Heiligen durfte jedoch im Kalenderjahr nicht vor dem Tauftag liegen (Rücktaufverbot). Oft wurden Kinder zumindest mit zweitem oder dritten Vornamen, der im sozialen Leben bedeutungslos ist, nach bekannten Heiligen benannt.
Die römisch-katholische Kirche hat die Nachbenennung nach Heiligen seit der Gegenreformation für verpflichtend erklärt, wobei sie auch in protestantischen Ländern bis heute dominant ist. Unter anderem durch die Nachbenennungen nach Heiligen, nahm in Europa die Konzentration auf immer weniger Namen zu. Daneben entwickelte sich auf dem europäischen Kontinent das System der Kombination von zwei Namen, dem Vor- und dem Familiennamen.
Steyr:
1275 wird in Steyr erstmals eine Pfarrkirche zu Ehren des heiligen Ägidius urkundlich erwähnt. Der heilige Ägidius lebte als Einsiedler in der Provence und gründete um 680 vor der Rhonemündung ein Kloster, das er als Abt leitete. Die Beliebtheit des heiligen Ägidius zeigt die Verehrung, die ihm zuteilgeworden ist und die Anliegen, in denen er angerufen worden. So gilt Ägidius als Patron der stillenden Mütter, der Hirten, Bettler und Aussätzigen und er zählt auch zu den Vierzehn Nothelfern, eine Gruppe von Heiligen, die im einfachen Volksehr beliebt war, da sie ihre Heilmittel ohne Entgelt herschenkte.
Unter den Babenbergern kam als zweiter Patron der heilige Koloman dazu, der ehemalige Landespatron des Landes ob der Enns. Koloman stammte aus Irland und hatte eine Wallfahrt ins Heilige Land angetreten. Wegen seiner fremden Kleidung und Sprache wurde er als böhmischer oder ungarischer Spion angesehen und angeblich im Juli 1012 in Stockerau bei Wien an einem Holunderbaum erhängt. Der heilige Koloman ist der zweite Patron der Stadtpfarre Steyr. Möglicherweise hängt seine Wahl mit der Regierung der Babenberger im Land ob der Enns zusammen, wo Koloman auch Landespatron war, bis er in dieser "Aufgabe" nach der Heiligsprechung des hl. Markgrafen Leopold III. abgelöst wurde.
St. Oswald:
Oswald war der Sohn des Königs Ethelfrith von Northumbrien. Nachdem sein Vater bei einem Aufstand getötet wurde, flüchtete er in das von Kolumban, dem Älteren gegründete Kloster Hy auf Iona, wo er die Taufe empfing. 634 eroberte er sein Land zurück und führte mit Hilfe von Mönchen das Christentum ein.
Als Missionsmittelpunkt gründete Oswald zusammen mit Bischof Aidan 635 das Kloster Lindisfarne. Die Legenden erwähnen besonders Oswalds Mildtätigkeit.
Die nach Zentraleuropa ausgesandten Missionare aus dem Kloster Lindisfarne verbreiteten hier sein Andenken. In den Alpenländern gilt Oswald, ebenso wie Ägidius, als einer der 14 Nothelfer und gehört zu den "Wetterherren": je nach Wind an seinem Jahrestag richten sich Ernte und Aussaat.
Ostermiething:
Ostermiething steht unter dem Patrozinium Maria Himmelfahrt.
2.3 Persönlichkeiten
Neben der Heiligennachbenennung haben sich Fürstennamen des 10. und 11. Jahrhunderts in den Nachfolgereichen des karolingischen Imperiums stark verbreitet[8]. Seit dem 12. Jahrhundert nahm der Einfluss von Fürstennamen zwar deutlich ab, jedoch hat die Fürstennachbenennung das ganze Mittelalter hindurch bestanden und wurde in der Neuzeit weiter praktiziert. Die soziale Bedeutung der Fürstennachbenennung im 10. Jahrhundert ist freilich eine andere als im 19. Jahrhundert, wo man das „Prinzip der dynastischen Hilfe“[9] als Grundsatz der Namensgebung konstruierte, womit die Wahl von Kindesnamen aus patriotischer Gesinnung gemeint ist. In früherer Zeit wollte man durch die Fürstennachbenennung die Nähe zum Fürsten durch Namensgleichheit ausdrücken, was eine hohen Motivation gewesen sein dürfte, da sich diese Art der Namensgebung gegen die Nachbenennung nach Heiligen lange behaupten konnte.
[...]
[1] vgl von Festenberg, Nikolaus: Erna kommt bald wieder, Der Spiegel 26 (2003), 162-163 (162)
[2] vgl Lanzinger, Magareth: Namenkultur – mikrohistorisch und auch quantitativ, Historische Anthropologie 2 (2002), 115-124 (118)
[3] vgl Mitterauer, Michael: Vom „Judenkind“ zum „Schlossmoidl“ – Lebensgeschichten als Quellen der Namensforschung, in: Neue Blicke – Historische Anthropologie in der Praxis, Hg. Richard van Dülmen et al, (1997), 155-182
[4] vgl Simon, Michael: Vornamen wozu? – Taufe, Patenwahl und Namensgebung in Westfalen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, in: Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland Band 67 (1989), 22
[5] vgl Lanzinger, Magareth: Namenkultur – mikrohistorisch und auch quantitativ, Historische Anthropologie 2 (2002), 115-124 (120)
[6] Für Ostermiething wurde aufgrund der geringen Anzahl an Täuflingen im Jahr 1830 das Jahr 1831 inkludiert
[7] vgl Mitterauer, Michael: Ahnen und Heilige – Namensgebung in der europäischen Geschichte (1993), 241ff
[8] vgl Mitterauer, Michael: Ahnen und Heilige – Namensgebung in der europäischen Geschichte (1993), 293
[9] vgl Mitterauer, Michael: Ahnen und Heilige – Namensgebung in der europäischen Geschichte (1993), 330
- Arbeit zitieren
- Mag. Dr. Bernhard Marckhgott (Autor:in), Stefan Ratzinger (Autor:in), 2005, Vornamensgebung in Ostermiething, St. Oswald bei Freistadt und der Stadtpfarre Steyr in den Jahren 1830 und 1930, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39805
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