Die Zweisprachigkeit oder Mehrsprachigkeit - beides wird als Bilingualismus bezeichnet - und ihre Erforschung hat durch die Globalisierung an Relevanz und Aktualität hinzugewonnen. Mehrsprachigkeit ist heute nicht nur außerhalb Europas ein ungemein weit verbreitetes Phänomen. In den meisten europäischen Staaten werden zwei oder mehr Sprachen gesprochen, die von den Mitgliedern dieser Staaten in unterschiedlichem Maße beherrscht werden. Größere Mobilität der Menschen, und die Auflösung vieler herkömmlicher Sprachgebiete haben zahlreiche Fragen zum Spracherwerb und zu seinen verschiedenen Ausprägungen und Auswirkungen auf die soziale und kognitive Entwicklung des Menschen aufgeworfen, worauf in den letzten Jahren auf diesen Gebieten viel geforscht wurde. Doch ist die Wissenschaft in ihrem Verständnis des Phänomens Sprache noch am Anfang.
Ich werde diesen Aufsatz mit einer Definition des Begriffs ‚Mehrsprachigkeit’ beginnen, um dem Leser den Einstieg in diese Thematik zu vereinfachen. Darauf folgt eine Gegenüberstellung von Erstspracherwerb und Zweitspracherwerb. Im Rahmen dieser Gegenüberstellung ist es notwendig die grundlegenden Annahmen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Erwerbsformen zu skizzieren.
Auf den Zweitspracherwerb werde ich genauer eingehen und davon ausgehend die Unterscheidung zwischen gesteuertem und ungesteuertem Zweitspracherwerb erläutern. Des Weiteren halte ich es für sinnvoll die bedeutendsten Theorien über den Zweitspracherwerb vorzustellen, um diesen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten zu können.
Das Oberthema dieses Aufsatzes ist der Erwerb weiterer Sprachen. Um sich dieser Thematik anzunähern erscheint es mir notwendig sich auch dem Spracherwerb im Allgemeinen zu widmen. Aufgrund dessen werde ich im dritten Kapitel dieses Aufsatzes den Prozess des Spracherwerbs beleuchten, indem ich die grundlegenden Faktoren erläutere, die ihn steuern.
Die Studie von Bernd Kielhöfer und Silvie Jonekeit über die zweisprachige Kindererziehung, stellt den Erwerb von zwei Sprachen gleichzeitig sehr anschaulich in der Praxis dar und liefert ergänzende Einsichten zum bilingualen Aufwachsen.
Abschließend werde ich einige der gängigsten Annahmen über Vor- und Nachteile der Zweisprachigkeitserziehung vorstellen und die Idee eines frühen Fremdsprachenunterrichts skizzieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Mehrsprachigkeit (Bilingualismus)
2.1 Was ist Mehrsprachigkeit, und welche Wege führen dort hin?
2.2 Der Zweitspracherwerb
2.2.1 Erstspracherwerb vs. Zweitspracherwerb
2.2.2 Ungesteuerter und gesteuerter Zweitspracherwerb
2.3 Theorien des Zweitspracherwerbs
2.3.1 Die Identitätshypothese
2.3.2 Die Kontrastivhypothese
2.3.3 Die „Monitor-Theorie“ von Krashen
2.3.4 Theorien der Lernvarietäten
3. Grundgrößen des Spracherwerbs.
3.1 Antrieb
3.1.1 Soziale Integration
3.1.2 Kommunikative Bedürfnisse
3.1.3 Einstellungen
3.1.4 Erziehung
3.2 Sprachvermögen
3.3 Zugang
3.4 Struktur des Verlaufs, Tempo des Verlaufs und Endzustand
4. Zweisprachigkeitserziehung.
4.1 Einführung
4.2 Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zweisprachigkeitserziehung
4.3 Starke und schwache Sprache
4.4 Sprachstörungen
4.5 Interferenzen
4.6 Praktische Ratschläge für die Zweisprachigkeitserziehung
4.7 Vor- und Nachteile der Zweisprachigkeitserziehung
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Zweisprachigkeit oder Mehrsprachigkeit - beides wird als Bilingualismus bezeichnet - und ihre Erforschung hat durch die Globalisierung an Relevanz und Aktualität hinzugewonnen. Mehrsprachigkeit ist heute nicht nur außerhalb Europas ein ungemein weit verbreitetes Phänomen. In den meisten europäischen Staaten werden zwei oder mehr Sprachen gesprochen, die von den Mitgliedern dieser Staaten in unterschiedlichem Maße beherrscht werden. Größere Mobilität der Menschen, und die Auflösung vieler herkömmlicher Sprachgebiete haben zahlreiche Fragen zum Spracherwerb und zu seinen verschiedenen Ausprägungen und Auswirkungen auf die soziale und kognitive Entwicklung des Menschen aufgeworfen, worauf in den letzten Jahren auf diesen Gebieten viel geforscht wurde. Doch ist die Wissenschaft in ihrem Verständnis des Phänomens Sprache noch am Anfang.[1]
Ich werde diesen Aufsatz mit einer Definition des Begriffs ‚Mehrsprachigkeit’ beginnen, um dem Leser den Einstieg in diese Thematik zu vereinfachen. Darauf folgt eine Gegenüberstellung von Erstspracherwerb und Zweitspracherwerb. Im Rahmen dieser Gegenüberstellung ist es notwendig die grundlegenden Annahmen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Erwerbsformen zu skizzieren.
Auf den Zweitspracherwerb werde ich genauer eingehen und davon ausgehend die Unterscheidung zwischen gesteuertem und ungesteuertem Zweitspracherwerb erläutern. Des Weiteren halte ich es für sinnvoll die bedeutendsten Theorien über den Zweitspracherwerb vorzustellen, um diesen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten zu können.
Das Oberthema dieses Aufsatzes ist der Erwerb weiterer Sprachen. Um sich dieser Thematik anzunähern erscheint es mir notwendig sich auch dem Spracherwerb im Allgemeinen zu widmen. Aufgrund dessen werde ich im dritten Kapitel dieses Aufsatzes den Prozess des Spracherwerbs beleuchten, indem ich die grundlegenden Faktoren erläutere, die ihn steuern.
Die Studie von Bernd Kielhöfer und Silvie Jonekeit über die zweisprachige Kindererziehung, stellt den Erwerb von zwei Sprachen gleichzeitig sehr anschaulich in der Praxis dar und liefert ergänzende Einsichten zum bilingualen Aufwachsen.
Abschließend werde ich einige der gängigsten Annahmen über Vor- und Nachteile der Zweisprachigkeitserziehung vorstellen und die Idee eines frühen Fremdsprachenunterrichts skizzieren.
2. Mehrsprachigkeit (Bilingualismus)
2.1 Was ist Mehrsprachigkeit, und welche Wege führen dort hin?
Die Fähigkeit mehrere Sprachen zu sprechen und zu verstehen wird als Mehrsprachigkeit oder Bilingualismus bezeichnet, wobei die beteiligten Sprachen sehr unterschiedlich oder sehr ähnlich sein können. Als bilingual werden aber nur solche Personen bezeichnet, die tatsächlich verschiedene Sprachen sprechen, d.h. wenn die Sprachen in ihrer Syntax, ihrer Aussprache und in ihrem Vokabular unterschiedlich sind, und nicht wenn jemand lediglich den Dialekt einer Sprache beherrscht. In diesem Fall spricht man von zwei Varietäten oder Register dieser Sprache. Diese Differenzierung wurde nicht ganz ohne Willkür vorgenommen. Der bayerische Dialekt im Deutschen hat mindestens ebenso viele syntaktische und grammatikalische Unterschiede zum Hochdeutschen, wie niederländisch. Die Art und Weise auf die jemand eine weitere Sprache erworben hat, und ob er zwei oder mehrere Sprachen beherrscht ist für den Überbegriff Bilingualismus unrelevant. Dennoch sollten die verschiedenen Wege auf denen man bilingual werden kann kurz erwähnt werden. Durch natürliche Kommunikationssituationen können Kinder zwei oder mehr Sprachen gleichzeitig erlernen. Der Erwerb von zwei oder mehr Sprachen, der bis zum Ende des dritten Lebensjahres beginnt, wird in der Forschung als bilingualer Erstspracherwerb bezeichnet. Vom dritten bis zum vierten Lebensjahr wird der Erwerb einer zweiten oder weiteren Sprache als Zweitspracherwerb des Kindes, und der Erwerb ab der Phase der Pubertät als Zweitspracherwerb des Erwachsenen definiert.
In der Regel wachsen Kinder bilingual auf, wenn die Elternteile verschiedene Sprachen sprechen und auch bestrebt sind diese an ihre Kinder weiter zu geben. Eine andere Möglichkeit bilingual zu werden ist der Erwerb durch die Umgebung. Dies wird häufig bei Arbeitsmigranten oder Auswanderern beobachtet, die untereinander und mit ihren Kindern ihre ‚Heimatsprache‘ sprechen, außerhalb der Familiengemeinschaft aber eine andere Sprache gesprochen wird. Die so genannte Umgebungssprache. Auch als Erwachsener ist es möglich eine weitere Sprache neben der Erstsprache in natürlichen Kommunikationssituationen zu erwerben. Zum Beispiel wenn eine Person im Jugend- oder Erwachsenenalter in ein anderssprachiges Land migriert und sich die Landessprache durch den Kontakt mit Sprechern der Landessprache erwerben muss.
Lernt ein Kind eine weitere Sprache, ohne dabei die Erstsprache zu verlieren, spricht man vom additiven Bilingualismus. Jedoch kann es passieren, dass ein Individuum seine Erstsprache zugunsten einer neuen Sprache vernachlässigt, oder vollständig verliert. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Erstsprache einer Person in dem kulturellen Umfeld indem sie lebt, einen deutlich geringeren Status hat, als die von der Gemeinschaft gesprochene Sprache. Die Erstsprache wird dann häufig zugunsten der prestigeträchtigeren Gemeinschaftssprache aufgegeben, um sich zu integrieren und mit der Gemeinschaft zu identifizieren. Dieses Phänomen wird als subtraktiver Bilingualismus bezeichnet.
Eine andere Möglichkeit eine weitere Sprache als die Erstsprache zu erlernen ist der Erwerb durch Unterrichtsmethoden, worauf ich an anderer Stelle genauer eingehen werde.[2]
2.2 Der Zweitspracherwerb
Der Spracherwerb im Allgemeinen wird von vielen Faktoren beeinflusst, dessen Beschreibung und Erklärung sehr schwierig ist. In der Sprachforschung beschäftigt man sich daher vorwiegend mit dem Zweitspracherwerb, da dieser leichter zu beobachten und damit besser zu untersuchen ist. Vor allem im gesteuerten Zweitspracherwerb hat ein Forscher durch vorgegebene Lernsituationen weit reichende Möglichkeiten den Prozess des Zweitspracherwerbs zu untersuchen. Man erhofft sich, dass die in der Zweitsprachforschung gewonnenen Ergebnisse gleichzeitig zu neuen Erkenntnissen über die Gesetzmäßigkeiten des Erstspracherwerbs, und des Spracherwerbs im Allgemeinen führen.
Wenn im Folgenden vom Zweitspracherwerb gesprochen wird, bedeutet dies nicht explizit, dass es sich tatsächlich um den Erwerb einer zweiten Sprache handelt. Der Begriff impliziert auch den Erwerb von mehr als zwei Sprachen.[3]
2.2.1 Erstspracherwerb vs. Zweitspracherwerb
Normalerweise[4] lernt jedes Kind innerhalb weniger Jahre eine Sprache, die dann als Erstsprache oder Muttersprache bezeichnet wird. Dieser Erstspracherwerb ist nach der Pubertät weitestgehend abgeschlossen, obwohl der Lernprozess in manchen Bereichen, wie zum Beispiel im Wortschatz, nie völlig endet. Der Erstspracherwerb erfolgt in Wechselwirkung mit der sozialen und kognitiven Entwicklung des Kindes, woraus sich wesentliche Unterschiede zwischen dem Erstspracherwerb und dem Erwerb einer zweiten oder weiteren Sprache ergeben.
Der Erstspracherwerb ist eng mit der sozialen Entwicklung verknüpft und somit auch mit der Ausbildung einer sozialen Identität. Durch den Erstspracherwerb werden dem Kind moralische, kulturelle und sonstige Vorstellungen vermittelt, und es lernt Emotionen, Vorstellungen und Bedürfnisse in einer sozial angemessenen Weise auszudrücken. Auch Einstellungen, die für eine bestimmte Sprachgemeinschaft kennzeichnend sind, werden dem Kind durch den Erwerb ihrer Sprache vermittelt und prägen die soziale Identität. Beim Zweitspracherwerb hingegen ist die Ausbildung einer sozialen Identität bereits weitestgehend abgeschlossen, und der Zweitspracherwerb ist damit nicht in gleichem Maße mit der sozialen Entwicklung verknüpft wie der Erstspracherwerb.
Es ist möglich, dass die soziale Identität ein Hindernis für den Zweitspracherwerb darstellt, wenn der Lerner befürchtet die maßgeblich durch seine Erstsprache geprägte soziale Identität durch den Erwerb der zweiten Sprache zu verlieren.[5] Hiervon ausgehend stellte sich die Sprachforscherin Ervin/Tripp die Frage, ob der Erwerb von mehr als einer Sprache in der frühen Kindheit zur Entwicklung von zwei oder mehreren Persönlichkeiten führt. Sie führte Versuche mit Japanisch-Englisch zweisprachigen Erwachsenen durch, die vorgegebene Sätze in beiden Sprachen vollenden sollten. Es zeigte sich, dass die Antworten der Versuchspersonen in ihren Sprachen teilweise stark differierten. Aus diesen Ergebnissen schlussfolgerte Ervin/Tripp, dass der Wechsel in eine andere Sprache mit dem Wechsel von Einstellungen, die mit der jeweiligen Sprache verknüpft sind, einhergeht und dass die Funktion der Sprachen sehr unterschiedlich sein kann. Während in der einen Sprache möglicherweise emotionale Aspekte im Vordergrund stehen, kann die andere Sprache überwiegend in rationalen Angelegenheiten bevorzugt werden. Ervin/Tripp’s Hypothese konnte sich in der Forschung jedoch nicht durchsetzen, auch wenn sie zunächst auf großes Interesse stieß. Die Vorstellung, dass durch den Wechsel der Sprache auch deutliche Veränderungen in der Persönlichkeit auftreten, ist für die heutige Sprachforschung nicht mehr realistisch.[6]
Mit der kognitiven Entwicklung des Kindes hängen wesentliche Elemente der Sprachbeherrschung zusammen, die im Erstspracherwerb erworben werden müssen, dann aber bei dem Erwerb weiterer Sprachen bereits zur Verfügung stehen. Das Zeitkonzept und die Deixis[7] sind beispielsweise solche elementaren Sprachelemente, die während des Erstspracherwerbs erworben werden. Dennoch wird der Erstspracherwerb von vielen Forschern als der leichtere angesehen. Ausgehend von dieser Annahme arbeitete Lenneberg seine Theorie der ‚kritischen Spanne’ aus, welche die Zeit vom zweiten Lebensjahr bis zur Pubertät umfasst, und nach Lenneberg die günstigste für den Erwerb einer Sprache sei. In dieser Zeit vollziehe sich die Vernetzung von Hirnfunktionen, welche sich in Wissbegierde und ausgeprägter Aufnahmefähigkeit niederschlägt. Diese Vernetzung ist in der Pubertät fast vollständig abgeschlossen, und der Zweitspracherwerb erfolge damit physiologisch auf andere und schwierigere Weise als der Erstspracherwerb. Dabei sei es wichtig beide Spracherwerbsformen unabhängig voneinander zu untersuchen.
Die Tatsache, dass der Zeitaufwand für den Erwerb der Erstsprache weit größer ist als beim Zweitspracherwerb, und die Theorie auf die Schwierigkeit stößt, dass es bisher nicht möglich ist eine klare Trennung beider Erwerbsformen vorzunehmen, lässt Lennebergs Theorie in vielen Punkten zweifelhaft erscheinen.[8]
2.2.2 Ungesteuerter und gesteuerter Zweitspracherwerb
Wird eine zweite Sprache in der alltäglichen Kommunikation gelernt, und ohne systematische Versuche den Erwerbsprozess zu steuern, spricht man von ungesteuertem Zweitspracherwerb. Bei dieser Form des Spracherwerbs muss der Lerner zwei Aufgaben lösen, die eng miteinander in Verbindung stehen. Zum einen muss er im Rahmen der ‚Kommunikationsaufgabe’ sein Ausdrucksrepertoire, welches anfangs fast vollständig aus nonverbalen Mitteln besteht, optimal bei der Sprachproduktion und beim Sprachverstehen nutzen. Zum anderen muss der Lerner dieses Ausdrucksrepertoire zunehmend an die Zielsprache anpassen (‚Lernaufgabe’). Die Ausbildung des Ausdrucksrepertoirs und seine optimale Nutzung erleichtern die Kommunikation.
Zusammenfassend kann die Kommunikationsaufgabe als stabilisierender Faktor betrachtet werden, während die Lernaufgabe, also die Notwendigkeit das bereits erlernte zu erweitern, und zu reorganisieren, den Erwerbsprozess voran treibt und somit einen eher dynamischen Faktor darstellt.
Der wesentliche Unterschied zwischen gesteuertem und ungesteuertem Zweitspracherwerb besteht darin, dass bei Ersterem die Sprache durch bestimmte Unterrichtsmethoden erlernt wird, und versucht wird den natürlichen Prozess des Spracherwerbs zu domestizieren.[9]
Wie ich bereits erwähnt habe konzentriert sich die Forschung vorwiegend auf den gesteuerten Zweitspracherwerb, da dieser einfacher empirisch zu untersuchen ist. Man erhofft sich aus dieser Fokussierung wertvolle Erkenntnisse für den Sprachunterricht gewinnen zu können. Der Sprachforscher Wolfgang Klein hält dieses Vorgehen jedoch für wenig produktiv. Seiner Ansicht nach sollten zunächst die grundlegenden Regelmäßigkeiten und Gesetzlichkeiten des Spracherwerbs identifiziert werden. Erst dann sei ein sinnvolles Eingreifen in den Erwerbsprozess möglich. Die menschliche Fähigkeit eine oder mehrere Sprache zu erwerben, und zu verarbeiten hat sich über Hunderttausende von Jahren in natürlichen, ungesteuerten Kommunikationssituationen entwickelt, und es sei „verwegen anzunehmen, diese Fähigkeit sei frei manipulierbar.“[10]
2.3 Theorien des Zweitspracherwerbs
Im Folgenden werde ich vier Theorien darstellen, die für die Sprachforschung, insbesondere für die Zweisprachigkeitsforschung, von Bedeutung sind oder waren.
2.3.1 Die Identitätshypothese
Die erste dieser Theorien die ich erläutern möchte ist die Identitätshypothese. In ihrer radikalsten Form behauptet diese Hypothese, dass Erstspracherwerb und Zweitspracherwerb den gleichen Gesetzlichkeiten unterliegen, und der Spracherwerb generell unabhängig vom Alter des Lerners und der angestrebten Zielsprache in bestimmten Erwerbsschritten und Sequenzen erfolgt, deren Identifizierung zu einem umfassenderen Verständnis des Spracherwerbs führen würde. Nach Ansicht der Vertreter dieser Hypothese ist die Abfolge der Erwerbsstadien strukturell sehr präzise geordnet. Daher ist der Erwerb eines bestimmten Strukturtyps erst möglich, wenn bereits andere sprachliche Strukturen in dem Maße beherrscht werden, dass sie effektiv verwendet werden können. Die Ursache dafür sei ein Mechanismus, über den der Mensch zusätzlich zu seinen kognitiven Fähigkeiten verfügt. Während seine kognitiven Fähigkeiten ihm den Erwerb einer Sprache ermöglichen, kontrolliere dieser Mechanismus die genaue Abfolge der Erwerbsstadien.
Falls diese Hypothese zutrifft, wäre es für den Spracherwerb nicht relevant, ob bereits eine Sprache gelernt wurde oder nicht. Doch konnten nur in sehr wenigen Bereichen der sprachlichen Struktur explizite Regelmäßigkeiten des Spracherwerbs und der Abfolge von Erwerbsstadien nachgewiesen werden.[11]
[...]
[1] Steinmüller, online im Internet
[2] Vgl. Albert 2002, online im Internet, S.1ff
[3] Vgl. Klein, S.27f
[4] Ausnahmen können durch physiologische oder auch soziale Ursachen erklärt werden.
[5] Vgl. Klein, S.16ff
[6] Vgl. Albert 2002, online im Internet, S.4f
[7] Die Deixis ist die Zeigefunktion der Sprache. Deiktische Ausdrücke beziehen sich auf Personen (ich, du, wir, sein etc.), auf Orte (hier, dort) und auf Zeiten (jetzt, heute, morgen etc.).
[8] Vgl. Klein 1992, S.21f
[9] Vgl. Klein 1992, S.28ff
[10] Klein 1992. S.31
[11] Vgl. Steinmüller, online im Internet; und Klein 1992, S.36f
- Quote paper
- Markus Mikikis (Author), 2005, Der Erwerb weiterer Sprachen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39637
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