Thema dieser Arbeit ist Hermann Gieseckes „Didaktik der politischen Bildung“ von 1965, die als „Konfliktdidaktik“ in die Geschichte der Konzeptionen der politischen Bildung eingegangen ist. Ich möchte eine systematische Darstellung dieses Werks vornehmen, was einen Vergleich mit ausgewählten früheren Didaktikkonzepten einschließt. Systematische Darstellung und Vergleich verlangen einen Analyserahmen; diesen entwickle ich anhand einer Definition des Begriffs „Konzeption der politischen Bildung“, welcher als Oberbegriff über der „Konfliktdidaktik“ und allen anderen einzelnen Konzeptionen steht. Anhand der dort herausgeschälten Kernelemente einer politikdidaktischen Konzeption werde ich im Hauptteil Gieseckes „Didaktik“ vorstellen. Im dritten Teil werden die zuvor gewonnenen Ergebnisse über Giesecke in den größeren Zusammenhang eines Vergleichs mit einigen bedeutenden Vorläufern gestellt, nämlich den Konzeptionen der Reeducation und denen von Litt, Oetinger und Fischer. Zum Schluss soll als Fazit die Frage erörtert werden, inwieweit Gieseckes Konzeption noch für unsere heutige Zeit bedeutsam ist.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil 1: „Konzeption der politischen Bildung“
Teil 2: Gieseckes Konzeption
Grundproblem: der Konflikt
Leitziel: Konflikterziehung
Inhalt
Methode: Konfliktanalyse
Teil 3: Einordnung der „Konfliktdidaktik“ in frühere Konzeptionen
Re-education
Staatsbürgerliche Erziehung (Litt)
Partnerschaftspädagogik (Oetinger)
Grundlegende Einsichten (Fischer)
Teil 4: Fazit: Was bleibt uns heute von Giesecke?
Bibliographie
Einleitung
Thema dieser Hausarbeit ist Hermann Gieseckes „Didaktik der politischen Bildung“ von 1965, die als „Konfliktdidaktik“ in die Geschichte der Konzeptionen der politischen Bildung eingegangen ist. Ich möchte eine systematische Darstellung dieses Werks vornehmen, was einen Vergleich mit ausgewählten früheren Didaktikkonzepten einschließt.
Systematische Darstellung und Vergleich verlangen einen Analyserahmen; diesen entwickle ich anhand einer Definition des Begriffs „Konzeption der politischen Bildung“, welcher als Oberbegriff über der „Konfliktdidaktik“ und allen anderen einzelnen Konzeptionen steht. Anhand der dort herausgeschälten Kernelemente einer politikdidaktischen Konzeption werde ich im Hauptteil Gieseckes „Didaktik“ vorstellen. Im dritten Teil werden die zuvor gewonnenen Ergebnisse über Giesecke in den größeren Zusammenhang eines Vergleichs mit einigen bedeutenden Vorläufern gestellt, nämlich den Konzeptionen der Re-education und denen von Litt, Oetinger und Fischer. Zum Schluss soll als Fazit die Frage erörtert werden, inwieweit Gieseckes Konzeption noch für unsere heutige Zeit bedeutsam ist.
Teil 1: „Konzeption der politischen Bildung“
Im folgenden wird der Begriff der „Konzeption der politischen Bildung[1] erörtert. Es werden vier Kernelemente des Begriffes herausgestellt, welche dann als Rahmen für die systematische Darstellung von Gieseckes „Didaktik der politischen Bildung“ und einiger vergleichend herangezogenen Didaktiken dienen werden.
„Der Begriff des Konzeptes der politischen Bildung wird […] als ein theoretisches System von Begriffen und Aussagen verstanden, das dazu dient, politischen Unterricht als Praxisfeld zu erhellen und in ihm Handlungen zu ermöglichen. Der dabei entstehende Aussagenzusammenhang ist nicht als hermetisch geschlossen zu verstehen, sehr wohl aber als systematisch, theoretisch konsistent und auf die grundlegenden Belange politischer Bildung konzentriert.“ (Tielking 1998: 15). Tielking benennt also als wichtigste Kennzeichen einer „Konzeption der politischen Bildung“ deren Theoriegeleitetheit und Konsistenz. Weitere Gesichtspunkte sind die Praxisorientierung, das Ziel der Handlungsermöglichung und die Reduzierung auf das Fundamentale. Allerdings sind diese weiteren Kennzeichen (zumindest früher) umstritten (gewesen): Ob der Politikunterricht zum Handeln erziehen sollte oder zum gehorsamen Staatsbürger und ob das Fach sich auf grundlegende Einsichten oder aktuelle Geschehnisse, oder aber auf die Verfassungsinstitutionen konzentrieren solle, kann wohl als noch immer umstrittene Frage gelten. Entscheidend ist jedoch letztlich, dass es sich bei einer politikdidaktischen Konzeption um einen in sich schlüssigen theoretischen Ansatz handelt, welcher notwendig anhand des wahrgenommenen politikdidaktischen Grundproblems eine Fokussierung der politisch-sozialen Wirklichkeit auf das eigene Leitziel hin vornimmt. Eine „Konzeption der politischen Bildung“ besitz somit vier immanente Kernelemente, die für eine systematische Analyse und einen Vergleich verschiedener Konzeptionen zu unterscheiden sind. Eine „politikdidaktische Konzeption“ muss Fragen nach dem politikdidaktischen Grundproblem, dem entsprechenden Leitziel der Konzeption, dem Verständnis des Inhalts „Politik“ und der Methoden zur Erreichung der Leitziele beantworten können. Anhand dieser Fragen möchte ich nun zunächst Gieseckes Konzeption darstellen und anschließend die so gewonnenen Ergebnisse mit den drei oben genannten Konzeptionen in Bezug setzen.
Teil 2: Gieseckes Konzeption
Gieseckes „Didaktik der politischen Bildung“ erschien erstmals 1965 und wurde dank seiner Popularität mehrfach neu aufgelegt. 1972 erschien eine inhaltlich veränderte Neuauflage, die nicht mehr den „Konflikt“, sondern die „Mitbestimmung“ ins Zentrum der Konzeption stellte; zudem hatte sich ihr theoretischer Hintergrund von Dahrendorfs Konflikttheorie zur Kritischen Theorie verschoben. Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich vornehmlich mit der ursprünglichen Konzeption Gieseckes. Nur am Rande werden die späteren Veränderungen gestreift.
Grundproblem: der Konflikt
Das politikdidaktische Grundproblem besteht für Giesecke darin, dass die Jugendlichen[2] Politik nicht als bestehende Normen innerhalb eines Institutionengefüges wahrnehmen, sondern dass Betroffenheit bei ihnen durch die Berührung mit dem aktuellen „Konflikt“ entsteht. Diesen kann man als auf ein bestimmtes Problem hin zugespitzte allgemeingesellschaftliche Debatte bezeichnen. Die Jugendlichen erfahren das Politische des Konflikts mittels einer medialen Interpretation der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über dieses Problem. Sie sind überfordert und verwirrt durch diese zweifach interpretative (gesellschaftliche und mediale) Vermittlung des eigentlichen Problems (vgl. Giesecke (1965): 18f.). Genau an dieser Stelle setzt Gieseckes didaktische Überlegung ein: die Unsicherheit der Jugendlichen soll mittels seiner Konfliktdidaktik in ein prozedurales Analysewissen umgeleitet werden; die Jugendlichen sollen lernen, mit solchen Konflikten umzugehen. Damit verkürzt Giesecke aus didaktischen Überlegungen das „Politische“ auf das Prozesshafte einer gesellschaftlichen Debatte über ein aktuelles Problem, mit dem Ziel hiervon ausgehend eine komplexe Konfliktanalyse vornehmen zu können (vgl. Gagel 1994: 160). Dieser gesellschaftsorientierten Definition des Politischen steht zur Zeit Gieseckes eine recht unpolitische und konfliktscheue Bevölkerung gegenüber (vgl. Kuhn et al. 1994: 222). Welche Gefahr ein solcher „Hang zur Synthese“ (Gagel 1994: 157) für ein demokratisches System birgt, hatten vor Giesecke bereits Fraenkel in seiner Pluralismustheorie (vgl.Gagel 1994: 156f.) und Dahrendorf in „Gesellschaft und Demokratie in Deutschland“ (vgl. Kuhn et al. 1994: 222) eindringlich beschrieben. Im Zuge dieser allmählichen Bewusstwerdung über die Notwendigkeit von gesellschaftlichen Kontroversen für die Demokratie führten die hessischen Didaktiker[3] den Begriff des Konfliktes in die Politikdidaktik ein, den Giesecke schließlich zum zentralen Ausgangspunkt seiner Didaktik machte. Seine Grundüberlegungen basieren stark auf Dahrendorfs Konflikttheorie, die „von der Normalität, Ubiquität und Permanenz von sozialen Konflikten“ ausgeht und im Gegensatz zur amerikanischen Systemtheorie Parsons gerade die Abwesenheit von Konflikten in einem sozialen System für „abnormal“ befindet (ibid.: 222f.). Giesecke übernimmt von Dahrendorf die Überzeugung, dass Konflikte keine Störungen des gesellschaftlichen Funktionszusammenhangs sind, sondern dass sie eine essentielle gesellschaftliche Funktion haben, nämlich Freiheitsförderung und Freiheitssicherung. Er bewegt sich damit innerhalb einer konflikttheoretischen Richtung, die den „Herrschaftskonflikt“ (Dahrendorf) als lösbaren Interessenkonflikt begreift und nicht als unüberbrückbaren Dissens, wie die marxistisch-kritische Konflikttheorie (vgl. Strasser 2001: 248).
Leitziel: Konflikterziehung
Gieseckes Leitziel ist die Befähigung des Jugendlichen/Schülers zum Umgang mit dem politischen Konflikt durch genaue, systematische Analyse des Konflikts. Er soll zu einem verantwortlichen, kritisch denkenden Staatsbürger erzogen werden. Dazu muss er lernen, mit Konflikten umzugehen und Pluralität zu ertragen, was von ihm verlangt, allzu einfache dichotomische Weltbilder aufzubrechen und ein differenzierteres Bild der eigenen Gesellschaft zuzulassen (vgl. Gagel (1994): 165). Politik erscheint nicht mehr als das Spielfeld hochrangiger, rhetorisch geschulter Politiker, sondern als egalitärer gesellschaftlicher Belang, der alle angeht. Die SchülerInnen sollen zudem Grundeinsichten in das Wesen des Politischen gewinnen und durch dieses Verständnis soll letztlich die Fähigkeit zur Parteinahme, zur „rechten Re-Aktion“ geschaffen werden. Die Jugendliche soll „eine politische Bewußtheit bilden, die den Sachverhalten angemessen ist und die die normativen Implikationen der demokratischen Staatsform verstanden und sich zu eigen gemacht hat“ (Giesecke 1965: 63). Dadurch „wird dieses Bewußtsein selbst zu einer Art ‚passiver Aktivität’, insofern es sich nichts vormachen läßt und die politischen Akteure zwingt, bestimmte Dinge nicht zu tun“ (ibid.). Der Fokus liegt bei Giesecke also auf der Analyse, dem Durchdringen der Mechanismen und der Sprache der Politik. Doch wendet er dieses erworbene Wissen zu einer „passiven Aktivität“ um, insofern sie die Politiker zwingt, authentischer mit ihren Bürgern umzugehen. Politisches Handeln meint eher Meinungsbildung als unmittelbare Aktivität. Dennoch positioniert sich der Autor innerhalb der politikdidaktischen Wissenschaft klar auf der Seite derjenigen, die eine Erziehung zur aktiven Einmischung in gesellschaftlich-politische Prozesse fordern. Giesecke führt hier den später zentralen Begriff der „politischen Beteiligung“ ein (vgl. Kuhn et al 1994: 224, Tielking 1998: 73).[4] Damit verbunden ist der Wertebezug seiner Didaktik. Indem die Wirklichkeit nicht nur möglichst genau analysiert, sondern dadurch ein Handeln initiiert werden soll, werden die Analysekategorien mit einem Wertakzent versehen – die Analyse dient zugleich empirischen und normativen Zwecken (vgl. Gagel 1994: 168).
Um dieses Leitziel – die Erziehung zum Konflikt – besser zu verstehen, muss man einen Schritt zurücktreten und Gieseckes wissenschaftstheoretischen Grundannahmen untersuchen.
In seiner Zielvorstellung einer schlussendlich gerechten, also gleichen, Gesellschaft folgt Giesecke der kritisch-dialektischen Richtung in der Wissenschaftstheorie. Kritisch-dialektisch daran ist die Vorstellung von Gesellschaft als historischem Prozess, der in einem idealen Endpunkt sein Ziel erreicht sowie die Überlegung, dass diese Geschichtlichkeit aller Sachverhalte ahistorische Kategorien ausschließt. Zudem sind alle Sachverhalte auf ein Ganzes bezogen und damit in ihrem Zusammenhang mit der Totalität der Gesellschaft zu denken. Dies weist auf die Methode der Dialektik hin, die fordert, Einzelnes immer im Zusammenhang mit dem Ganzen zu begreifen, beziehungsweise annimmt, dass einzelne Sachverhalte ohne das Ergreifen des dahinterstehenden Ganzen gar nicht verstanden werden können (Gagel 1979: 18). Giesecke hat sich zwar zeitlebens gegen eine solche Einordnung in wissenschaftstheoretische Schubladen gewehrt, doch ermöglicht erst diese ein Verständnis des Wertbezugs einer Konzeption; es gibt keine wertfreie Didaktik, sondern nur eine, die sich ihrer normativen Grundannahmen möglichst bewusst ist. Der grundsätzliche Wertbezug des Forschers bestimmt nämlich als erkenntnisleitendes Interesse sein vordergründige Leitziel, welches bei Giesecke in der Befähigung zur politischen Konfliktanalyse und letztlich in der Veränderung der Gesellschaft besteht
[...]
[1] Genau genommen, ist bereits diese Bezeichnung leicht tendenziös, denn bis in die Zeiten von Gieseckes „Didaktik der politischen Bildung“ hinein war es gerade der größte Streitpunkt innerhalb der Konzeptionen, ob man eine „staatsbürgerliche Erziehung“ wie in der Weimarer Republik oder aber eine „politische Bildung“ anstreben solle. Da sich gerade mit Gieseckes Werk die Geschichte für die „politische Bildung“ entschieden hat, soll der Einfachheit halber im folgenden von „Konzeption der politischen Bildung“ die Rede sein.
[2] Dies gilt genauso für Erwachsene, der Fokus liegt bei Giesecke aber auf der heranwachsenden Bevölkerung; sein Erfahrungshintergrund ist zwar außerschulischer Art (freie Jugendarbeit), doch umfasst seine Didaktik gerade auch den staatlich verordneten Politikunterricht.
[3] Begriff nach Schmiederer 1972: darunter werden Fischer, Hilligen und Rudolf Engehardt zusammengefasst.
[4] Nach Giesecke gab es kein Zurückfallen hinter diese vorsichtige Haltung für die Einmischung des Bürgers. Das Grundparadigma von Handeln oder Nicht-Handeln (s. Einleitung) war im Grundsatz entschieden. Später (1972) hat Giesecke im Zuge der 1968er eine entschiedenere, aktivere Einflussnahme der Menschen gefordert und zwar unter dem verfassungsrechtlich verankerten Zentralbegriff der „Mitbestimmung“, der durch die aktive Teilhabe der Zivilgesellschaft am politischen Prozess erst ausgefüllt werden müsse.
- Citar trabajo
- Anónimo,, 2004, Die Konfliktdidaktik von Hermann Giesecke, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39599
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