In der vorliegenden Arbeit werden Möglichkeiten aufgezeigt, die zur Realisierung einer intermodalen Verkehrsverlagerung der zu erwartenden Verkehrszuwächse in Europa und speziell in Deutschland beitragen können. Hierbei richtet sich der Fokus auf die Kooperation zwischen den Verkehrsträgern Luft und Schiene im Bereich des Personenverkehrssektors. Einführend erfolgt in Kapitel 2 ein Überblick über die heutige Verkehrssituation in Europa und Deutschland sowie eine gesonderte Darstellung der Entwicklung im Schienen- und Luftverkehrssektor. Nach Darlegung der Kerndefinitionen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) und für Kurzstreckenflüge wird in Kapitel 3 der Arbeit das europäische Flughafensystem und Schienen-Hochgeschwindigkeitsnetz analysiert um nachfolgend bestehende Verlagerungen von Kurzstreckenflügen zu Gunsten der Schiene zu erläutern. Als Grundlage dient hier ein Überblick über das europäische Flughafensystem, bei welchem auf die fünf größten europäischen Flughäfen (Hubs) London Heathrow, Frankfurt a. M., Paris Roissy-Charles de Gaulle, Amsterdam Schiphol und Madrid Barajas eingegangen wird. Die Flughafenstandorte werden bezüglich ihres Verkehrsaufkommens und ihrer Intermodalität untersucht. Im zweiten Teil dieses Kapitels werden ausgewählte HGV-Strecken nach ihrer Einbindung in das europäische Netz und ihrem Verkehrsaufkommen dargestellt. Im Umfang dieser Arbeit wird ausschließlich auf den HGV mit Rad-Schienen-Technik eingegangen. Die Technologie der Magnetschwebebahnen geht über den Rahmen dieser Arbeit hinaus, da sie einerseits in Europa noch keine Anwendung gefunden hat und andererseits in der heutigen Situation nur auf ausgewählten Strecken realisiert werden könnte, somit also kein ganzheitliches Netz erstellen könnte. Eine solche für den HGV innovative Technik würde in naher Zukunft nur zu Insellösungen führen. Bezüglich der bestehenden HGV-Strecken auf Rad-Schiene-Basis und vorhandener Verlagerungen erfolgt eine Darstellung der PBKAL (Paris/Brüssel/Köln /Amsterdam/London) mit den Teilstrecken Paris–London, Paris–Brüssel–Köln und Brüssel–Amsterdam sowie der Strecken Paris–Marseille des TGV Sud-Est/TGV Méditerranée (TGV = train à grand vitesse) und Madrid–Sevilla (AVE = Alta Velocidad Española) mit deren Charakteristika, die eine Verlagerung ermöglicht haben. Es folgt nach den europäischen Praxisbeispielen des dritten Kapitels der Übergang zur Situation in Deutschland. [...]
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen: Verkehrsentwicklung
2.1 Definitionen
2.1.1 Definition: Kurzstreckenflüge
2.1.2 Definition: Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV)
2.2 Allgemeine Verkehrsentwicklung in Europa und Deutschland
2.3 Die Verkehrsentwicklung im Schienenverkehrssektor
2.4 Die Verkehrsentwicklung im Luftverkehrssektor
3 Das europäische Flughafensystem und HGV-Netz
3.1 Das europäische Flughafensystem
3.1.1 Grundlagen zum europäischen Flughafensystem
3.1.2 Die fünf größten europäischen Flughäfen
3.1.2.1 London Heathrow (LHR)
3.1.2.2 Frankfurt a. M. (FRA)
3.1.2.3 Paris Roissy-Charles de Gaulle (CDG)
3.1.2.4 Amsterdam Schiphol (AMS)
3.1.2.5 Madrid Barajas (MAD)
3.2 Das europäische HGV-Netz
3.2.1 Grundlagen zum europäischen HGV-Netz
3.2.2 Ausgewählte HGV-Strecken
3.2.2.1 PBKAL: Paris / Brüssel / Köln / Amsterdam / London
3.2.2.1.1 Segment Paris – London
3.2.2.1.2 Segment Paris – Brüssel – Köln
3.2.2.1.3 Segment Brüssel – Amsterdam / HSL-Zuid
3.2.2.2 TGV Sud-Est / TGV Méditerranée: Paris – Marseille
3.2.2.3 AVE : Madrid – Sevilla
4 Das deutsche Flughafensystem und HGV-Netz
4.1 Das deutsche Flughafensystem
4.1.1 Grundlagen zum deutschen Flughafensystem
4.1.2 Innerdeutsches Verkehrsaufkommen im Luftverkehr
4.1.3 Die fünf bedeutendsten deutschen Flughäfen neben Frankfurt
4.1.3.1 München (MUC)
4.1.3.2 Düsseldorf (DUS)
4.1.3.3 Berlin (THF, TXL, SXF, BBI)
4.1.3.4 Hamburg (HAM)
4.1.3.5 Köln / Bonn (CGN)
4.2 Das deutsche HGV-Netz
4.2.1 Grundlagen zum deutschen HGV-Netz
4.2.2 Ausgewählte (HGV-)Strecken
4.2.2.1 ICE: Hannover – Würzburg
4.2.2.2 ICE: Mannheim – Stuttgart
4.2.2.3 ICE: Hamburg – Berlin
4.2.2.4 ICE: Hannover – Berlin
4.2.2.5 ICE: Frankfurt – Köln
4.2.2.6 Metropolitan: Köln – Hamburg
4.2.3 Zukünftige HGV-Projekte in Deutschland
4.2.3.1 Stuttgart – Ulm
4.2.3.2 Berlin – Leipzig / Halle – Erfurt – Nürnberg
4.2.3.3 Nürnberg – Ingolstadt – München
5 Das Verlagerungspotential von Kurzstrecken- flügen auf den schienengebundenen HGV
5.1 Verlagerungsrelevante Faktoren Luft / Schiene
5.1.1 Faktor Zeit
5.1.2 Faktor Kosten
5.1.3 Faktor Qualität
5.1.4 Faktor Relationen
5.1.5 Faktor Kooperation und Konkurrenz
5.1.5.1 Konkurrenz durch Low-Cost-Carrier
5.1.6 Weitere Faktoren
5.2 Kooperation Luft / Schiene
5.2.1 Vorteile einer Kooperation
5.2.2 Nachteile einer Kooperation
5.2.3 Bestehende Kooperations- / Seamless-travel-Angebote
5.2.3.1 AIRail
5.2.3.2 Rail&Fly
5.2.3.3 Codesharing
5.2.3.4 Kuriergepäck Flughafenservice
5.3 Thesen zum Verlagerungspotential in Deutschland
5.4 Verkehrsverlagerung im Rahmen der EU-Osterweiterung
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Experteninterviews
Experteninterviews – Leitfäden
Abbildungs- und Tabellennachweise
Ehrenwörtliche Erklärung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungen
Abbildung 1: Modal Split der Verkehrsleistung der EU-15
Abbildung 2: Modal Split der Verkehrsleistung in Deutschland
Abbildung 3: Stromsysteme des europäischen Eisenbahnnetzes
Abbildung 4: Langfristige Veränderungsrate des jährlichen Passagieraufkommens am FRA vs. BIP BRD
Abbildung 5: Punkt-zu-Punkt-Verkehr und Hub-and-spoke-System
Abbildung 6: Die 25 verkehrsstärksten Flughäfen Europas 2003
Abbildung 7: London Heathrow - LHR
Abbildung 8: Frankfurt a. M. - FRA
Abbildung 9: Paris Roissy-Charles de Gaulle - CDG
Abbildung 10: Amsterdam Schiphol - AMS
Abbildung 11: Madrid Barajas - MAD
Abbildung 12: Das japanische Shinkansen-Netz
Abbildung 13: Das französische TGV-Netz - Bestand und Planung
Abbildung 14: Europäisches HGV-Netz 2004
Abbildung 15: Entwicklung des HGV in Europa 1991-2001 (in Pkm)
Abbildung 16: Europäisches HGV-Netz 2020
Abbildung 17: Marktanteile Paris – Brüssel 1994 und 2000
Abbildung 18: Flughäfen und -plätze in Deutschland 2003
Abbildung 19: Passagieraufkommen der 20 verkehrsstärksten Strecken im innerdeutschen Luftverkehr sowie innerdeutsche Endzielaussteiger je Flughafen (ab 0,25 Mio. Passagiere) im Jahr 2004
Abbildung 20: Passagieraufkommen der 15 größten deutschen Flughafenstandorte im Jahr 2004
Abbildung 21: Direkte ICE-Verbindungen pro Tag auf den 20 verkehrsstärksten Relationen des innerdeutschen Luftverkehrs 2004
Abbildung 22: Das deutsche ICE-Netz 2005
Abbildung 23: Skizze der Verkehrsmittelbedeutung nach Entfernung und Reisezeit
Abbildung 24: Kostenstruktur Liniencarrier, Low-Cost-Carrier und ICE
Abbildung 25: Passagieraufkommen der 20 verkehrsstärksten Relationen im innerdeutschen Luftverkehr 2004
Tabellen
Tabelle 1: Grobeinschätzung der Verkehrsnachfrage für den BVWP 2003
Tabelle 2: Passagierzahlen der 25 verkehrsstärksten Flughäfen Europas 2003
Tabelle 3: Passagierzahlen im Jahr 2004 und Schienenanbindung der fünf größten europäischen Flughäfen im Vergleich
Tabelle 4: Endzielaussteiger im innerdeutschen Luftverkehr 2004
Tabelle 5: Passagieraufkommen der 20 verkehrsstärksten Strecken im innerdeutschen Luftverkehr im Jahr 2004
Tabelle 6: Passagierzahlen und Schienenanbindung der 15 größten deutschen Flughafenstandorte im Jahr 2004
Tabelle 7: Direkte ICE-Verbindungen pro Tag auf den 20 verkehrsstärkstenStrecken des innerdeutschen Luftverkehrs 2004
Tabelle 8: Das Verlagerungspotential der 50 verkehrsstärksten Relationen im innerdeutschen Luftverkehr 2004
1 Einleitung
In der vorliegenden Arbeit werden Möglichkeiten aufgezeigt, die zur Realisierung einer intermodalen Verkehrsverlagerung der zu erwartenden Verkehrszuwächse in Europa und speziell in Deutschland beitragen können. Hierbei richtet sich der Fokus auf die Kooperation zwischen den Verkehrsträgern Luft und Schiene im Bereich des Personenverkehrssektors.
Einführend erfolgt in Kapitel 2 ein Überblick über die heutige Verkehrssituation in Europa und Deutschland sowie eine gesonderte Darstellung der Entwicklung im Schienen- und Luftverkehrssektor.
Nach Darlegung der Kerndefinitionen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) und für Kurzstreckenflüge wird in Kapitel 3 der Arbeit das europäische Flughafensystem und Schienen-Hochgeschwindigkeitsnetz analysiert um nachfolgend bestehende Verlagerungen von Kurzstreckenflügen zu Gunsten der Schiene zu erläutern. Als Grundlage dient hier ein Überblick über das europäische Flughafensystem, bei welchem auf die fünf größten europäischen Flughäfen (Hubs) London Heathrow, Frankfurt a. M., Paris Roissy-Charles de Gaulle, Amsterdam Schiphol und Madrid Barajas eingegangen wird. Die Flughafenstandorte werden bezüglich ihres Verkehrsaufkommens und ihrer Intermodalität untersucht. Im zweiten Teil dieses Kapitels werden ausgewählte HGV-Strecken nach ihrer Einbindung in das europäische Netz und ihrem Verkehrsaufkommen dargestellt.
Im Umfang dieser Arbeit wird ausschließlich auf den HGV mit Rad-Schienen-Technik eingegangen. Die Technologie der Magnetschwebebahnen geht über den Rahmen dieser Arbeit hinaus, da sie einerseits in Europa noch keine Anwendung gefunden hat und andererseits in der heutigen Situation nur auf ausgewählten Strecken realisiert werden könnte, somit also kein ganzheitliches Netz erstellen könnte. Eine solche für den HGV innovative Technik würde in naher Zukunft nur zu Insellösungen führen.
Bezüglich der bestehenden HGV-Strecken auf Rad-Schiene-Basis und vorhandener Verlagerungen erfolgt eine Darstellung der PBKAL (Paris / Brüssel / Köln / Amsterdam / London) mit den Teilstrecken Paris – London, Paris – Brüssel – Köln und Brüssel – Amsterdam sowie der Strecken Paris – Marseille des TGV Sud-Est / TGV Méditerranée (TGV = train à grand vitesse) und Madrid – Sevilla (AVE = Alta Velocidad Española) mit deren Charakteristika, die eine Verlagerung ermöglicht haben.
Es folgt nach den europäischen Praxisbeispielen des dritten Kapitels der Übergang zur Situation in Deutschland. Im Zuge des vierten Kapitels folgt zunächst wie beim europäischen Flughafennetz eine Situationsbeschreibung der deutschen Flughäfen mit den Standorten München, Düsseldorf, Berlin, Hamburg und Köln / Bonn. Hierbei wird ihr Verkehrsaufkommen und der Grad ihrer Intermodalität untersucht. Anschließend erfolgt im Rahmen der Behandlung des deutschen HGV-Netzes eine nähere Analyse der Strecken Hannover – Würzburg, Mannheim – Stuttgart, Hamburg – Berlin, Hannover – Berlin und Frankfurt – Köln. Im weiteren Verlauf werden aktuelle Bau- und Planungsvorhaben im Bereich des HGV erläutert.
Das fünfte Kapitel und gleichzeitig Hauptteil der Arbeit untersucht das Verlagerungspotential von Kurzstreckenflügen auf den schienengebundenen Hochgeschwindigkeitsverkehr. Es werden eingangs verlagerungsrelevante Faktoren und ihre Bedeutung aufgezeigt. Im weiteren Verlauf wird auf bestehende Kooperationsangebote zwischen den Verkehrsträgern Luft und Schiene, sowohl mit ihren Vor- als auch Nachteilen sowie die Konkurrenz durch Low-Cost-Carrier analysiert. Für ausgewählte deutsche Strecken wird auf Basis der relevanten Faktoren eine Einschätzung zu weiteren Verlagerungspotentialen geliefert. Abschließend werden Potentiale, welche sich durch die EU-Osterweiterung ergeben könnten, untersucht.
Im zusammenfassenden sechsten Kapitel werden die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit herausgestellt und eine eigene Empfehlung bezüglich notwendiger Voraussetzungen für zukünftig funktionierende Verlagerungen getätigt.
2 Grundlagen: Verkehrsentwicklung
Zunächst soll ein Überblick über die derzeitige Situation der Verkehrsnachfrage in Europa, mit Fokus auf Deutschland, gegeben werden. Nach der Darstellung verschiedener Modal Splits (Anteile der verschiedenen Verkehrsträger an der gesamten Verkehrsleistung) folgt die Darstellung der Entwicklungen im Schienenverkehrs- sowie Luftverkehrssektor. Neben einer Beschreibung der bisherigen Entwicklung werden auch Entwicklungsprognosen aufgezeigt.
2.1 Definitionen
Um eine Definitionsbasis für die nachfolgenden Analysen zu erlangen werden im Folgenden die wichtigsten Komponenten der Themenstellung, Hochgeschwindigkeitsverkehr und Kurzstreckenflüge, definiert. Ergänzende Be-griffe, die einer Definition bedürfen, werden im Laufe der Arbeit an jeweiliger Position erläutert.
2.1.1 Definition: Kurzstreckenflüge
Flugstrecken können im Allgemeinen in Kurz-, Mittel- und Langstrecken unterschieden werden. Eine einheitliche Definitionsbasis existiert hierbei für den Begriff Kurzstreckenflug nicht. Bei Maurer (Maurer, 2003) werden allgemein innerdeutsche Flüge und Flüge ins benachbarte Ausland unter 1.000 km als Kurzstreckenflüge bezeichnet. Merkmale sind hierbei:
- Fluggeräte mit zwei Triebwerken,
- typische Reisezeiten bis 90 min,
- häufige Starts und Landungen, so genannte Cycles (Vorgang von Start bis Landung als zusammengefasstes Ereignis),
- durchschnittlich acht Flugstunden pro Tag,
- gute Start- und Landeleistungen, günstiger Treibstoffverbrauch im Steigflug, kurze Turnarounds (Bodenzeiten),
- Einsatz von Flugzeugen mit Propellerturbinen und kleinen Jets auf Strecken mit geringem Passagieraufkommen und Jets bei höheren Passagierzahlen.
Quelle: Maurer, 2003, S. 151
Die Deutsche Lufthansa AG unterteilt Kurzstreckenflüge ihrerseits in zwei Kategorien. Zum einen Ultrakurzstreckenflüge, die weniger als 250 km lang sind, bzw. deren Blockzeit (Zeit vom Verlassen der Gateposition oder auch Off-blocks bis zur Parkposition am Zielflughafen bzw. On-blocks) (Maurer, 2003) unter anderthalb Stunden betragen. Beispiele sind hierfür die deutschen Verbindungen von Frankfurt nach Köln, Düsseldorf, Stuttgart oder Nürnberg. Diese stellen meistens Zubringerflüge zu interkontinentalen Flügen dar. Zum anderen sind Kurzstreckenflüge diejenigen Verbindungen, die Distanzen unter 800 km zurücklegen. Beispiele sind hierfür die Strecken Hamburg – München oder Köln – Berlin. Kurzstreckenflüge weisen im Vergleich zu Mittel- und Langstreckenflügen zwar einen geringen Anteil an geflogenen Kilometern auf (rund 7 %), besitzen jedoch einen relativ hohen Anteil an Passagieren (Deutsche Lufthansa AG, 2005).
Ergänzt werden kann die Definition durch Angaben der DB Personenverkehr GmbH, welche eine Dreiteilung nach den Marktanteilen vornimmt. So nimmt die Schiene bis 300 km einen nahezu konkurrenzlosen Anteil ein. Zwischen 300 und 500 km herrscht der größte Wettbewerb mit Anteilen der Bahn bis 60 %. Ab 500 km sinken die Bahnanteile auf 30 bis 40 %, was jedoch stark von einzelnen Angeboten und Strecken abhängig ist (Born, 2005).
2.1.2 Definition: Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV)
Erst seit dem Zweiten Weltkrieg wird verstärkt Gebrauch vom Begriff des Hochgeschwindigkeitsverkehrs (HGV) gemacht. Die traditionellen Streckendeterminanten (u.a. Steigungen im Längs- und Querprofil, Kurvenradien und auch Sicherheitseinrichtungen) ermöglichen heute in der Regel je nach Triebfahrzeug Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h. Für Geschwindigkeiten, die über diese Grenze hinausgehen, sind technische Neuerungen der Trasse als auch der Fahrzeuge von Nöten. In der vorliegenden Arbeit wird der Schwellenwert von V = 200 km/h genutzt, um den Hochgeschwindigkeitsverkehr von dem übrigen Schienenverkehr abzugrenzen. Seitens der Union Internationale des Chemins de fer (UIC) und der Generaldirektion Verkehr der Europäischen Kommission wird dieser Schwellenwert ebenfalls als Definitionsgrenze für den HGV genutzt. Beide Institutionen merken jedoch an: „There is no single standard definition of high speed rail.“ (UIC, 2004). Demnach wird der HGV zusätzlich nach den Bereichen Infrastruktur, Fahrzeuge, und Kohärenz der Infrastruktur- und Fahrzeugkennwerte definiert.
European Union definition of Highspeed: DIRECTIVE 96/48/EC APPENDIX 1:
“The trans-European High Speed rail System
1) Infrastructure
a) The infrastructure of trans-European High Speed system shall be that on the trans-European transport network identified in Article 129C of the Treaty:
- those built specially for High Speed travel
- those specially upgraded for High Speed travel.
They may include connecting lines, in particular junctions of new lines upgraded for High Speed with town centre stations located on them, on which speeds must take account of local conditions.
b) High Speed lines shall comprise:
- Specially built High Speed lines equipped for speeds generally equal to or greater than 250 km/h,
- Specially upgraded High Speed lines equipped for speeds of the order of 200 km/h
- Specially upgraded High Speed lines which have special features as a result of topographical, relief or town-planning constraints, on which the speed must be adapted to each case.
2) Rolling stock
The High Speed advanced-technology trains shall be designed in such a way as to guarantee safe, uninterrupted travel:
- at a speed of at least 250 km/h on lines specially built for High Speed, while enabling speeds of over 300 km/h to be reached in appropriate circumstances,
- at a speed of the order of 200 km/h on existing lines which have been or are specially upgraded,
- at the highest possible speed on other lines.
3) Compatibility of infrastructure and rolling stock
High Speed train services presuppose excellent compatibility between the characteristics of the infrastructure and those of the rolling stock. Performance levels, safety, quality of service and cost depend upon that compatibility.”
Quelle: UIC, Definitions of High Speed, 2004
2.2 Allgemeine Verkehrsentwicklung in Europa und Deutschland
Der ständig wachsende technische Fortschritt ermöglicht heutzutage eine Vielzahl von Möglichkeiten des internationalen Güteraustausches und der Personenbeförderung mit immer kürzeren Transportzeiten. Die steigenden Verkehrszahlen im Bereich des Frachtverkehrs sind weitestgehend auf neue Trends im Transportwesen wie Liberalisierung des Welthandels, Just-in-time Produktionen und die damit induzierten Lagerhaltungen auf der Straße und auf E-Commerce zurückzuführen. Weiterhin führen Outsourcing-Prozesse und Lohngefälle innerhalb der EU zu internationalen Unternehmensverflechtungen und Arbeitsteilungen mit einer Ausweitung der Zulieferradien und Absatzmärkte, die auch grenzüberschreitend zu einem verstärkten Verkehrswachstum führen. „Die internationale wirtschaftliche Verflechtung [hat] zur Folge, dass ein größerer Koordinations- und Kooperationsbedarf entsteht.“ (BMVBW, 2003, S. 7). Dies bewirkt sowohl im Güter- aber vor allem auch im Geschäftsreiseverkehr eine Zunahme der Wegedistanzen und -häufigkeiten, die im Geschäftsreiseverkehr meistens mit dem Flugzeug getätigt werden.
Aber auch außerhalb des Geschäftsreiseverkehrs gibt es im Personenverkehr deutliche Trends, die für ein weiteres Wachstum des Verkehrssektors sprechen. Die Handlungsräume der Menschen weiten sich durch verbesserte Infrastrukturangebote und schnellere Verkehrsmittel, aber auch durch Faktoren wie der räumlichen Trennung der drei Grunddaseinsfunktionen Arbeiten, Wohnen, Versorgen stetig aus. Hinzu kommt, dass die Zahl der Haushalte insgesamt in Deutschland durch ein leichtes Bevölkerungswachstum von 2,74 % zwischen 1991 (80,3 Mio. Menschen) und Ende 2003 (82,5 Mio. Menschen) (BMVBW, 2000 / Destatis, 2003) als auch durch eine gesteigerte Anzahl von Singlehaushalten angewachsen ist. So war zwischen 1991 und 1998 eine Zunahme der privaten Haushalte von 35,3 Mio. auf 37,9 Mio. zu verzeichnen (BMVBW, 2000). Auch in Europa (EU-15) ist die Gesamtbevölkerung um ca. 24 %, von 366,2 Mio. im Jahr 1991 auf 454,6 Mio. im Jahr 2003 angewachsen (Eurostat, 2003 & 2004 a). Aus diesem Bevölkerungszuwachs entsteht eine weitere Steigerung des Verkehrsaufkommens durch Fahrten zur Arbeitsstelle, zu Versorgungseinrichtungen und für Freizeitaktivitäten.
Insgesamt zeigen sich die Verkehrszuwächse und die gesteigerte Mobilität der Bevölkerung beispielsweise an den in Deutschland pro Tag und pro Person zurückgelegten Wegstrecken. Diese lagen im Jahr 1958 noch bei fünf Kilometern und erreichten im Jahr 1998 bereits 25 Kilometer (Kulke, E., 1998). Im Vergleich zu 1998 ist die Wegstrecke pro Person pro Tag in nur sechs Jahren um ca. 55 % gestiegen und lag im Jahr 2002 bei 39 Kilometern pro Person (BMVBW, 2002). Dabei liegt die Reisedauer pro Tag pro Person mittlerweile bei 82,5 min (BMVBW, 2002). Nahezu 1 h 30 min leistet also jeder Bundesbürger pro Tag für die Teilnahme am Verkehr. Die gestiegene Mobilität der Bevölkerung wird auch deutlich, wenn man die Anzahl der Pkw pro 1.000 Einwohner betrachtet. Diese hat sich in den letzten 30 Jahren von rund 217 im Jahr 1973 (EU-15) auf 500 im Jahr 2001 (EU-15) mehr als verdoppelt (Eurostat, 2003).
Laut dem Bundesverkehrswegeplan 2003 lag im Jahr 1997 die Gesamtleistung des Personenverkehrs bei rund 943 Mrd. Pkm (Personenkilometer), die Verkehrsleistung des Güterverkehrs insgesamt bei 371 Mrd. tkm (Tonnenkilometer). Auf Basis des Integrationsszenarios des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) ab 1997, welches die „[...] nicht immer widerspruchsfreien ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen an die Verkehrspolitik soweit wie möglich in Übereinstimmung bringt [...]“ (BMVBW, 2003), werden für das Jahr 2015 folgende Prognosen erstellt: Die Verkehrsleistung des Personenverkehrs wird voraussichtlich auf 1.130 Mrd. Pkm (+ 20 %) und die des Güterverkehrs auf 608 Mrd. tkm (+ 64 %) steigen. Ziel müsse es hierbei sein, den dominierenden Gebrauch des Verkehrsträgers Straße verstärkt auf alternative Möglichkeiten wie Binnenwasserstraßen für den Güterverkehr und Schienenstrecken in der Nutzung sowohl durch Güter- als auch Personenverkehre zu verlagern. „Die Mobilität der Zukunft wird nur durch das intelligente Zusammenspiel von Straße, Schiene, Wasserstraße und Luftraum in einem vernetzten Verkehrssystem ermöglicht.“ (BMVBW, 2003 a, S. 27).
Tabelle 1: Grobeinschätzung der Verkehrsnachfrage für den BVWP 2003
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BMVBW, 2003, S. 11 / Eigene Zusammenstellung
Bei der Aufschlüsselung der Verkehrsleistung nach einzelnen Verkehrsträgern wird deutlich, dass die Straße eine dominierende Rolle einnimmt. Sowohl im Personenverkehr als auch im Güterverkehr hat dieser Verkehrsträger seit Jahren eine scheinbar unaufholbare Position eingenommen. Auch die prognostizierten Verkehrszuwächse werden in erster Linie von der Straße aufgenommen werden.
Abbildung 1: Modal Split der Verkehrsleistung der EU-15
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: IHK Aachen, 2005, S. 2
Abbildung 2: Modal Split der Verkehrsleistung in Deutschland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: IHK Aachen, 2005, S. 2
Das angestrebte wirtschaftliche Wachstum wird auch in Zukunft zu weiter steigenden Verkehrszahlen führen. Um diesem Wachstum nicht im Weg zu stehen und dennoch das Verkehrswachstum ökonomisch und nachhaltig sinnvoll zu gestalten und zu steuern ist eine intermodale Verkehrsplanung nötig. Eine abgestimmte Verkehrspolitik muss das Netz der Verkehrsträger leistungsfähiger ausbauen, welches jedoch auch wiederum weiteren Verkehr induziert. Wichtiger hingegen ist es, Bereiche zu fördern in denen eine Verlagerung und Vernetzung der Verkehrsmittel angestrebt wird. Der Verkehrsträger Schiene muss bei einer angestrebten Verlagerung die nötigen Voraussetzungen schaffen, konkurrenzfähig gegenüber dem Straßen- und Luftverkehr agieren zu können. Um die derzeitige Situation des Schienenverkehrssektors deutlicher herauszustellen wird im Folgenden auf die Entwicklung des Schienenverkehrssektors eingegangen.
2.3 Die Verkehrsentwicklung im Schienenverkehrssektor
Das Zeitalter des Schienenverkehrs begann in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts in England. Bereits 1813 wurde die erste funktionsfähige Dampflokomotive Puffing Billy hergestellt. Im Jahr 1825 wurde dann die erste Dampf-Eisenbahn ausschließlich für den Güterverkehr auf der Strecke Stockton – Darlington eingesetzt, bevor 1830 die ersten Personentransporte zwischen Liverpool und Manchester stattfanden. Als Grundmodell diente die von Georg Stephenson entwickelte Lokomotive Rocket, welche damals die langsamen Pferdebahnen durch Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h rasch ablöste (Martinsen, 1997).
Erst gut zehn Jahre nach den ersten in England praktizierten Eisenbahnfahrten wurden auch auf dem europäischen Festland die ersten Eisenbahnen betrieben. In Belgien wurde Anfang Mai 1835 die Strecke Mecheln – Brüssel in Betrieb genommen ehe Ende des gleichen Jahres in Deutschland die Strecke Nürnberg – Fürth eröffnet wurde. In den folgenden Jahren erhielten auch Frankreich (Paris – St. Germain, August 1837), Österreich (Floridsdorf – Deutsch-Wagram, November 1837), die Niederlande (Amsterdam – Haarlem, September 1839), Italien (Neapel – Portici, September 1839) sowie Dänemark (Altona – Kiel (bis 1849 dänisch), September 1844) und die Schweiz (Zürich – Baden, August 1847) ihre ersten Eisenbahnstrecken (Dünbier, 1984).
Die Situation in Deutschland, damals in mehrere Teilstaaten gegliedert und daher meist national ausgerichteten Interessen innerhalb der Teilstaaten, führte zunächst zu einem Eisenbahnbau, der sich keineswegs mit den Vorschlägen von Friedrich List deckte. List trat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderst für ein einheitliches Zollgebiet und den Eisenbahnbau ein. Er forderte bereits im Jahre 1833 ein zusammenhängendes Eisenbahnnetz, da dieses die ökonomische Situation Deutschlands positiv beeinflussen würde. Oft wurden jedoch die Strecken „[...] nicht rein nach technisch-ökonomischen Gesichtspunkten gebaut [...], sondern mussten zur Vermeidung von Konflikten mit Nachbarstaaten unter ungünstiger Streckenführung innerhalb der Landesgrenzen verlaufen.“ (Dünbier, 1984, S. 12). Durch den Zusammenschluss der deutschen Teilstaaten im Jahr 1871 wurde auch ein einheitliches Eisenbahnnetz notwendig, was 1920 zur Gründung der Deutschen Reichsbahn führte. Die Entwicklung in Deutschland verdeutlicht so die Bedeutung des Schienennetzes und seiner positiven Wirkung auf ein Zusammenwachsen mehrerer Teilstaaten.
„High-speed railways might help increase cohesion in today`s Europe, just as conventional railways had done on a national level.“ (Roll, 1996, S. 2).
Die Länge der europäischen Schienenstrecken wuchs durch starke Bautätigkeiten von 3.000 km im Jahr 1840 auf 224.000 km im Jahr 1890 bei einer durchschnittlichen jährlichen Baurate von ca. 4.400 km (Dünbier, 1984). Die Bautätigkeiten der meisten europäischen Bahnen verliefen ähnlich wie in Deutschland in drei Bauphasen. Bis ungefähr 1880 wurden die meisten Hauptstrecken fertiggestellt (1. Phase) und bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges waren weitere Nebenstrecken in Betrieb gegangen (2. Phase). Als dritte Phase lässt sich der Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg herausstellen, in der die mittlerweile 100 Jahre alten Strecken nicht mehr den technischen Neuerungen der Triebfahrzeuge entsprachen. Die entstehenden Kapazitätsengpässe der Strecken wurden seitdem durch Aus- und Neubauten der Strecken kompensiert, vorrangig mit dem Ziel einer Geschwindigkeitserhöhung.
Durch die Weimarer Reichsverfassung von 1919 standen die deutschen Einzelstaaten vor der Auflage, „[...] die dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen bis zum 1. April 1921 in sein Eigentum (Anm.: Eigentum des deutschen Reiches) zu übernehmen und als einheitliche Verkehrsanstalt zu verwalten.“ (Rossberg, 1977, S. 45). Aus diesem Grund kam es, wie schon erwähnt, 1920 zur Gründung der Deutschen Reichsbahn, welche 1922 eine Netzgröße von ca. 53.600 km aufwies. (Rossberg, 1977). Kriegsverluste des Ersten und Zweiten Weltkrieges und damit verbundene Zerstörungen und Abtretungen durch Reparationszahlungen setzten dem deutschen Eisenbahnwesen stark zu. Dennoch wuchs insgesamt das Streckennetz und wies 1945 eine Länge von 45.000 km Normalspurbahnen auf (Rossberg, 1977).
Die politische Situation Deutschlands bedingte eine Aufteilung des Streckennetzes auf die verschiedenen Besatzungszonen. Auf der Seite der ehemaligen DDR bestand weiterhin die Deutsche Reichsbahn mit einer Netzgröße von ca. 18.000 km Normal- und Schmalspurbahnen im Jahre 1938, während auf der Seite der BRD die Strecken der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone mit Wirkung des 7. Septembers 1949 in die Deutsche Bundesbahn (DB) übergingen. Eine einheitliche Betriebsstruktur der DB trat jedoch erst 1952 mit einer Vielzahl von Bahndirektionen im gesamten Bundesgebiet in Kraft. Anfang der neunziger Jahre entschied sich die Bundesregierung nach der Wiedervereinigung zu einer umfassenden Bahnreform.
Die Bahnreformgesetze wurden notwendig, da die Bahn wirtschaftlich ungünstige und untragbare Voraussetzungen aufwies. Zum einen sanken die Anteile des Bahnverkehrs trotz eines allgemeinen Verkehrswachstums und zum anderen stellten zunehmende finanzielle Defizite mit beispielsweise vier Milliarden DM Fehlbetrag am Ende des Jahres 1989 und zugleich einem Schuldenstand von 44 Mrd. DM ein nicht länger tolerierbares Haushaltsrisiko des Bundes dar (DB AG, 2003). Die Bahnreform war in zwei Stufen angelegt und bewirkte zum 1. Januar 1994 den Übergang der bis dahin staatlich geführten Deutschen Bundesbahn und Deutschen Reichsbahn in ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen. Somit entstand vor nun rund zehn Jahren die Deutsche Bahn AG (DB AG). Hauptrangige Ziele dieser Reform waren es, die Produktivität der Bahn zu steigern und einen Wettbewerb zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen auf dem betriebenen Netz zu erwirken. Der Übergang von staatlichen in unternehmerische Aufgaben beinhaltete auch die Garantie seitens der Regierung, bezüglich Aus- und Neubauten der Schieneninfrastruktur unterstützend tätig zu sein. Im Schienenpersonennahverkehr wurde im Rahmen der ersten Stufe zum 1. Januar 1996 eine Regionalisierung eingeleitet, welche eine Übertragung der Verantwortung auf Länderebene bewirkte. In der zweiten Stufe der Bahnreform wurden aus dem Gesamtkonzern DB AG mehrere Geschäftsbereiche ausgegliedert. Seit dem 1. Januar 1999 bestehen als Teilbereiche die von der Holding DB AG gesteuerten, koordinierten und kontrollierten Bereiche der DB Fernverkehr AG, DB Netz AG (Fahrweg), DB Regio AG (Nahverkehr), DB Station&Service AG (Personenbahnhöfe) und Railion Deutschland (Güterverkehr) mit eigener Entscheidungsbefugnis und Ergebnisverantwortung für ihre Unternehmensbereiche.
Die angesprochene Bahnreform wuchs aus der erkannten Notwendigkeit heraus, einer jahrzehntelangen Vernachlässigung von Investitionen in die Infrastruktur der Eisenbahnen und konstantem Rückgang des Schienennetzes entgegenzuwirken. Zwischen 1950 und 1976 nahm die Länge der Schienen der Bundesbahn von 30.500 km auf 28.800 km ab (Rossberg, 1977). Bis 1990, dem Jahr der deutsch-deutschen Wiedervereinigung, waren auf Bundesseite rund 45 % der Strecken (11.700 km) elektrifiziert und ca. 46 % (12.300 km) mehrgleisig ausgebaut. Auf Seiten der Deutschen Reichsbahn bot sich eine unzureichend in Stand gehaltene Infrastruktur. So waren 1990 hier nicht einmal 30 % der Strecken (3.800 km) elektrifiziert und gerade einmal ein Drittel mehrgleisig ausgebaut (DB AG, 2003). Mit der Bahnreform mussten zahlreiche Investitionen getätigt werden, so dass alle Ausgaben im Modernisierungsprogramm bis 2003 ein Volumen von rund 70 Mrd. Euro erreichten.
Heute beträgt die Länge der in Deutschland betriebenen Strecken rund 35.600 km, wovon ca. 19.400 km (54,5 %) elektrifiziert sind (DB AG, 2003). Noch Anfang 2003 betrug die Betriebslänge der DB AG jedoch noch ungefähr 41.000 km. Auf europäischer Ebene (EU-15) ist das Schienennetz in den letzten 30 Jahren von 153.300 km auf 148.600 km gesunken (Eurostat, 2003), wobei in Deutschland vor allem zwischen 1995 und 2001 die stärkste Reduzierung (- 13,7 %) stattfand (Eurostat, 2003), welches die Auswirkungen der Programme Mora-C (Marktorientiertes Angebot - Cargo) und Mora-P (Marktorientiertes Angebot - Personenverkehr) der DB AG zeigt. Die Aufgabe unrentabler Strecken im Zuge dieser Pogramme bewirkte einen Rückzug der Bahn aus der Fläche, so dass die Bahn vor allem im Nahbereich kaum Konkurrenz zum Verkehrsträger Straße bietet. Eine Verkehrsverlagerung ist hier daher derzeit weiter eingeschränkt.
Grenzüberschreitend ergeben sich weitere Probleme, die vor allem technisch bedingt sind und zu erheblichen Zeitverlusten führen. Es existieren auf europäischer Ebene drei unterschiedliche Spurweiten, fünf verschiedene Stromsysteme, sieben divergierende Signaltechniken sowie mindestens zwölf unterschiedliche nationale Zugsteuerungs- und Sicherungssysteme.
Abbildung 3: Stromsysteme des europäischen Eisenbahnnetzes
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Messerschmidt, 1997, S. 63
Technische Neuerungen erlauben zwar geringere Zeitverluste durch den Einsatz von Mehrsystemtriebfahrzeugen, zu beachten ist hierbei jedoch, dass solche Mehrsystemtriebfahrzeuge sowohl „[...] in der Beschaffung, im Unterhalt als auch im Energieverbrauch aufwendiger als vergleichbare Einsystemfahrzeuge gleicher Leistung [sind] [...]“ (Dünbier, 1984). Beim Grenzübertritt sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit des Schienengüterverkehrs beispielsweise auf gerade einmal 18 km/h (Europäische Kommission, 2001). Weiterhin muss in vielen Fällen neben einem Lok-Tausch auch ein Wechsel des Personals erfolgen. Ab 2006 soll ausländischen Eisenbahnen der Zutritt zu den jeweiligen Märkten in ganz Europa geöffnet und ab 2007 sollen sogar Kabotagetransporte (rein nationale Beförderungsleistungen durch ausländische Eisenbahnunternehmen) auf den derzeit insgesamt 150.000 km Bahnstrecken ermöglicht werden. Deutschland nimmt beim Öffnungsprozess für einen freien Wettbewerb eine Vorreiterrolle ein. Bereits heute nutzen ca. 280 Unternehmen, davon 260 der DB AG konzernfremde Eisenbahnen, das deutsche Schienennetz (DB AG, 2003)
Die Entwicklung des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes soll in Kapitel 3.2 näher betrachtet werden. Zunächst folgt ein Überblick über die Entwicklung des Luftverkehrssektors als Ausblick für das in Kapitel 3.1 behandelte europäische Flughafensystem.
2.4 Die Verkehrsentwicklung im Luftverkehrssektor
Der Bereich des Luftverkehrs ist im Vergleich zum Straßenverkehr, dem Verkehr auf dem Wasserweg und der Schiene der jüngste Verkehrssektor. Es gab bereits Ende des 18. Jahrhunderts erste vereinzelte Luftfahrten, als beispielsweise am 03. Oktober 1785, „[...] der Franzose Jean Pierre Blanchard [...] von Frankfurt a. M. [...] aus in einer etwa halbstündigen [Ballon-] Fahrt nach Weilburg an der Lahn [...]“ flog (Flughafen Frankfurt Main AG, 1986) und Frankfurt somit zum ersten deutschen Startplatz im Luftverkehrswesen wurde. Mit der Stationierung des Luftschiffes Viktoria Luise ab dem 14. Februar 1814 wurde in Frankfurt die Passagier-Luftfahrt eingeläutet. Die erste Flugmaschine, der Flyer No.1 von den Gebrüdern Wright konstruiert, erhob sich erst rund neunzig Jahre später in den USA. In einem zwölf Sekunden dauernden Flug flog zum ersten Mal aus eigener Kraft eine Flugmaschine am 17. Dezember 1903 über die Dünen von Kitty Hawk, North Carolina (DLR, 2003). Mit dem Ersten Weltkrieg kam es zu einem vorläufigen Einbruch der sich entwickelnden zivilen Luftfahrt in Europa. Ebenso führte in Deutschland der Vertrag von Versailles zu Flugverboten und Zerstörung von Fluggeräten. So erklärt sich auch, dass der zivilen Luftfahrt an den meisten Flugplätzen eine militärische Nutzung vorausging, von der man sich aber vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg entfernte und eine Entmischung der Nutzungsinteressen vornahm. Es entstanden schwerpunktmäßig zivil oder militärisch genutzte Flugplätze. Der Flughafen Amsterdam Schiphol wurde beispielsweise ab 1945, London Heathrow ab 1946 und Frankfurt a. M. ab 1950 zivil genutzt.
In Deutschland besteht eine statistische Erhebung über die Entwicklung des deutschen Fluglinienverkehrs bereits seit Ende des Ersten Weltkrieges. Im Jahr 1919 wurden so 2.000 Passagiere und 10 t Fracht befördert. Der planmäßige deutsche Luftverkehr setzte erst ab 1925 ein, als 55.000 Passagiere und 520 t Fracht sowie 290 t Post transportiert wurden. Seit diesem Zeitpunkt begann ein stetiges Wachstum, welches jedoch durch wirtschaftliche und politische Faktoren zum Teil erheblich gebremst wurde. Nach einem Einbruch während der Weltwirtschaftskrise bis 1933 stiegen die Passagierzahlen bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges wieder stärker an und überschritten 1938 die Grenze von 300.000 Passagieren pro Jahr. Der Zweite Weltkrieg wiederum bewirkte einen Rückgang der Passagierbeförderungen im Luftverkehr, mit dessen Ende und der Besatzung durch die Alliierten Truppen die deutsche Luftfahrt vor dem Aus stand (Seifert, 1999).
Die Deutsche Luft Hansa als nationale Fluggesellschaft wurde am 6. Januar 1926 aus einem Zusammenschluss der Deutschen Aero Lloyd und der Junkers Luftverkehr gegründet und nahm ihren Liniendienst mit dem 6. April des gleichen Jahres auf. Nach Restriktionen durch die Alliierten wurde der Flugverkehr, auf die „[...] militärischen Bedürfnisse der Besatzungsmächte [...]“ (Seifert, 2001) aufbauend, zügig wieder aufgenommen. Am 6. Januar 1953 kam es zur Neugründung der Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf (Luftag), die im folgenden Jahr den heute bestehenden Namen Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft übernahm. Seitens der Deutschen Lufthansa AG konnte der Betrieb ab dem 1. April 1955 wieder aufgenommen werden.
In den Nachkriegsjahren erholte sich der deutsche Flugverkehr schnell von seinen Restriktionen und die Verkehrszahlen verdoppelten sich in nur drei Jahren von 980.000 Passagieren im Jahr 1952 auf 2,6 Mio. Passagiere im Jahr 1955. Das Wachstum hielt weiter an, so dass 1970 ca. zwanzigmal so viele Passagierbeförderungen im Luftverkehrs gegenüber 1952 stattgefunden hatten (1970: 21,3 Mio. Passagiere). In weiteren Zehn-Jahres-Schritten sieht die Entwicklung wie folgt aus: 1980 ca. 35,9 Mio., 1990 rund 62,5 Mio. und im Jahr 2000 bereits 118,2 Mio. Fluggäste (Seifert, 2001).
Weltweit gesehen verlief die Entwicklung des Luftverkehrs in der Personenbeförderung ebenfalls steigend. Wurden 1970 noch 380 Mio. Passagiere auf dem Luftweg transportiert, so wuchs diese Zahl bis 1980 auf 750 Mio. an und erreichte 1990 ein Volumen von 1,12 Mrd. Passagieren. Im Jahr 2003 nutzten weltweit rund 1,66 Mrd. Passagiere das Verkehrsmittel Flugzeug (ICAO, 2004).
Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Luftverkehr im Gegensatz zu allen anderen Verkehrsarten in den letzten 20 Jahren die stärksten Zuwächse verzeichnet hat. „Die Verkehrsleistung in Personenkilometern [hat] seit 1980 im Durchschnitt um 7,4 % zugenommen, während sich das Verkehrsaufkommen auf den Flughäfen der 15 [EU-] Mitgliedstaaten seit 1970 verfünffacht hat.“ (EU-Kommission, 2001). Das Passagieraufkommen der EU-15 Staaten hat sich zwischen 1973 und 2001 von 173,4 Mio. auf 769,4 Mio. mehr als vervierfacht (Eurostat, 2003). Bis 2010 wurde seitens der Fluggesellschaften eine Verdoppelung des Luftverkehrs und eine Anteilssteigerung des Luftverkehrs am Personenverkehr zwischen 1990 und 2010 von 4 % auf 8 % prognostiziert (EU-Kommission, 2001).
Eine zunehmend global ausgerichtete Wirtschaftsstruktur, Kundenwünsche, hochwertige Produkte in möglichst kurzen Zeiten international auszuliefern sowie die nach wie vor ungebremsten Verkehre durch den Tourismus bewirken eine stetig steigende Nachfrage nach Flugverbindungen auf nationaler, europäischer und interkontinentaler Ebene. Hinzu kommt, dass eine schnelle Erreichbarkeit von Wirtschaftszentren und Unternehmensstandorten zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil geworden ist und für ein weiteres ökonomisches Wachstum sorgen kann.
Um den steigenden Verkehrszahlen gewachsen zu sein bedarf es mittel- bis langfristiger Kapazitätssteigerungen und einer effektiveren Nutzung der vorhandenen Infrastruktur.
Auf Grund der derzeitigen Struktur des Luftverkehrssystems konzentrieren die Luftverkehrsgesellschaften ihre Aktivitäten auf internationale Großflughäfen als Drehkreuze ihrer innergemeinschaftlichen und internationalen Tätigkeit. So werden die Verkehrszuwächse vor allem an diesen so genannten Hubs zu Überlastungen führen. Auswirkungen auf das Flugverkehrsmanagement und notwendige Anpassungen im Bereich der Lärmemissionen werden hierbei nicht ausbleiben.
Bereits mehr als die Hälfte der 50 größten europäischen Flughäfen hat ihre Kapazitätsgrenze am Boden bereits erreicht oder steht kurz davor. Anfang der neunziger Jahre zählten Flughäfen wie London Heathrow, London Gatwick, Frankfurt a. M., München, Mailand, Malaga, Palma de Mallorca und Athen zu den Frequency-limited Airports (Hoyle / Knowles, 1992). Bis zum Jahr 2000 sah Airbus Industries die Grenzen bei 16 weiteren europäischen Flughäfen erreicht. Unberücksichtigt blieben hierbei jedoch Ausbaupläne der jeweiligen Flughäfen. Im Sommer 2004 lag die Auslastung am Frankfurter Flughafen beispielsweise bei bis zu 94 %, wobei in bestimmten Wellen ein Nachfrage-Überhang vorhanden war. Die durch Kapazitätsengpässe entstehenden Verspätungen bedingen in ihrer Folge neben einem Imageverlust auch in erheblichem Maße Kosten. Verzögerungen erfordern längere Arbeitszeiten des Boden- wie auch Luftpersonals, Zusatzkosten durch Holdingzeiten in der Luft (Warteschleifen mit erhöhtem Treibstoffverbrauch). Diese Kosten in Verbindung mit Imageschäden der Airlines führen zu Markt- bzw. Nettoverlusten (Fakiner, 2005).
Den rasanten Zuwächsen steht jedoch auch eine starke Abhängigkeit von externen wirtschaftlichen und politischen Parametern gegenüber, so dass hier in Krisenzeiten unmittelbar Einbrüche im Luftverkehrssektor eintreten. Die weltweite Konjunkturschwäche der letzten Jahre, von welcher Länder wie Deutschland mit einer hohen internationalen Verflechtung besonders betroffen sind sowie die Auswirkungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 führten zu erheblichen Einbußen im internationalen Luftverkehr. Einem Anstieg von 8,3 % bis zum Jahr 2000 stand ein Rückgang von 2 % bis zum Jahr 2001 gegenüber. Vor allem im letzten Quartal des Jahres 2001, nach den Anschlägen in den USA, kam es zu drastischen Einbrüchen im Fluggastaufkommen. So verzeichneten im vierten Quartal 2001 einige europäische Staaten einen Rückgang im Fluggastaufkommen auf internationalen Extra-EU-Strecken von bis zu 42 % (Eurostat, 2004 b).
Am Beispiel der langfristigen Veränderungsrate des jährlichen Passagieraufkommens am Flughafen Frankfurt gegenüber dem deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird der enge Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Konjunktur bzw. externer Faktoren und dem Verlauf des Verkehrsaufkommens im Luftverkehr deutlich.
Abbildung 4: Langfristige Veränderungsrate des jährlichen Passagieraufkommens am FRA vs. BIP BRD
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Fraport AG, 2004, S. 39
3 Das europäische Flughafensystem und HGV-Netz
Im folgenden Kapitel wird die Situation des europäischen Luftverkehrssektors sowie die des Schienen-HGV analysiert. Hierzu erfolgt eine Statusbeschreibung der fünf größten europäischen Hubs. Im Anschluss werden für den Schienen-HGV eingehende Grundlagen sowie HGV-Streckenbeispiele aufgezeigt.
3.1 Das europäische Flughafensystem
Bei der Analyse des europäischen Flughafensystems erfolgt nach einem allgemeinen Überblick und einer Begriffsabgrenzung die spezielle Analyse der fünf größten europäischen Flughäfen London Heathrow (Three Letter Code laut der International Air Transport Association (IATA): LHR), Frankfurt a. M. (FRA), Paris Roissy-Charles de Gaulle (CDG), Amsterdam Schiphol (AMS) und Madrid Barajas (MAD).
3.1.1 Grundlagen zum europäischen Flughafensystem
Flughäfen werden durch das deutsche Luftverkehrsgesetz (LuftVG), durch die International Civil Aviation Organisation (ICAO), durch den Flugsicherungsdienst Air Traffic Control (ATC) und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen e.V. (ADV) unterschiedlich klassifiziert (Vgl. Maurer, 2003). Die vorliegende Arbeit orientiert sich an der Einteilung der ADV, die Flughäfen nach ihrer Funktion klassifiziert. Demnach werden internationale Verkehrsflughäfen, regionale Verkehrsflughäfen, Sonderflughäfen, Verkehrslandeplätze und Sonderplätze voneinander unterschieden. Im folgenden Kapitel werden allein die fünf größten europäischen internationalen Verkehrsflughäfen behandelt, welche in den interkontinentalen Linienverkehr eingebunden sind sowie Verbindungen zu anderen internationalen Flughäfen innerhalb Europas und des eigenen Landes besitzen.
Diese Flughäfen werden auch als Hubs oder auch Megahubs bezeichnet , welche die zentrale Rolle im so genannten Nabe-Speichen-System oder Hub and Spoke System einnehmen und in der Gruppe der internationalen Verkehrsflughäfen hervorzuheben sind.
Abbildung 5: Punkt-zu-Punkt-Verkehr und Hub-and-spoke-System
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Fraport AG, 2005, S. 15
Hub and Spoke Systeme, welche zunächst wie Umwegverkehre aussehende Flugverbindungen aufweisen, haben sich in der Praxis als durchaus wirtschaftlich erwiesen. Hierbei werden Zubringerverkehre (Speiche oder Spokes) gebündelt und an dem Hub (Nabe) neu verteilt. Durch ein derartiges System erfolgt eine höhere Auslastung sowie ein größeres Angebot an Destinationen, welche von den Hubs aus angeflogen werden können.
Die nachfolgend behandelten Hubs sind „[...] Ausgangspunkte für interkontinentale Langstreckenflüge, Knotenpunkte für innereuropäische Flüge und Heimatflughäfen (Homebase) großer europäischer Fluggesellschaften [...]“ (Maurer, 2003, S. 72). In Europa besteht ein Netz von über 450 internationalen Flughäfen. Hierbei spielen die schon erwähnten Hubs die zentrale Rolle, ergänzt durch eine Vielzahl weiterer kleinerer internationaler Flughäfen (ACI Europe, 2004).
Tabelle 2: Passagierzahlen der 25 verkehrsstärksten Flughäfen Europas 2003
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: ACI Europe, 2005 / Eigene Zusammenstellung
Abbildung 6: Die 25 verkehrsstärksten Flughäfen Europas 2003
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In den letzten Jahren hat sich im internationalen Flughafenwesen die Tendenz zu Privatisierungen von Flughäfen durchgesetzt. Ebenso wie der Schienenverkehr wurde der Luftverkehr früher als „[...] ein hoheitliches Transportmittel im Sinne eines öffentlichen Gutes betrachtet [...]“ (Maurer, 2003, S. 21), was zur Folge hatte, dass in Deutschland die Verkehrsflughäfen im Mehrheitsbesitz von Bund und Ländern waren. Die Erkenntnis, dass ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen Vorteile gegenüber einem staatlichen Unternehmen im Bereich der Effizienz und Marktanpassung hat, führte zu einem Rückbau der staatlichen Kapitalbeteiligungen an derartigen Einrichtungen.
Hinzu kommt ein weiterer Faktor, der eine Privatisierung notwendig macht: Ein Großteil der Flughäfen stößt wegen genannter Verkehrszuwächse an seine Kapazitätsgrenzen und macht in der Regel einen Ausbau der Flughafeninfrastruktur notwendig. Hierbei sind hohe Investitionssummen von Nöten, die durch privates Kapital finanziert werden sollen um damit die Belastung der Haushaltskassen zu mindern. „Die ICAO schätzt den Kapitalbedarf der Airports für den Ausbau der Infrastruktur allein in den nächsten 12 Jahren auf 350 Mrd. US-Dollar [...]“ (Maurer, 2003, S. 21).
3.1.2 Die fünf größten europäischen Flughäfen
Im Folgenden werden die fünf bedeutendsten Hubs des europäischen Luftverkehrs, London Heathrow, Frankfurt a. M., Paris Roissy-Charles de Gaulle, Amsterdam Schiphol und Madrid Barajas, im Einzelnen erläutert.
Tabelle 3: Passagierzahlen im Jahr 2004 und Schienenanbindung der fünf größten europäischen Flughäfen im Vergleich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: ACI International, 2005 / Eigene Zusammenstellung
3.1.2.1 London Heathrow (LHR)
Die britische Hauptstadt London verfügt über einen Airport -Verbund, zu welchem London Heathrow, London Gatwick, London Stansted und der City Airport gehören. Allein London Heathrow wird nach seiner Größe und Funktion als Megahub bezeichnet und daher als einziger Londoner Flughafen im Rahmen dieser Arbeit behandelt.
Im Ersten Weltkrieg wurde in der Nähe von Hounslow Heath ein Trainingsgelände des Royal Flying Corps errichtet, wodurch sich in London zunächst eine rein militärische Nutzung als Ausgangspunkt bot. Zu klein werdende Flächen bedingten im Jahr 1929 den Erwerb neuer Flächen nahe Heathrow, welches den Namen des heutigen Flughafens prägt. Heute ist hier das Terminal 3 zu finden. Während des Zweiten Weltkrieges entschied das Secretary of State for Air, dass nach dem Krieg ein leistungsfähiger Zivil-Flughafen geschaffen werden müsse. Offiziell eröffnet wurde der rein zivil zu nutzende Flughafen dann am 31. Mai 1946. Damals wurden bereits 18 Destinationen angeflogen und insgesamt 60.000 Passagieren befördert. Die heute bestehenden Terminals wurden 1955 (heute Terminal 2 für Kurzstreckenflüge), 1957 (für Langstreckenflüge, ein zweites Gebäude für Kurzstreckenflüge und ein Cargo-Terminal im Südwesten des Airports), 1962 (Terminal 3), 1968 (Terminal 1) sowie 1986 (Terminal 4) errichtet. Bis zum Frühjahr 2008 soll ein weiteres Terminal (Terminal 5) eröffnet sein. Die drei heute bestehenden Start- und Landebahnen haben eine Länge von 3.900 m (Nord-Bahn), ca. 3.660 m (Süd-Bahn) und rund 1.970 m (Ost-Bahn).
Die British Airports Authority (BAA), 1966 gegründet, fungiert als Betreiber-, Management- und Kontrollgesellschaft des Flughafens. Als erster Flughafen weltweit wurde im Juli 1987 Heathrow privatisiert. Betreibergesellschaft ist seitdem die BAA Heathrow, als Tochtergesellschaft der BAA plc (plc = public limited company / entspricht einer Aktiengesellschaft), die heute im Vereinigten Königreich an sieben und weltweit an 13 Airports operativ tätig ist (BAA plc., 2004 b). Der Flughafen selbst bietet 68.000 Personen einen Arbeitsplatz, 3.800 davon allein durch die BAA Heathrow (BAA Heathrow, 2003).
Abbildung 7: London Heathrow - LHR
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: The XYZ Digital Map Company, 2005
Der Flughafen LHR ist trotz seiner vergleichsweise geringen Anzahl von zwei Start- und Landebahnen sowie einer nur 1.970 m langen Bahn und vier Terminals der wichtigste europäische Hub im Personenluftverkehr.
Die Intermodalität am Flughafen LHR
Die Hub-Funktion, welche Heathrow besitzt, zeigt sich nicht nur an den zahlreichen internationalen Destinationen, sondern auch in der Intermodalität (bodenseitige verkehrliche Anbindung). Der Flughafen, ca. 25 km im Westen der Londoner Innenstadt, liegt unmittelbar in Nähe der Autobahnen M4 Swansea – London und der Londoner Ringautobahn M 25. Heathrow hat mit 34 % weltweit den größten Anteil an Passagieren, die mit Verkehrsmitteln des ÖPNV anreisen. Bis 2007 versucht BAA Heathrow diesen Prozentsatz auf 40 %, danach bis auf 50 % auszubauen (BAA Heathrow, 2001).
Seit dem 23. Juni 1998 besitzt LHR zudem eine durchgehende Schienenverbindung zur Londoner Innenstadt. Bedient wird diese durch den von der BAA gebauten und betriebenen Heathrow Express (HEX) (BAA plc, 2002). Mit einem 15-min-Takt stellt der HEX eine attraktive Alternative gegenüber anderen Verkehrsmitteln dar. Allein 2003 transportierte der HEX 5,1 Mio. von insgesamt bisher 27 Mio. Passagieren und machte nach nur fünf Jahren einen Anteil von 29 % in der Verkehrsmittelwahl der Passagiere aus (BAA plc., 2004 a). Der HEX hat die Fahrzeit zwischen der Station Paddington im Westen der Londoner Innenstadt bis zum Flughafen von einer Stunde auf 15 min reduziert. Im Laufe des Jahres 2005 wird der HEX auch Ealing Broadway, West Ealing, Hanwell, Southall und Hayes anbinden und somit potentiellen vier Millionen Passagieren eine Schienenverbindung von und zum Flughafen bereitstellen (BAA plc., 2004 a). Des Weiteren soll eine Fernverbindung nach Manchester über die West Coast main line aufgebaut werden.
Verkehrsaufkommen
Im Geschäftsjahr 2000 wurde ein Volumen von ca. 64 Mio. Passagieren am Flughafen gemessen. Im darauf folgenden Jahr setzten Konjunkturschwäche und die Auswirkungen des 11. Septembers dem Fluggastaufkommen zu und reduzierten die Verkehrszahlen des Jahres 2000 auf ein Passagieraufkommen von rund 60,4 Mio. Passagieren im Geschäftsjahr 2001 (BAA plc, 2002). Im Geschäftsjahr 2003 erreichte der Flughafen mit einem Passagiervolumen von 64,3 Mio. wieder das Niveau des Jahres 2000 und übertraf dieses 2004 durch ein Volumen von 67,3 Mio. Passagieren (ACI, 2005 a). Der Flughafen LHR lag damit weltweit gesehen auf Platz drei hinter Atlanta - ATL (83,6 Mio. Passagiere) und Chicago - ORD (75,4 Mio. Passagiere) (ACI, 2005 b).
Im Cargo-Luftverkehr lag LHR mit 1,41 Mio. t im Jahr 2004 in Europa auf Platz vier hinter Frankfurt FRA (1,84 Mio. t), Paris CDG (1,64 Mio. t) und Amsterdam AMS (1,47 Mio. t) sowie weltweit auf dem 17. Rang (ACI, 2004).
Rund 90 Airlines bedienen heute mit bis zu 1.250 Flügen pro Tag von Heathrow aus weltweit 183 Destinationen (BAA plc, 2004 b). Spitzenverbindungen waren 2003 die Strecken London – New York JFK mit 2,56 Mio. Passagieren sowie die Verbindungen nach Amsterdam mit 2,05 Mio., Dublin mit 2,04 Mio., Paris CDG mit 1,97 Mio. und Edinburgh mit 1,66 Mio. Passagieren (BAA plc, 2004 c).
Zukünftige Entwicklungen am Flughafen London Heathrow
Die schon angesprochenen Kapazitätsgrenzen betreffen auch den Flughafen LHR. Aus diesem Grund hat das Secretary of State for Environment, Transport and the Regions im November 2001 die Erlaubnis zum Bau des Terminal 5 erteilt. Der bis 2008 voraussichtlich fertiggestellte Terminalneubau soll eine zusätzliche Anzahl von 30 Mio. Passagieren pro Jahr im Abfertigungsbereich aufnehmen können. Somit sind unter anderem Passagierströme verkraftbar, die mit der neuen Flugzeuggeneration des Airbus A 380 kommen werden. Die Gesamtkapazität von LHR wird damit voraussichtlich auf 90 Mio. Passagiere pro Jahr ansteigen (BAA plc, 2004 a). Am Terminal 5 wird als verkehrlicher Anschluss ein eigener Autobahnanschluss sowie eine Station des HEX und der Piccadilly Line der Londoner U-Bahn errichtet. Zusätzlich bestehen Überlegungen, eine dritte nördliche Start- und Landebahn zu errichten, was jedoch auf erhebliche Proteste stößt, da hier teilweise Ortschaften verlegt werden müssten.
3.1.2.2 Frankfurt a. M. (FRA)
Der zweitgrößte europäische Flughafen in Frankfurt a. M. wurde 1936 als Flug- und Luftschiffhafen Rhein-Main eröffnet (Flughafen Frankfurt Main AG, 1986) und befindet sich heute gut zehn Kilometer südwestlich der Frankfurter City. Er ist eine international bedeutende Luftverkehrs-Drehscheibe und einflussreicher Standortvorteil für zahlreiche Wirtschaftsunternehmen des Rhein-Main-Gebietes.
Die Auflagen durch den Vertrag von Versailles bedingten, dass sich die Stadtverwaltung Frankfurts gegenüber den Alliierten bemühte, den Flugplatz auf dem Gutshof Rebstock als Notlandeplatz weitestgehend in Stand zu halten. Im Herbst 1922 wurde der Flugbetrieb auf dem alten Flughof Rebstock wieder aufgenommen und zwei Jahre später gründete sich die Südwestdeutsche Luftverkehrs AG, welche die rechtliche Vorgängerin der heutigen Fraport AG darstellte. Im Gründungsjahr 1924 wurden 234 Starts und Landungen mit 536 Fluggästen und ca. 1 t Post gezählt, wobei in den Anfangsjahren Destinationen wie München und Berlin angeflogen wurden. Zum Jahreswechsel 1933 / 34 beschlossen die Nationalsozialisten die schon erfolgten Untersuchungen zur Planungen eines Flughafen-Neubaus in die Realität umzusetzen. Das neue Gelände und heutiger Standort ist im Südwesten des Stadtzentrums unmittelbar am Frankfurter Kreuz (A5 Kassel – Frankfurt – Mannheim und A3 Köln – Frankfurt – Würzburg) gelegen. Am 8. Mai 1936 konnte der Flughafen FRA offiziell eröffnet werden. Zu den wichtigsten angeflogenen Destinationen gehörten ab diesem Zeitpunkt Berlin, Paris, London, Mailand und Rom. Mit dem Kriegsausbruch im September 1939 wurde der Flughafen von der Luftwaffe requiriert und gleichzeitig Ziel zahlreicher alliierter Bombenangriffe. Nach dem Krieg setzten unter meist freiwilliger Mitarbeit ehemaliger Angestellter der Flughafengesellschaft die Aufbauarbeiten in Gang.
Im Jahr 1948 starteten von Frankfurt aus die so genannten Schokoladen-Flieger und Rosinenbomber, mit denen die US-Besatzung Berlin während der sowjetischen Blockade mit Gütern aller Art via Luftbrücke versorgte. In diesem Zusammenhang konnte im Dezember 1949 eine 2.150 m langen Parallelbahn zur bestehenden Start- und Landebahn in Betrieb genommen werden. Ab 1950 wurde der Flughafen wieder für den Besucherverkehr freigegeben und ausschließlich für die zivile Luftfahrt genutzt. FRA erfuhr dadurch in den nachfolgenden Jahren ein enormes Verkehrswachstum. Zum Destinationsangebot gehörten auch Langstreckenziele wie New York, San Fransisco und Tokio, damals noch teilweise mit technisch notwendigen Zwischenlandungen. Die Verschiebung und Verlängerung der beiden bestehenden Start- und Landebahnen auf 3.600 m (Nordbahn) und 3.000 m (Südbahn) nahm man 1979 in Angriff, welche 1984 durch eine 4.000 m lange Westbahn ergänzt wurden. Die beiden heute bestehenden Terminals öffneten 1972 (Terminal 1) und 1994 (Terminal 2) ihre Pforten. 1997 wurde das FAG-Cargo-Terminal in der CargoCity Süd in Betrieb genommen.
Die Betreibergesellschaft Verkehrsaktiengesellschaft Rhein-Main wurde 1953 in die Frankfurt Main AG umbenannt, welche im Jahr 2000 wiederum einen neuen Namen bekam und seit dem als Fraport AG existiert. Diese wurde zum 11. Juni 2001 als erster Flughafenbetreiber an der (Frankfurter) Börse notiert.
Der Frankfurter Flughafen ist ein wichtiger Arbeitgeber in der Rhein-Main Region. Die Fraport AG beschäftigte 2003 insgesamt rund 13.000 Mitarbeiter. Am Flughafen selbst befinden sich ca. 460 Unternehmen mit über 63.000 Arbeitsplätzen (darunter allein 30.000 durch den Lufthansa Konzern), was den Airport zur größten Arbeitsstätte Deutschlands macht (Fraport AG, 2004 b). Die Fraport AG hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Global Player entwickelt und ist inzwischen an mehr als 50 Standorten national und weltweit operativ tätig.
Abbildung 8: Frankfurt a. M. - FRA
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Space Imaging, 2005
Die Intermodalität am FRA
Die Drehkreuzfunktion des Frankfurter Flughafens äußert sich nicht nur in seiner Bedeutung als Start- und Zielpunkt zahlreicher Verkehrsrelationen sondern auch in der Funktion als Umsteigestation. Die Fraport AG schätzt die Zahl der Umsteiger sowie die der Zusteiger auf je 50 %. Hierbei sieht es die Fraport AG als erklärtes Ziel an seine Hubfunktion international zu behaupten und diese kontinuierlich und nachhaltig auszubauen.
Die landseitige Verkehrsanbindung von FRA spielt zudem eine bedeutende Rolle in der Erfüllung seiner Hub-Kompetenz. Die zentrale Lage in Deutschland und Europa begünstigt hierbei eine Verdichtung der Verkehrswege zu einem Verkehrsknotenpunkt. Der Flughafen fügt sich in einen Schnittpunkt nationaler und internationaler Verkehrswege ein. Mit dem Verkehrsträger Straße ist FRA unmittelbar durch die Autobahn A3 Ruhrgebiet – Köln – Mainz / Offenbach – Würzburg – München und die A5 Hamburg – Hannover – Kassel – Darmstadt / Heidelberg – Basel angeschlossen (Mühlmeyer / Weber, 1996). Regional wird die Erreichbarkeit durch weitere Verbindungselemente und Zubringerautobahnen sowie zum Teil mehrspurig ausgebaute Bundesstraßen ergänzt.
Mittels ÖPNV ist der Flughafen im Fernverkehr durch Busverbindungen mit Destinationen wie Heidelberg, Mannheim oder Heilbronn verknüpft. Passagieren der Deutschen Lufthansa AG, Thomas Cook, SAS und South African wird bereits in Heidelberg ein Check-in-Point angeboten (o.V., 2003 a). Im Nahbereich bieten weitere Buslinien Anschlussmöglichkeit an den Flughafen.
Über den Verkehrsträger Schiene wird FRA über den in der Nähe des Terminal 1 befindlichen Tiefbahnhof sowie den seit 1999 in Betrieb genommenen Fernbahnhof nördlich der Terminals durch den Nah- und Fernverkehr bedient. Der Tiefbahnhof, auch als Regionalbahnhof bezeichnet, ist Haltepunkt verschiedener Straßen- und Regionalbahnen, wobei die Fahrzeit vom Flughafen zur Frankfurter City ca. 10 min beträgt. Der Fernbahnhof ist seit August 2002 auch Haltepunkt der neuen ICE 3-Strecke Köln – Frankfurt, die in Kapitel 4.2.1.5 analysiert wird.
Die Fraport AG bietet seit dem 1. März 2001 in Kooperation mit der DB AG und der Deutschen Lufthansa AG, welche FRA als Homebase nutzt, den so genannten AIRail Service auf den Strecken Stuttgart Hbf. – Frankfurt Fernbahnhof sowie seit dem 5. Mai 2003 Köln Hbf. – Frankfurt Fernbahnhof an. Auf das Leistungsangebot des AIRail wird in Kapitel 5.2.3.1 näher eingegangen. Mit 96 ICE- und Fernzügen pro Tag sowie über 300.000 Passagieren pro Monat liegen die Passagierzahlen am Fernbahnhof höher als vergleichsweise am Regionalbahnhof mit rund 225.000 Passagieren pro Monat, bei 225 Verbindungen pro Tag. Die starke Nutzung des ICE (InterCity Express) als bevorzugtes Reisemittel zum und vom Flughafen Frankfurt spiegelt sich auch in den ICE-Passagierzahlen von 1,9 Mio. im Jahr 2001 wider (Fraport AG, 2002).
Der Frankfurter Flughafen ist auch über den Wasser- bzw. Flussweg angebunden, über den ein Teil des benötigten Treibstoffs über Rhein und Main angeliefert wird. Die Hydranten-Betriebsgesellschaft (HBG) hat einen eigenen Mainhafen in Kelsterbach, von dem zwei Pipelines zum Flughafen führen. Neben diesen Pipelines ist der Flughafen auch an eine Pipeline aus Rotterdam sowie an die NATO-Pipeline angeschlossen.
Verkehrsaufkommen
Der Flughafen Frankfurt stellt Verbindungen zu weltweit etwa 290 Zielen in rund 110 Ländern bereit. Über 100 Airlines aus aller Welt fliegen regelmäßig den Frankfurter Flughafen an. Im Jahr 2000 lagen die Verkehrszahlen bei rund 49,4 Mio. Passagieren, gingen kontinuierlich zurück und bedingten so ein Passagiervolumen von 48,4 Mio. bis zum Jahr 2003. Im Jahr 2004 nutzten 51,1 Mio. Passagiere den Flughafen (ACI, 2005 b). FRA lag damit im europäischen Vergleich auf Platz Zwei hinter LHR. Weltweit gesehen belegte FRA den siebten Platz.
Im Cargo-Segment erzielte FRA im Jahr 2004 ein Volumen von 1,84 Mio. t umgeschlagener Güter und befindet sich damit wieder oberhalb der Ergebnisse des Jahres 2000 (1,71 Mio. t) (ACI, 2005 a / Fraport AG, 2004 a). Im internationalen Vergleich rangiert FRA somit an europäischer Spitze vor Paris CDG (1,64 Mio. t) in Europa und auf Platz sieben weltweit (Plätze 1-3: Memphis MEM: 3,55 Mio. t, Hong Kong HKG: 3,13 Mio. t, Tokio NRT: 2,37 Mio. t) (ACI, 2005 a).
Zukünftige Entwicklungen am Flughafen Frankfurt
Um steigende Verkehrszahlen bewältigen zu können hat die Fraport AG einen Ausbauplan entworfen, der die Erweiterung des Start- und Landebahnsystems sowie den Bau neuer Terminalanlagen und notwendiger Infrastruktureinrichtungen vorsieht. Ohne eine Erweiterung sei laut der Fraport AG die Kapazitätsgrenze bereits im Laufe diesen Jahres erreicht. Der Frankfurter Flughafen verliere daher bereits heute Passagiere und Fracht an andere europäische Großflughäfen (Fraport AG, 2002). Durch den Bau einer neuen Start- und Landebahn können die Flugbewegungen von 80 auf 120 Bewegungen pro Stunde angehoben werden. Favorisiert wird bezüglich des Neubaus einer vierten Bahn eine Nord-West Variante, deren Gelände Teil des Kelsterbacher Waldes (Mönchwald) ist. Nachdem die Fraport AG im September 2003 alle notwendigen Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren eingereicht hat, wird mit einer Inbetriebnahme der neuen Bahn, je nach Dauer des gesetzlichen Planungsverfahrens, im Jahr 2006 gerechnet.
Ein neuzubauendes Terminal im Süden des Flughafens soll in Zukunft 25 Mio. Passagieren zusätzlich alle Anlagen zur Abfertigung bieten (Fraport AG, 2004).
3.1.2.3 Paris Roissy-Charles de Gaulle (CDG)
Der Aéroport Paris Roissy-Charles de Gaulle, ca. 25 km nordöstlich der Innenstadt, ist einer von zwei stadtnahen internationalen Flughäfen der französischen Hauptstadt. Er ist der größte vor Paris Orly (ORY), welcher sich ca. 15 km südlich der Stadt befindet. In der Region um Paris gibt es weiterhin eine Vielzahl kleinerer Flughäfen und Verkehrslandeplätze.
Die heutige Betreibergesellschaft Aéroports de Paris (ADP) existiert bereits seit 1945. Sie ist heute Besitzer und Manager von 14 Pariser Flughäfen. Weltweit agiert das Unternehmen aber auch unterstützend an Airports in Ländern wie Japan (Osaka Airport), Tunesien, Iran (Teheran), Mexiko, Kambodscha, Belgien (unter Beteiligung der SAB am Lütticher Airport) sowie in Staaten Afrikas (Ägypten, Guinea, Kamerun und Madagaskar) (ADP, 2004). Der gesamte Airport beschäftigte im Jahr 2003 rund 75.000 Angestellte in ca. 700 Unternehmen und stellt somit, wie auch die bereits behandelten Hubs, einen der wichtigsten Arbeitgeber in seiner Region dar (ADP, 2004 b).
Die Geschichte des Flughafens CDG beginnt erst in den 1960er Jahren mit den Planungen eines weiteren Flughafens als Ergänzung zum bestehenden Flughafen Paris Orly. 1966 begannen die Bauarbeiten für den neuen Flughafen mit zwei parallelen Start- und Landebahnen sowie einer dazwischen gelegenen Bauzone, auf welcher die Abfertigungsanlagen errichtet wurden. Zunächst erhielt der Flughafen den Namen Paris Roissy, wurde später dann in Paris Roissy-Charles de Gaulle umgetauft. Im Jahre 1974 schließlich wurde dieser mit einer Start- und Landebahn sowie dem heute bestehenden Terminal CDG 1 in Betrieb genommen. Das Terminal weist eine Kapazität von ca. zehn Mio. Passagieren pro Jahr auf und wurde 1981 durch ein weiteres notwendig gewordenes Terminal (CDG 2) ergänzt.
Zwischen 1983 und 1993 entstanden weitere Terminal-Teilbereiche des modular aufgebauten CDG 2. Insgesamt weist dieses Terminal mit fünf Teilbereichen eine Kapazität von rund 30 Mio. Passagieren auf. Im Mai 1999 wurde ein neuer Terminalbereich (T 2F), welches von CDG 2 durch den Umsteigebahnhof des Hochgeschwindigkeitszuges TGV abgetrennt ist, für Passagiere freigegeben. Der vor allem für Umsteiger gedachte Komplex weist eine Kapazität von zehn Millionen Passagieren pro Jahr auf (Cuadra, 2002). Als drittes Terminal dient das Terminal 9, welches für Charter- und Gruppenreisen gedacht ist.
Weitere Kapazitätsengpässe führten dazu, dass der Flughafen erneut Ausbauten vornehmen musste. Im Jahr 2000 konnten so zwei neue Start- und Landebahnen das bestehende System entlasten. Heute hat CDG damit vier Start- und Landebahnen sowie drei Terminalkomplexe (CDG 1, CDG 2 und T9).
Abbildung 9: Paris Roissy-Charles de Gaulle - CDG
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: L`académie de Versailles, 2005
Die Intermodalität des Flughafens CDG
Der Flughafen liegt in unmittelbarer Nähe zur Autobahn A1, welche Paris mit Lille verbindet. Bis ins Zentrum von Paris beträgt die Fahrtzeit etwa 45 min. Weiterhin ist CDG über die A104 an die A4 angebunden, die Paris mit dem Nordosten Frankreichs verbindet. Die A4 führt über Reims und Metz bis an die französisch-deutsche Grenze bei Saarbrücken und weiter Richtung Süden nach Straßburg. Durch zahlreiche Bundes- bzw. Nationalstraßen ist der Flughafen außerdem mit seinem direkten Umland eng vernetzt.
Am Flughafen sind verschiedene Angebote des ÖPNV vorhanden. Zu diesen gehört beispielsweise der Roissybus, der alle 15 min eine Verbindung bis zur Opéra in Paris mit 45 min Fahrzeit anbietet sowie der Air France Bus, welcher alle 12 min zum Arc de triomphe bei einer Fahrzeit von 35 min, bzw. 45 min zwischen CDG und Montparnasse verkehrt. Darüber hinaus bedienen weitere Linienbusse die Strecke zum Gare de l`Est im 15 min-Takt bei 50 min Fahrt bzw. den Gare du Nord in 20 min Fahrzeit (o.V., 2004).
Der Flughafen CDG ist über den Schienenweg sowohl an das Regionalnetz RER (Réseau Express Régional) als auch an das Fernverkehrsnetz über verschiedene HGV-Verbindungen des TGV und Thalys angebunden. Die Regionalzüge halten am RER-Bahnhof, der sich zwischen den Terminals T9 und CDG 2 befindet. Von hier aus fahren alle 15 min Züge in Richtung Gare du Nord mit Fahrzeiten bis zu 25 min. Am Terminalkomplex CDG 2 ist zwischen den Bereichen 2C / 2D und den neugebauten Terminalbereichen 2F und 2E (1998 und 2003 eröffnet) der TGV-Bahnhof integriert.
Verkehrsaufkommen
Im Jahr 2000 fertigte der Flughafen, welcher der französischen Fluggesellschaft Air France als Homebase dient, 48,3 Mio. Passagiere bei 508.000 Flugbewegungen ab. Im ereignisreichen Folgejahr 2001 sank diese Zahl leicht auf 48 Mio. Passagiere und erreichte im Jahr 2002 wieder das Ergebnis von 2000 mit einem Volumen von 48,3 Mio. Passagieren. Im Geschäftsjahr 2003 sanken diese Zahlen jedoch wieder leicht auf ein Volumen von 48,2 Mio., was neben den wirtschaftlichen und weltpolitischen Faktoren auch auf die Öffnung neuer TGV-Verbindungen in Frankreich zurückzuführen ist. So hat die neue Relation Paris – Mittelmeerraum zu einer Verlagerung beigetragen, was in Kapitel 3.2.2.2 hervorgehoben wird.
Im europäischen Vergleich lag CDG mit 50,9 Mio. Passagieren in 2004 auf Platz drei hinter LHR und FRA. Weltweit gesehen belegte CDG den achten Platz mit größerem Abstand zum Flughafen Amsterdam Schiphol, welcher ungefähr 8,3 Mio. Passagiere weniger abfertigte (ACI, 2005 b). Mit rund 170 Airlines können von Paris CDG aus weltweit ca. 510 Destinationen in 130 Staaten angeflogen werden (ADP, 2004 b).
Des Weiteren nimmt der Flughafen im europäischen Cargowesen eine bedeutende Rolle ein. Im Jahr 2000 lagen die am Pariser Flughafen CDG umgeschlagenen Gütermengen noch bei 1,61 Mio. t. Im darauf folgenden Jahr erreichte das Umschlagsvolumen nur noch eine Größenordnung von 1,48 Mio. t und hat damit einen geringeren Rückgang der Verkehrszahlen als bei den Passagierzahlen verzeichnet. 2004 lag das umgeschlagene Frachtvolumen bei 1,64 Mio. t (ACI, 2005 a). Vergleicht man dieses Aufkommen mit anderen europäischen Airports, lag der Flughafen CDG nach beförderter Cargomenge auf dem zweiten europäischen Rang. Weltweit gesehen rangierte der Flughafen in 2004 auf Platz 15.
Am CDG befindet sich ein zentrales Postverteilerzentrum für die französische Hauptstadt, welches zugleich zu einem wichtigen Knotenpunkt im europäischen Postverkehr geworden ist. Wichtigstes Transportunternehmen am Flughafen ist das weltweit größte Express-Luftfrachtunternehmen FedEx aus den USA (Memphis / Tennesse). Erst 1992 nahm FedEx seine Dienste am CDG auf, kündigte bereits vier Jahre später aber in einer Pressemitteilung an, Paris CDG zum europäischen Zentral-Hub auszubauen (FedEx, 2003).
Zukünftige Entwicklungen am Flughafen Paris Roissy-Charles de Gaulle
Die ADP hatte bereits in ihrem Finanzbericht für 2001 weitere Kapazitätserweiterungen in Form von Aus- und Umbauten am Flughafen vorgesehen. So plant man eine Erweiterung des Terminals T9, die eine Kapazitätssteigerung von derzeit zwei Millionen auf zukünftig dreieinhalb Millionen Passagiere bringen wird. Weitere Projekte sind die Renovierung des Terminalkomplexes CDG 1 und die Realisation eines führerlosen Transportmittels, welches ab Ende 2005 die zwei Terminalkomplexe verknüpfen soll. Ein weiteres Projekt ist eine geplante Schienenverbindung zwischen dem Flughafen und dem Gare de l´Est, durch den so genannten CDG-Express. Dieses unter Zusammenarbeit der Réseau Ferré de France (RFF) und der nationalen Eisenbahn-Gesellschaft Société nationale des chemins de fer France (SCNF) erstellte Vorhaben soll ab 2008 verwirklicht werden und alle 15 min mit einer Fahrzeit von 15 min die genannte Strecke bedienen.
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- Quote paper
- Cornelius Bahrdt (Author), 2005, Das Verlagerungspotential von Kurzstreckenflügen auf den schienengebundenen Hochgeschwindigkeitsverkehr, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39419
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