Der „Movimento Sociale Italiano“ (MSI) war die einzige größere europäische Partei der Nachkriegszeit, die sich offen zu faschistischen Wurzeln und zu einer neofaschistischen Ideologie bekannte. Dass der MSI in Gestalt seiner Nachfolgeorganisation „Alleanza Nazionale“ seit Mai 2001 bereits zum zweiten Mal Teil der italienischen Regierungskoalition ist, aber auch die Tatsache, dass er über fünf Jahrzehnte hinweg die viertgrößte Partei des Landes darstellte, macht ihn interessant als Objekt einer politikwissenschaftlichen Fragestellung. Dabei sollen in dieser Arbeit die genauen Umstände des „Durchbruchs“ Mitte der neunziger Jahre weniger im Mittelpunkt stehen als die Bedingungen, die zum Überleben der Partei seit 1946 beigetragen haben. Ist der electoral support jeder Partei anhand sozialer, struktureller und politischer Begleitumstände erklärbar, so muss auch die Frage nach der Überlebensfähigkeit speziell einer neofaschistischen Gruppe beantwortbar sein.
Somit soll also versucht werden, das Phänomen MSI in einer Längsschnittanalyse zu erklären, oder, um einen Begriff aus der Biologie zu nutzen, die „ökologische Nische“ der Partei festzulegen. Der programmatisch-ideologische Aspekt soll dabei bewusst ausgeklammert bleiben, da es uns allein um externe Faktoren geht.
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Inhaltsverzeichnis
- A Einleitung
- B Das italienische Parteiensystem bis 1994
- B.1 Das italienische Parteiensystem bis 1994
- B.2 Politische Kultur(en)
- C Der MSI: Geschichte und Wählerstruktur
- C.1 Parteigeschichte
- C.2 Wählerstruktur
- D Erklärung des Phänomens MSI
- D.1 Strukturelle Rahmenbedingungen
- D.2 Soziale Bedingungen
- D.3 Psychologischer Erklärungsansatz
- E Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Bedingungen für das langfristige Überleben des Movimento Sociale Italiano (MSI), einer neofaschistischen Partei in Italien, von 1946 bis zu ihrem Aufstieg in die Regierungskoalition im Mai 2001. Der Fokus liegt weniger auf dem "Durchbruch" der Partei in den 1990er Jahren, sondern auf den Faktoren, die ihr Überleben über Jahrzehnte hinweg ermöglichten. Die Arbeit analysiert die "ökologische Nische" des MSI, indem sie externe Faktoren wie soziale, strukturelle und politische Bedingungen berücksichtigt. Der programmatisch-ideologische Aspekt bleibt bewusst ausgeblendet.
- Das italienische Parteiensystem vor dem Hintergrund der Gesellschaftsstruktur
- Die politische Kultur Italiens und ihre Auswirkung auf das MSI
- Die Geschichte des MSI und seine Wählerstruktur
- Erklärungsansätze für das Überleben des MSI aus der Faschismusforschung
- Die "ökologische Nische" des MSI und die Faktoren, die sein Überleben ermöglichten
Zusammenfassung der Kapitel
A Einleitung: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach den Gründen für das langfristige Überleben des MSI in Italien. Sie skizziert den Ansatz, die "ökologische Nische" der Partei zu analysieren, indem externe Faktoren untersucht werden, und betont die Ausklammerung des programmatisch-ideologischen Aspekts.
B Das italienische Parteiensystem bis 1994: Dieses Kapitel beschreibt das italienische Parteiensystem bis 1991, charakterisiert durch polarisierten Pluralismus, starke Zersplitterung und weit auseinanderliegende Pole des Rechts-Links-Kontinuums. Es hebt das Misstrauen zwischen Christdemokraten und Kommunisten hervor, das zu einer hervorgehobenen Stellung der Parteien führte und die starke Position der Christdemokraten als dominante Regierungspartei zeigt. Die Kapitel erläutert die zersplitterte Parteienlandschaft, das Verhältniswahlrecht ohne Sperrklausel, die Asymmetrie zwischen dem linken und rechten Block und die daraus resultierende „blockierte“ Demokratie mit kurzlebigen und ineffizienten Regierungen. Die weit verbreitete Korruption und der „tangentopoli“-Skandal werden als tief in der politischen Kultur verwurzelte Faktoren erwähnt.
C Der MSI: Geschichte und Wählerstruktur: Dieses Kapitel behandelt die Geschichte des MSI von seiner Gründung 1946 bis zu seiner Selbstauflösung 1995. Es beschreibt die ideologischen Flügelkämpfe innerhalb der Partei, die sich in ihren historischen Anknüpfungspunkten unterschieden (Regimefaschismus vs. Bewegungsfaschismus), den Einfluss des Nord-Süd-Gegensatzes und die strategischen Anpassungen der Partei zur Gewinnung von Wählerstimmen. Das Kapitel beleuchtet die Versuche des MSI, sich in das politische System zu integrieren, die Herausforderungen aufgrund des antifaschistischen Charakters der italienischen Verfassung und die wechselnden politischen Strategien unter verschiedenen Parteiführern. Die Wählerstruktur des MSI wird als heterogen beschrieben, wobei geographische Faktoren (Süditalien, Inseln) und sozioökonomische Aspekte (Urbanisierung, Unterentwicklung) eine Rolle spielten.
D Erklärung des Phänomens MSI: Dieses Kapitel analysiert die Faktoren, die zum Überleben des MSI beitrugen, unter Verwendung des biologischen Begriffs der "ökologischen Nische". Es werden strukturelle Rahmenbedingungen (blockierte Demokratie, fehlender politischer Raum für konkurrierende rechte Parteien, Verhältniswahlrecht), soziale Bedingungen (Faschismuserfahrung, institutionelle und konfessionelle Konfliktlinien, antikommunistische Stimmung, schwache Parteibindung im Süden) und psychologische Aspekte (Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nationaler Wiedergeburtsmythos) untersucht. Der Ansatz, den MSI als Organismus in einem bestimmten Ökosystem zu betrachten, dient als Metapher für die Betrachtung der verschiedenen externen Faktoren.
Schlüsselwörter
Movimento Sociale Italiano (MSI), Neofaschismus, Italienisches Parteiensystem, Politische Kultur, Wählerstruktur, Faschismusforschung, Ökologische Nische, Blockierte Demokratie, Polarisierter Pluralismus, Antikommunismus, Konfliktlinien, Regionale Unterschiede, Subkulturen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Text: Das Überleben des MSI in Italien
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Gründe für das langfristige Überleben des Movimento Sociale Italiano (MSI), einer neofaschistischen Partei in Italien, von 1946 bis zu ihrem Aufstieg in die Regierungskoalition im Mai 2001. Der Fokus liegt dabei weniger auf dem "Durchbruch" der Partei in den 1990er Jahren, sondern auf den Faktoren, die ihr Überleben über Jahrzehnte hinweg ermöglichten.
Welche Methode wird angewendet?
Die Arbeit analysiert die "ökologische Nische" des MSI, indem sie externe Faktoren wie soziale, strukturelle und politische Bedingungen berücksichtigt. Der programmatisch-ideologische Aspekt bleibt bewusst ausgeblendet. Der Ansatz, den MSI als Organismus in einem bestimmten Ökosystem zu betrachten, dient als Metapher für die Betrachtung der verschiedenen externen Faktoren.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit behandelt das italienische Parteiensystem vor dem Hintergrund der Gesellschaftsstruktur, die politische Kultur Italiens und ihre Auswirkung auf das MSI, die Geschichte des MSI und seine Wählerstruktur, Erklärungsansätze für das Überleben des MSI aus der Faschismusforschung und die "ökologische Nische" des MSI und die Faktoren, die sein Überleben ermöglichten.
Wie ist der Text aufgebaut?
Der Text ist in fünf Kapitel gegliedert: Einleitung, Das italienische Parteiensystem bis 1994, Der MSI: Geschichte und Wählerstruktur, Erklärung des Phänomens MSI und Zusammenfassung und Ausblick. Jedes Kapitel wird im Text zusammengefasst.
Was sind die zentralen Ergebnisse bezüglich des italienischen Parteiensystems vor 1994?
Das italienische Parteiensystem bis 1994 wird als polarisierter Pluralismus mit starker Zersplitterung und weit auseinanderliegenden Polen des Rechts-Links-Kontinuums beschrieben. Das Misstrauen zwischen Christdemokraten und Kommunisten, das Verhältniswahlrecht ohne Sperrklausel, die Asymmetrie zwischen dem linken und rechten Block und die weit verbreitete Korruption werden als entscheidende Faktoren für eine "blockierte" Demokratie mit kurzlebigen und ineffizienten Regierungen hervorgehoben.
Welche Rolle spielte die Geschichte und Wählerstruktur des MSI?
Das Kapitel zum MSI beschreibt die ideologischen Flügelkämpfe innerhalb der Partei, den Einfluss des Nord-Süd-Gegensatzes und die strategischen Anpassungen zur Gewinnung von Wählerstimmen. Die Wählerstruktur wird als heterogen beschrieben, wobei geographische Faktoren (Süditalien, Inseln) und sozioökonomische Aspekte (Urbanisierung, Unterentwicklung) eine Rolle spielten.
Welche Faktoren erklären das Überleben des MSI?
Das Überleben des MSI wird anhand struktureller Rahmenbedingungen (blockierte Demokratie, fehlender politischer Raum für konkurrierende rechte Parteien, Verhältniswahlrecht), sozialer Bedingungen (Faschismuserfahrung, institutionelle und konfessionelle Konfliktlinien, antikommunistische Stimmung, schwache Parteibindung im Süden) und psychologischer Aspekte (Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nationaler Wiedergeburtsmythos) erklärt.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Text?
Schlüsselwörter sind: Movimento Sociale Italiano (MSI), Neofaschismus, Italienisches Parteiensystem, Politische Kultur, Wählerstruktur, Faschismusforschung, Ökologische Nische, Blockierte Demokratie, Polarisierter Pluralismus, Antikommunismus, Konfliktlinien, Regionale Unterschiede, Subkulturen.
- Citation du texte
- Rainer Leurs (Auteur), 2001, Die 'ökologische Nische' einer neofaschistischen Partei. Italiens MSI zwischen Durchbruch und Marginalisierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3924