Die Literaturepoche der Romantik wird häufig als Reaktion auf die einseitige Verherrlichung der Vernunft in der Aufklärung verstanden. Im Zeitalter der Industrialisierung, in welchem viele Menschen ihr Dasein durch Kriege und Unterdrückung als zunehmend hart und unerträglich empfanden, suchte man Möglichkeiten, sich in transzendente, metaphysische Sphären zu flüchten und die Realität vorübergehend auszuschalten. Neue Schlagwörter wie „Gefühl“, „Phantasie“, „Erleben“, „Sehnsucht“ hielten in zahlreiche romantische Werke und vor allem in die romantische Lyrik ihren Einzug. Man sehnte sich nach Entgrenzung, nach Übersinnlichem, nach fremden und unbekannten Kulturen, nach der Ewigkeit, und man fand sogar zurück zum Glauben an Gott.
Bei einer intensiveren Beschäftigung mit der romantischen Literatur drängt sich jedoch die Frage auf, inwiefern das romantische Weltbild ausschließlich auf das Idyllische, Irreale und Weltfremde begrenzt werden kann. Joseph von Eichendorffs Gedicht Sehnsucht wurde seit den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Literaturwissenschaft gerade unter diesem Aspekt wieder neue Beachtung geschenkt: Kann die Romantik tatsächlich nur Entferntes und Unerreichbares aufweisen?
Die Sehnsucht, wie oben erwähnt, eines der charakteristischen Merkmale der Romantik, ist vordergründig eine Hilfe bei der Überwindung natürlicher Grenzen. Hintergründig wird jedoch deutlich, dass die Unverrückbarkeit dieser Grenzen weder geleugnet noch verwünscht, sondern lediglich bedauert wird. Damit gesteht der romantische Dichter ein, dass Sehnsucht ihre Erfüllung nur in der Imagination findet und eine reale Zufriedenheit sich demzufolge nicht einstellen kann. Dies steht im Widerspruch zu der naiven und weltfremden Abgehobenheit, die romantischen Werken oft unterstellt wird.
Trotzdem strahlen romantische Gedichte wie die Sehnsucht eine gewisse Ruhe und Harmonie aus. Der romantische Dichter findet offensichtlich für sich selbst eine Lösung, die ihm inneren Frieden gibt und die ihm trotz seines Realitätsbewusstseins hilft, das harte Leben zu bewältigen und ihm noch etwas Schönes abzugewinnen.
Worin das Geheimnis dieses Friedens liegt, soll in der vorliegenden Hausarbeit näher bestimmt werden. Dabei werden nur einzelne Aspekte Berücksichtigung finden können, da eine ausführliche und lückenlose Analyse den vorgegebenen quantitativen Rahmen der Arbeit sprengen würde.
Inhalt
1. Die Ambivalenz des spätromantischen Weltbildes
2. Der Titel: Entstehung und Überlieferung
3. Die Sehnsucht nach Grenzüberschreitung
3.1 Synästhesie als Ausdruck der Sehnsucht
3.2 Sehnsucht nach Vereinigung mit der Natur
4. Die Unendlichkeit der Sehnsucht
5. Die Möglichkeit einer vollkommenen Erfüllung der Sehnsucht
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Die Ambivalenz des spätromantischen Weltbilds
Die Literaturepoche der Romantik wird häufig als Reaktion auf die einseitige Verherrlichung der Vernunft in der Aufklärung verstanden. Im Zeitalter der Industrialisierung, in welchem viele Menschen ihr Dasein durch Kriege und Unterdrückung als zunehmend hart und unerträglich empfanden, suchte man Möglichkeiten, sich in transzendente, metaphysische Sphären zu flüchten und die Realität vorübergehend auszuschalten. Neue Schlagwörter wie „Gefühl“, „Phantasie“, „Erleben“, „Sehnsucht“ hielten in zahlreiche romantische Werke und vor allem in die romantische Lyrik ihren Einzug. Man sehnte sich nach Entgrenzung, nach Übersinnlichem, nach fremden und unbekannten Kulturen, nach der Ewigkeit, und man fand sogar zurück zum Glauben an Gott.
Bei einer intensiveren Beschäftigung mit der romantischen Literatur drängt sich jedoch die Frage auf, inwiefern das romantische Weltbild ausschließlich auf das Idyllische, Irreale und Weltfremde begrenzt werden kann. Joseph von Eichendorffs Gedicht Sehnsucht wurde seit den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Literaturwissenschaft gerade unter diesem Aspekt wieder neue Beachtung geschenkt: Kann die Romantik tatsächlich nur Entferntes und Unerreichbares aufweisen?
Die Sehnsucht, wie oben erwähnt, eines der charakteristischen Merkmale der Romantik, ist vordergründig eine Hilfe bei der Überwindung natürlicher Grenzen. Hintergründig wird jedoch deutlich, dass die Unverrückbarkeit dieser Grenzen weder geleugnet noch verwünscht, sondern lediglich bedauert wird. Damit gesteht der romantische Dichter ein, dass Sehnsucht ihre Erfüllung nur in der Imagination findet und eine reale Zufriedenheit sich demzufolge nicht einstellen kann. Dies steht im Widerspruch zu der naiven und weltfremden Abgehobenheit, die romantischen Werken oft unterstellt wird.
Trotzdem strahlen romantische Gedichte wie die Sehnsucht eine gewisse Ruhe und Harmonie aus. Der romantische Dichter findet offensichtlich für sich selbst eine Lösung, die ihm inneren Frieden gibt und die ihm trotz seines Realitätsbewusstseins hilft, das harte Leben zu bewältigen und ihm noch etwas Schönes abzugewinnen.
Worin das Geheimnis dieses Friedens liegt, soll in der vorliegenden Hausarbeit näher bestimmt werden. Dabei werden nur einzelne Aspekte Berücksichtigung finden können, da eine ausführliche und lückenlose Analyse den vorgegebenen quantitativen Rahmen der Arbeit sprengen würde.
2. Der Titel: Entstehung und Überlieferung
Das Gedicht entstammt ursprünglich Eichendorffs Roman Dichter und ihre Gesellen. Fiametta singt es von ihrer Gitarre begleitet. Sie bringt darin ihre schmerzhafte Sehnsucht nach ihrer Heimat zum Ausdruck, bricht anschließend in Tränen aus und wird daraufhin von ihrem Geliebten Fortunat mit dem Versprechen einer Rückkehr nach Italien getröstet.[1]
Im Kontext des Romans trägt das Gedicht keinen Titel, auch taucht das Wort „Sehnsucht“ selbst im gesamten Gedicht nicht auf. Es verwundert jedoch nicht, dass sich der Titel Sehnsucht, unter dem es erstmals 1937 in Eichendorffs gesammelten Gedichten erschien, bis heute gegenüber dem vorhergehenden Sommernacht (1936) und dem anschließenden Wanderlied (1849) durchgesetzt hat. Der Begriff „Sehnsucht“ wird nach dem Deutschen Universalwörterbuch als „inniges, schmerzliches Verlangen nach jemandem oder etwas (Entbehrtem, Fernem)“[2] definiert. Nach Katja Löhr kann in dem Begriff der Sehnsucht auch eine gewisse „Krankheit der Seele“ verstanden werden[3]. Demnach ist Sehn sucht [Hervorhebung: Ella Plett], wie alle anderen Süchte, ein Verlangen, das immer wieder nach Erfüllung sucht, sie zeitweilig auch findet, anschließend jedoch an den Ausgangspunkt zurückkehren muss. In diesem Sinne kommt der Titel Sehnsucht dem, was das Gedicht tatsächlich ausdrückt, wohl am nächsten.
Deutlich erkennbar ist insbesondere in der dritten Strophe der Bezug auf die Literatur der Weimarer Klassik wie beispielsweise auf Mignons Lied „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“ aus Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre.[4]
Heute gehört Sehnsucht neben der Mondnacht zu den bekanntesten Gedichten der Romantik und ist dasjenige, das nach Richard Littlejohns „die charakteristische Grundstruktur der romantischen Bewusstseinslage und der daraus entstehenden Dichtung vor Augen führt.“[5]
3. Die Sehnsucht nach Grenzüberschreitung
3.1 Synästhesie als Ausdruck der Sehnsucht
Den Sinnesorganen wird in vielen romantischen Werken eine große Bedeutung zugemessen. Nur durch die Sinne können die Objekte wahrgenommen werden, die zu den subjektiven Erfahrungen der Grenzüberschreitung verhelfen. So kann man nach Isabell Nattermann feststellen, dass
… Synästhesie immer dann erscheint, wenn die Grenzen der Welt schwinden, das Gegenständliche, tatsächlich Begreifbare sich auflöst, indem alles ineinanderfließt. Dann kommt es auch im Menschen zu einer Veränderung, die Sinneswahrnehmungen werden nicht mehr getrennt voneinander aufge
nommen, sondern verschmelzen in der Innerlichkeit.[6]
Im Gedicht ist dieses Phänomen der Verwischung natürlicher Grenzen durch Synästhesie durchgehend erkennbar. In der ersten Strophe gelangen durch das Fenster verschiedene optische und akustische Signale an die Sinnesorgane des am Fenster stehenden lyrischen Ich und öffnen ihm damit die „Natur und zugleich die eigene Seele“.[7] Im Anfangsvers sieht [Hervorhebung: Ella Plett] der Sprecher die Sterne, die frei am Himmel schwebend weit oben „so golden“ scheinen. Sie sind nicht an die Schwerkraft gebunden, sondern befinden sich im weiten und unendlichen Makrokosmos und werden als solche zu Zielobjekten der Sehnsucht. Sie sind in ihrer überwältigenden Schönheit zwar sichtbar, aber unfassbar und unerreichbar.
Das Posthorn, ein typisch romantisches Motiv, das die Stille der „prächtigen Sommernacht“ durchbricht, wird akustisch [Hervorhebung: Ella Plett] wahrgenommen. Sein Ton signalisiert den Aufbruch der Postkutsche und weckt bei dem am Fenster Horchenden eine tiefe Sehnsucht nach einer „weiten Ferne“: „Ach, wer da mitreisen könnte.“ Es ruft in Erinnerung, dass die Welt groß und weit ist und viele Entdeckungen für den Wagemutigen bereithält. Abenteuerlust und die Neugier auf bisher Unentdecktes wird angeregt und Müdigkeit und Depression verfliegen. Das lyrische Ich lässt sich vom Klang des Posthorns mitreißen und sich in Reisestimmung und Fernweh versetzen.
Ein weiteres akustisches Signal ist das Lied der beiden Wanderer. Dieses Lied enthält all das, was das lyrische Ich wohl mit dem Tönen des Posthorns, aber auch mit dem Funkeln der Sterne assoziiert: einerseits das gewaltige Naturschauspiel von mächtigen Bergen, rauschenden Wäldern und gigantischen Wasserfällen, welchem gegenüber der Mensch sich so unendlich klein fühlen muss und nach dessen Vereinigung er sich sehnt, und andererseits die durch menschlichen Eingriff veränderte Natur, die wohl Italien darstellen soll, wo die Seele endlich zur Ruhe kommen kann. Auch das von den Wanderern gesungene Lied selbst enthält akustische Signale: Am Fenster lauschende Mädchen, erwachende Lautenklänge und verschlafen rauschende Brunnen lassen erahnen, wie sich das lyrische Ich die Vollkommenheit der italienischen Landschaft vorstellt.
[...]
[1] Vgl. Eichendorff, Joseph von: Dichter und Ihre Gesellen. Text und Kommentar. In: Sämtliche Werke. Historisch-Kritische Ausgabe IV. Tübingen 2001, S. 277 f.
[2] Drosdowski, Günther et al. (Hg.): Deutsches Universalwörterbuch A – Z. Duden: Mannheim 31996.
[3] Löhr Katja: Sehnsucht als poetologisches Prinzip bei Joseph von Eichendorff. Würzburg 2003, S. 257.
[4] Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Stuttgart 1982, S. 148. (Textvorlage im Anhang)
[5] Littlejohns, Richards: Sehnsucht und kein Ende. Eichendorffs Gedicht im Zusammenhang des romantischen Denkens. In: Aurora 49/1989, S. 38.
[6] Nattermann, Isabell: Die Lieder Eichendorffs und Haiku Bashos. In: Wilhelm Gössmann und Christoph Hollender (Hg.) : Joseph von Eichendorff. Seine literarische und kulturelle Bedeutung. Paderborn 1995, S. 69.
[7] Frühwald, Wolfgang: Die Poesie und der poetische Mensch. Zu Eichendorffs Gedicht „Sehnsucht“. In: Wulf Segebrecht (Hg.): Gedichte und Interpretationen. Klassik und Romantik. Stuttgart 1984, S. 389.
- Citar trabajo
- Ella Plett (Autor), 2004, Joseph von Eichendorff, "Die Sehnsucht": Sehnsucht und kein Ende: Die dualistische Welterfahrung der Romantik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39193
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.