Wer sich mit dem Film der DDR beschäftigt, wird an seinem Namen nicht
vorbeikommen: Kurt Maetzig. Er ist einer der Gründerväter der DEFA und Filmschaffender der ersten Stunde. Maetzig gilt als der wichtigste Regisseur der DDR, von ihm stammt auch der erste und wohl beste DEFA Film „Ehe im Schatten“. Ausgezeichnet mit vi elen Preisen der DDR gilt Maetzig als „Pionier“1
für viele Genres und war stets ein Vorläufer.
Die vorliegende Arbeit befasst sich jedoch mit einem „dunkleren“ Kapitel in Kurt Maetzigs Leben, mit dem Film „Das Kaninchen bin ich“.
Vom 11. Plenum des Zentralkomitees der SED verboten, konnte der 1965
fertiggestellte Film erst 1989 in die Kinos kommen, mit 24 Jahren Verspätung. Kurt Maetzig durfte nach unterwürfiger Selbstkritik zwar weiterhin für die DEFA arbeiten, dennoch markiert dieser Film das Ende seiner Filmkarriere. Die darauffolgenden Filme waren eher bedeutungslos. Doch was war der politische Hintergrund des 11. Plenums? Was war so brisant an Kurt Maetzigs Film, dass er verboten wurde? Gibt es außer den offiziellen Erklärungen noch andere Gründe für das Verbot? Auf diese Fragen soll in der vorliegenden Ausarbeitung versucht werden, eine Antwort zu finden.
[...]
_____
1 Siehe: Blum, Heiko R.:Kurt Maetzig. Der Pionier. In: Blum, Heiko R., u.a.: Film in der DDR. München/Wien 1977, S.57/71.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Hintergrund
2.1. Das neue ökonomische System
2.2. Das 11. Plenum
2.2.1. Gründe Folgen
3. Das Kaninchen bin ich
3.1. Der Regisseur Kurt Maetzig
3.2. Filmographische Daten
3.3. Inhalt des Films
4. Das Einstellungsprotokoll
5. Diskussion der Frage „Warum wurde der Film verboten?“
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wer sich mit dem Film der DDR beschäftigt, wird an seinem Namen nicht vorbeikommen: Kurt Maetzig. Er ist einer der Gründerväter der DEFA und Filmschaffender der ersten Stunde. Maetzig gilt als der wichtigste Regisseur der DDR, von ihm stammt auch der erste und wohl beste DEFA Film „Ehe im Schatten“. Ausgezeichnet mit vielen Preisen der DDR gilt Maetzig als „Pionier“[1] für viele Genres und war stets ein Vorläufer.
Die vorliegende Arbeit befasst sich jedoch mit einem „dunkleren“ Kapitel in Kurt Maetzigs Leben, mit dem Film „Das Kaninchen bin ich“.
Vom 11. Plenum des Zentralkomitees der SED verboten, konnte der 1965 fertiggestellte Film erst 1989 in die Kinos kommen, mit 24 Jahren Verspätung. Kurt Maetzig durfte nach unterwürfiger Selbstkritik zwar weiterhin für die DEFA arbeiten, dennoch markiert dieser Film das Ende seiner Filmkarriere. Die darauffolgenden Filme waren eher bedeutungslos.
Doch was war der politische Hintergrund des 11. Plenums? Was war so brisant an Kurt Maetzigs Film, dass er verboten wurde? Gibt es außer den offiziellen Erklärungen noch andere Gründe für das Verbot? Auf diese Fragen soll in der vorliegenden Ausarbeitung versucht werden, eine Antwort zu finden.
2. Der Hintergrund
2.1 Das neue ökonomische System
Bis zum Bau der Mauer schob die Staatsführung wirtschaftliche Schwierigkeiten stets auf den Westen. Nach der Schließung der Grenze 1962 zeigte sich jedoch, dass die Schwierigkeiten nicht beendet waren.
So verabschiedete am 24/25.Juni 1963 eine Wirtschaftskonferenz die Richtlinie für das sogenannte „neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“.[2]
Der Zweck dieses Systems war es, die Zentralverwaltungswirtschaft leistungsfähiger und flexibler zu machen. Die Betriebe sollten nun in begrenztem Maße selbst über die Verwendung der erzielten Gewinne entscheiden. Zudem wollte man die Entscheidungen der Volkswirtschaft stärker nach unten verlagern. Denn gerade der Zentralismus verhinderte jegliche Eigeninitiative. Dem wollte man entgegenwirken. Die Wirtschaft sollte also grundlegend liberalisiert werden.[3]
Doch bei der Umsetzung des Systems traten Probleme auf. Die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit und der Eigeninitiative stand dem Prinzip der zentralen Planung und der einheitlichen Strukturpolitik konträr entgegen. Die SED sah ihren Führungsanspruch gefährdet.
Daraufhin zog sie auf der 11. Tagung die Konsequenzen und leitete eine zweite Phase ein, die dann bis 1967 dauern sollte.
Das neue ökonomische System zog auf anderen Gebieten des Lebens in der DDR Entwicklungen mit sich.
Mit dem neuen System gab es Chancen für eine partielle Liberalisierung der sozialistischen Gesellschaft. Dies wurde speziell von den Künstlern und der Ostdeutschen Intelligenz aufgegriffen. Sie forderten nun eine verstärkte Beschäftigung mit den Problemen des Landes, sie wollten einen besseren Sozialismus und mehr künstlerische Autonomie.
Im Filmwesen ist diese Entwicklung besonders sichtbar. Sie wurde gefördert durch den Wechsel zweier zentraler Positionen um 1960. Zuerst wurde Jochen Mückenberger neuer Generaldirektor der DEFA und dann wurde Günther Witt Leiter der Hauptverwaltung Film des Ministeriums für Kultur.
„Es war deutlich, dass es im Filmwesen des Landes so etwas wie eine Aufbruchsstimmung gab, eine Hinwendung zu den Themen des Lebens (...) eine Wahrheitssuche durch das Aufwerfen von unbequemen Fragen.“[4]
Beide wollten die Struktur der DEFA dezentralisieren und die künstlerische Eigenverantwortlichkeit stärken. Also eine der Wirtschaft entsprechende Entwicklung. Der SED-Führung missfielen diese Tendenzen und so griff sie bereits im Vorfeld des 11. Plenums zu härteren Mitteln im Umgang mit den Künstlern.
So wurde z.B. 1965 die Auslieferung des Heftes 2/65 der vom Institut herausgegebenen Zeitschrift „Filmwissenschaftliche Mitteilungen“ verboten. In Heft 3/65 der gleichen Zeitschrift sollte ein Abdruck des Drehbuches des Films „Das Kaninchen bin ich“ von Kurt Maetzig abgedruckt werden. Diese Ausgabe wurde völlig verhindert.[5]
Es gab also bereits vor dem 11. Plenum Einschränkungen. Neu war also nicht, dass politische Spitzenfunktionäre, die mit Kultur nichts zu tun hatten, in die künstlerische Produktion eingriffen. Das kannte man bereits. Neu am 11. Plenum war, dass es ein konzentrierter und exakt vorbereiteter Angriff war, der gegen sich gegen die Kulturschaffenden richtete und keine isolierte Kampagne gegen Einzelne.[6]
Gleichzeitig gab es zu dieser Zeit Probleme mit den Jugendlichen in der DDR. Am 31.10.1965 gab es beispielsweise eine Beatdemo in Leipzig. Es war eine ungenehmigte Demo, die größte seit dem 17.Juni 1953. Auch diese Entwicklung machte der Führung Sorgen. So berief sie im November 1965 prominente Schriftsteller in den Staatsrat. Die SED-Spitze glaubte, genügend Beweise dafür zu haben, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Abrücken der Jugendlichen von den sozialistischen Erziehungsvorgaben und dem Einfluß der Künstlern gäbe. Ulbricht bezichtigte die Kunstschaffenden „skeptizistischer Tendenzen“[7] und gab ihnen eine Mitschuld am sogenannten „Rowdytum“ der Jugend. Einige Künstler, so z.B. Anna Seghers oder Christa Wolf wagten es zu widersprechen. Ihrer Ansicht nach sei der mangelnde Charme des Sozialismus Grund für die große Anziehungskraft des Westens auf die Jugendlichen.
Die Aussprache endete ohne Ergebnis.[8]
2.2 Das 11. Plenum
Das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED fand vom 16.- 18.12. 1965 statt.
Es war als reines Wirtschaftsplenum gedacht.[9] Problematisch war für die SED aber nun Folgendes:
Initiator des neuen ökonomischen Systems war Erich Apel. Er war der Vorsitzende der staatlichen Planungskommission.
Zwei Wochen vor Beginn des 11. Plenums, am 3.12.1965, beging er Selbstmord. Apel hatte stets die große Abhängigkeit der DDR-Wirtschaft von der Sowjetunion in Frage gestellt und diese Abhängigkeit für die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich gemacht. Für die SED-Führung war sein Selbstmord nun eine brisante Situation. Sie befürchtete, dass die Schuldfrage an der schlechten wirtschaftlichen Situation an ihr hängen blieb. Daher wich man dankbar auf den Nebenschauplatz mit Künstlern und Jugend aus.
Zu Beginn des Plenums gab es für die Mitglieder des ZK´s und geladene Gäste eine streng vertrauliche Lesemappe. Diese enthielt 21 „scharfmacherische Berichte“[10]. Es handelte sich dabei um eine Mischung aus Einschätzungen künstlerischer Werke und Informationen über die gefährliche Entwicklung der Jugend. Die Art und Weise ihrer Anordnung implizierte einen Zusammenhang zwischen beidem..
Bereits am vorhergehenden Abend hatte es eine Aufführung der Filme „das Kaninchen bin ich“, sowie Frank Vogels „Denk bloß nicht, ich heule“ gegeben. Die Öffentlichkeit kannte diese Filme nicht, so dass Ulbricht und das Plenum praktisch gegen ein „Phantom“[11] kämpfen konnten. Die Öffentlichkeit hatte aus Unkenntnis keine Möglichkeit, Kritik zu üben.
[...]
[1] Siehe: Blum, Heiko R.:Kurt Maetzig. Der Pionier. In: Blum, Heiko R., u.a.: Film in der DDR. München/Wien 1977, S.57/71.
[2] Vgl.: Borowsky, Peter
[3] Vgl.: Lindner, Bernd: Denkt bloß nicht, wir heulen. In: Deutschland Archiv 6/2000, S.892
[4] Siehe: Agde, Günter (Hrsg.): Kahlschlag. Das 11. Plenum des ZK der SED 1965. Studien und Dokumente. Berlin 2000, S.258.
[5] vgl.: Lindner, S.895.
[6] Vgl.: Agde, S.18.
[7] Siehe: Agde, S.18.
[8] ebenda
[9] vgl.: Lindner, Bernd, S.891
[10] siehe: Lindner, Bernd: Denkt bloß nicht, wir heulen. In: Deutschland Archiv 6/2000, S.891.
[11] siehe: Jäger, Manfred: Kultur und Politik in der DDR 1945-1990. Köln 1994, S.892.