Die aktuelle Diskussion um die Reform der Vereinten Nationen und damit die Diskussion um die ontologische Bedeutung der internationalen Organisationen, verschärft sich zusehends seit der Wende der internationalen Politik vom 11. 9. 2001. Die Frage nach normativen Zugängen zur Bewertung des Diskurses um Unilateralität und Multilateralismus steht im Vordergrund der politikwissenschaftlichen Debatte. Der traditionelle Zwist der Theorieschulen weicht einer pragmatischen Notwendigkeiten zur Regulierung der Konflikte innerhalb des internationalen Sicherheitssystems. Neue wissenschaftliche Zugänge werden gefordert, und dabei sollte die Chance ergriffen werden, die fundamentalen Zweckbestimmungen, auch der internationalen Organisationen, wertfrei zu diskutieren. Aus diesem Grund ist es notwendig, der Pluralität der Theorieschulen Raum zu geben, um einen Konsens zu erwirken. Auch wenn sich der Suprematie der ökonomischen Schule bisher in der Praxis kein wirksames Contrepart offenbarte, sollte gerade der Einlass von Barnett/Finnemore als Fundamentum eines neuen Diskurses zeigen.
Gliederung
Einleitung
1. Der Antagonismus der traditionellen Schulen
2. Macht und Machtverhältnisse – Konstitution und Abstraktion
3. Machtverfügung der internationalen Organisationen
4. Theoretische Ansätze des Diskurses über Dysfunktionalität der IO
5. Die Theorie der bürokratischen Kultur und Dysfunktionalität der IO
6. Wissenschaftstheoretische Beurteilung des Einlasses von Barnett/Finnemore
7. Literatur
Einleitung
Die aktuelle Diskussion um die Reform der Vereinten Nationen und damit die Diskussion um die ontologische Bedeutung der internationalen Organisationen, verschärft sich zusehends seit der Wende der internationalen Politik vom 11. 9. 2001. Die Frage nach normativen Zugängen zur Bewertung des Diskurses um Unilateralität und Multilateralismus steht im Vordergrund der politikwissenschaftlichen Debatte. Der traditionelle Zwist der Theorieschulen weicht einer pragmatischen Notwendigkeiten zur Regulierung der Konflikte innerhalb des internationalen Sicherheitssystems. Neue wissenschaftliche Zugänge werden gefordert, und dabei sollte die Chance ergriffen werden, die fundamentalen Zweckbestimmungen, auch der internationalen Organisationen, wertfrei zu diskutieren. Aus diesem Grund ist es notwendig, der Pluralität der Theorieschulen Raum zu geben, um einen Konsens zu erwirken. Auch wenn sich der Suprematie der ökonomischen Schule bisher in der Praxis kein wirksames Contrepart offenbarte, sollte gerade der Einlass von Barnett/Finnemore als Fundamentum eines neuen Diskurses zeigen.
1. Der Antagonismus der traditionellen Schulen
Die Autoren unterscheiden zwei subsummierende Stränge traditioneller Theorieschulen. Die erste Schule wird als „ökonomisch“ kategorisiert und umfasst den (Neo)realismus und (Neo)liberalismus. In Abgrenzung zur „ökonomischen Schule“ wird der Begriff der „soziologischen Schule“ eingeführt, bzw. definiert und als Theorie der Internationalen Beziehungen dem (soziologischen) Konstruktivismus zugeordnet.
Beide Theorieschulen unterscheiden sich diametral in Methode und Grundannahme. Während der Realismus deskriptiv nach Funktion und Rolle des Untersuchungsobjektes fragt, kontextualisiert der Konstruktivismus die internationalen Organisationen (folgend: IO) nach Gesellschaft, Umwelt und institutionelle Struktur, um normativ ihre Rolle und Funktion zu bewerten.
Diese methodische Divergenz wurzelt in verschiedenen Grundannahmen, bzw. in verschiedenen analytischen Prämissen.
Der Realismus (Neoliberalismus) versteht das Handeln der IO aus der Perspektive der „instrumentellen Vernunft“[1], wobei in diesem zweckrationalen System als Handlungsmaxime die Effektivität bzw. der utiliaristische Profit gilt. So sei die primäre Funktion der IO die Rationalisierung ökonomischer Prozesse (z. B.: Senkung der Transaktionskosten) der internationalen Politik. Das Marktprinzip (frei nach A. Smith: „die unsichtbare Hand“ des Marktes) reguliert in der neoliberalistischen Vorstellung die exogenen und endogenen Konflikte der IO. Darüber hinaus versteht der Realismus die Rolle der IO als Instrument zur machtorientierten Interessensvertretung der Mitgliedsstaaten und somit die IO als Arenen konkurrierender Partikularinteressen der Nationalstaaten. Die ökonomistische Prämisse des Marktprinzips als konstituierendes Merkmal der IO schließt eine Beeinflußung der IO durch andere Faktoren wie soziale und kulturelle Normen aus und anerkennt externe Faktoren nur als Produkt des Marktprinzips (z. B. des Konkurrenzdrucks und Effiziensdrucks).
Der (soziologische) Konstruktivismus hingegen, fragt explizit nach der immanenten Wertestruktur der IO und versteht sie nicht begrenzt als einen passiven Operationsapparat, entwickelt und gebildet durch die Nationalstaaten als Instrument, wie die „ökonomische Schule“, die aus ihrer ontologischen Perspektive heraus, ausschließlich Staaten als Akteur innerhalb der IO begreift.
Der fundamentale Unterschied beider Perspektiven manifestiert sich somit in der Definition der IO als Akteur bzw. Nicht-Akteur.
Der soziologische Konstruktivismus erreicht durch die Analyse der IO als „social fact“[2], eine Deutung der IO als Akteur, da ihre immanente (kulturelle) Wertestruktur, den Modus der Operativität der IO bestimmt und somit eine tiefgreifende Beeinflussung ihrer Mitgliedsstaaten erwirkt.
2. Macht und Machtverhältnisse – Konstitution und Abstraktion
Die Macht der IO basiert auf ihrem Modus der Operativität und resultiert aus der Erkenntnis, dass IO bürokratische Institutionen sind und somit auf zwei charakteristischen Merkmalen basieren und agieren:
„(...) (1) the legitimacy of the rational-legal authority they embody, and (2) control over technical expertise and information.”[3]
Aus diesen Wesensmerkmalen heraus, erklärt sich die Autonomie der IO als Autorität. Mit Rekurs auf Max Weber behaupten die Autoren, dass die Legitimität und gleichsam die Legitimation aus den genannten konstitutiven Merkmalen der IO als Bürokratien resultiert. Die (legale) Rationalität, die die IO verkörpern, erwirkt Legitimität und gleichsam erzeugt die Rationalisierung ihres Arbeitsbereiches eine rationale Authentizität ihrer Arbeitsergebnisse, die als autoritative Weisung an die Mitgliedsstaaten verstanden werden muss.
[...]
[1] Barnett/Finnemore (1999): 702
[2] Barnett/Finnemore (1999): 703
[3] Barnett/Finnemore (1999): 707
- Quote paper
- Damian Ghamlouche (Author), 2005, Internationale Organisationen und soziologischer Konstruktivismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39137
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.