Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf das Lernkonzept des self-directed-learning von Richard E. Boyatzis, das im Rahmen der zugrunde liegenden Veranstaltung Pragmatische Soziologie eine zentrale Rolle spielte. Die Managementorientierung dieser Reformkonzeption, welche der Soziologe Boyatzis an der Weatherhead School of Management Ohio zwischen 1987 und 1994 entwickelt und realisiert hat, deckt sich überraschenderweise auch mit klassischen didaktischen Leitkonzepten, in welchen der Lehrer als Manager im Klassenzimmer gesehen wird. Beispielsweise prägte der amerikanische Pädagoge Kounin den Begriff classroom management. Darin sieht er den Lehrer in der Rolle eines Managers über den Lernprozess der Schüler und meint damit unter anderem, dass ein Lehrer in der Lage sein muss, individuelle Diagnosen über das unterschiedliche Leistungsvermögen von Schülern zu erstellen, um damit differenzierte Leistungsanforderungen an gute, mittlere und schlechtere Schüler zu stellen. Dieses individuell an die Lernvoraussetzungen der Schüler angepasste Vorgehen ist Grundvoraussetzung für einen hohen Lernerfolg bei den Schülern. Diese außergewöhnliche Sichtweise, den Lehrer als Manager über den Lehr-Lernprozess zu sehen, hat mich inspiriert, die 22 Dimensionen zur Lösung von Handlungsproblemen, die Boyatzis ursprünglich als zentrale Managementfähigkeiten klassifiziert hat, dahingehend zu untersuchen, ob sie geeignet sind, die Handlungsprobleme eines angehenden Diplom-Handellehrers im Rahmen seines pädagogischen Wirkens zu lösen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Untersuchung der 22 Kompetenzdimensionen von Boyatzis hinsichtlich ihrer Eignung für Lehrer an beruflichen Schulen
2.1 Ziel- und Aktionskompetenzen
2.1.1 Efficiency Orientation
2.1.2 Planning
2.1.3 Initiative
2.1.4 Attention-to-detail
2.1.5 Self-control
2.1.6 Flexibility
2.2 Personalkompetenzen
2.2.1 Empathy
2.2.2 Persuasiveness
2.2.3 Networking
2.2.4 Negotiating
2.2.5 Self-Confidence
2.2.6 Group-Management
2.2.7 Developing Others
2.2.8 Oral communication
2.3 Kognitive Fähigkeiten
2.3.1 Use of concepts und Systems thinking
2.3.2 Pattern recognition und Theory building
2.3.3 Using technology
2.3.4 Quantitative Analysis, Social objectivity und Written communication
3. Zusammenfassung
4. Literaturverzeichnis
5. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf das Lernkonzept des self-directed-learning von Richard E. Boyatzis, das im Rahmen der zugrunde liegenden Veranstaltung Pragmatische Soziologie eine zentrale Rolle spielte. Die Managementorientierung dieser Reformkonzeption, welche der Soziologe Boyatzis an der Weatherhead School of Management Ohio zwischen 1987 und 1994 entwickelt und realisiert hat, deckt sich überraschenderweise auch mit klassischen didaktischen Leitkonzepten, in welchen der Lehrer als Manager im Klassenzimmer gesehen wird. Beispielsweise prägte der amerikanische Pädagoge Kounin den Begriff classroom management. Darin sieht er den Lehrer in der Rolle eines Managers über den Lernprozess der Schüler und meint damit unter anderem, dass ein Lehrer in der Lage sein muss, individuelle Diagnosen über das unterschiedliche Leistungsvermögen von Schülern zu erstellen, um damit differenzierte Leistungsanforderungen an gute, mittlere und schlechtere Schüler zu stellen. Dieses individuell an die Lernvoraussetzungen der Schüler angepasste Vorgehen ist Grundvoraussetzung für einen hohen Lernerfolg bei den Schülern (Gudjons 2002: 5). Diese außergewöhnliche Sichtweise, den Lehrer als Manager über den Lehr-Lernprozess zu sehen, hat mich inspiriert, die 22 Dimensionen zur Lösung von Handlungsproblemen, die Boyatzis ursprünglich als zentrale Managementfähigkeiten klassifiziert hat, dahingehend zu untersuchen, ob sie geeignet sind, die Handlungsprobleme eines angehenden Diplom-Handellehrers im Rahmen seines pädagogischen Wirkens zu lösen.
2. Untersuchung der 22 Kompetenzdimensionen von Boyatzis hinsichtlich ihrer Eignung für Lehrer an beruflichen Schulen
2.1 Ziel- und Aktionskompetenzen
2.1.1 Efficiency Orientation
Die Orientierung an Effizienz stellt ein wichtiges Kriterium im Lehr-Lernprozess dar. Als Lehrer steht man vor dem Problem, dass die Unterrichtszeit sehr begrenzt ist und man die Stofffülle sowohl unter Beachtung sachlicher als auch subjektiver Gesichtspunkte reduzieren muss. Darunter versteht man, dass der Lehrer einerseits dem Stoffinhalt und den curricularen Vorgaben als auch den Lernbedürfnissen der Schüler gerecht werden muss (Jank/Meyer 1994: 84). Oft wird jedoch unter didaktischer Reduktion fälschlicherweise lediglich eine quantitative Begrenzung der Unterrichtsinhalte verstanden. Vielmehr geht es jedoch um eine qualitative Strukturierung durch die „Rückführung komplexer Sachverhalte auf ihre wesentlichen Elemente“ (Jank/Meyer 1994: 81).
Da schulischer Unterricht aufgrund des knappen Gutes Unterrichtszeit nur Bruchstücke aus der Wirklichkeit abbilden kann, ist es sehr wichtig, dass der Lehrer dieses limitierte Zeitbudget effizient nutzt. Nicht zuletzt deshalb wird an Berufsschulen, wie ich während meiner dreiwöchigen Hospitationszeit im Rahmen der Schulpraktischen Studien II[1] feststellen konnte, überwiegend die Unterrichtsform des Frontalunterrichts praktiziert, die eine sehr zeitökonomische Methode darstellt, den Lehr-Lernprozess zu organisieren.
Dies hat meines Erachtens folgende Gründe: Das didaktische Instrument des Frontalunterrichts kann vom Lehrer sehr sorgfältig vorausgeplant und vorbereitet werden, da er allein den Verlauf der Unterrichtssequenz determiniert, indem er den Schülern vorgefertigte Stoffinhalte präsentiert. Treten im Lernprozess der Schüler Sackgassen auf, kann der Lehrer sofort intervenieren und etwaige Verständnisprobleme unmittelbar beheben. Im Gegensatz dazu sind handlungsorientierte Methoden wie z.B. Rollenspiele oder Pro-Contra-Debatten sehr viel zeitintensiver, einerseits bezüglich des Vorbereitungsaufwandes für den Lehrer und andererseits in der konkreten Umsetzung im Unterricht. Allerdings birgt eine reine Effizienzorientierung im Bereich des Berufsschulunterrichts eine Reihe von Problemen mit sich.
Dies betrifft vor allem das Spannungsfeld Lehreffizienz und Lerneffektivität. Der Lehrer befindet sich hierbei in einem Dilemma. Einerseits muss er die Lehreffizienz realisieren, indem er eine aufgrund curricularer Zwänge vordefinierte Stoffquantität abarbeiten muss. Andererseits müssen die Schüler die durchgenommen Inhalte verstehen und daraus effektiv lernen. Das Dilemma besteht jedoch darin, dass zeitökonomische Unterrichtsmethoden, welche die Lehreffizienz erhöhen, gleichzeitig die Lerneffektivität senken.
Nach Gudjons (2000) wird durch die zeitlich effizienteste Methode „Frontalunterricht“ die Leistungsheterogenität der Schüler missachtet. Das bedeutet konkret, dass die individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler hinsichtlich Lerntempo und Auffassungsgabe nicht berücksichtigt werden. Man läuft also Gefahr, dass nur ein sehr kleiner leistungsfähiger Anteil der Schüler Lernerträge schöpfen kann. Des Weiteren führt eine übermäßige Effizienzorientierung des Lehrers zu einer verminderten Unterrichtsqualität. Schüler werden zu rein passiven Rezipienten des Unterrichtsstoffs degradiert, die mangels Unterrichtszeit Informationen lediglich aufnehmen, ohne sie eigenständig anzuwenden und damit zu verinnerlichen. (Gudjons 2000: 15f.).
Aus der Analyse der Mängel einer reinen Effizienzorientierung des Lehrers ergibt sich die zwingende Folge, dass die Handlungsdimension efficiency orientation von Boyatzis im beruflichen Lehr-Lern-Kontext um die Perspektive der Lerneffektivität erweitert werden muss.
2.1.2 Planning
Unter Planning versteht man die Absicht, künftige zielgerichtete oder ergebnisbezogene Handlungen zu spezifizieren und zu organisieren (Kreutz 2004: 22). Die Beherrschung dieser handlungsrelevanten Kompetenz ist natürlich auch für den Lehrer an beruflichen Schulen in höchstem Maße relevant. Es gehört für ihn zum Kerngeschäft, zielgerichtete und ergebnisbezogene Unterrichtsstunden zu konzipieren und konstruieren, die einen möglichst hohen Lernertrag bei den Schülern erzielen. Wie im Bereich Entrepreneurship ist die Planung von Unterrichtssequenzen ein komplexes Phänomen. Zur Darstellung der Komplexität dieser Planungsaufgabe soll exemplarisch die kritisch-konstruktive Didaktik nach Klafki beschrieben werden.
Hierin wird postuliert, dass der Lehrer in einer didaktischen Analyse klären muss, welcher Bildungsgehalt in seinen Unterrichtsinhalten steckt. Um diesen Klärungsprozess zu strukturieren, muss sich der Lehrer fünf Grundfragen stellen (Klafki 1985: 215).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: 5 Grundfragen zur Strukturierung der didaktischen Analyse
Der Lehrer muss sich also darüber klar werden, welche Bedeutung die Unterrichtsinhalte gegenwärtig und zukünftig bei den Schülern haben. Nur dann kann es gelingen, die Schüler dazu zu motivieren, sich diese Bildungsinhalte anzueignen. In einem weiteren Schritt muss der Lehrer eine seiner Kernaufgaben reflektieren, die darin besteht, das Wissen in Strukturen zu gießen, um es den Schülern in anschaulicher Form präsentieren zu können (Sachstruktur). Die zu behandelnde Unterrichtsmaterie kann vom Lehrer allerdings nicht frei gewählt werden, weil er augrund seiner efficiency orientation das knapp bemessene Unterrichtszeitbudget nicht verschwenden darf. Aus diesem Grund müssen die intendierten Unterrichtsinhalte exemplarischen Charakter für zentrale betriebs- und volkswirtschaftliche Problemstellungen aufweisen, die den Schülern dahingehend grundlegende Einsichten erschließen. Um dies erreichen zu können, muss der Lehrer darüber reflektieren, wie er seine erarbeitete Unterrichtskonzeption zielgruppengerecht zugänglich machen kann.
Wie aus diesen Ausführungen zur Planungsdimension der Lehrtätigkeit deutlich wird, werden alle Elemente der Managementkompetenz Planning von Boyatzis erfüllt. Alle fünf Kriterien der pädagogischen Planungsarbeit sind zielgerichtet, ergebnisbezogen und stellen Instrumente zur Spezifizierung und Organisierung von Handlungen dar.
[...]
[1] Im Sommersemester 2004 absolvierte ich ein dreiwöchiges Schulpraktikum an der Berufsschule in Schwandorf, in dem ich alle Fächer von insgesamt sieben kaufmännischen Ausbildungsberufen kennen lernen durfte.
- Quote paper
- Dipl.-Hdl. Michael Schießl (Author), 2004, Das Lernkonzept des self-directed-learning. Boyatzis an Berufsschulen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38998
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