Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Erde, in dem derzeit mehr als 1,6 Millionen Mädchen und Jungen unter 15 Jahren in Hartz IV-Familien beziehungsweise in „relativer Armut“ aufwachsen. Diese traurige Realität kann als „Skandal“ bezeichnet werden und zu ungläubigem Kopfschütteln, Wut oder Resignation anregen. Trotz allen negativen Emotionen und der Hoffnung darauf, dass gesellschaftspolitische Maßnahmen, im Sinne primärer Armutsprävention, schnell eine Armutsverhinderung einleiten, gilt es, insbesondere für Pädagoginnen und Pädagogen, Armut als real vorherrschendes Gesellschaftsphänomen in Deutschland anzunehmen und handlungsfähig zu werden. Nicht zuletzt deshalb, da wegen den sozialen Ausgangsbedingungen der Kinder die Wahrscheinlichkeit hoch ist, „dass sie als Jugendliche und Erwachsene erhebliche psychosoziale Probleme haben werden und sich in die Gesellschaft nicht einfügen“. Vor allem Lehrerinnen und Lehrer, die in ihrer täglichen Praxis in Kontakt zu Kindern aus Armutsverhältnissen stehen und verhältnismäßig viel Zeit mit ihnen verbringen, sollten sich herausgefordert fühlen, sich mit der belastenden Lebenslage dieser Schülerinnen und Schüler auseinanderzusetzen und adäquate pädagogische Interventionen einzuleiten. Mit dieser wissenschaftlichen Arbeit wird nicht davon ausgegangen, dass Pädagoginnen und Pädagogen Kinder aus ihrer schwerwiegenden Armutssituation heben können oder dass Armut ein Problem darstellt, das pädagogisch beseitigt werden kann. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist eher ein Konzept, das besagt, dass Kinder die Fähigkeit erwerben können, ihrer problematischen Lebenslage widerstandsfähig zu begegnen und dass jene Fähigkeit durch gezielte pädagogische Handlungen in ihrer Ausprägung mitbeeinflusst werden kann. Bildlich gesprochen, soll mit dieser wissenschaftlichen Arbeit erörtert werden, wie die Institution Schule Kindern aus Armutsverhältnissen dabei helfen kann, „Steh-auf-Männchen“ zu werden, die sich von den Widrigkeiten ihrer Lebenslage nicht dauerhaft umwerfen lassen, sondern immer wieder zäh und behaglich ihre stehende Haltung einnehmen. Abgezielt wird mit dieser Arbeit daher nicht auf Ideen zu einer pädagogischen Beseitigung von Armut, sondern eher auf die mit Armut einhergehenden psychosozialen Risiken für das Kind sowie darauf bezogene pädagogische Interventionen, die auf dem sogenannten Resilienzkonzept beruhen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUM RESILIENZKONZEPT
2.1 ZUR ENTSTEHUNG DER RESILIENZFORSCHUNG
2.2 BEGRIFFSBESTIMMUNG
2.3 DAS RISIKO- UND SCHUTZFAKTORENKONZEPT
2.3.1 Das Risikofaktorenkonzept
2.3.1.1 Vulnerabilität
2.3.1.2 Risikofaktoren/Stressoren
2.3.2 Das Schutzfaktorenkonzept
2.4 DER WECHSELWIRKUNGSPROZESS ZWISCHEN RISIKO- UND SCHUTZFAKTOREN
2.5 AUSGEWÄHLTE RESILIENZSTUDIEN
2.5.1 Die Kauai-Studie
2.5.2 Die Mannheimer Risikokinderstudie
3. ZUM ARMUTSBEGRIFF UND ZUR ARMUTSSITUATION IN DEUTSCHLAND
3.1 RELATIVE ARMUT
3.2 DAS LEBENSLAGEKONZEPT
4. KINDERARMUT UNTER BETRACHTUNG DES RISIKOFAKTORENKONZEPTS
4.1 KINDERARMUT ALS KUMULATION VON RISIKOBELASTUNGEN
4.1.1 Materielle Situation und damit verbundene Risikofaktoren für Kinder in chronischer Armut
4.1.2 Wohnsituation und Risikofaktoren
4.1.3 Kontakte zu Gleichaltrigen
4.1.4 Bildung - Zum eingeschränkten Lern- und Erfahrungsspielraum in Familie und Schule
4.1.4.1 Zur Bildungssituation in armen Familien
4.1.4.2 Kinder aus Armutsverhältnissen im Kontext der Schule
4.2 ZWISCHENFAZIT: ARMUT ALS KOMPLEXES RISIKO FÜR DIE GESUNDE ENTWICKLUNG DES KINDES
5. WIE DIE SCHULE ZUM SCHUTZFAKTOR FÜR ARME KINDER WERDEN KANN
5.1 GRUNDLEGENDE GEDANKEN ZUR ROLLE DER SCHULE IN DER RESILIENZFÖRDERUNG - LEHRER ZWISCHEN WISSENSVERMITTLUNG UND FÜRSORGLICHER ZUWENDUNG
5.2 SCHULISCHE RESILIENZFÖRDERUNG NACH DEM MEHREBENEN-ANSATZ .
5.2.1 Resilienzförderung als ein gesamtschulisches Projekt
5.2.2 Resilienzförderung im Schulunterricht
5.2.2.1 Der kindzentrierte Ansatz nach Grotberg
5.2.2.2 Julius und Goetzes Programm „Resilienzförderung bei Risikokindern“
5.2.2.3 Grünkes Förderung rationaler Denkmuster mit Hilfe der „Unterrichtsreihe zur Resilienzförderung auf Basis der rational- emotiven Erziehung“
5.2.3 Elterneinbindung
5.2.3.1 Die ressourcenstärkenden Elterntrainings „Starke Eltern - Starke Kinder“ und „EFFEKT“ als schulische Möglichkeiten der Elternunterstützung
5.2.3.2 Lehrkräfte als Kursleiter im für Grundschulen adaptierten Elterntraining „Eltern stärken mit Kursen in Kitas“
5.2.3.3 Zur Rolle des Lehrers in beratend-unterstützender Funktion
5.2.4 Einzelne SchülerInnen
6. FAZIT
ANHANG
LITERATURVERZEICHNIS
BUCHLITERATUR
WEB-DOKUMENTE
1. Einleitung
Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Erde, in dem derzeit mehr als 1,6 Millionen Mädchen und Jungen unter 15 Jahren in Hartz IV-Familien beziehungsweise in „relativer Armut“ aufwachsen. (vgl. Öchsner 2014). Diese traurige Realität kann als „Skandal“ bezeichnet werden und zu ungläubigem Kopfschütteln, Wut oder Resignation anregen. Trotz allen negativen Emotionen und der Hoffnung darauf, dass gesellschaftspolitische Maßnahmen, im Sinne primärer Armutsprävention, schnell eine Armutsverhinderung (oder zumindest eine Armutsreduktion) einleiten, gilt es, insbesondere für Pädagoginnen und Pädagogen, Armut als real vorherrschendes Gesellschaftsphänomen in Deutschland anzunehmen und handlungsfähig zu werden. Nicht zuletzt deshalb, da wegen den sozialen Ausgangsbedingungen der Kinder die Wahrscheinlichkeit hoch ist, „dass sie als Jugendliche und Erwachsene erhebliche psychosoziale Probleme haben werden und sich in die Gesellschaft nicht einfügen (lassen)“ (Rauh 2008, 177). Vor allem Lehrerinnen und Lehrer, die in ihrer täglichen Praxis in Kontakt zu Kindern aus Armutsverhältnissen stehen und verhältnismäßig viel Zeit mit ihnen verbringen, sollten sich herausgefordert fühlen, sich mit der belastenden Lebenslage dieser Schülerinnen und Schüler auseinanderzusetzen und adäquate pädagogische Interventionen einzuleiten.
Mit dieser wissenschaftlichen Arbeit wird nicht davon ausgegangen, dass Pädagoginnen und Pädagogen Kinder aus ihrer schwerwiegenden Armutssituation heben können oder dass Armut ein Problem darstellt, das pädagogisch beseitigt werden kann. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist eher ein Konzept, das besagt, dass Kinder die Fähigkeit erwerben können, ihrer problematischen Lebenslage widerstandsfähig zu begegnen und dass jene Fähigkeit durch gezielte pädagogische Handlungen in ihrer Ausprägung mitbeeinflusst werden kann. Bildlich gesprochen, soll mit dieser wissenschaftlichen Arbeit erörtert werden, wie die Institution Schule Kindern aus Armutsverhältnissen dabei helfen kann, „Steh-auf-Männchen“ zu werden, die sich von den Widrigkeiten ihrer Lebenslage nicht dauerhaft umwerfen lassen, sondern immer wieder zäh und behaglich ihre stehende Haltung einnehmen. Abgezielt wird mit dieser Arbeit daher nicht auf Ideen zu einer pädagogischen Beseitigung von Armut, sondern eher auf die mit Armut einhergehenden psychosozialen Risiken für das Kind sowie darauf bezogene pädagogische Interventionen, die auf dem sogenannten Resilienzkonzept beruhen.
Die Fragestellung dieser wissenschaftlichen Arbeit lautet folglich:
Welche Bedingungen müssen, unter der Berücksichtigung chronischer Armut als deprivierende Lebenslage von Kindern und den Erkenntnissen des Resilienzkonzepts, erfüllt werden, damit (Grund-)Schulen zum Schutzfaktor für diese spezifische Hochrisikogruppe werden können?
Gemäß dieser Fragestellung gestaltet sich der Aufbau dieser Arbeit wie folgt: Unter Punkt 2 („Theoretische Grundlagen zum Resilienzkonzept“) sollen die Grundgedanken des Resilienzkonzepts (Risiko- und Schutzfaktorenkonzept) aus mehreren Forschungsperspektiven sowie wegbereitende Forschungen (Kauai- Studie und Mannheimer-Risikokinder-Studie) zu Resilienz dargestellt werden. Diese Abbildung soll als eine Grundlage für die oben formulierte Fragestellung verstanden werden. Als weiteren unerlässlichen Grundstock für die Frage, wie Schule zum Schutzfaktor für Schülerinnen und Schüler aus Armutsverhältnissen werden kann, zählen die folgenden Teilthematiken unter Punkt 3 („Zum Armutsbegriff und zur Armutssituation in Deutschland“) und Punkt 4 („Kinderarmut und die Rolle des Resilienzkonzepts“). Während Punkt 3 grundsätzlich auf die materielle Definition eines gängigen Armutsbegriffs für in der BRD lebende Menschen und die Anbringung der Grundgedanken des „Lebenslagekonzepts“ abzielt, wird mit Punkt 4 letzteres als Basis genommen, um die Lebenslage von Kindern in chronischer Armut (diese spezifische Gruppe armer Kinder wird im Verlauf dieser wissenschaftlichen Arbeit noch definiert) und die sich darin potentiell ergebenden Risikobelastungen (nach dem „Risikofaktorenkonzept“) zu skizzieren. Auf diesem Gerüst findet anschließend unter Punkt 5 („Wie die Schule zum Schutzfaktor für arme Kinder werden kann“) die Auseinandersetzung mit Resilienzförderung in der schulpädagogischen Praxis statt (mithilfe des „Mehrebenen-Ansatzes“).
Schlussendlich sollen mit Punkt 6 („Fazit“) die Einsichten dieser wissenschaftlichen Arbeit zusammengefasst und mehrere Ausblicke angeführt werden.
2. Theoretische Grundlagen zum Resilienzkonzept
2.1 Zur Entstehung der Resilienzforschung
Entstanden aus Forschungsergebnissen der Entwicklungspsychopathologie1, der Entwicklungspsychologie, der Säuglings- und Bindungsforschung und dem wegbereitenden Einfluss des (im Kontrast zum bis dahin vorherrschenden Pathogenesekonzepts2 stehenden) Salutogenese-Konzepts des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky3, wurde mit der Resilienzforschung in den 1970er Jahren ein Paradigmenwechsel eingeläutet. (vgl. Fröhlich-Gildhoff/ Rönnau-Böse 2009, 19). Bis zu dieser Zeit wurden hauptsächlich Studien zu Risikoeinflüssen auf die Entwicklung des Kindes vorgenommen. Der Forscherblick wurde von der Defizit- auf die Ressourcenperspektive beziehungsweise auf die Stärken des Kindes gelenkt. Ziel der Resilienzforschung sei es seither, herauszufinden, welche Faktoren zu Stabilität und psychischer Gesundheit bei Kindern, die sozialen und familiären Entwicklungsrisiken ausgesetzt sind, beitragen würden. (vgl. Fingerle et al. 1999, 303).
2.2 Begriffsbestimmung
Bezüglich der Definition des Resilienzbegriffs existieren in der Forschung einige Definitionen, die den jeweiligen Anstrich der wissenschaftlichen Tradition widerspiegeln (pathogenetische, sozialwissenschaftliche, psychotherapeutische, entwicklungspsychologische, (sozial-) pädagogische Perspektiven). In der folgenden Begriffsbestimmung werden nur einige ausgewählte Begriffsannährungen angebracht.
Der Begriff „Resilienz“ leitet sich von dem englischen Wort „resilience“ („Elastizität“, „Strapazierfähigkeit“, „Zähigkeit“) ab, was seinen Ursprung im lateinischen „resiliere“ („abprallen, nicht anhaften“) hat. (vgl. Kipker 2008, 21). In der Physik charakterisiert der Begriff Stoffe, die selbst bei größtem Druck nicht zerbrechen, sondern so geschmeidig sind, dass sie sich nur biegen lassen.
Nach Fröhlich-Gildhoff und Rönnau-Böse (2009) spreche man von Resilienz dann, „wenn sich Personen, trotz gravierender Belastungen oder widriger Lebensumstände, psychisch gesund entwickeln“ (Fröhlich-Gildhoff/Rönnau- Böse 2009, 9). Wustmann (2004) bezeichnet Resilienz als „die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken“ (Wustmann 2004, 18) und bezieht damit internale und externale Faktoren in ihre Definition mit ein. Darüber hinaus unterscheidet sie drei Erscheinungsformen von Resilienz:
„1. Die positive gesunde Entwicklung trotz andauerndem, hohem Risikostatus, z.B. bei Aufwachsen in chronischer Armut und niedrigem ökonomischem Status,
2. die beständige Kompetenz unter akuten Stressbedingungen, z.B. infolge elterlicher Trennung und Scheidung,
3. die positive bzw. schnelle Erholung von traumatischen Erlebnissen wie Tod eines Elternteils“ (Wustmann 2004, 19).
Wustmann zeigt mit ihren definierten Erscheinungsformen auf, dass Resilienz einerseits als Grundlage zum Erhalt von Funktionsfähigkeit des Kindes unter risikohaften Bedingungen fungieren und andererseits zum Aufbau jener Fähigkeiten nach traumatischen Ereignissen beitragen kann. (vgl. Zander 2009, 19).
Schumacher (2005) betrachtet Resilienz als eine „relative Widerstandsfähigkeit gegenüber pathogenen Umständen und Ereignissen, die über die Zeit und über Situation variieren kann“ (Schumacher 205, 17). Mit dieser Definition um eine „relative Widerstandsfähigkeit“ wird darauf hingewiesen, dass „Resilienz“ keine angeborene individuelle Persönlichkeitseigenschaft, sondern vielmehr die erworbene Fähigkeit, „Krisen in Lebenszyklen unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen“ (Welter-Enderlin 2006, 13), meint. Diese Fähigkeiten hätten sich im Verhalten der Person und ihren Lebensmustern (life patterns) manifestiert (vgl. Zander 2009, 19 nach Masten/Powell in Luthar 2003) und innerhalb eines Interaktionsprozess zwischen Individuum und Umwelt entwickelt. Bei diesem „dynamischen, wechselseitigen Anpassungsprozess“ (Petermann/Schmidt 2006, 121) seien das nähere und weitere Umfeld des Kindes beteiligt. Im Zuge dessen bietet es bezüglich der Begriffsverwendung an, von einer „variablen Größe“ (Wustmann 2004, 30) zu sprechen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass resiliente Menschen Risikobelastungen nicht nur widerstandsfähig bewältigen können, sondern auch, trotz besonderer Probleme, ihre altersspezifischen Entwicklungsaufgaben nach Havinghurst4 erfolgreich bewältigen können.
Die Verwendung der Termini „gesunde Entwicklung“ oder „psychisch gesund“ sollen in der folgenden Darstellung stets in Anlehnung an die positive Bewältigung im Havinghurst´schen Sinne verstanden werden. Die in den dargestellten Definitionen aufgetretenen Begriffe „widrige Umstände“, „Krisen in Lebenszyklen“, „gravierende Belastungen“ oder „Entwicklungsrisiken“ sollen im Folgenden mit Wustmanns Aufzählungen von Vulnerabilitäts- und Risikofaktoren näher beleuchtet werden.
2.3 Das Risiko- und Schutzfaktorenkonzept
Zur Resilienzentwicklung spielen die Risiko- und Schutzfaktoren eine entscheidende Rolle. Während das Schutzfaktorenkonzept erst mit der Resilienzforschung entwickelt wurde, hängt das Risikofaktorenkonzept eng mit der pathogenetischen Sichtweise zusammen.
Im Folgenden soll das Risikofaktorenmodell (Punkt 2.3.1), welches nach Faktoren für eine defizitäre Entwicklung sucht, dem Schutzfaktorenkonzept (Punkt 2.3.2), samt seiner entgegenwirkenden, risikomildernden Bedingungen (Resilienzfaktoren), gegenübergestellt werden. Danach schließt sich eine Auseinandersetzung mit der wechselseitigen Beziehung zwischen Risiko- und Schutzfaktoren an (Punkt 2.4).
2.3.1 Das Risikofaktorenkonzept
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbild.1: Heuristisches Modell zu risikoerhöhenden und -mildernden Bedingungen (Scheithauer et al. 2000, 67)
Anhand dieser Abbildung von Scheithauer (2000) lässt sich das Konzept der Risikofaktoren beschreiben. Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass mit diesem Konzept unter „Umgebungsbezogen-Risikofaktor“ auf „nicht- normative Entwicklungsrisiken“ (Zander 2009, 31) angesprochen wird. Im Gegensatz dazu stehen „normative Entwicklungsrisiken“, wie z.B. Adoleszenzkrisen oder wachsende Morbidität im Alter. (vgl. ebd., 31). Nach Entwicklungspsychologen wie Jean Piaget, Erik Erikson oder Glen Elder sei eine „Entwicklung ohne Krisen (gemeint sind hier „normative Krisen“, Anmerk.: S.H.) oder Beeinträchtigungen nicht möglich […]“ und sogar notwendig (Staudinger/Greve 2007, 120).
Die Wahl der Begrifflichkeit „Risikoerhöhende Bedingungen“ in der dargestellten Abbildung impliziert, dass zwar eine Gefahr bzw. ein Risiko für die Ausprägung einer bestimmten Störung besteht, dieses aber nicht notwendigerweise auftreten muss. „Ein Risikofaktor stellt ein Merkmal dar, das bei einer Gruppe von Kindern, die Träger dieses Merkmals sind, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Störung im Vergleich zu einer unbelasteten Kontrollgruppe erhöht“ (Garmezy 1983, zit. n. Laucht et al. 2000, 98). Das Risikofaktorenkonzept, das letztlich nur deskriptive Aussagen zulässt, kann deshalb auch als „Wahrscheinlichkeitskonzept“ (Kipker 2008, 32) charakterisiert werden. Im Rahmen des Resilienzkonzepts sei jedoch nicht auszuschließen, dass diese Wahrscheinlichkeiten durch bestimmte Faktoren5 abgewendet werden könnten. (vgl. Zander 2009, 28). Scheithauers (2000) Schaubild (siehe: S. 9) unterscheidet zwischen (kindbezogenen) Vulnerabilitätsfaktoren, „die biologische und psychologische Merkmale des Kindes umfassen“ und Risikofaktoren, „die in der psychosozialen Umwelt eines Kindes entstehen“ (Wustmann 2004, 32). Auf diese Vulnerabilitäts- und Risikofaktoren/Stressoren soll nun konkreter eingegangen werden.
2.3.1.1 Vulnerabilität
Laut Kipker (2008) kennzeichne Vulnerabilität die „Verwundbarkeit, Verletzbarkeit oder Empfindlichkeit des Kindes gegenüber ungünstigen, äußeren Einflussfaktoren“ (Kipker 2008, 36). Mit diesem Zitat wird darauf hingewiesen, dass der ungünstige Einfluss, den Risikofaktoren auf die kindliche Entwicklung nehmen können, von dessen Vulnerabilität mitbestimmt wird.
Auf die explizite Darstellung dieser wechselseitigen Beziehung zwischen Vulnerabilitätsfaktoren und umweltbezogenen Risikofaktoren verzichtet Scheithauer (2000) (siehe: S. 9) in seinem Schaubild. Er bevorzugt eine separate Betrachtung von kindbezogenen Vulnerabilitätsfaktoren als risikoerhöhende Bedingungen. Unter diesem differenzierten Blickwinkel betrachtet kommen Scheithauer/Petermann, mitsamt ihren Erkenntnissen aus der Mannheimer Risikokinderstudie6, zu dem Entschluss, dass sich jene kindbezogenen Faktoren vergleichsweise wenig gravierend auf die kindliche Entwicklung auswirkten. Je älter ein Kind würde, desto weniger spielten biologische Risiken eine Rolle. Psychosoziale Risikofaktoren/Stressoren hingegen würden eher zu ungünstigen Entwicklungsverläufen führen und die kognitive und sozio-emotionale Entwicklung beeinträchtigen7. (vgl. Fröhlich- Gildhoff/Rönnau-Böse 2009, 20 nach Scheithauer/Petermann 1999). Die Wechselbeziehung von Vulnerabilitäts- und Risikofaktoren wird von Scheithauer eher in der Entstehung „sekundärer Vulnerabilität“8 und in Bezug auf „Phasen erhöhter Vulnerabilität“ gesehen.9
Die kindbezogenen Vulnerabilitätsmerkmale umfassen biologische, genetische und psychologische (bzw. Verhaltensmerkmale) Merkmale des Kindes, also jene Faktoren, die das Kind von Geburt an aufweist.
Wustmann (2004) unterscheidet folgende primäre Vulnerabilitätsfaktoren:
- prä-, peri- und postnatale Faktoren (z.B. Frühgeburt, Geburtskomplikationen, niedriges Geburtsgewicht, Ernährungsdefizite, Erkrankung des Säuglings)
- neuropsychologische Defizite
- psychophysiologische Faktoren (z.B. sehr niedriges Aktivitätsniveau)
- genetische Faktoren (z.B. Chromosomenanomalien)
- chronische Erkrankungen (z.B. Asthma, Neurodermitis, Krebs, schwere Herzfehler, hirnorganische Schädigungen)
- schwierige Temperamentsmerkmale, frühes impulsives Verhalten, hohe Ablenkbarkeit
- Geringe kognitive Fähigkeiten: niedriger Intelligenzquotient, Defizite in der Wahrnehmung und sozial-kognitiven Informationsverarbeitung
(Wustmann 2004, 38-39)
Zur „sekundären Vulnerabilität“, die aus einem Zusammenspiel zwischen umweltbedingten Risikofaktoren und primären Vulnerabilitätsfaktoren resultiert und ebenfalls als risikoerhöhende Bedingung für Belastungen betrachtet wird (vgl. Scheithauer et al. 2000, 67), zählt Wustmann (2004):
- Unsichere Bindungsorganisation
- Geringe Fähigkeiten zur Selbstregulation von Anspannung und Entspannung
(Wustmann 2004, 38-39)
Während Wustmann (2004) in seiner Auflistung auf „Phasen erhöhter Vulnerabilität“ verzichtet, weisen Scheithauer und Petermann (1999) in diesem Punkt auf soziale Entwicklungsübergänge (Transitionen) hin, wie z.B. der Eintritt in die Kindertagesstätte, die Einschulung, der Übergang zur weiterführenden Schule sowie die vulnerable Zeit der Pubertät. (vgl. Scheithauer/Petermann 1999, 7). Diese Phasen zeichnen sich durch Veränderungen in Bezug auf Identität und Rollenfindung aus und sind begleitet von vielen unterschiedlichen Emotionen und zu bewältigenden Aufgaben. In der Konsequenz können Kinder phasenweise besonders sensibel bzw. vulnerabel und daher anfälliger für Risikofaktoren und daraus resultierende Belastungen sein.
2.3.1.2 Risikofaktoren/Stressoren
Als die „eigentlichen Risikofaktoren, (die) Stressoren, die sich aus der psychosozialen Umwelt des Kindes ergeben“ (Petermann et al. 2004, 36; Hervorheb.: S.H.) können die „umgebungsbezogenen Risikofaktoren“ (Scheithauer 2000, 67) genannt werden. Wie bereits angemerkt (siehe: S. 11 dieser wiss. Arbeit) seien jene Stressoren, in Hinblick auf die kognitive und sozial-emotionale Entwicklung, für die ungünstige Entwicklung eines Kindes am häufigsten verantwortlich. (vgl. Rönnau-Böse/Fröhlich-Gildhoff 2010, 16).
Wustmann (2004) unterscheidet folgende Stressoren:
- Niedriger sozioökonomischer Status, chronische Armut
- Aversives Wohnumfeld (Wohngegenden mit hohem Kriminalitätsanteil)
- Chronische familiäre Disharmonie
- Elterliche Trennung und Scheidung
- Alkohol-/ Drogenmissbrauch der Eltern
- Psychische Störungen oder Erkrankungen eines bzw. beider Elternteile
- Kriminalität der Eltern
- Obdachlosigkeit
- Niedriges Bildungsniveau der Eltern
- Abwesenheit eines Elternteils / alleinerziehender Elternteil
- Erziehungsdefizite / ungünstige Erziehungspraktiken der Eltern (z.B. inkonsequentes, zurückweisendes oder inkonsistentes Erziehungsverhalten, Uneinigkeit der Eltern in Erziehungsmethoden, körperliche Strafen, zu geringes Beaufsichtigungsverhalten, Desinteresse / Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind, mangelnde Feinfühligkeit und Responsivität)
- Sehr junge Elternschaft (vor dem 18. Lebensjahr)
- Unerwünschte Schwangerschaft
- Häufige Umzüge, Schulwechsel
- Migrationshintergrund in Verbindung mit niedrigem sozioökonomischen Status
- Soziale Isolation der Familie
- Verlust eines Geschwisters oder engen Freundes
- Geschwister mit einer Behinderung, Lern- oder Verhaltensstörung
- Mehr als 4 Geschwister
- Mobbing / Ablehnung durch Gleichaltrige
- Außerfamiliäre Unterbringung (Wustmann 2004, 38-39)
Darüber hinaus nennt Wustmann (2004) noch „schwerwiegende Risikofaktoren“, wie Gewalttaten, sexuellen Missbrauch, Kriegs- und Terrorerlebnisse, Naturkatastrophen oder „beengte Wohnverhältnisse“ (Wustmann 2004, 43). Vor allem Letzteres stellt, in Hinblick auf die anschließende Armutsthematik, einen wichtigen Ergänzungspunkt dar.
Resilienzstudien10 haben, hinsichtlich dieser aufgezählten Risikofaktoren, gezeigt, dass selten ein Risikofaktor isoliert auftritt, sondern eher eine Kumulation von mehreren Risikofaktoren11 festgestellt werden konnte. Diesbezüglich zeigte Rutter (2000), dass „bei vier Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit, eine psychische Störung zu entwickeln zehnmal höher ist (20%) als bei nur einem“ (Rutter 2000, 235, zit. n. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau- Böse 2009, 25). Darüber hinaus entscheide auch die Dauer bzw. Kontinuität der Risikobelastung, die Abfolge der Ereignisse, Alter und Entwicklungsstand des Kindes, geschlechtsspezifische Aspekte und die subjektive Bewertung der Risikobelastung über die Auftretenswahrscheinlichkeit sozio-emotionaler oder psychischer Störungen. (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2009, 25-26).
2.3.2 Das Schutzfaktorenkonzept
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbild. 2: Heuristisches Modell zu risikoerhöhenden und -mildernden Bedingungen (Scheithauer et al. 2000, 67)
Während das „Risikofaktorenkonzept“ als Teil der Resilienzforschung noch sehr an die Sichtweise der Pathogenese erinnert, repräsentiert das „Schutzfaktorenkonzept“ den Paradigmenwechsel von der Defizit- zur Ressourcenorientierung. Scheithauer (2000) unterscheidet in puncto „Risikomildernde Bedingungen“ zwischen „Kindbezogen“, „Umgebungsbezogen“ und „Entwicklungsförderliche Bedingungen“12 als Faktoren für die Entstehung von Resilienz (siehe: Schaubild). Wustmann (2004), die sich auf Ergebnisse mehrerer Resilienzforschungen in ihrer Aufzählung stützt13, ordnet Scheithauers „Kindbezogen“ den „Personalen Ressourcen“ zu, worunter sie schließlich auch „Resilienzfaktoren“ zählt. Zu „Personale Ressourcen“ zählt Wustmann (2004):
„Kindbezogene Faktoren:
- positive Temperamentseigenschaften
- intellektuelle Fähigkeiten
- erstgeborenes Kind
- weibliches Geschlecht
Resilienzfaktoren:
- Selbstwahrnehmung14
- Selbstwirksamkeit15
- Selbststeuerung16
- Soziale Kompetenz17
- Umgang mit Stress18
- Problemlösefähigkeiten19 “ (Wustmann 2004, 39)
Während „Kindbezogene Faktoren“ unbeeinflussbare internale Persönlichkeitsmerkmale darstellen, gelten Resilienzfaktoren als „Eigenschaften, die das Kind in der Interaktion mit der Umwelt sowie durch die erfolgreiche Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben im Verlauf erwirbt“ (Wustmann 2004, 46). Diesen Faktoren falle bei der Bewältigung von schwierigen Lebensumständen eine besondere Rolle zu. (vgl. ebd., 46). Dabei sind diese sechs Faktoren nicht separat voneinander zu betrachten, da sie in einem engen Zusammenhang zueinander stehen. So kann z.B. die Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, ebenso wie eine gute Selbststeuerungsfähigkeit, eine Voraussetzung zum Aufbau sozialer Kompetenzen sein. (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2009, 22). „Eine getrennte Betrachtung ist aus analytischen Gründen sinnvoll, wird aber der Komplexität des Seelenlebens nur ansatzweise gerecht“ (Fröhlich- Gildhoff/Rönnau-Böse 2009, 41).
Scheithauer (2000) zählt in seiner Abbildung (S. 14 dieser wiss. Arbeit) des Weiteren „umgebungsbezogene Schutzfaktoren“ auf, die Wustmann (2004) als „Soziale Ressourcen“ bezeichnet.
Hier unterscheidet Wustmann:
„Innerhalb der Familie:
- mindestens eine stabile Bezugsperson, die Vertrauen und Autonomie fördert
- autoritativer / demokratischer Erziehungsstil
- Zusammenhalt, Stabilität und konstruktive Kommunikation in der Familie
- enge Geschwisterbindungen
- altersangemessene Verpflichtungen des Kindes im Haushalt
- hohes Bildungsniveau der Eltern
- harmonische Paarbeziehung der Eltern
- unterstützendes familiäres Netzwerk (Verwandtschaft, Freunde, Nachbarn)
- hoher sozioökonomischer Status
In den Bildungsinstitutionen:
- klare, transparente u. konsistente Regeln und Strukturen
- wertschätzendes Klima (Wärme, Respekt u. Akzeptanz gegenüber dem Kind)
- hoher, angemessener Leistungsstandard
- positive Verstärkung der Leistungen und Anstrengungsbereitschaft des Kindes
- positive Peerkontakte / positive Freundschaftsbeziehungen
- Förderung von Basiskompetenzen (Resilienzfaktoren)
- Zusammenarbeit mit dem Elternhaus und anderen sozialen Institutionen
Im weiteren sozialen Umfeld
- kompetente und fürsorgliche Erwachsene außerhalb der Familie, die Vertrauen fördern, Sicherheit vermitteln und als positive Rollenmodelle dienen (z.B. Erzieher/-innen, Lehrer/-innen, Nachbarn)
- Ressourcen auf kommunaler Ebene (Angebote der Familienbildung, Beratungsstellen, Frühförderstellen, Gemeindearbeit usw.)
- gute Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten
- Vorhandensein prosozialer Rollenmodelle, Normen und Werte in der Gesellschaft“
(Wustmann 2004, 39)
2.4 Der Wechselwirkungsprozess zwischen Risiko- und Schutzfaktoren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbild. 3: Heuristisches Modell zu risikoerhöhenden und -mildernden Bedingungen (Scheithauer et al. 2000, 67)
Resilienz auf der einen oder Vulnerabilität auf der anderen Seite kann als das Ergebnis des komplexen Zusammenspiels von Risiko- und Schutzfaktoren betrachtet werden. Scheithauer (2000) verwendet in seinem Schaubild die Begriffe „Belastungen“ und „Ressourcen“ und beschreibt die Entwicklung des Kindes mit dem Zusammenspiel zwischen diesen beiden. Je nachdem, wie dieses Zusammenspiel individuell aussehe (z.B. Anzahl und Art der Faktoren, kindbezogene und umgebungsbezogene Merkmale) verlaufe die Entwicklung des Kindes angepasst oder fehlangepasst. (vgl. Rönnau-Böse/Fröhlich-Gildhoff 2009, 33).
Schutzfaktoren dürften jedoch nicht einfach als das Gegenteil von Risikofaktoren und umgekehrt angesehen werden. (vgl. Rönnau-Böse/Fröhlich- Gildhoff 2010, 18). Es müsse einerseits immer mit berücksichtigt werden, „dass ein fehlender Schutzfaktor als Risiko gesehen werden kann, aber nicht umgekehrt, da das Fehlen von Risikofaktoren an sich keinen Schutz darstellt“ (Ball/Peters 2007, 130). Anderseits würde eine Sicht auf Risiko- und Schutzfaktoren, getreu dem Motto: „Zu jedem Risikofaktor gibt es genau den passenden Schutzfaktor“, der komplexen individuellen Lebenssituation von (Hoch-)Risikokindern und der „Heterogenität der Effekte“ (Scheithauer/ Petermann 1999, 71) nicht gerecht werden. Alter, Geschlecht und kultureller Hintergrund müssen bei der Frage nach generellen Schutzfaktoren immer mit berücksichtigt werden.20 Es müsse immer die konkrete Lebenssituation in die Betrachtung mit einbezogen werden, um die Qualität eines Faktors und seine möglichen Auswirkungen beurteilen zu können. (vgl. Rönnau-Böse/Fröhlich- Gildhoff 2009, 31). Zander (2009) betont, dass bei den meisten Schutzfaktoren nicht von universellen, sondern eher von „kontextspezifisch“ wirkenden Schutzfaktoren ausgegangen werden müsse. (vgl. Zander 2009, 38).
Genau wie bei Risikofaktoren gilt in Bezug auf Schutzfaktoren eine kumulative Wirkungsweise. Je mehr Schutzfaktoren einem Kind zur Verfügung stehen, desto eher können Entwicklungsrisiken „gepuffert“ werden. Das bedeutet zwar nicht, dass lebensweltbezüglicher Stress und Risiken der Kinder aufgelöst werden, sondern eher, dass Kinder erlernen, effektive Strategien in Bezug auf ihre Lebenssituation zu entwickeln. Im Zuge dessen gibt Zander (2008) zu bedenken, dass nicht nur die Menge an Schutzfaktoren, sondern auch deren generell-protektive Qualität eine entscheidende Rolle bei der Resilienzentwicklung spielten. (vgl. Zander 2008, 142). Bei aller Kontextspezifik von Schutzfaktoren zeigte sich, dass der, in allen Resilienzstudien auftretende21, Schutzfaktor „kontinuierliche, sichere Bindung zu einer Bezugsperson“ als ein ganz entscheidender, genereller Schutzfaktor gewertet werden kann, der stets protektiven Charakter besitzt.
2.5 Ausgewählte Resilienzstudien
Schlussendlich sollen die Kauai-Studie und die Mannheimer- Risikokinderstudie vorgestellt werden. Dies soll einerseits die Bestandsaufnahme des Resilienzbegriffs vervollständigen und andererseits den Risikofaktor „Armut“, der in diesen beiden Studien eine bestimmte Rolle einnimmt, einführend beleuchten. Im Verlauf dieser wissenschaftlichen Arbeit werden zusätzliche Aspekte der beiden Studien (vorwiegend unter Punkt 5) in die Auseinandersetzung miteinfließen.
2.5.1 Die Kauai-Studie
Als Pionierstudie der Resilienzforschung kann die Kauai-Langzeitstudie von Emmy Werner (1982, 2001) betrachtet werden. Sie begleitete mit ihrem Forscherteam um Ruth S. Smith den Geburtenjahrgang 1955 der hawaiianischen Insel Kauai über 40 Jahre lang. Dabei wurden insgesamt 698 Menschen interviewt, beobachtet und Daten zur Lebens- und Gesundheitssituation gesammelt. Die Erhebungszeitpunkte wurden gezielt ausgewählt. In Anlehnung an Havinghursts Entwicklungsstufen wurden die Vorgeburts- und Geburtsphase, die Kleinkindphase (bis 2 Jahre), die mittlere Kindheit (bis 10 Jahre) sowie die Adoleszenz und Jugendphase (bis 18 Jahre) berücksichtigt. (vgl. Zander 2009, 76). Für jede Entwicklungsphase wurden spezifische Entwicklungsrisiken angenommen.
Ein Drittel der beobachteten Menschen wiesen eine hohe Risikobelastung auf, wie chronische Armut, familiäre Disharmonie oder psychische Krankheiten der Eltern. Im Verlauf der Studie zeigte sich, dass sich wiederum ein Drittel der Hochrisikogruppe (42 Mädchen und 30 Jungen), entgegen aller Erwartungen, erstaunlich gut entwickelten. Das bedeutet, dass sich diese Gruppe z.B. durch Optimismus, Beziehungsfähigkeit, keine schulischen Leistungsprobleme, realistische Zukunftsvorstellungen und -erwartungen, das Finden einer erfüllenden Arbeit, geringere Todesraten im Alter von 40 Jahren und durch weniger chronischen Erkrankungen und Scheidungen auszeichnete. Diese Gruppe wurde schließlich als resilient bezeichnet und wies auf verschiedenen Ebenen protektive Faktoren auf, wie eine emotionale Bezugsperson, einen stabilen Familienzusammenhalt, hohe Sozialkompetenz und positive Selbstwirksamkeitserwartungen. (vgl. Rönnau-Böse/Fröhlich-Gildhoff 2009, 15-16). Die erste, ebenfalls in chronischer Armut lebende, Vergleichsgruppe, bestehend aus 39 Mädchen und 51 Jungen, zeigte bereits im Alter von 10 Jahren erhebliche Lernschwierigkeiten und Verhaltensprobleme. Teilweise wurden therapeutische Hilfen in Anspruch genommen. Die andere Vergleichsgruppe (43 Mädchen und 49 Jungen) zeigte ernsthafte psychische Probleme und/ oder ein schwerwiegendes abweichendes Verhalten in Verbindung mit weniger protektiven Faktoren. (vgl. Zander 2009, 78-79 nach Werner/Smith 1982, 49).
2.5.2 Die Mannheimer Risikokinderstudie
In der von Manfred Laucht, Günter Esser und Martin H. Schmidt durchgeführten Mannheimer-Risikokinderstudie sollte herausgefunden werden, „wie sich Kinder mit unterschiedlichen Risikobelastungen entwickeln und welche möglicherweise protektiven Faktoren es gibt, um die Belastungen zu kompensieren“ (Laucht/Esser/Schmidt 1999, 16). Dabei unterschieden die Forscher zwischen „organischen und psychosozialen Risikofaktoren“ und deren Auswirkungen auf Motorik, Kognition und Sozialverhalten der Kinder. (vgl. ebd., 76ff.).
Insgesamt wurden 362 Kinder, geboren zwischen 1986 und 1988 herangezogen und im Alter von drei Monaten, zwei, vier, fünf, acht und elf Jahren untersucht. Schlussendlich konnten die Forscher als Ergebnisse liefern, dass es eine Heterogenität in der Entwicklung von Risikokindern gibt und dem Schutzfaktorenkonzept eine wichtige Rolle zufällt. Darüber hinaus wurden Möglichkeiten aufgezeigt, die sich durch Maßnahmen und Angebote vorbeugender und frühzeitiger Interventionen eröffnen. (vgl. Zander 2009, 32 nach Laucht/Esser/Schmidt 1999, 106 f.). Außerdem wurde mit der Studie aufgezeigt, dass zahlreiche frühkindliche Risikofaktoren eng mit einer ungünstigen Entwicklung verknüpft sind und Kinder mit multiplen Risikofaktoren die am stärksten gefährdete Gruppe darstellten. Ihre Auswirkungen bestünden bis ins Erwachsenenalter fort. Als diesbezüglich sehr protektive Faktoren nannten sie das Temperament des Kindes, eine positive frühe Eltern-Kind Beziehung und Kompetenzen des Kindes. (vgl. Laucht/Esser/Schmidt 1999).
In puncto Risikofaktoren wurde Armut als kindliches Entwicklungsrisiko in der Studie als „psychosoziale Belastung“ gesehen und konkret als „benachteiligte familiäre Lebensverhältnisse aufgeführt.
In Hinblick auf die Vorhersage psychischer Störungen (2-19 J.) wurden mehrere psychosoziale Risikofaktoren einzeln betrachtet und gegenübergestellt. Im Zuge dessen wurde „Familie mit Armutsrisiko“ ermittelt. Mit einem „relativen Risiko“ von 1,84% liegt dieser ermittelte Item relativ weit hinter sogenannten „Broken Home“ Verhältnissen der Mutter“.22
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbild. 4: Laucht 2011, 9
Ob bezüglich der Betrachtung von chronischer Armut von lediglich einem Item gesprochen werden kann, oder ob Armut nicht eher ein multifaktorielles Phänomen darstellt, das die anderen untersuchten Items der MannheimerRisikokinder-Studie potentiell miteinschließt, gilt im weiteren Verlauf dieser wissenschaftlichen Arbeit zu klären.
3. Zum Armutsbegriff und zur Armutssituation in Deutschland
Um die Rolle der Resilienz bei Schülerinnen und Schülern aus Armutsverhältnissen erörtern zu können ist es notwendig, den komplexen Begriff der „Armut“ differenziert zu betrachten.
3.1 Relative Armut
In Bezug auf Armut gibt es mehrere Definitionen, wie objektive23, subjektive24 und relative Armut. Im Bewusstsein dessen, dass objektive Armut auch im Wohlstandsland Deutschland vorkommt, soll sich die Erörterung der Armutssituation in Deutschland, in Hinblick auf „monetäre Konzepte“ (Engels 2006, 109), auf die politisch-normativen Armutsdefinition und dem damit verbundenen „Nettoäquivalenzeinkommen“ beschränken. Anhand dieser Konzepte lässt sich der für die Bundesrepublik Deutschland gängige Armutsbegriff der „relativen Armut“ bestimmen.
Die politisch-normative Herangehensweise zur Bestimmung von Armut definiert denjenigen Anteil der Bevölkerung als Armutspopulation, der in der BRD laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht (Hartz IV, Sozialhilfe). Diese Sichtweise meint letztendlich, dass das Existenzminium zwar gesichert, aber das „ökonomische Kapital“ (Bourdieu 2001), gemessen an nationalen Maßstäben, vergleichsweise niedrig ist.25
Des Weiteren können „anhand der Einkommenssituation von Personen und Haushalten (…) Einkommensverteilungen nach Niedrigeinkommens- und Armutsquoten berechnet werden“ (Palentien 2005, 57). Von relativer Armut spreche man, wenn das verfügbare und bedarfsgewichtige Äquivalenzeinkommen eines Haushalts unterhalb von 50% - unterhalb von 40% bei „strenger“ und von 60% bei „weiter“ Armutsdefinition26 - des durchschnittlichen und bedarfsgewichteten Äquivalenzeinkommens aller Haushalte liege. (vgl. Palentien 2005, 57). Nach dem Armutsbericht von 2011 hätten schlussendlich etwa 12 Millionen Menschen weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung und gelten damit als armutsgefährdet. (vgl. Öchsner 2011). Gemäß dieser Definition zählen nicht nur Arbeitslose, sondern auch sogenannte „Niedriglöhner“27, Menschen mit Migrationshintergrund, Bildungsferne, kinderreiche Familien (Familien mit drei oder mehr Kindern)28 und „allein erziehende Elternteile“29 zur Gruppe der „von Armut Bedrohten“, d.h. „die Wahrscheinlichkeit einer Armutsgefährdung (ist) höher als im Durchschnitt der Bevölkerung“ (Holz 2008, 5).
3.2 Das Lebenslagekonzept
Neben der Einkommenssituation, die zwar einen enormen Stellenwert und Einfluss auf andere Lebenslagedimensionen hat, spielt beim „Lebenslagekonzept“ nach Ingeborg Nahnsen auch die kumulative Unterversorgung in unterschiedlichen bzw. zentralen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle. (vgl. Zander 2009, 112; Palentien 2005, 63). Mit diesem Konzept wird Armut differenzierter als eine multidimensionale, normabweichende Lebenslage von Kindern verstanden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbild. 5: „Das kindbezogene Armutskonzept“ ( Hock et al. 2000, 12)
Wie auf dem Schaubild zum kindbezogenen Armutskonzept von Hock (2000) zu sehen ist, gehen den Lebenslagedimensionen des Kindes („Materiell“, „Sozial“, „Gesundheitlich“, „Kulturell“) immer monetäre familiäre Armutsverhältnisse voraus. Laubstein/Dittmann/Holz (2011) merken diesbezüglich an, dass „junge Menschen, bei denen zwar Einschränkungen beziehungsweise Unterversorgung in den genannten Lebenslagedimensionen festzustellen sind, jedoch keine familiäre Armut vorliegt, […] als benachteiligt […], nicht jedoch als „arm“ (Laubstein/Dittmann/Holz 2011, 12)“ zu bezeichnen seien. Die prekäre finanzielle Lage der Eltern und die (u.a. dadurch bedingte) Beziehung zwischen Eltern und Kind ist Untersuchungsgegenstand des Lebenslagekonzepts.
Das Zusammenspiel zwischen der Lebenssituation der Eltern und der Kinder führt im Lebenslagekonzept schließlich zur Bestimmung der „Lebenslage Kind“, was in „Wohlergehen“, „Benachteiligung“ und „multiple Deprivation“ aufgeteilt wird. „Von Wohlergehen wird dann gesprochen, wenn in Bezug auf die zentralen (Lebenslage-) Dimensionen aktuell keine „Auffälligkeiten“ festzustellen sind, das Kindeswohl also gewährleistet ist“ (Holz/Puhlmann 2005, 23). Eine Benachteiligung liege gemäß Definition dann vor, wenn in einigen wenigen Bereichen aktuell „Auffälligkeiten“ festzustellen seien. Das betroffene Kind könne in Bezug auf seine weitere Entwicklung als eingeschränkt beziehungsweise benachteiligt betrachtet werden. (Holz/Puhlmann 2005, 23).
[...]
1 Die „Entwicklungspsychopathologie“ ist eine psychologische Teildisziplin, „die sich mit den Ursachen von psychischen und sozialen „Entwicklungsstörungen“ und ihrem Verlauf auseinandersetzt“ (Zander 2009, 27). Sie gebe nach Petermann (2000) Hinweise auf die Genese psychischer Auffälligkeiten und Störungen sowie die Bewältigung von Belastungs- und Krisensituationen. (vgl. Petermann 2000, 14).
2 Pathogenese beschreibt einen biomedizinischen Ansatz, der sich mit der Entstehung von Krankheiten und Bedingungen von Krankheiten fragt. (vgl. Kipker 2009, 25). Im Rahmen des Resilienzkonzepts findet die Pathogenese seine Anwendung im Risikofaktorenkonzept.
3 Zu dem genannten Perspektivenwechsel von einem risikoorientierten zu einem ressourcenorientierten Modell Anfang der 1970er Jahre hat das Konzept der Salutogenese (Salus, lat.= Unverletztheit, Heil) des Mediziners Aaron Antonovsky (1979) erheblich beigetragen. Für Antonovsky stand die Frage im Vordergrund: „Wie wird ein Mensch mehr gesund und weniger krank?“ (Bengel/Strittmatter/Willmann 2001, 24). Anstatt sich darauf zu konzentrieren, was einen Menschen krank macht, sollte man seiner Ansicht nach vielmehr darauf schauen, was die Person, trotz vieler gesundheitsgefährdender Einflüsse, gesund erhält. Folglich wurde die Suche nach spezifischen Krankheitsursachen um die Suche nach gesunderhaltenden und -fördernden Maßnahmen erweitert. Während die Resilienzforschung den Schwerpunkt eher auf Anpassung und Bewältigung lege, konzentriere sich die Salutogenese eher auf die Etablierung von Schutzfaktoren und sei weniger methodenorientiert. (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2009, 14)
4 Nach Havinghurst (1947) gibt es in jeder Stufe des Lebens spezifische Anforderungen an das Individuum, die es zu bewältigen gilt. Die Phasen der (frühen) Kindheit bis zur Jugend sollen hiermit skizziert werden:
„Frühe Kindheit (0-2 Jahre): Anhänglichkeit, Objektpermanenz, sensomotorische Intelligenz und schlichte Kausalität, motorische Funktionen; Bsp.: Greifen, Krabbeln, Gegenstände wiedererkennen etc.
Kindheit (2 - 4 Jahre): Selbstkontrolle (motorisch), Sprachentwicklung, Phantasie und Spiel, Verfeinerung motorischer Funktionen; Bsp.: Kontrolle der Körperausscheidungen, Laufen Lernen etc.
Schulübergang und frühes Schulalter (5 - 7 Jahre): Geschlechterrollenidentifikation, einfache moralische Unterscheidung treffen, konkrete Operationen, Spiel in Gruppen; Bsp.: Beginn des Lesen und Schreiben, konkrete Handlungen sind möglich (Grundschule) usw. Mittleres Schulalter (6 -12 Jahre): Soziale Kooperation, Selbstbewusstsein, Erwerb der Kulturtechniken (Lesen…), Spielen und Arbeiten im Team; Bsp.: Altersgenossen nehmen Stellenwert ein, Gewissen und Moral sowie persönliches Unabhängigkeitsgefühl bildet sich aus Adoleszenz (13 - 17 Jahre): Körperliche Reifung, formale Operationen, Gemeinschaft mit Gleichaltrigen, heterosexuelle Beziehungen; Bsp.: Pubertätsspezifische Reifung, schwierige Gedankengänge werden lösbar (abstrakt - Mathe), Vorbereitung auf berufliche Karriere (Schule, Ausbildung…) Jugend (18 - 22 Jahre): Autonomie von den Eltern, Identität in der Geschlechterrolle, Internalisiertes moralisches Bewusstsein, Berufswahl; Bsp.: Partnerwahl, Verantwortung übernehmen.“
5 Diese „bestimmten Faktoren“ meinen das „Schutzfaktorenkonzept“, das unter Punkt 2.3.2 dargestellt wird. Es gilt als „zweiter Schritt“ auf dem Weg zu einem Resilienzkonzept, bei dem verstärkt „nach den Möglichkeiten und Bedingungen einer „positiven Entwicklung“ - trotz erkannter Risiken und Belastungen - gefragt“ (Zander 2009, 28) wurde.
6 Siehe: Punkt 2.5.2
7 Siehe: Punkt 2.3.1.2
8 Siehe: Punkt 2.3.1.1
9 Siehe: Punkt 2.3.1.1
10 Siehe: Punkt 2.5
11 Unter Punkt 4. wird auf diese Kumulation hinsichtlich einer chronischen Armutssituation, in der vermehrt multiple Risikobelastungen auftreten, näher eingegangen.
12 z.B. hoher sozioökonomischer Status der Eltern, gute Wohngegend
13 siehe: Punkt 2.5
14 „Die ganzheitliche und adäquate Wahrnehmung der eigenen Emotionen und Gedanken. Die Fähigkeit, sich selbst dabei zu reflektieren und in Bezug zu anderen und ihrer Wahrnehmung zu setzen“ (Rönnau-Böse/Fröhlich-Gildhoff 2010, 21).
15 „Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die Überzeugung, ein Ziel - wenn nötig auch durch Überwindung von Hindernissen - erreichen zu können“ (ebd., 21).
16 „Die Fähigkeit, sich und seine Gefühlszustände selbständig zu regulieren. Dazu gehört beispielsweise das Wissen, welche Strategien zur Selbstberuhigung und welche Handlungsalternativen es gibt“ (ebd., 21).
17 „Die Fähigkeit, im Umgang mit anderen soziale Situationen einschätzen und adäquate Verhaltensweisen zeigen zu können; sich empathisch in andere Menschen einfühlen sowie sich selbst behaupten und Konflikte angemessen lösen zu können. Weiterhin zählt zur sozialen Kompetenz die Fähigkeit, sich soziale Unterstützung zu holen, wenn dies nötig ist“ (ebd., 22).
18 „Einschätzen, bewerten und reflektieren von stressigen, belastenden Situationen; Kennen der eigenen Grenzen und Bewältigungsstrategien“ (ebd., 22)
19 „Verstehen und Reflektieren von komplexen Sachverhalten und Entwicklungen sowie Umsetzung von Lösungsmöglichkeiten unter Rückgriff auf vorhandenes Wissen und Können“ (ebd., 22).
20 z.B. wurde in der Kauai-Studie gezeigt, dass bei Jungen im Kindesalter eher Autonomiestreben und Selbsthilfe eine protektive Wirkung hatte, wo hingegen bei Mädchen mehr die soziale Orientierung ein schützender Aspekt war. (vgl. Werner/Smith 1982, 167).
21 Siehe: Punkt 2.5
22 „broken home: Unvollständige Familie, Abwesenheit eines Elternteils als Folge von Ehescheidung, Tod, Getrenntleben oder sonstigen Umständen“ (Psychologie48).
23 Der Begriff umfasst Menschen, die, nach einer Definition der Weltbank, weniger als einen Dollar und weniger zur Verfügung haben. Im Jahr 2004 waren dies 970 Millionen Menschen, vor allem aus Ostasien und Pazifik, Südasien, Indien und Schwarzafrika. In Deutschland sind vor allem Obdachlose und Straßenkinder von absoluter Armut betroffen. 310.000 Obdachlose und ca. 5.000 bis 7.000 Straßenkinder bzw. -jugendliche wurden im 2. Deutschen Armutsbericht 2003 ermittelt. (vgl. World Vision Institut für Forschung und Innovation 2008).
24 Die subjektive oder gefühlte Armut entstamme einem subjektiven Gefühl und Bewusstsein der Betroffenheit und lasse sich nicht an Einkommensgrenzen festmachen. Sie stelle sich oft ein, wenn Menschen sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation gesellschaftlich ausgegrenzt oder diskriminiert fühlten, wenn sie das Gefühl hätten, nicht integraler Bestandteil der Gesellschaft zu sein, in der sie leben. (vgl. ARMUT.de 2008)
25 Nach dem Statistischen Bundesamt lebten im Jahr 2004 von den 232.000 Kleinkindern (unter 3 Jahre) 10,4% davon in einer Familie, die Sozialhilfe empfing. Von den 240.000 Kindergartenkindern (3-6 Jahre) lebten 7,5% davon in dieser Situation. Für die 415.000 schulpflichtigen Kinder (7-14 Jahre) ergibt sich eine Quote von 5,9% und für die 130.000 Jugendlichen (15-17 Jahre) eine Quote von 4,6%. Insgesamt ergibt sich für die 1.016.000 Minderjährigen eine Quote von 6,7%. (vgl. Darstellung nach Holz/Puhlmann 2005, 25).
26 Nach Zander (2009) spreche man hier bereits von einer „prekären Lebenslage“. (vgl. Zander 2009, 114).
27 Der 4. Deutsche Armutsbericht kommt für das Jahr 2010 auf eine Niedriglohnquote von 20,6 Prozent und damit auf einen Anstieg von 1,9 Prozentpunkten gegenüber der letzten Erhebung für das Jahr 2006. Das bedeutet, dass 20,6 Prozent der Bundesbürger von relativer Armut bedroht sind. (vgl. 4. Deutscher Armutsbericht). Das bedeutet, dass heutzutage auch (Vollzeit- )Berufstätige, aufgrund von wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozessen und rasanten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, nicht vor Armut geschützt sind und sogenannte „working poors“ sind. (vgl. Holz 2008, 8)
28 Laut der Sonderauswertung des SOEP 2009 durch das DIW 2010 gelten Familien mit drei Kindern, denen monatlich weniger als 2080 Euro zur Verfügung steht, als arm. (vgl. Laubstein/ Dittmann/Holz 2011, 14).
29 Laut der Sonderauswertung des SOEP 2009 durch das DIW 2010 gelten Alleinerziehende mit 1 Kind, denen weniger als 975 Euro zur Verfügung stehen, Alleinerziehende mit 2 Kindern, denen weniger als 1.300 Euro zur Verfügung stehen und Alleinerziehende, denen weniger als 1.625 Euro zur Verfügung stehen, als arm. (vgl. Laubstein/Dittmann/Holz 2011, 14). Nach Statistischem Bundesamt würde jede fünfte Familie in Deutschland eine „Alleinerziehenden-Familie“ sein. (vgl. SPIEGEL-Online 2014)
- Arbeit zitieren
- Studienrat Sebastian Heil (Autor:in), 2014, Resilienz und Armut. Zur Rolle des Resilienzkonzepts bei SuS aus Armutsverhältnissen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/388857
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