Als Grundlage der Untersuchung wird zunächst der Begriff Marketing und der des History Marketing, der Nutzung der Firmengeschichte im Marketing, analysiert und eingeordnet. Die Arbeit untersucht dann die Bedeutung dieser Firmengruppe innerhalb der deutschen Wirtschaft, um zu zeigen, dass sie einen entscheidenden Beitrag zur Wertschöpfung in Deutschland leistet. Dazu wird der generelle Einsatz von Marketing bei Hidden Champions analysiert und dargestellt. So soll grundsätzlich geklärt werden, wie sie mit ihrer Unternehmensgeschichte gezielt agieren können, um die beiden Marketingziele stabile Kundenbeziehung und erfolgreiche Unternehmenskultur zu erreichen.
In einem ersten Schritt werden die Websites der erfolgreichsten Hidden Champions in Deutschland daraufhin untersucht, ob und wie sie ihre Unternehmensgeschichte in diesem digitalen Medium präsentieren. In einem zweiten Schritt werden Befragungen der Geschäftsführungen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser erfolgreichen Firmen durchgeführt. Ziel ist anhand von Fragen, die auch interne Prozesse betreffen, zu erfahren, wie konkret Unternehmensgeschichte bei Hidden Champions eingesetzt wird.
Die zu untersuchenden Unternehmen sind überwiegend Familienunternehmen. Generell gilt, dass Familien- oder Inhabergeführte Unternehmen eine geringere Publizität pflegen als große Kapitalgesellschaften. Letztere müssen dies schon deshalb tun, weil sie oft börsennotiert sind oder aufgrund ihrer Größe bestimmten Publizitätspflichten inklusive detailliertem Geschäftsbericht unterliegen. Im Geschäftsbericht wird auch über den Einsatz von Marketinginstrumenten und den Beweggründen dafür berichtet. Von den Hidden Champions liegen diese aufgrund ihrer Größe und ihrer Rechtsform oftmals nicht vor.
Die Autorin hat deshalb den Weg gewählt, mittels eines on-line Fragebogens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen. So sollen Informationen zu der Bedeutung der Unternehmensgeschichte aus Marketingsicht gewonnen werden. Sowohl aus dem B2B- als auch aus dem B2C-Umfeld werden Personen befragt. Die Geschäftsführungen werden anhand von Telefoninterviews befragt. So sollen aussagekräftige Informationen über die aktuelle Marketingpraxis bei Hidden Champions gewonnen werden. Nach der Auswertung der empirischen Datenerhebung werden Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung des Instrumentariums History Marketing entwickelt, die speziell an Hidden Champions gerichtet sind.
1.2 Ziele und Aufbau der Arbeit
2 Konzeptionelle Grundlagen zum Marketing und History Marketing
3 Konzeptionelle Grundlagen zu Hidden Champions
3.1 Begriffsklärung kleine und mittlere Unternehmen
3.2 Definition Hidden Champions
3.2.2 Definition der Fraunhofer Gesellschaft
3.2.3 Definition der Münchner Gesellschaft für Managementberatung
3.3 Die Bedeutung von Hidden Champions in Deutschland
3.4 Marketing bei Hidden Champions
3.4.1 History Marketing und externe Kundenbeziehungen bei Hidden Champions
3.4.2 History Marketing und Unternehmenskultur bei Hidden Champions
4 Unternehmensgeschichte und Hidden Champions
4.1 Vier Hypothesen zur Bedeutung der Rolle von Unternehmensgeschichte im Marketing von Hidden Champions
4.2 Die Auswahl der analysierten Unternehmen
4.3 Die Untersuchung der Rolle der Unternehmensgeschichte in der Außendarstellung von Hidden Champions anhand ihrer Websites
4.4 Befragung zur Rolle der Unternehmensgeschichte bei Hidden Champions
4.4.1 Die Methodik der Befragung
4.4.1.1 Die Auswahl des Interviewverfahrens
4.4.1.2 Die Auswahl der befragten Unternehmen
4.4.1.3 Der Ablauf der Befragung
4.4.2 Der Aufbau der Befragung
4.4.2.1 Der Fragebogen Geschäftsführer
4.4.2.2 Der Fragebogen Mitarbeiter
4.5 Die Ergebnisse der Befragung
4.5.1 Der Fragebogen Geschäftsführer
4.5.2 Der Fragebogen Mitarbeiter
4.5.2.1 Antworten Kapitel I Allgemeine Fragen
4.5.2.2 Antworten Kapitel II Fragen zum Unternehmen
4.5.2.3 Antworten Kapitel III – Identifikation mit dem Unternehmen
4.5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.6 Interpretation von Analyse und Befragung
5 Handlungsempfehlungen zum Einsatz der Unternehmensgeschichte
5.1 History Marketing als integraler Bestandteil des Marketing
5.1.1 Organisatorische Einbindung
5.1.2 History Marketing in der externen Marketingstrategie
5.1.3 History Marketing in der internen Marketingstrategie
5.2 Neue Instrumente des History Marketing bei Hidden Champions
6 Zusammenfassung und Ausblick
ANHANG
1 Fragebogen Geschäftsführer
2 Fragebogen Mitarbeiter
LITERATURVERZEICHNIS
1 Einleitung
1.1 Einführung in das Thema
„Der Wettbewerb im heutigen Markt ist rauher denn je, und er wird noch rauher werden.“[1] Ursache hierfür ist die wachsende Globalisierung,[2] mit der die Macht der Nachfrager in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat.[3] Diese Entwicklung ist nicht auf die Produktmärkte beschränkt, sondern auch auf dem Markt für Arbeitskräfte deutlich erkennbar. Der „War For Talents“,[4] der nationale und zum Teil auch globale Kampf um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist in vollem Gang.[5] Dies gilt für große wie auch für kleine und mittlere Unternehmen gleichermaßen.[6] Die Unternehmen müssen auf diesen Wandel mit neuen Marketinginstrumenten reagieren.[7] So wird der Image- und Reputations-wettbewerb immer wichtiger.[8] Das „identitätsorientierte Markenverständnis“[9] hat sich herausgebildet und ist zunehmend die Grundlage für den Verkaufserfolg nach innen und außen.
Im Zuge zahlreicher Unternehmenszusammenschlüsse, Joint Ventures und Strategischen Allianzen, ist es eine große Herausforderung insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, stabile und wahrnehmbare Unterscheidungsmerkmale im globalen Wettbewerb für sich herauszuarbeiten.[10] Im Besonderen trifft dies auf Hidden Champions[11] zu. Sie müssen gezielt Marketinginstrumente einsetzen, um einem größeren Kundenkreis bekannt zu werden und attraktiv für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem gesamten Bundesgebiet oder darüber hinaus zu sein. Sie müssen auch als Arbeitgebermarke interessant sein, etwas sein, mit dem sich Menschen, die dort arbeiten, auch in der Öffentlichkeit identifizieren können und wollen.[12]
Ein intensiver, auf Langfristigkeit ausgelegter und besonderer Zugang zu einzelnen Kunden lässt Unternehmen überdurchschnittlich erfolgreich werden.[13] Diese positive Wahrnehmung, lässt sich beispielsweise über eine ganzheitliche strategische Markenführung erreichen,[14] die letztendlich zu einer Markensymphatie[15] führen sollte. Eine solche Markenführung muss alle dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Komponenten umfassen, alle neuen Möglichkeiten sind zu nutzen.
Aber nicht nur die Änderung von Marktbedingungen stellt eine Herausforderung dar, sondern auch die Ausarbeitung einer Unique Selling Proposition, abgekürzt USP.[16] In reifen Märkten ist ein wahrnehmbarer USP oft die einzige Möglichkeit, sich vom Wettbewerb abzuheben und Kunden zu binden oder neue zu gewinnen. Zum einen kann ein monetärer USP über die Preispolitik angestrebt werden. Zum anderen kann versucht werden, einen psychologischen USP zu erreichen,[17] eine emotionale Bindung zwischen Unternehmen und Kunde. Auch in diesem emotionsgeladenen Bereich des Brand Image[18], den Meinungen und Gefühlen, die ein Kunde gegenüber einem Produkt hat, spielt seit einiger Zeit das History Marketing eine wichtige Rolle.[19]
Ein Phänomen, das in jüngerer Zeit immer häufiger bei Unternehmen beobachtet werden kann, ist eine zunehmende Besinnung und Nutzung der eigenen Unternehmensgeschichte im Rahmen der wirtschaftlichen Strategien.[20] Der Vermarktung von Geschichte hing lange Zeit in Deutschland etwas Verruchtes an,[21] seit dem aber das dunkle Kapitel der deutschen Geschichte offensiv und ohne Scheu wissenschaftlich aufgearbeitet wurde und wird[22] ist der Umgang mit Geschichte etwas Normales, etwas Aktuelles geworden.[23] Das Postulat „Zukunft braucht Herkunft“[24] beschreibt diesen Trend sehr prägnant. Als Folge dieser Entwicklung werden zahlreiche Firmenmuseen, Unternehmensarchive und Festschriften geschaffen oder deutlich verbessert sowie Jubiläen intensiver vermarktet.
So hat sich beispielsweise die Firma Märklin entschieden, für über 11 Mio. Euro ein neues, modernes Museum zu errichten.[25] Für ein Unternehmen, das 2009 insolvent war, ist eine Investition, die über 10 Prozent des Jahresumsatzes erreicht, ein deutliches Zeichen, welche Bedeutung der Unternehmensgeschichte beigemessen wird.[26] Die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte – führendes Institut auf diesem Wissenschaftsbereich in Deutschland – baute unter anderem Archive der Firmen Gerolsteiner – ein weltweit bekannter Getränkehersteller aus der Eifel - und Engelhardt GmbH & Co. KG – einem international tätigen Pharmaunternehmen aus Niederdorfelden – auf.[27]
Die eigenen Unternehmenswerte gepaart mit der Unternehmenstradition stellen eine Basis dar, den Kunden in der globalisierten Welt auf der emotionalen Ebene zu erreichen. Reputation und Image des Unternehmens und seiner Marken werden so gesteigert, ein Marken-Mythos kann geschaffen werden, der den immer geringer werdenden technologischen Leistungsvorsprung von Produkten ausgleichen kann. Mit einem Traditionsmanagement, einem History Marketing, bietet sich die Möglichkeit, wieder ein Abgrenzungsmerkmal aufgrund nicht kopierbarer Bestandteile aufzubauen.[28] Viele Unternehmen scheinen dies erkannt zu haben,[29] insbesondere global agierende Großkonzerne wie z.B. Daimler.[30] Dieser Aspekt beeinflusste die Autorin, sich mit dem Thema History Marketing bei Hidden Champions zu beschäftigen und zu untersuchen, wie global erfolgreiche klein- und mittlere Unternehmen dem Thema Nutzung der Unternehmensgeschichte zu Marketingzwecken gegenüberstehen.
1.2 Ziele und Aufbau der Arbeit
Eines der wichtigsten Instrumente im Marketing ist die Marke. Sie beeinflusst das Kaufverhalten positiv, wenn mit ihr für den Käufer ein Mehrwert, ein „added value“, verbunden ist.[31] Marken selber verfügen in der Regel über eine Essenz, einen Kern und eine Tonalität, die jeweils ein Fremdbild (Markt, Kunden, Umwelt) und ein Selbstbild (Sichtweise im Unternehmen) haben.[32] Eine Essenz kann die Firmengeschichte sein, denn jede Marke des Unternehmens hat eine Geschichte.[33]
Großunternehmen verfügen über starke Marken und große Budgets, um ihre Firmengeschichte zur Markenführung zu nutzen. Kleinere und mittlere Unternehmen haben naturgemäß geringere Ressourcen. Dennoch sind sie gerade in Deutschland oft international sehr erfolgreich. Dieser Aspekt beeinflusste die Autorin, sich mit dem Thema der Rolle der Firmengeschichte im Marketing bei Hidden Champions[34] auseinanderzusetzen und als Ziel dieser Arbeit zu untersuchen, ob und wie diese global erfolgreichen Firmen ihre Unternehmensgeschichte im Marketing nutzen und welche Verbesserungs-möglichkeiten es noch gibt. Die Auswahl wurde getroffen, weil diese Firmengruppe aufgrund ihrer Größe – es sind keine international agierenden Konzerne – besondere Marketinginstrumente einsetzen müssen, um am Markt wahrgenommen zu werden. Das Wort „Hidden“- das im englischen versteckt bedeutet – unterstreicht ja gerade, dass eine „natürliche“ Bekanntheit, die Weltmarken wie Coca-Cola, Daimler oder Toyota haben, eben nicht vorausgesetzt werden kann.
Als Grundlage der Untersuchung wird zunächst der Begriff Marketing und der des History Marketing, der Nutzung der Firmengeschichte im Marketing, analysiert und eingeordnet. Die Arbeit untersucht dann die Bedeutung dieser Firmengruppe innerhalb der deutschen Wirtschaft, um zu zeigen, dass sie einen entscheidenden Beitrag zur Wertschöpfung in Deutschland leistet. Dazu wird der generelle Einsatz von Marketing bei Hidden Champions analysiert und dargestellt. So soll grundsätzlich geklärt werden, wie sie mit ihrer Unternehmensgeschichte gezielt agieren können, um die beiden Marketingziele stabile Kundenbeziehung und erfolgreiche Unternehmenskultur zu erreichen.
In einem ersten Schritt werden die Websites der erfolgreichsten Hidden Champions in Deutschland daraufhin untersucht, ob und wie sie ihre Unternehmensgeschichte in diesem digitalen Medium präsentieren. In einem zweiten Schritt werden Befragungen der Geschäftsführungen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser erfolgreichen Firmen durchgeführt. Ziel ist anhand von Fragen, die auch interne Prozesse betreffen, zu erfahren, wie konkret Unternehmensgeschichte bei Hidden Champions eingesetzt wird.
Die zu untersuchenden Unternehmen sind überwiegend Familienunternehmen. Generell gilt, dass Familien- oder Inhabergeführte Unternehmen eine geringere Publizität pflegen als große Kapitalgesellschaften. Letztere müssen dies schon deshalb tun, weil sie oft börsennotiert sind oder aufgrund ihrer Größe bestimmten Publizitätspflichten inklusive detailliertem Geschäftsbericht unterliegen. Im Geschäftsbericht wird auch über den Einsatz von Marketinginstrumenten und den Beweggründen dafür berichtet. Von den Hidden Champions liegen diese aufgrund ihrer Größe und ihrer Rechtsform oftmals nicht vor.
Die Autorin hat deshalb den Weg gewählt, mittels eines on-line Fragebogens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen. So sollen Informationen zu der Bedeutung der Unternehmensgeschichte aus Marketingsicht gewonnen werden. Sowohl aus dem B2B- als auch aus dem B2C –Umfeld werden Personen befragt. Die Geschäftsführungen werden anhand von Telefoninterviews befragt. So sollen aussagekräftige Informationen über die aktuelle Marketingpraxis bei Hidden Champions gewonnen werden. Nach der Auswertung der empirischen Datenerhebung werden Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung des Instrumentariums History Marketing entwickelt, die speziell an Hidden Champions gerichtet sind.
2 Konzeptionelle Grundlagen zum Marketing und History Marketing
2.1 Begriffsklärung Marketing
2.1.1 Definition
Eine einheitliche und allgemein anerkannte Definition für Marketing existiert nicht. Je nach Ausgangspunkt, Interesse und Sichtweise wird Marketing seit jeher unterschiedlich verstanden und vielfältig definiert.[35]
Der Begriff Marketing wird vom englischen „market“ abgeleitet, im Sinne von Produkte auf einem Markt vermarkten. Marketing ist aber „so grundlegend, dass man es nicht als separate betriebliche Funktion sehen darf, Marketing umfasst das gesamte Unternehmen und zwar vom Endergebnis her betrachtet – d.h. vom Standpunkt des Kunden“.[36]
„Ursprünglich bestand die Funktion des Marketing primär darin, die Funktion des Leistungsvertriebs sowie der absatzmarktbezogenen Kommunikation zu übernehmen.“[37] In den ersten Nachkriegsjahren war in Deutschland und in weiten Teilen der Welt ein ausgesprochener Verkäufermarkt anzutreffen. Von einem solchen spricht man, wenn auf der Käuferseite nahezu alle angebotenen Produkte eines Unternehmens nachgefragt und gekauft werden und es wenig bis kaum Alternativen gibt.[38] Hierbei handelte es sich um eine vorteilhafte Situation für Unternehmer, da sie keine zeit- und kostintensiven Strategien entwickeln müssen, um Kunden zu finden. Deshalb war auch bis ungefähr 1960 in Deutschland noch der Begriff der Absatzwirtschaft ein gängiger. Levitt beschreibt ausgehend von der USA den Wandel auf den Märkten in der Welt in den letzten 60 Jahren hin zum Käufermarkt. Damit war die Ausrichtung der Unternehmen auf die Bedürfnisse und Probleme der Kunden notwendig, was zu einem umfassenden Marketingkonzept führte, [39] prägnant formuliert von Lee Iaccoca: „Ein Unternehmen lebt nicht von dem, was es produziert, sondern von dem, was es verkauft.“[40]
Diese Wandlung der Märkte hin zu den Käufermärkten mit hohem Wettbewerb führte zur Aufgabe der nach innen gerichteten Sichtweise und im Mittelpunkt steht heute die Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Kunden.[41] Marketing ist nicht mehr mit Werbung oder Verkauf gleichzusetzen, sondern wird vielmehr als eine systematische Gestaltung der unternehmerischen Austauschbeziehungen zu absatzmarktorientierten Zwecken definiert.[42]
Theodore Levitt[43] verdeutlichte die Funktion des Marketing wie folgt: „Der Unterschied zwischen Marketing und Verkauf ist mehr als ein sprachlicher. Verkaufen ist auf die Bedürfnisse des Verkäufers ausgerichtet, Marketing auf die Bedürfnisse des Käufers. Verkaufen ist bestimmt durch die Notwendigkeit des Verkäufers, sein Produkt in Geld zu verwandeln, Marketing durch die Idee, Kundenwünsche zu befriedigen mit Hilfe des Produkts und der Dinge, die mit dessen Entwicklung, Lieferung und Konsum zu tun haben.“
Marketing beinhaltet die Grundkonzepte: „Bedürfnisse, Wünsche und Nachfrage; Produkte; Nutzen, Kosten und Zufriedenstellung; Austauschprozesse und Transaktionen; Beziehungen und Netzwerke; Märkte; Marketer und Interessent.“[44] Nach dieser im Folgenden verwendeten Definition besteht Marketing aus unterschiedlichen Komponenten, die alle in bestmöglicher Weise eingesetzt werden sollten, um den Unternehmenserfolg zu gewährleisten oder zu verbessern. Neben dem externen Erfolg ist auch der interne Erfolg, z.B. eine hohe Mitarbeiterloyalität, wichtig, den wiederum das interne Marketing zu gewährleisten hat.[45]
Anhand dieser Definitionen wird deutlich, das Marketing nicht als ein abgegrenzter Teilbereich in einem Unternehmen anzusehen ist, sondern als ein Bereich der mit allen anderen Bereichen im Unternehmen verzahnt ist.[46] So soll im Folgenden Marketing verstanden werden.
2.1.2 Marketing als Strategie
Strategie ist abgeleitet vom altgriechischen „strataegeo“ und war eher als Begriff im militärischen Bereich anzutreffen und bedeutet sinngemäß, dass sich das Handeln an übergeordneten Zielen ausrichtet.[47] Marketing ist heute nicht nur eine Einstellung, sondern mehr noch ein Konzept, das wesentliche strategische Aufgaben wahrnimmt. Marketing ist deshalb auch als marktorientierte Unternehmensführung zu verstehen[48].
In den vergangenen Jahren hat sich auf den Käufermärkten ein mündiger, äußerst anspruchsvoller Kunde entwickelt, der immer stärker versucht, die eigenen Werte in Hinblick auf Moral und gesellschaftlichen Standards mit den Werten der Unternehmen auf diesen Märkten zu vereinen. Dies führt zu einer großen Herausforderung für die Unternehmen. Sie müssen nicht nur frühzeitig Konsumentenpräferenzen und neue Trends erkennen. Sie müssen auch viel psychologisches Feingespür entwickeln, da die Präferenzen der Konsumenten in der heutigen Zeit, dank des angestiegenen Wohlstands, häufig durch emotionale Beweggründe geprägt sind.[49] Diese sogenannte „weichen Faktoren“ lassen sich nicht in Zahlen ausdrücken. Es erfordert viel Feingefühl und eine permanente Sensibilisierung für die Veränderungen auf der Kundenseite und ist somit als ein dauerhafter, ganzheitlicher Prozess anzusehen und nicht als „Einmalgeschichte“. Dies verdeutlich auch folgendes Zitat des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Ludwig Erhard: „Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie“ [50]und diese 50 Prozent gilt es für Unternehmen zu identifizieren.
Als ein zusätzlicher Aspekt, den es im Folgenden zu beachten gilt, ist die Tatsache, dass sich auch die Unternehmen in einem permanenten Wandel befinden.[51] Das sogenannte 3W-Modell von Krüger[52] verdeutlicht welchen Führungsaufgaben das Top-Management gegenübersteht, wenn es in diesem permanenten Wandel bestehen möchte. Hier zielt insbesondere der dritte Part des 3W-Modells ab: Fokussierte Einzelkonzepte, die die Unternehmenskommunikation beinhalten und auf die unterschiedlichen Situationen des Wandels abzielen.
Marketing bedeutet heute Strategien zu erarbeiten, umzusetzen und ihren Erfolg zu verifizieren. Im Fall von auf dem Weltmarkt angewiesenen Unternehmen sind dies Strategien für globale Märkte. Der Ansatz, ein strategisches Marketing aufzubauen, ist mit dem Beginn der sich wandelnden Märkte zu beobachten. Im Strategischen Management gegenwärtiger Ausprägung wird verstärkt das gegenseitige Verhältnis von Unternehmen und Umwelt thematisiert.[53] Marketing muss konkrete Antworten bieten, wie die Kundenbedürfnisse sich in einer immer schneller verändernden Welt befriedigt werden können. Gleichzeitig gilt es, die Erwartungen der Kunden, das marktliche Umfeld, zu erkennen und in der eigenen Strategie zu verarbeiten.[54]
Ziel des Marketings ist es weiterhin, im Rahmen der strategischen Ausrichtung der Unternehmung ein Alleinstellungsmerkmal für die Produkte des Unternehmens durch ein unverwechselbares Angebot, eine „unique selling Proposition“,[55] mit Hilfe einer besonderen Kundenbeziehung zu schaffen. Ein weiterer Aspekt ist der Aufbau einer internen Marketingstrategie, vor allem für ein personalorientiertes Marketing.[56]
Erfolgreich kann ein Unternehmen nur sein, wenn es eine ganzheitliche Marketingstrategie entwickelt, die alle diese Bestandteile beinhaltet und zu der alle Abteilungen eines Unternehmens beitragen, um die Kunden zufrieden zu stellen.[57]
2.2 History Marketing
Im Umfeld der unumkehrbaren Globalisierung[58] nimmt der Bedarf an geschärfter Identität und Orientierung ständig zu. Unternehmen haben erkannt, dass sie nicht als identitätsloser Akteur am Weltmarkt erfolgreich sein können. Zur Bildung eines besonderen Profils bedienen sich die Unternehmen zunehmend der eigenen Unternehmensgeschichte, die wie kein anderes Unternehmensmerkmal den Charakter der Einzigartigkeit hat,[59] um sie gezielt in wirtschaftliche Strategien einzubauen.
2.2.1 Definition
„Das History Marketing kultiviert das einzig zeitlose Alleinstellungsmerkmal, auf das sich Unternehmen und Marken beziehen können: ihre Geschichte“.[60]
Der Begriff History Marketing ist allerdings ähnlich wie der Begriff Marketing nicht eindeutig.[61] Im Umgang mit der eigenen Geschichte werden neben dem Begriff History Marketing auch Vintage Marketing, Heritage PR und Heritage Communication verwendet.[62] Eine wirkliche Differenzierung zwischen den Begriffen ist problematisch. Sie eint, dass aufbauend aus den Erkenntnissen der eigenen Unternehmensgeschichte – auch als Corporate Heritage bezeichnet -, einer gründlichen Erforschung der von den Kunden vom Unternehmen erwarteten Werte, der vom Unternehmen für wichtig gehaltenen Werte und der bereits vorhandenen Positionierung des Unternehmens im Wertekanon eine erfolgreiche Kommunikationsstrategie zu entwerfen ist. Diese Form des Marketings ist letztendlich die historisierende Selbstdarstellung eines Unternehmens zum Zweck der langfristigen Markenführung.[63] Jede Form des Marketings, die Geschichte benutzt, muss also immer auch die Stärke einer Marke im Blick haben. Dazu kommt die Integrationskraft nach innen, um eine motivierte Belegschaft zu haben.
In diesem Zusammenhang greift deshalb der Begriff History Marketing deshalb besser als alle anderen, da History Marketing explizit Unternehmenskultur und Markenpolitik umfasst.[64] History Marketing definiert breiter Geschichte als Marketinginstrument, das kreativ in der Unternehmenskommunikation eingesetzt werden soll,[65] und zwar wie das Marketing nach außen und nach innen.[66] History Marketing ist somit die konsequente Nutzung der Unternehmensgeschichte, auch in Teilaspekten, um verschiedene Zielgruppen des Unternehmens zu erreichen. History Marketing „… versteht sich dabei als ein Bindeglied zwischen der Geschichte eines Unternehmens, sowie dessen einzelner Zielgruppen und stellt somit die marktorientierte Kommunikation der Unternehmensgeschichte dar.“[67]
In der vorgelegten Arbeit wird daher allein der Begriff History Marketing verwendet.
2.2.2 Entwicklung
History Marketing ist ein Teilbereich des Marketing, der erst seit Kurzem seinen Einzug in diesen Fachbereich fand. Erste Ansätze, Unternehmensgeschichte im Marketing massiv zu nutzen, gibt es mit dem Wechsel vom 20. zum 21. Jahrhundert.[68] In diesem Zeitraum wird Geschichte wieder modern, das Verruchte entfällt durch die konsequente Aufarbeitung der dunklen Kapitel des 20. Jahrhunderts.[69] In dieser Zeit entsteht auch die wissenschaftliche Aufarbeitung des Einsatzes der Unternehmensgeschichte in Deutschland, beginnend mit Schug,[70] und die Einführung des History Marketing in den wissenschaftlichen Lehrplan.[71] In schneller Folge sind weitere wissenschaftliche Publikationen und praktische Leitfäden zu dem Thema erschienen.[72]
Zunächst überwiegend von großen Unternehmen angewandt – beispielhaft sei die Automobilindustrie mit ihren Museen und Traditionsclubs genannt[73] -, ist seit geraumer Zeit das History Marketing auch in kleineren Unternehmen präsent.[74] Es hat sich fest im ausgewogenen Marketing-Mix etabliert. Jedes Unternehmen, ob groß oder klein und unabhängig von der Branche kann es nutzen.[75] Zur Festigung einer bestehenden Marke und Positionierung oder auch zur vollständigen Neupositionierung nach einer totalen Umgestaltung des Produktportfolios, wie z.B. die Henkel KG & Co. KGaA.[76] Geschichte erzählen hat inzwischen einen deutlichen und spürbaren Stellenwert im Marketing eingenommen, als Teil der Unternehmenskommunikation im Rahmen einer neuausgerichteten ganzheitlichen Unternehmensstrategie.
2.2.3 Zielsetzung
Das History Marketing ist darauf ausgerichtet, die affektive Ebene der Konsumenten anzusprechen, im Gegensatz zur bisher üblichen Konzentration auf die kognitive Ebene, um dann letztlich die Kaufabsicht positiv auf der konativen Ebene zu beeinflussen.[77] History Marketing ist somit ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskommunikation und zielt darauf ab, allein durch die Nennung der Marke oder des Unternehmensnamens ein positives Empfinden beim Kunden auszulösen, die Unternehmens- und Produktgeschichte wird genutzt, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Mit dem History Marketing sollen Tradition und Zukunft verknüpft werden.[78] Mit dem Rückgriff auf die Vergangenheit, die Entstehungsgeschichte eines Unternehmens und seiner Erfolge, werden die Marke und die Unternehmenskultur aufgebaut und erhalten. Die Geschichte eines jeden Unternehmens ist einmalig, nicht duplizierbar und deshalb im Gegensatz zu anderen Werbebotschaften für den Kunden objektiv nachprüfbar.[79]
Damit kann die Unternehmensgeschichte zum Alleinstellungsmerkmal und zur Konstanten werden. Das Wissen um die eigene Vergangenheit erzeugt außerdem eine starke Kraft, die Herausforderungen der Zukunft anzunehmen.[80] Die Erzählung der Unternehmensgeschichte richtet sich an die Kunden und gleichermaßen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie wird damit Teil des Produkt-, aber auch des Personalmarketings. Sie soll gleichzeitig das Markenbild und die Unternehmenskultur vertiefen.[81]
Fraglich ist allerdings, ob mit History Marketing ein Mehrwert zu tragfähigen Grenzkosten erzielt werden kann. Es reicht nicht aus, dass Geschichte in der heutigen Medienlandschaft fest etabliert ist[82]. Für die Unternehmen muss sich eine Einführung oder Intensivierung eines History Marketings in konkreter Umsatzsteigerung und Ergebnissteigerung ausdrücken.
Wie im traditionellen Marketing ist auch beim History Marketing in externes und internes History Marketing zu unterscheiden. Einerseits zielt die Nutzung des History Marketing damit als Untergruppe des allgemeinen Marketings, in erster Linie im Kommunikationsbereich, auf die klassische Außendarstellung eines Unternehmens. Ein systematisches, erfolgreiches und strukturiertes Marketing ist eine wichtige Voraussetzung, das angestrebte Marketing-Konzept erfolgreich zu implementieren.[83] Unterschieden werden könnte an dieser Stelle zwischen Unternehmen, die im B2B-Bereich tätig sind und solchen, die im B2C-Bereich aktiv sind.
Das im Marketing von B2C-Unternehmen Emotionalität bereits seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle spielt, ist unbestritten.[84] Klassisches Beispiel ist Henkel mit dem Produkt Persil, eine Marke mit reicher und emotionaler Geschichte („Persil bleibt Persil“).[85] Aber auch im Vertrieb von B2B-Produkten geht es um Emotionalität.[86] Daraus abgeleitet lässt sich sagen: Je weniger emotional das Produkt selber ist, und das ist es nun mal häufig bei den B2B- Unternehmen mit ihren eher nüchternen Produkten der Fall, umso wichtiger ist es, den Kunden auf der emotionalen Ebene anzusprechen. Die Jahrzehnte umfassende Unternehmensgeschichte mit ihren Höhen und Tiefen, die von Unternehmerpersönlichkeiten und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfolgreich gemeistert wurden, sind für die Kunden in aller Welt ein Beleg dafür, dass sie auf Unternehmen mit vorzeigbarer Unternehmensgeschichte als Partner vertrauen können. Vertrauen können sie den Unternehmen, dass Probleme gelöst werden, wie in der Vergangenheit bewiesen wurde. Die Kunden können darauf vertrauen, dass diese Unternehmen aufgrund der Ausrichtung an ihrer Geschichte langfristig denken und nicht die kurzfristige Erfolgsmaximierung zu Lasten der Kunden im Vordergrund ihres Handelns steht.[87] Diese Partner werden auch in der Zukunft für Garantiefälle, aber vor allem für die Weiterentwicklungen der Produkte aufgrund von Kundenwünschen und Technologieentwicklungen zur Verfügung stehen. Dadurch kann von Firmen mit Tradition im Zweifelsfall ein höherer Preis gegenüber einem unbekannten Wettbewerber durchgesetzt werden.
Damit können sich die Unternehmen, die ihre Historie im Marketing gezielt einsetzen, von anonymen Neugründungen auf dem Weltmarkt mit Hilfe von History Marketing unterscheiden, denn letztendlich steht hinter jedem Kauf immer auch eine emotionale Entscheidung. Diese Emotionen spielen eine nicht zu unterschätzende und vielleicht immer wichtiger werdende Rolle. Im Zeitalter der Informationsüberflutung besinnt sich mancher wieder auf die alten Werte Tradition und Qualität.[88] Die Firmentradition verstärkt über die Markenidentität das Vertrauen in die Unternehmung. Vertrauen ist jedoch eine schwer greifbare und kaum zu planende Größe in der Marketingstrategie. Umso wichtiger erscheint es daher, eine wohldurchdachte und dauerhafte Markenstrategie als festen Bestandteil der Unternehmensführung zu haben, die auch bei B2B-Unternehmen auf die emotionale Ebene abstellen sollte.[89] Ziel ist es, mit der Marke oder dem Namen des Unternehmens durch History Marketing positive Emotionen freizusetzen und die mit ihr verbundenen Botschaften wie Technologieführerschaft, Nachhaltigkeit und Kundenorientierung wahrnehmbar zu machen.[90]
Die heute für Unternehmen wichtigste interne Zielsetzung für das History Marketing betrifft das Thema Personal. Hier zielt History Marketing darauf ab, abteilungsübergreifende Mitarbeitermotivation zu erzeugen oder zu intensivieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen stolz auf ihr Unternehmen sein und darüber in der Öffentlichkeit kommunizieren. So wird das „Wir-Gefühl“ gestärkt, die Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das Unternehmen wird erhöht und die Attraktivität für Interessenten steigt. Eine Studie von Soltow[91] aus dem Jahre 1955 hat bereits damals aufgezeigt, dass die gezielte Befassung mit der Geschichte für Firmen für innerbetriebliche Zwecke von wirtschaftlichem Nutzen ist.
2.2.4 Inhalte
Die ersten Schritte des History Marketing lassen sich vom Storytelling[92] ableiten, dass Unternehmen insbesondere in der Werbung einsetzten. Letztendlich gilt es die Kernkompetenzen eines Unternehmens in spannende Geschichten zu verpacken. Ziel ist es, dass die Kunden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stolz darauf sind, ein Produkt eines bestimmten Unternehmens zu erwerben oder herzustellen, sei es aus Qualitäts-, Prestige- oder sonstigen Gründen.[93] Es gilt, auf die Suche nach den Wurzeln zu gehen.
Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches History Marketing ist nach einhelliger Ansicht ein professionell aufgebautes und geführtes Unternehmensarchiv als „lebendiges Firmengedächtnis“.[94] Nur eine geordnete Quellenlage ermöglicht die Darstellung der Unternehmensgeschichte ohne Brüche und Widersprüche.[95] Im History Marketing enthalten sein sollten Aussagen zu der oder den Gründerpersönlichkeiten, Aussagen zum Umweltschutz und dessen Geschichte im Unternehmen, Hinweise auf Sozialpartnerschaft und soziale Leistungen, eine Darstellung der Personalpolitik, insbesondere hinsichtlich interner Ausbildung und Geschlechterpolitik sowie Hinweise zur Unternehmensentwicklung.[96] Wichtig ist weiterhin die Darstellung der besonderen Meilensteine in der Firmenentwicklung, wie die Neugründungen von Tochtergesellschaften, die Erfindung wesentlicher Produkte oder ein Börsengang, Preise für besondere Leistungen, die Erreichung wichtiger Umsatzschwellen und nicht zuletzt Wechsel von Generationen in der Unternehmensführung bei Familienunternehmen. Hingewiesen werden sollte auf Festschriften und Jubiläumsfeiern, die Eröffnung und Erweiterung von Firmenmuseen und Werbefiguren, soweit vorhanden. Inhalte eines History Marketing können darüber hinaus Zeitzeugen-Befragungen oder Stellungnahmen der aktuellen Geschäftsführung zur Firmengeschichte sein.[97]
3 Konzeptionelle Grundlagen zu Hidden Champions
Bevor die Rolle der Unternehmensgeschichte bei Hidden Champions im nächsten Kapitel näher untersucht werden soll, ist es notwendig, zu klären, wie sich Hidden Champions von anderen Unternehmen abgrenzen lassen, welche Bedeutung sie in Deutschland haben und welche Bedeutung ein History Marketing für sie grundsätzlich hat.
3.1 Begriffsklärung kleine und mittlere Unternehmen
3.1.1 Definition
Hidden Champions können keine Großunternehmen sein, denn diese sind schon aufgrund ihres Umsatzvolumens im eigenen Land und auch weltweit bekannt. Hidden Champions sind deshalb in der Gruppe der kleinen und mittleren Firmen zu finden.
Die Kommission der Europäischen Union legte 2003[98] fest, wie kleine und mittlere Unternehmen zu definieren sind. Die Kommission hat die drei Faktoren Zahl der Beschäftigten, Umsatz im Jahr und Bilanzsumme zur Kategorisierung heran gezogen. Danach sind Kleinstunternehmen Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten, einem Umsatz von weniger oder maximal 2 Mio. € im Jahr und/oder einer Bilanzsumme von kleiner oder gleich 2 Mio. €. Ein kleines Unternehmen – die Kommission differenziert zwischen Kleinst- und Kleinunternehmen – hat weniger als 50 Beschäftigte und einen Umsatz oder eine Bilanzsumme von 10 Mio. € und weniger. Ein Mittleres (mittelgroßes) Unternehmen beschäftigt höchstens 250 Personen und hat einen Umsatz von 50 Mio. € oder weniger sowie maximal eine Bilanzsumme von 43 Mio. €.
Insbesondere hinsichtlich des Umsatzes und der Bilanzsumme greift diese Definition zu kurz. In Deutschland sind mittelgroße Unternehmen oft seit Generationen im Familienbesitz und haben im Laufe der Zeit diese sehr engen Grenzen der Europäischen Kommission deutlich überschritten. Die Festlegung des Instituts für Mittelstandsforschung aus Bonn, die letztmals 2016 getroffen wurde[99], charakterisiert die deutsche Situation besser. Danach haben deutsche Kleinst-unternehmen weniger als 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – was auch mit den Grenzen des Kündigungsschutzgesetzes übereinstimmt – und einen Umsatz kleiner oder gleich 2 Mio. €. Ein kleines Unternehmen kann bis zu 49 Beschäftigte bei einem Umsatz bis zu 10 Mio. € haben, ein mittleres Unternehmen hat bis zu 499 Beschäftigte und einen Umsatz bis 50 Mio. €.
Das auch damit nicht alle klassischen mittelgroßen Unternehmen erfasst sind, wird die nähere Untersuchung der Hidden Champions im nächsten Kapitel zeigen. Auch die Definition des Instituts für Mittelstandsforschung abstrahiert von der Eigentümerstruktur und der Markpositionierung des Unternehmens. Gerade sie rücken aber bei der Frage der Nutzung der Unternehmensgeschichte als Marketinginstrument in den Vordergrund.
3.1.2 Besonderheiten
Wichtig für die Zielsetzung dieser Arbeit ist nämlich ein Aspekt, der aus der Struktur mittelgroßer Unternehmen erwächst. Sie verfügen aufgrund ihrer Größe, aber auch weil sie oft als Familienunternehmen geführt werden, über deutlich flachere Hierarchien als Großunternehmen.[100] Entscheidungen werden schnell und klar getroffen, bei ihnen steht Werterhalt vor kurzfristiger Dividendenpolitik und die Verbundenheit zwischen Belegschaft und Geschäftsleitung ist vielfach sehr intensiv. Damit hat die Unternehmensgeschichte womöglich eine andere Bedeutung als in anonymen Konzernen, die selbstverständlich auch immer eine Geschichte haben und auch im Familienbesitz – zumindest mehrheitlich - sein können. In den kleinen und mittleren Unternehmen ist die Historie aber oftmals noch immer in der oder den Personen der Eigentümer für die gesamte Belegschaft präsent.
Aufgrund der oben erwähnten Faktoren haben sich gerade die mittelgroßen Unternehmen auf dem internationalen Markt an die Weltspitze herangearbeitet oder bilden sie sogar. Ihre Fähigkeit zu Innovation und langfristig orientierter Forschungs- und Investitionspolitik haben ihnen die Möglichkeit gegeben, mit wenigen, aber dafür technisch exzellenten Produkten gefragte Lieferanten zu sein. Sie vereinen Erfolg mit unauffälligem Verhalten, sie stehen aufgrund ihrer Größe aber nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Politik und Medien beachten diese Unternehmen oft nicht – sie arbeiten im Verborgenen. Sie sollen im Folgenden näher beschrieben und definiert werden.
3.2 Definition Hidden Champions
Der Begriff „Hidden Champions“ wurde von Hermann Simon[101] geprägt und hat sich in den letzten Jahren als ein Synonym für Wachstumsunternehmen in Deutschland durchgesetzt. Als Hidden Champions (heimliche Gewinner) werden mittelständische Unternehmen bezeichnet, die in Nischen-Marktsegmenten Marktführer in Europa oder auf dem Weltmarkt geworden sind. Sie sind „heimliche Gewinner“, weil sie in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind, in der Regel keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind und so auch nicht von Analysten und Investoren beobachtet werden. Auch sind die von ihnen besetzten Nischenmärkte volumenmäßig meist so eng, dass sie von Großkonzernen nicht beachtet werden und die Hidden Champions mit diesen Unternehmen nicht im Wettbewerb stehen.
3.2.1 Definition nach Simon
Nach Simon hat ein Betrieb drei Kriterien zu erfüllen, um ein Hidden Champion zu sein: Das Unternehmen muss in seinem Markt zu den Top 3 in der Welt gehören oder Nummer 1 auf seinem Kontinent sein, der Umsatz muss unter 5 Mrd. Euro liegen und es hat einen geringen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit.
Gemessen an den Kriterien des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn und denen der Europäischen Kommission ist ein Umsatz von bis zu 5 Mrd. Euro sehr hoch. Nach Simon[102] liegt aber der durchschnittliche Umsatz deutscher Hidden Champions bei 325 Mio. Euro und der Umsatz des Hidden Champion Herrenknecht lag 2015 sogar bei knapp über 1,3 Mrd. Euro[103]. Auch der Hersteller für Schalung und Rüstung im Bau, die Firma Peri aus Weißenhorn, ebenfalls ein Hidden Champion, erzielte 2015 weltweit einen Umsatz von 1,3 Mrd. Euro.[104] Die klassischen Kriterien für mittlere Unternehmen greifen mithin bei Hidden Champions zu kurz.
3.2.2 Definition der Fraunhofer Gesellschaft
In einer Studie der Fraunhofer Gesellschaft definieren Rammer und Frietsch Hidden Champions leicht anders.[105] Sie sehen die Hidden Champions als unechte Teilmenge der kleinen und mittleren Unternehmen, mit besonderer Fokussierung auf einen Weltmarkt mit geringem Nachfragevolumen. Diese für große Konzerne, den Global Champions, eher wenig interessante Märkte können erfolgreich von kleineren und mittleren Unternehmen bearbeitet werden. Kostendegressionen durch hohe Stückzahlen und Standardisierung sind auf diesen Teilmärkten nicht zu erzielen. Somit wird nicht der Preis, sondern Qualität, Flexibilität und Individualität der angebotenen Produkte zum Alleinstellungsmerkmal oder einem unverwechselbarem Nutzenangebot, einer Unique Selling Proposition.[106] Die individuellen Kundenwünsche und die sehr spezifischen Anforderungen der Kunden hinsichtlich Stückzahl und Modellvariationen überlassen in diesen Märkten den kleinen und mittleren Unternehmen das Feld.
Nach der Studie des Fraunhofer Instituts[107] gelten als Hidden Champions Unternehmen die weniger als 10.000 Beschäftigten haben, die einen Exportanteil von mehr als 50 % aufweisen und die in ihrem Hauptmarkt einen hohen Weltmarktanteil haben. Die Autoren segmentieren den bestimmenden Marktanteil je nach Größe des relevanten Marktes. Bei einem Marktvolumen von kleiner als 200 Mio. Euro im Jahr muss der Anteil bei mindestens 10 % liegen, bei einem Marktvolumen zwischen 200 und 500 Mio. Euro bei zumindest 7 % und bei einem Markt größer als 500 Mio. Euro aber unterhalb 1 Mrd. Euro bei mindestens 1 %. Zusätzlich zu diesen Kriterien müssen sie in den zurückliegenden fünf Jahren stärker als der Durchschnitt der Wirtschaft gewachsen sein. Dass sie nicht im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen, wird ebenfalls vorausgesetzt.
3.2.3 Definition der Münchner Gesellschaft für Managementberatung
Für das Fachmagazin Wirtschaftswoche erstellt die Münchner Gesellschaft für Managementberatung alle zwei Jahre – erstmals war dies 2011 der Fall – ein Markenranking der Hidden Champions im B2B-Bereich.[108] Kriterium für diese Auswahl ist neben der Zugehörigkeit zum B2B-Bereich ein Markt von größer als 100 Mio. €, in dem das Unternehmen agiert. Zudem muss das Unternehmen aus dem gehobenen Mittelstand kommen, d.h. einen Umsatz zwischen 50 Mio. € und 1,1 Mrd. € aufweisen, es muss eigentümergeführt sein oder zumindest mehrheitlich im Familienbesitz sein und darf nicht Teil eines Konzerns oder einer Private-Equity-Gesellschaft sein.
285 Experten aus Branchen- und Fachverbänden, Instituten, Vereinen und der Fachpresse wurden im Jahr 2015 zu diesen Unternehmen befragt. Aus der Befragung und der Analyse weiterer Unternehmensdaten wurden eine Marken-Performance und eine Unternehmens-Performance ermittelt.[109] Diese Untersuchung ist die umfangreichste Listung der erfolgreichsten Hidden Champions in Deutschland. Im Folgenden wird die Definition der Münchner Gesellschaft für Managementberatung der Untersuchung zugrunde gelegt, weil sie einerseits die wesentlichen von Simon eingeführten Merkmale übernimmt und gleichzeitig als einzige eine aktuelle Auflistung der erfolgreichsten Hidden Champions in Deutschland liefert.
3.3 Die Bedeutung von Hidden Champions in Deutschland
Kein Land der Welt hat so viele Weltmarktführer, die den mittleren Unternehmen zuzuordnen sind, wie Deutschland. Von den 2734 Hidden Champions, die Prof. Hermann Simon in den vergangenen 25 Jahren in der gesamten Welt identifiziert hat[110], kommen 1307, oder 48 Prozent, aus Deutschland. Die Fraunhofer-Studie ermittelt rund 1.500 Unternehmen, die ihre Kriterien von Hidden Champions erfüllen und im Jahr 2015 erfüllten 213 Unternehmen aus neun Branchen die Kriterien der Münchner Gesellschaft für Managementberatung.
Somit kann eine Zahl zwischen 1.300 und 1.500 Unternehmen als gesichert gelten.[111] Je eine Million Einwohner hat Deutschland nach Simon[112] weltweit mit Abstand die meisten Hidden Champions, gefolgt von Luxemburg, der Schweiz und Österreich. Somit wird deutlich, wie wichtig Hidden Champions für die deutsche Wirtschaft sind.
Auch die Zahl der Arbeitsplätze belegt dies. Nach einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung aus Bonn waren 2014 58,5 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland in kleinen und mittleren Unternehmen tätig.[113] Auch wenn die Zahl der Beschäftigten in Großunternehmen zwischen 2004 und 2014 mit 26,5 % etwas stärker als bei den kleinen und mittleren Unternehmen gewachsen ist (+11,7 %), wurden doch durch Hidden Champions in den vergangenen zehn Jahren mehr als eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Durchschnitt beschäftigen sie inzwischen rund 2.000 Mitarbeiter. Im Mittel sind die Beschäftigtenzahlen in den letzten 10 Jahren um 58% gestiegen.[114]
Rammer und Frietsch beziffern die Zahl der bei Hidden Champions beschäftigten Personen in Deutschland auf rund 500.000. Im Mittel haben diese Unternehmen somit etwas mehr als 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei einem durchschnittlichen Umsatz von ca. 100 Mio. Euro.[115]
Häufig wird die Ansicht vertreten, dass Deutschland nur bei Maschinen- und Anlagegütern führend in der Welt sei. Nach der Untersuchung des Fraunhofer Instituts sind aber nur 85 % der Hidden Champions in der Industrie tätig und nur 62 % in Branchen der Hochtechnologie. Allein knapp 24 % der Unternehmen kommen aus dem Maschinenbau, 11 % bzw. 10,5 % aus der Metallindustrie und der Elektrotechnik.[116]
Auch ein Blick auf die Top 50 der deutschen Hidden Champions nach Biesalski und auf die Anteile der Hidden Champions in ihrer jeweiligen Branche zeigt die Vielfältigkeit dieser Unternehmen und korrigiert diese Aussage.[117] Auf den ersten fünf Plätzen finden sich nur zwei Maschinenbauer, dafür eine Werft, einen Klebstoffhersteller und einen Produzenten medizinischer Artikel. Im Durchschnitt der Jahre 2009-2013 kamen 6,4 % aller Hidden Champions aus der Pharmaindustrie, knapp 5 % aus dem Bereich Forschung und Entwicklung sowie jeweils ein ähnlicher Prozentsatz aus der Elektrotechnik und der Chemieindustrie. Nur 3,5 % waren Maschinenbauunternehmen und lediglich 0,8 % sind der Metallindustrie zugeordnet gewesen.[118]
Diese Vielfalt stützt die These von Simon, dass die Produktpalette der Hidden Champions in Deutschland besonders breit ist und sie so viele Nischen besetzen wie in keinem anderen Land der Welt. Hidden Champions sind von dem Ehrgeiz angetrieben, in ihrem Teilmarkt die Marktführerschaft zu erlangen, sie haben aber gleichzeitig auch den Anspruch, technologisch führend zu sein.[119] Diese Unternehmen wollen an der Spitze sein, aber auch die Norm für den Weltmarkt bilden. Sie wollen die Standards für Qualität und Funktionalität setzen. Nach der Studie der Fraunhofer-Gesellschaft repräsentieren die Hidden-Champions nur 0,6 % aller Unternehmen in Deutschland, tätigen aber knapp 6 % aller Forschung- und Entwicklungsausgaben in Deutschland und geben das Doppelte für Innovationen aus als der Durchschnitt der Firmen in Deutschland. Sie tätigen darüber hinaus rund 15 % des gesamten Umsatzes mit Weltmarktneuheiten deutscher Unternehmen – das Mittel der deutschen Wirtschaft liegt bei 1,2 %![120]
Diese Motivation ist zum großen Teil auf den Anspruch des oder der im Unternehmen tätigen Eigentümer zurückzuführen, die mit der Reputation und dem Erfolg ihrer Unternehmung die Reputation ihrer Person verbinden. Stets dem Wettbewerb mit einer weiteren Neuentwicklung voraus zu sein, erfüllt ihre persönlichen Ansprüche.[121]
Auch wenn die Gefahr des Over-Engineering, ein Streben nach technischer Perfektion, die der Markt nicht nachfragt, in Deutschland noch immer groß ist und eine „Good-Enough“-Strategie oftmals ausreichen würde, um sich gegen vor allem asiatische Wettbewerber zu behaupten[122], kann doch mit Fug und Recht behauptet werden, dass die Hidden Champions ein wichtiger Grund für den Exporterfolg der deutschen Wirtschaft sind. Kritisch sieht die Studie von Biesalski die Chance, nur im oberen Preissegment mit Spitzentechnologie oder Spitzendienstleistung auf dem Weltmarkt zu punkten. Die Gefahr, dass die Nachfrager sich mit einfacheren, aber dafür deutlich preiswerteren Angeboten zufrieden geben, wird hoch eingeschätzt. Die als typisch deutsch anzusehende hohe Qualitätsorientierung könnte es den Hidden Champions erschweren, sich an diese Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Hier gilt es eine andere Strategie zu verfolgen, nämlich die Marke in den Vordergrund zu stellen, die dann die Kunden unabhängig vom Preis bindet.
Biesalski[123] stellt dazu fest, dass die Kunden sehr wohl bereit sind, ein Preispremium zu bezahlen. Vor allem aber die Zuverlässigkeit, die finanzielle Unabhängigkeit aufgrund der weitverbreiteten typisch deutschen Familienbetriebe und die auf langfristige Partnerschaft ausgelegte Firmenpolitik der Hidden Champions werden vom Weltmarkt geschätzt. So gelingt es den Hidden Champions in Deutschland eine stabile Basis für weitere Geschäftstätigkeit aufzubauen und sowohl für Zulieferer, die Politik, die Gesellschaft und für den deutschen Arbeitsmarkt attraktiv zu sein.
3.4 Marketing bei Hidden Champions
„Das Leitbild für das Marketing ist ein Austausch in freier Wahl bei fairen Bedingungen unter geschäftsfähigen Partnern zum Wertgewinn beider.“[124] Marketing, und damit auch das History Marketing, richtet sich an alle mit dem Unternehmen in Kontakt stehenden Marktpartnern. Es richtet sich nach den Bedürfnissen und Interessen dieser Partner und soll die Leistungen des Unternehmens diesen Zielgruppen bestmöglich vermitteln. Zu unterscheiden ist grob in interne und externe Zielgruppen.[125]
3.4.1 History Marketing und externe Kundenbeziehungen bei Hidden Champions
Domäne des Aufbaus einer Kundenbeziehung ist das Customer Relationship Management – kurz CRM genannt.[126] Das CRM sieht die Pflege einer nachhaltigen Beziehung zum Kunden als seine Aufgabe an. Ausgangspunkt des CRM ist die Überlegung und auch Erfahrung, dass es kostengünstiger ist, eine einmal bestehende Kundenbeziehung zu erhalten, als immer wieder Neukunden zu gewinnen. Im Zeitalter des Internet sowie der Globalisierung und damit des einfachen Vergleiches von Preis und Qualität hat allerdings die Zahl wechselbereiten Kunden zugenommen. Die Transaktionskosten des Wechsels von einem zum anderen Anbieter haben drastisch abgenommen. Während früher die Suche nach Alternativen längere aufwändige Reisen, Messebesuche und sogar Kontakte zu Wettbewerbern notwendig machte, genügt heute dazu ein Klick im Internet.[127] Eine stabile Kundenbeziehung benötigt mithin mehr als nur Nähe zum Kunden und regelmäßige Kontakte. Auch die Diskussion über Qualität und Service hat sich ins Internet verlagert.
Die Unternehmen müssen deshalb ihre Kommunikation mit den Kunden völlig anders gestalten. Mast[128] sieht die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Ansprache des Kunden. Sie sollte integriert und auch beziehungsorientiert sein. Damit wird zwar nicht der Kunde angesprochen, der ausnahmslos preisorientiert entscheidet, aber sehr wohl der große Kundenkreis, für den neben Marke, Qualität und Technik die emotionale Ansprache für die Kaufentscheidung mehr und mehr ausschlaggebend ist.[129]
Bei der ganzheitlichen Kundenbeziehung handelt es sich um eine äußerst anspruchsvolle Managementaufgabe. Dieses strategische Ziel erfordert einen ständigen Dialog zwischen Unternehmen und Kunde, aber auch eine Unternehmenspolitik, die Werte herausstellt und pflegt. Diese Werte müssen den Kunden in einer individualisierten Dialogkommunikation vermittelt werden.[130] Sie hat fünf wesentliche Merkmale: Interaktivität, Individualität, Informativität, Langfristigkeit und den Aufbau einer Kundendatenbank. Dieser Dialog basiert auf psychologischen Beziehungsfaktoren, dem Kaufverhalten, den Einflüssen des Marketinginstrumentariums und den kommunikativen Beziehungsfaktoren.[131]
Wie ist nun die Unternehmensgeschichte, das History Marketing, in diesen Dialog einzuordnen? Sicherlich spielt die Informativität eine ganz gewichtige Rolle. Allerdings muss die reine Information über psychologische und kommunikative Beziehungsfaktoren den Kunden näher gebracht werden. Letztendlich geht es darum, mit History Marketing den Kunden emotional zu erreichen. Mit History Marketing soll Vertrauen in das Unternehmen erreicht werden. Mit der Positionierung des Wertes einer interessanten, offenen und erzählbaren Unternehmensgeschichte soll der Kaufwunsch ausgelöst oder zumindest verstärkt werden, Unternehmensgeschichte als schönes und spannendes Verkaufsargument zu positionieren – so könnte das entsprechende Schlagwort lauten.[132]
Viele große Unternehmen vermarkten ihre Geschichte bereits offensiv. BMW, Daimler und Porsche kultivieren ihre Geschichte in bemerkenswerten Firmenmuseen.[133] Volkswagen erwähnt immer wieder in der Werbung seinen legendären Käfer, der lief und lief. Die Robert-Bosch-Gruppe betont in ihrer Konzernkommunikation, dass nur das umfassende Wissen über die Unternehmensphilosophie und das gesellschaftliche Engagement von Robert Bosch sowie seiner Erfolge und Rückschläge die Kraft für die zukünftigen Herausforderungen geben.[134]
Wie Untersuchungen zeigen[135] kommunizieren auch bereits viele kleine und mittlere Unternehmen, und damit wohl auch Hidden Champions ohne dass dies besonders in der Studie untersucht wurde, ihre Unternehmensgeschichte in Verkaufsgesprächen. Auch wenn dies manchmal nur beiläufig geschieht, hinterlässt es bei den Kunden einen besonderen Eindruck.
Einen strategischen Plan, History Marketing beim Aufbau und der Pflege von Kundenbeziehungen einzusetzen gibt es aber nur in wenigen Unternehmen, obwohl die Bedeutung für den Aufbau von Werten und die Vermittlung der Unternehmensphilosophie durchaus erkannt wurde.[136] Eine zielgerichtete Werbung mit historischen Bezügen wird bei Unternehmen noch immer viel zu selten eingesetzt. Hier besteht noch ein erhebliches Verbesserungspotential.[137] Eine Untersuchung, wie Hidden Champions aktuell ihre Historie im Marketing einsetzen oder besser einsetzen könnten, wurde aber noch nicht vorgenommen.
3.4.2 History Marketing und Unternehmenskultur bei Hidden Champions
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Markenbotschafter,[138] Botschafter ihres Arbeitgebers. Wenn sie positive Aussagen über ihr Unternehmen nach außen transportieren, kann dies mehr wert sein als eine groß angelegte Anzeigenkampagne.[139] Dies gilt einerseits zum Kunden, zum Markt hin, andererseits aber auch für die Beschaffung und hier vor allem für die Personalbeschaffung, also nach innen. Letztendlich sollte sich History Marketing auch nach innen, und hier vor allem auf die Mitarbeiterloyalität, positiv auswirken. Auch die Beschäftigten sind deshalb in ein strategisches Konzept des History Marketing einzubeziehen. In Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes insbesondere bei jungen Nachwuchs-Talenten[140] müssen die Unternehmen attraktiv sein, um Personal zu gewinnen und verstärkt ein Augenmerk auf die Loyalität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten. Die Identität mit dem Unternehmen zu forcieren, um dadurch die Motivation der Belegschaft zu fördern und ein erfolgreiches Personalmarketing zu etablieren, ist eine besondere Herausforderung für Hidden Champions. Sie zu bewältigen kann nur gelingen, wenn das Management eine gesunde, stabile und erfolgreiche Unternehmenskultur etabliert.[141]
Eine große Herausforderung bei der Personalgewinnung ist für Hidden Champions, dass sie oft familiengeführte Unternehmen sind. Mit jeder Erbfolge kann sich die Situation ergeben, dass ein neuer Unternehmenskurs eingeschlagen wird oder dass Familienstreitigkeiten die Zukunft des Unternehmens in Frage stellen. Bewerberinnen und Bewerber, aber auch bereits im Unternehmen tätige Personen, werden potentiell von diesen Gefahren verunsichert und könnten sich eher hin zu Großunternehmen orientieren, die vermeintlich stabiler sind. Hinzu kommt ein oftmals ländlicher Standort abseits von Großstädten mit ihren Universitäten und ihrer Infrastruktur, eingebettet in eine dörfliche Kultur, die eine Integration zugezogener Menschen nicht vereinfacht. Hier gegenzusteuern ist eine ebenfalls nicht zu unterschätzende Managementaufgabe, die eine gesunde Unternehmenskultur und eine gezielte Markenstrategie voraussetzt.[142]
Ein weiteres Manko bei der Personalgewinnung ist der geringe Bekanntheitsgrad der Unternehmen, die ja nicht umsonst als „Hidden“ bezeichnet werden. Junge Absolventen aller Bildungseinrichtungen orientieren sich naturgemäß zunächst an Unternehmen, die ihnen in den Medien oder der Werbung schon einmal begegnet sind. Zudem haben Hochschulen und Universitäten oft langjährige enge Beziehungen mit Firmen am Standort. Dies schließt selten Hidden Champions ein, die aufgrund ihrer Größe nur sporadisch Absolventen benötigen und die oft nicht an traditionellen Universitätsstandorten vertreten sind, sondern eher in ländlich abgelegen Räumen.[143]
Trotzdem werden Hidden Champions für viele Bewerberinnen und Bewerber immer attraktiver. Auf einem Arbeitsmarkt, der durch einen heftigen Wettbewerb um Talente gekennzeichnet ist, setzen sich Hidden Champions gerade aufgrund ihres familiären Betriebsklimas, verbunden mit Flexibilität und familienfreundlichen Arbeitszeiten gegen große Wettbewerber, oftmals sogar Global Champions, durch. Vor allem aber weisen Hidden Champions ein Betriebsklima auf, das von beidseitiger Loyalität und Verbundenheit geprägt ist. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind oft sehr stolz auf ihr Unternehmen, ihr Produkt und die Marktführerschaft.
Mit diesen positiven Aussagen und dem Stolz auf ihren Arbeitsplatz tragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheidend dazu bei, dass Hidden Champions trotz geringer Unternehmensgröße, schwieriger geographischer Lagen und fehlender Bekanntheit doch immer wieder gute Bewerberinnen und Bewerber bekommen.[144] Diese besondere Ausprägung eines Employer Branding, die positive gelebte Unternehmenskultur, verschafft den mittelständischen Unternehmen eine von Richter so bezeichnete „Unique Applying Proposition“, die es ihnen ermöglicht, sich von den Wettbewerbern am Arbeitsmarkt zu differenzieren und ihr Image als Arbeitgeber nachhaltig positiv zu positionieren.[145]
Ein wichtiger Baustein in diesem Zusammenhang ist die gute und oft lange Firmengeschichte, die im Rahmen des History Marketing erzählt wird oder erzählt werden kann. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Stange zu halten bedarf es guter Geschichten – und damit auch einer guten Geschichte![146] Ein offener und transparenter Umgang mit der Unternehmensgeschichte fördert die Glaubwürdigkeit, die Beschäftigung mit der Unternehmenstradition ist ein klares Zeichen dafür, dass ein Unternehmen seine soziale Rolle ernst nimmt und seine Produkte als Bestandteil der Alltagskultur ansieht.[147] Oder noch treffender: „Das History Marketing positioniert ein Unternehmen als kulturell verantwortlichen Akteur der Gesellschaft.[148] Glaubwürdigkeit, Tradition und soziale Verantwortung, aber auch gesellschaftliche Verpflichtung sind Werte, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzen und die sie an ein Unternehmen binden. Dabei schafft gerade Tradition Glaubwürdigkeit. Sie ist Substanz statt Werbegag und steht dafür, was ein Unternehmen in der Vergangenheit geleistet hat.[149]
Die Leistung eines Unternehmens wird im Wesentlichen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbracht. In diesem Zusammenhang können sogenannte weiche Faktoren wie Mitarbeiteridentifikation und –Mitarbeitermotivation nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie gilt es immer wieder zu beobachten und zu steuern. Diese extrem wichtige Managementaufgabe fällt Hidden Champions nicht immer leicht, da die Kulturen bei ihnen oft eigenwillig sind. Zu nennen sind eine strenge Auswahl in der Probezeit, die Nähe der Unternehmensführung zur Belegschaft, oftmals das Fehlen eines Betriebsrates und nicht zuletzt die kleinstädtische Umgebung, die jedes Fehlverhalten des einzelnen sofort publik werden lässt. Weiterhin werden konservative Werte wie Fleiß, strikte Auslese, niedriger Krankenstand und Betriebstreue eingefordert.[150] Diese komplexe, aber erfolgreiche Unternehmenskultur bedarf einiger wesentlicher Faktoren, damit sie zustande kommt und bestehen kann. Inhaltlich ist der Rückgriff auf die Unternehmensgeschichte, die eine Erfolgsstory ist – sonst wäre das Unternehmen ja kein Champion – ein wichtiger Baustein. „Tradition und ihre Pflege sind in diesem Sinne ein wirkungsvolles Mittel zur Vertiefung der Unternehmensphilosophie…“.[151]
- Citation du texte
- Tanja Basic (Auteur), 2017, Untersuchung der Rolle der Unternehmensgeschichte aus Marketingsicht bei Hidden Champions, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/387862
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