Seitdem der Mensch dauerhaft sesshaft geworden ist, neigt er dazu, das Land, auf dem er lebt, als sein Eigentum anzusehen und es als solches zu verteidigen. Darüber hinaus ist er aber auch ständig auf der Suche nach neuem Land, sei es, um seinen Besitz zu vergrößern, weil er von seinem Land vertrieben wurde, oder weil das bisherige Eigentum nicht mehr ausreichend war für neue Bedürfnisse. Aufgrund der steigenden Bevölkerungsdichte wird es aber immer schwieriger, Land zu finden, das noch niemand zuvor für sich beansprucht hat. Da niemand sein Land und seine Vorrechte gern einfach so aufgibt, haben diese Wanderbewegungen auch seit jeher zu Konflikten geführt. Klaus J. Bade schildert im Vorwort seines Werks „Deutsche im Ausland-Fremde in Deutschland“ das Konfliktpotential mit den folgenden Worten: „Träume derer, die draußen sind und vielleicht kämen, wenn sie könnten, wecken drinnen Alpträume derer, die fürchten, dass die Fremden tatsächlich kommen und Teilhabe fordern könnten am vermeintlichen Glück in jener Mitte des Kontinents, die, wie man sagt, in Deutschland liegt.“
Diese Arbeit soll sich im speziellen mit der Einwanderung polnischer Arbeiter ins Ruhrgebiet des späten 19. Jahrhunderts beschäftigen und die Eskalation der sozialen Konflikte am Beispiel der „Herner Krawalle“ von 1899 darstellen. Um auch die Entstehung dieser Auseinandersetzung zu beleuchten, habe ich verschiedene Bücher zu Rate gezogen. Die wichtigsten Werke waren dabei „Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1914“ von Gerhard A. Ritter und Klaus Tenfelde sowie „Polnische Arbeitsmigranten im Ruhrgebiet“ von Valentina-Maria Stefanski.
Zunächst werde ich auf die Ursachen der polnischen Zuwanderung und deren Auswirkungen auf das Leben im Ruhrgebiet eingehen. Dazu gehören auch die Wohn- und Arbeitssituation der Zuwanderer. Als Folge dieser werde ich auf die steigende Unzufriedenheit der Polen im Ruhrgebiet und deren Eskalation in der „Herner Krawalle“ im Juni 1899 eingehen. Den Abschluss dieser Arbeit bilden die Reaktionen von Deutschen und Polen auf die Krawalle, einschließlich der Darstellung in der Presse, sowie ein Ausblick auf die Zukunft der polnischen Zuwanderer im Ruhrgebiet.
Inhaltsverzeichnis
1. Konflikte durch Migration
2. Arbeiterzuzug aus dem Osten
a) Soziale Lage der polnischen Zuwanderer
b) Berufliche Situation auf den Zechen
c) Gründe für Unzufriedenheit
3. Die Herner Krawalle
a) Ursachen und Verlauf
b) Reaktionen aus der Bevölkerung
4. Die Situation nach dem Ersten Weltkrieg
5. Literaturverzeichnis
1. Konflikte durch Migration
Seitdem der Mensch dauerhaft sesshaft geworden ist, neigt er dazu, das Land, auf dem er lebt, als sein Eigentum anzusehen und es als solches zu verteidigen. Darüber hinaus ist er aber auch ständig auf der Suche nach neuem Land, sei es, um seinen Besitz zu vergrößern, weil er von seinem Land vertrieben wurde, oder weil das bisherige Eigentum nicht mehr ausreichend war für neue Bedürfnisse. Aufgrund der steigenden Bevölkerungsdichte wird es aber immer schwieriger, Land zu finden, das noch niemand zuvor für sich beansprucht hat. Da niemand sein Land und seine Vorrechte gern einfach so aufgibt, haben diese Wanderbewegungen auch seit jeher zu Konflikten geführt. Klaus J. Bade schildert im Vorwort seines Werks „Deutsche im Ausland-Fremde in Deutschland“ das Konfliktpotential mit den folgenden Worten: „Träume derer, die draußen sind und vielleicht kämen, wenn sie könnten, wecken drinnen Alpträume derer, die fürchten, dass die Fremden tatsächlich kommen und Teilhabe fordern könnten am vermeintlichen Glück in jener Mitte des Kontinents, die, wie man sagt, in Deutschland liegt.“[1]
Diese Arbeit soll sich im speziellen mit der Einwanderung polnischer Arbeiter ins Ruhrgebiet des späten 19. Jahrhunderts beschäftigen und die Eskalation der sozialen Konflikte am Beispiel der „Herner Krawalle“ von 1899 darstellen. Um auch die Entstehung dieser Auseinandersetzung zu beleuchten, habe ich verschiedene Bücher zu Rate gezogen. Die wichtigsten Werke waren dabei „Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1914“ von Gerhard A. Ritter und Klaus Tenfelde sowie „Polnische Arbeitsmigranten im Ruhrgebiet“ von Valentina-Maria Stefanski.
Zunächst werde ich auf die Ursachen der polnischen Zuwanderung und deren Auswirkungen auf das Leben im Ruhrgebiet eingehen. Dazu gehören auch die Wohn- und Arbeitssituation der Zuwanderer. Als Folge dieser werde ich auf die steigende Unzufriedenheit der Polen im Ruhrgebiet und deren Eskalation in der „Herner Krawalle“ im Juni 1899 eingehen. Den Abschluss dieser Arbeit bilden die Reaktionen von Deutschen und Polen auf die Krawalle, einschließlich der Darstellung in der Presse, sowie ein Ausblick auf die Zukunft der polnischen Zuwanderer im Ruhrgebiet.
2. Arbeiterzuzug aus dem Osten
Das deutsche Kaiserreich galt in den übrigen Staaten Europas lange als „Transitland“[2], wo man kurzzeitig Arbeit finden konnte und gut bezahlt wurde. Tatsächlich erlebte gerade das Gebiet zwischen Rhein und Ruhr durch die Entdeckung von Steinkohle Mitte des 19. Jahrhunderts und die Industrialisierung einen regelrechten Boom. In der Anfangsphase waren die meisten Zechen noch kleine Familienbetriebe, wo der Kohleabbau über Tage als Nebentätigkeit betrieben wurde. Der Bau von größeren Zechen, zunächst in der sogenannten „Hellweg-Zone“, heute etwa entlang der A40 von Duisburg nach Dortmund, führte zu einem steigenden Angebot an Arbeitsplätzen. Während der ersten Jahre konnte die Nachfrage aus den umliegenden Dörfern, dem Sauer- und Siegerland sowie der Eifel gestillt worden. Als sich der Kohlebergbau ausweitete und sein Schwerpunkt, begünstigt durch den Bau der ersten Eisenbahnstrecken im Ruhrgebiet[3], weiter gen Norden an die Ufer der Emscher rückte, kam es in den dort neu gegründeten Städten Oberhausen, Borbeck, Altenessen, Gelsenkirchen und Wanne[4] bald zu einem Überangebot an Arbeitsplätzen. Weil die Zuwanderer aus den umliegenden Gebieten bald alle Arbeit hatten, die Schwerindustrie aber durch die Aufrüstung nach dem deutsch-französischen Krieg ebenfalls zusätzliche Arbeitskräfte benötigte, begann um 1870 die Anwerbung von Arbeitern aus weiter entfernt liegenden Gegenden. Dabei fassten die Firmen, die oftmals richtige Anwerber losschickten, insbesondere die ehemals polnischen Gebiete Schlesien, Masuren, Posen und Westpreußen ins Auge, die nach der 3. polnischen Teilung im Jahre 1795 an Preußen gefallen waren[5]. Hauptgrund dafür war, dass die dort ansässigen Menschen zwar weithin als „Polen“ bezeichnet wurden, jedoch preußische Staatsbürger waren und folglich die gleichen Rechte hatten wie die im Ruhrgebiet ansässigen deutschen Arbeiter.
Die erste Gruppe polnischer Zuwanderer kam im Jahre 1870/71 nach Bottrop und bestand aus etwa 25 Personen, die aus den Bergbaugebieten Oberschlesiens stammten und bereits über Erfahrung in diesem Berufsfeld verfügten. Ihr Anwerber, der selbst kein polnisch sprach, hatte ihnen neugebaute Wohnungen sowie Kost und Logis für 60 Pfennig am Tag versprochen[6]. Auch im weiteren Verlauf der Zuwanderung sollte Bottrop das Zentrum der oberschlesischen Zuwanderung bleiben. Aufgrund ihrer Erfahrungen wurden diese Arbeiter in den Anfängen der Migration bevorzugt. Jedoch stellten die Oberschlesier rückblickend den geringsten Anteil der polnischen Zuwanderer dar. Da die Arbeitslosigkeit durch die zunehmende Automatisierung gerade in den überbevölkerten ländlichen Regionen Polens und Masurens um sich gegriffen hatte und die Oberschlesier den enormen Bedarf an Arbeitskräften im Ruhrgebiet nicht decken konnten, kamen bald auch ungelernte Arbeiter nach Deutschland, um auf den Zechen ihr Brot zu verdienen. Die Anwerber versprachen den meist jungen Leuten viel Geld und bessere Lebensbedingungen, oft veranstalteten sie sogar richtige Feste, sobald die Arbeitsverträge unterzeichnet waren[7]. Für die meisten Polen versprach der Weg nach Westen eine Menge: bessere Lebensbedingungen, höhere Löhne und Arbeit für alle. Viele Polen planten, für kurze Zeit im Westen gutes Geld zu verdienen und sich damit später in der Heimat eine sichere Lebensgrundlage zu schaffen. Da ihnen der Erwerb von Land und der Bau von Häusern in den preußischen Ostprovinzen aufgrund der Ausnahmegesetze untersagt war, wanderten noch mehr Polen gen Westen ab, wo sie bessere Zukunftschancen sahen und glaubten, der Benachteiligung und Verfolgung entkommen zu können.[8] Die Auswirkung der intensiven Werbung und der vielen Versprechungen war ein großer Binnenwanderungsprozess, der insbesondere junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren erfasste und eine enorme Bevölkerungsverschiebung zwischen Ost und West auslöste[9].
a) Soziale Lage der polnischen Zuwanderer
Die meisten Versprechungen der Anwerber stellten sich vor Ort als Luftschlösser heraus. Dem enormen Ansturm der Zuwanderer war die Region zwischen Rhein und Ruhr überhaupt nicht gewachsen. Es gab keine richtigen Straßen sowie keine flächendeckende Versorgung mit Strom und Wasser, weil die ehemals kleinen Orte mit wenigen hundert Einwohnern sich plötzlich der Zuwanderung mehrerer tausend Polen und Masuren ausgesetzt sahen.
Diese fühlten sich am Anfang im Ruhrgebiet sehr verloren. In ihrer Heimat waren sie in die Gesellschaft vollständig integriert gewesen, nun fehlte nicht nur der Anschluss an die eigenen Familien und den Freundeskreis, sondern auch der Kontakt zu den deutschen Kollegen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass insbesondere die ersten Generationen der Zuwanderer, sobald sie eine feste Arbeitsstelle hatten, ihre Familie aus den Ostprovinzen ebenfalls ins Ruhrgebiet holte[10], was die Wohnungsnot im Ruhrgebiet noch verstärkte. Die von den Anwerbern in Polen versprochenen neuen Wohnungen waren noch nicht gebaut worden, sodass viele junge Zuwanderer von den Zechenbesitzern in riesigen Schlafsälen untergebracht wurden. Die Verständigung mit den deutschen Arbeitern erwies sich als schwierig, da die Deutschen kein polnisch sprachen und die Zuwanderer, obwohl sie aus einem Gebiet mit der Amtssprache Deutsch kamen, kaum deutsch beherrschten.[11] Ebenfalls aufgrund ihrer tiefen Religiosität wurden die Polen gemieden, da der preußische Staat sie noch mehr als die deutschen Katholiken für Staatsfeinde hielt. Suspekt waren auch die Forderungen nach einem polnischen Nationalgefühl, die dazu führten, dass der preußische Staat die Polen aus Angst vor einer polnischen Revolte im Ruhrgebiet streng überwachen ließ.[12]
[...]
[1] Klaus J. Bade (Hrsg.), Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland, S. 9
[2] Klaus J. Bade (Hrsg.), Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland, S. 24
[3] August Heinrichsbauer, Industrielle Siedlung im Ruhrgebiet, S. 4
[4] Ebd., S. 4
[5] http://www.unsere-ahnen.de/polen/territo/daten.htm, abgerufen am 09.03.2005
[6] Christoph Klessmann, „Einwanderungsprobleme im Auswanderungsland: das Beispiel der ‚Ruhrpolen’“, S. 304
[7] Ebd., S. 304
[8] Valentina-Maria Stefanski, Polnische Arbeitsmigranten im Ruhrgebiet, S. 18
[9] Christoph Klessmann, „Einwanderungsprobleme im Auswanderungsland: das Beispiel der ‚Ruhrpolen’“, S. 304
[10] Valentina-Maria Stefanski, Polnische Arbeitsmigranten im Ruhrgebiet, S. 20
[11] Ebd., S. 25
[12] Valentina-Maria Stefanski, Polnische Arbeitsmigranten im Ruhrgebiet, S. 27
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- Julia Riedel (Author), 2005, Ursachen und Verlauf der Herner Krawalle 1899, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38736
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