Trinität – ein oft verwendetes, viel diskutiertes Wort. Ein Wort mit Symbolcharakter, auch für diese Arbeit. Schon die Analyse des Begriffes führt ein in eine komplexe, ja fast schon paradoxe Gedankenwelt. Trinität – dieser Begriff setzt sich zusammen aus tres (lateinisch für drei) und unitas (lateinisch für Einheit). Gott, um den es geht, ist einer, wie es schon im alten Testament heißt: "Höre Isreal, der Herr unser Gott, der Herr allein".
Nun aber wird Gott schon in der frühchristlichen Tradition als Gott mit drei Wesenszügen gedacht und so an ihn geglaubt – Vater, Sohn und heiliger Geist. Ausgangspunkt für alle trinitarische Überlegung war und ist die Frage nach der Gottheit Jesu Christi. Wie nun aber ist die Einheit und das Alleinstellungsmerkmal Gottes mit der Vielzahl der Personen zu verbinden? Wie ist die Vielheit zu erklären, ohne dabei die Einheit in Gefahr zu bringen? Viele Theologen machten sich genau über diese Frage Gedanken und der bereits erwähnte Tertullian beschäftigte sich beispielsweise in seinem Werk Adversus Praxean intensiv mit diesem Thema, mit welchem ich mich befassen werde: "Der Glaube an den einen Gott in seiner Dreiheit: Tertullians Grundlegung des trinitarischen Denkens – ausgehend von Adv. Prax. 2; 3-4."
Diese Problemstellung möchte ich näher betrachten und dabei anhand der Quelle die Trinitätslehre nach Tertullian genauer untersuchen. Dabei ist es mein Anliegen, aufzuzeigen, wie Tertullian die Dreiheit erklärt, ohne dabei die Einheit Gottes anzutasten. Des Weiteren werde ich unter anderem den Fragen nachgehen, was oder wer Tertullian in seiner Theologie beeinflusste und wie sich diese in die christliche Theoriebildung seiner Zeit einfügte. Im Anschluss möchte ich mich der Wirkung seiner Lehre widmen, der Frage nachgehen, inwieweit seineGedanken zu diesem Thema als Grundlegung zu betrachten sind und auf die, ihm folgende trinitarische Theologie, Einfluss hatten.
2.3 Darstellung Adversus Praxean
2.4 Darstellung Adversus Praxean 2, 3-4
2.6 Ein Gegenbeispiel – Theologie des Arius
2.7 Nachwirkungen
3. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Trinität – ein oft verwendetes, viel diskutiertes Wort. Ein Wort mit Symbolcharakter, auch für meine nun folgende Arbeit. Schon die Analyse des Begriffes führt ein in eine komplexe, ja fast schon paradoxe Gedankenwelt. Trinität – dieser Begriff setzt sich zusammen aus tres (lateinisch für drei) und unitas (lateinisch für Einheit). Gott, um den es geht, ist einer, wie es schon im alten Testament heißt: „Höre Isreal, der Herr unser Gott, der Herr allein“.[1]
Nun aber wird Gott schon in der frühchristlichen Tradition als Gott mit drei Wesenszügen gedacht und so an ihn geglaubt – Vater, Sohn und heiliger Geist. Ausgangspunkt für alle trinitarische Überlegung war und ist die Frage nach der Gottheit Jesu Christi.
Wie nun aber ist die Einheit und das Alleinstellungsmerkmal Gottes mit der Vielzahl der Personen zu verbinden? Wie ist die Vielheit zu erklären, ohne dabei die Einheit in Gefahr zu bringen? Viele Theologen machten sich genau über diese Frage Gedanken und der bereits erwähnte Tertullian beschäftigte sich beispielsweise in seinem Werk Adversus Praxean intensiv mit diesem Thema, mit welchem ich mich befassen werde:
„Der Glaube an den einen Gott in seiner Dreiheit: Tertullians Grundlegung des trinitarischen Denkens – ausgehend von Adv. Prax. 2; 3-4“
Diese Problemstellung möchte ich näher betrachten und dabei anhand der Quelle die Trinitätslehre nach Tertullian genauer untersuchen. Dabei ist es mein Anliegen, aufzuzeigen, wie Tertullian die Dreiheit erklärt, ohne dabei die Einheit Gottes anzutasten. Des Weiteren werde ich unter anderem den Fragen nachgehen, was oder wer Tertullian in seiner Theologie beeinflusste und wie sich diese in die christliche Theoriebildung seiner Zeit einfügte. Im Anschluss möchte ich mich der Wirkung seiner Lehre widmen, der Frage nachgehen, inwieweit seine Gedanken zu diesem Thema als Grundlegung zu betrachten sind und auf die, ihm folgende trinitarische Theologie, Einfluss hatten.
2. Hauptteil
2.1 Verfasser
Was wissen wir aber von dem Verfasser? Tertullian, mit vollem Name Q. Septimus Florens Tertullianus, war ein aus Karthago in Nordafrika stammender Theologe.[2] Er lebte wohl kurz nach Mitte des 2Jh. bis ins dritte Jahrhundert hinein und starb nach 220.[3] Über sein Leben wissen wir nicht viel mehr als aus seinen eigenen Schriften, von denen ein Großteil erhalten geblieben ist. Erst der christliche Historiker Hieronymus schreibt in den letzten Jahren des 4. Jahrhunderts über ihn. Den Aussagen seiner Schriften Apologeticum und Ad Uxorem nach war Tertullian der Sohn eines höheren Offiziers und verheiratet mit einer christlichen Ehefrau.[4] Nicht eindeutig ist dabei zu klären, ob er mit dem dem Juristen Tertullian gleichzusetzen ist. Was wir jedoch sehr sicher wissen, ist, dass sich Tertullian etwa 203-207 der Gruppe der Montanisten anschloss, einer charismatisch prophetischen Bewegung, von Gegnern nach ihrem Gründer Montanus benannt.[5] Infolgedessen verließ Tertullian die Kirche von Karthago.
Der Montanismus war von einer verschärften, rigoristischen Ethik gekennzeichnet, was sich auch in den Schriften Tertullians, beispielsweise de virginibus velandis („Über die Verschleierung der Jungfrauen“) oder de ieiunio („Über das Fasten“) niederschlägt.[6]
Tertullian schrieb systematisch theologische Werke, welche dabei biblisch fundiert bzw. in Autorität der Regula fidei, der Richtlinie christlichen Glaubens in Überlieferung der Apostel, geschrieben sind.[7] Behandelt werden nahezu alle Themen christlicher Theologie und des Lebens in der nichtchristlichen Umwelt, der Ethik.[8] Dabei lassen sich seine Werke grundlegend in zwei Teile einordnen. Einerseits schreibt Tertullian über die Rolle des Christen in seiner Umwelt, wobei er apologetische und praktische Alltagsfragen klärt. Auf der anderen Seite beschäftigt er sich mit dem Inhalt des christlichen Glauben in dem damals pluralistisch ausgeprägtem Christentum.[9]
Laut eigenen Aussagen hat Tertullian auch Schriften in griechischer Sprache verfasst, die allerdings nicht erhalten geblieben sind. Charakteristisch für ihn ist aber vor allem sein sehr hochwertig geschriebenes Latein.[10]
Angeschnitten haben wir dabei schon ein paar Problemfelder mit denen er sich beschäftigte.
2.2 Historischer Kontext
Das römische Imperium war als „oikumene“ die ganze bewohnte Welt, natürlich mit Rom als großem Zentrum, als urbs die Stadt schlechthin. Zu Lebzeiten des Tertullian war dieses Reich am Florieren und zusammenhängend damit auch die Philosophie, aber auch das Christentum hatte zum Beispiel durch gute Verkehrswege einen hervorragenden „Nährboden“.[11]
Nach Nordafrika, der Heimat Tertullians, kam es wohl erst um 150 n.Chr.[12]
Das Christentum seiner Zeit war von seiner starken Differenziertheit geprägt. Verschiedenste Strömungen lösten Uneinigkeit über die wahre Lehre des christlichen Glaubens aus, wenn es denn so etwas wie ein wahre Lehre gibt. Da es noch keine wirkliche Orthodoxie gab, war es schwer Häretiker von Irrlehren abzubringen und einer ordnungsgemäßen Lehre zu verpflichten. Denn was ist jetzt Irrlehre, was ist der rechte Glaube, wenn keiner es festgelegt hat? Nur allmählich bildet sich eine Mehrheitskirche heraus. Theologisch wird vieles experimentell gelöst, auch was eine Ämterhierarchie und ethische Grundsätze betrifft. Erst im 3. Jahrhundert kommt dieser Prozess zu einem gewissen Abschluss mit einer Ämterbildung, einer Minimaldogmatik und gottesdienstlicher Liturgie.[13] Durch eine fehlende Orthodoxie können bis dahin Irrlehren aber recht ungestört entstehen.
Da gab es beispielsweise die Modalisten, zu denen wohl Praxeas, dem sich Tertullian entgegenstellt, angehörte oder auch ein Noet von Smyrna und ein gewisser Sabellius. In ihrer Vorstellung hatte der Sohn die gleiche Identität wie der Vater, was den logischen Schluss zur Folge hätte, Gott der Vater hätte ebenso am Kreuz gelitten, weshalb sie auch abfällig Patripassianer genannt wurden. Des Weiteren vertrat diese Gruppierung die Ansicht, eine Dreiheit Gottes würde die Einheit, die Alleinherrschaft also die Monarchie gefährden, ebendeshalb wurden sie auch als Monarchianer bezeichnet. Dann waren dort die Gnostiker, die beispielsweise ein stark dualistisches Welt- und Gottesbild vertraten. Schließlich, um nur ein weiteres von vielen möglichen Beispielen zu nennen, gab es die Valentinianer, eine Gruppe christlicher Gnostiker, die ein eigenes, sehr kompliziertes Lehrsystem entwickelten. Darüber hinaus gab es viele andere Splittergruppen unterschiedlichster theologischer Ausprägungen. Tertullian selbst war ja, wie erwähnt, den Montanisten beigetreten.
Ein ganz anderes Thema war die unter Kaiser Septimus Severus allmählich aufkommende systematische Unterdrückung der Christen, weswegen sich Tertullian in dem Traktat De Fuga in Persecutione (Über das Fliehen in der Verfolgung) diesem Thema widmete und der Frage nachging, wie sich ein Christ in solcher Situation zu verhalten habe, ob er vor Verfolgung fliehen dürfe oder ob es ihm nicht gestattet sei. [14]
2.3 Darstellung Adversus Praxean
Näher aber wird sich diese Arbeit mit Adversus Praxean beschäftigen, genauer dann mit Abschnitt 2, 3-4. In diesem Werk setzt sich Tertullian mit dem sonst unbekannten Praxeas auseinander, offensichtlich einem Monarchianer. Tertullian versucht dem Praxeas seine irrige Auffassung in Bezug auf die Gleichheit des Vaters und des Sohnes aufzuzeigen, vielmehr zu beweisen, dass Gott als Einheit eben aus 3 Personen besteht. Praxeas arbeitete dazu gegen den Montanismus, indem er den damaligen Bischof von Rom, der dabei war die Prophezeiungen der montanistischen Prophetinnen Prisca und Maximilla anzuerkennen, von diesem Vorhaben abbrachte.[15]
Systematisch versucht Tertullian in seinem Werk die Einheit Gottes trotz Aufteilung in eine Dreiheit zu erklären, zu beweisen, dass die allgegenwärtige Befürchtung, die Einheit Gottes werde aufgrund der Dreiheit in Gefahr gebracht oder gar aufgehoben, unbegründet sei. Geschrieben wurde Adversus Praxean vermutlich um 213, also bereits in der montanistischen Zeit Tertullians.[16]
Diese Zeit war von einem sehr dynamischen Christentum geprägt, dass sich reichsweit ausbreitete und wie bereits erwähnt sehr vielfältige Formen angenommen hatte. An eine christliche Einheit war also bei weitem nicht zu denken. Zumindest die Sprache war mit Griechisch bis etwa zur Wende des 2/3 Jh. einheitlich. Dort war schließlich Tertullian der erste bedeutende, christliche Schriftsteller, der sich der lateinischen Sprache und Schrift bediente. Als Abfassungsort wird die nordafrikanische Stadt und Heimat Tertullians Karthago angenommen.[17]
2.4 Darstellung Adversus Praxean 2, 3-4
Aus diesem sehr ausführlichen Werk wollen wir uns nun den kleinen Abschnitt 2, 3-4 herausnehmen und ihn genauer auf die eingangs erwähnte Aufgabenstellung hin untersuchen, um mehr über die trinitätstheologische Konzeption des Tertullian herauszufinden.
In Adversus Praxean 2,3-4 geht Tertullian auf die, seiner Meinung nach, irrige Ansicht einiger Leute ein, die meinen, es dürfe an den einen Gott nur so geglaubt werden, dass man von ihm sagt, er sei gleichsam Vater und Sohn und Heiliger Geist:
Am meisten diese, welche von sich meint die reine Wahrheit
zu besitzen, in dem sie denkt an den einzigen Gott sei
nicht anders zu glauben, als wenn man sage ein und
derselbe sei sowohl Vater als auch Sohn und Geist.[18]
Trotz eines allgemeinen Einspruchs, einer Art grundsätzlichem Einwand gegen Irrlehren, der nicht näher begründet werden muss, möchte er Raum zur erneuten Erörterung geben um zur Unterweisung und Befestigung dieser gewissen Leute beizutragen. Dieser Einspruch ist ein technisches Beweismittel, welches Tertullian in De praescriptione haereticorum ausführlich beschreibt.[19]
Es geht ihm auch darum, dem Vorurteil aus dem Weg zu gehen, bestimmte Meinungen, werden ohne Prüfung verurteilt:
und es nicht scheine, eine jede Verkehrtheit werde nicht geprüft
sondern im Voraus schuldig gesprochen.[20]
In Abschnitt 4 erklärt er dann, warum er diese Ansicht der gewissen Leute nicht teilt. Diese sind eventuell die in 3,1 erwähnten einfachen Leute, die sich an den Aussagen eines in einer Ökonomie aufgeteilten Gottes stoßen.[21] Von diesen Leuten kommen laut Tertullian Vorwürfe gegen ihn und Vertreter dieser Art von Lehre, sie würden zwei oder drei Götter verkündigen.[22]
In seiner Logik ist aber der eine, von dem ja nur in seiner Dreiheit zu glauben sei, alles, genauso wie aus diesem Einen alles, also auch die Dreiheit, ist. Trotz der Einheit der Substanz wird das Geheimnis der Ökonomie, mit der Einordnung in 3 Personen nicht in Gefahr gebracht.
In der Folge unterscheidet er, welche Eigenschaften nun für die Einheit zutreffen, welche Unterschiede es aber auch zwischen den 3 Personen gibt:
Drei jedoch nicht nach der Beschaffenheit, sondern dem Grad,
nicht der Substanz, sondern der Gestalt, nicht der Macht,
sondern der Erscheinung, eine Substanz jedoch und eine
Beschaffenheit und eine Macht.[23]
Letztendlich macht Tertullian noch einmal deutlich, dass es ein Gott ist von dem aus die verschiedenen Gestalten mit Namen Vater, Sohn und heiliger Geist hervorgehen:
Weil es ein Gott ist, aus welchem sowohl diese Stufen und Gestalten
und Erscheinungen in dem Namen des Vaters und des Sohnes
und des heiligen Geistes bestimmt werden. [24]
2.5 Analyse der Quelle
Für Tertullian typisch ist der Abschnitt sprachlich sehr geschliffen und ausgereift, wenn er auch wohl für den Laien und die von ihm angesprochenen Leute, die wohl die einfachen Leute aus Abschnitt 3,1 sind, schwer zu lesen gewesen sein
muss, da die Sätze lang und verschachtelt sind.[25]
Auch seine Begriffsauswahl zeugt von sprachlichem Können. Ein ganzes Repertoire an verschiedensten Begriffen, die sich teilweise nur sehr wenig in ihrer Bedeutung unterscheiden. So zum Beispiel, species und forma, also Erscheinung und Gestalt. Tertullian ist ein Meister der Begrifflichkeit, was es dem Leser jedoch teilweise schwer macht, das eigentlich gemeinte Subjekt zu identifizieren, da er in Adversus Praxean nicht selten Begriffe synonym für ein und dieselbe Sache oder Person verwendet.
Besonders auffallend sind in unserem Abschnitt aber die vielen gerichtsspezifischen Begriffe, wie praescriptione, damnare oder preaiudicatia. Mit diesen versucht Tertullian seine Trinitätslehre zu rechtfertigen. Immer noch nicht geklärt ist ja, ob Tertullian mit dem gleichnamigen Juristen identisch ist. Allein diese Passage zu betrachten, wäre in dieser Frage sicher zu einseitig, aber doch würde es ebendiese Vermutung stärken. Andererseits gibt es auch keine christliche Theologie ohne den Gerichtsgedanken, ohne Schuld und Vergebung, Gerechtigkeit und Verdammnis. Das Alte Testament, welches Tertullian an vielen Stellen zitiert und scheinbar sehr gut kennt, hat ja vor allem im Pentateuch mit dem von Gott gegebenen Gesetz einen inhaltlichen Schwerpunkt und erzählt, wie das Volk Israel mit diesem umgeht, ob es gehalten oder gebrochen wird. Da Tertullian sich immer wieder auf die Autorität der Bibel beruft, wenn auch nicht in diesem Abschnitt, ist es natürlich auch möglich, dass die sprachliche Besonderheit, vieler gerichtsspezifischer Termini schlichtweg seinem religiösen Hintergrund geschuldet ist. Sicherlich war der Gebrauch dieser gerichtsähnlichen Begriffe aber auch jedem geschulten Philosophen bekannt, welcher Tertullian ja war. Womöglich haben die verschiedenen Einflüsse gemeinsam zu einer derartigen Begrifflichkeit geführt.
Klar lässt sich erkennen, dass Tertullian sich durch seine Wortwahl von den gewissen Leuten abhebt, die Unterweisung und Befestigung nötig hätten.
Aber unbeschadet dieses allgemeinen Einspruchs, ist doch wegen
der Unterweisung und Befestigung gewisser Leute auch überall
noch eine Gelegenheit der Wiederholung zu gewähren.[26]
Dies kann einerseits seinem Bildungsstand geschuldet sein, der wohl als überdurchschnittlich zu bezeichnen ist. Als Sohn eines Vaters mit hohem militärischen Rang hatte er gute Bildungsmöglichkeiten aufgrund finanzieller Absicherung. Wie sonst hätte er sich so intensiv mit dem Schreiben befassen können. Tertullian war philosophisch und rhetorisch geschult. Die gewissen Leute, die er indirekt anspricht und von ihrem Irrtum überzeugen will, waren sicher von einem niedrigeren Bildungsstand. So hat seine Sprache einen belehrenden Grundton, er selbst nimmt die Rolle als Lehrer über die Ungebildeten an. Ob es ihm hier nur um das Unwissen und Unverständnis der Leute geht oder vielmehr einer mangelnden gottgegebenen Weisheit aufgrund von Offenbarung, ist schwer zu sagen. Jedenfalls wähnt er sich in Sachen der Erkenntnis über ihnen zu stehen und Autorität zu besitzen, Weisung erteilen zu dürfen. Nicht außer acht lassen darf man hier seinen montanistischen Hintergrund. Die Montanisten beriefen sich ja unter anderem auf gottgegebene Prophetien und Offenbarungen. Womöglich stand Tertullian in dem Selbstbewusstsein einer göttlichen Erkenntnisgabe oder Offenbarung.
Wichtig sind im Hinblick auf seine Gedanken zur Dreieinigkeit auch Worte wie unus, unitas und omnia, also einer und Einheit sowie Alles. Tertullian hat keine Probleme beides auf Gott zu beziehen. Er ist einer und er ist alles. Das hebt nicht seine Vorstellung von einer Dreiheit des einen Gottes auf. Vielmehr findet er es grundlegend falsch zu denken, an diesen Gott sei nur in seiner Dreiheit zu glauben. Es scheint für ihn kein Unterschied zwischen dem einen Gott und dem Gott in der Dreiheit zu bestehen. An dieser Stelle lässt sich erkennen, dass Tertullian kein Freund der extremen Position war. Er ist weder dem Gedanken zugetan, an Gott sei nur in seiner Dreiheit zu glauben, wenn man so möchte einem stark suborditianistischen Gedanken, der die Unterscheidung von Sohn und Geist im Vergleich zum Vater hervorhebt. Allerdings widerspricht Tertullian auch modalistisch monarchistischen Gedanken, welche behaupten, Vater, Sohn und heiliger Geist hätten eine gemeinsame Identität, praktisch eine Person, was nun die Frage aufwirft, wer denn jetzt am Kreuz gelitten hat.
Das von ihm geprägte und an dieser Stelle entscheidende Wort ist trinitas. In diesem Wort führt er beide Seiten zusammen. Tres, die Dreiheit, von der er immer wieder spricht, verkörpert durch den Vater, den Sohn und den heiligen Geist und unitas, die Einheit, die alles zusammenhält, keine Spaltung zulässt. Bewusst und äußerst kunstvoll mischt, vielmehr verbindet er, zwei scheinbare Extreme, die „Dreiteilung“ und die Einheit.
Eingeordnet wird jedoch diese Einheit in der oikonomia. Wiederum ein Begriff, bei dem näher hinzuschauen ist, um den vollen Sinn und Hintergrund zu erfassen. Aufgegriffen hat ihn Tertullian vermutlich von Irenäus von Lyon, dem dortigen Presbyter. Irenäus wird als einer, wenn nicht gar der bedeutendste Schrifttheologe des 2.Jh. angesehen.[27] Er war der erste, der eine heilsgeschichtliche Konzeption erstellte, die Geschichte Gottes mit dem Menschen, als Prozess vom Unheil zum Heil betrachtete. Diesen Heilsplan nannte er oikonomia, was wörtlich so viel wie Haushalterschaft bedeutet.
Diese oikonomia also teilt nach Tertullian die Einheit in die Dreiheit ein.
Um nichts weniger wird das Geheimnis der Ökonomie bewahrt,
welche die Einheit in der Dreiheit verteilt, zu dreien hinlenkend,
dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist [28]
Die Ökonomie hat also eine sehr wichtige Aufgabe. Sie verbindet die Einheit mit der Dreiheit, welche die Einheit nicht zerstört, weil sie im sacramentum, im Geheimnis der Ökonomie bewahrt wird. Sehr geschickt scheint er an dieser Stelle ein Geheimnis offen zu lassen. Nicht wird erklärt, wie die Ökonomie die Einheit in eine Dreiheit verwandelt, sondern viel mehr als göttliches Geheimnis stehen gelassen, womit Tertullian diesem schwierigen Aspekt aus dem Wege geht. Vielmehr bekommt der Abschnitt einen „mystischen Anstrisch“. Trotz vieler, seiner Meinung nach logischer Aspekte innerhalb des Denkens über die Trinität, bleiben doch Fragen offen. Tiefer gehenden Fragen setzt er so einen Riegel vor. Zu hinterfragen bleibt natürlich woher Tertullian dann solch eine starke Überzeugung nimmt, seine Ansichten seien die Richtigen.
Im Textkritischen Apparat des Corpus Christianorum finden wir an dieser Stelle eine nicht uninteressante Anmerkung. Ein gewisser Rosenmeier vermutete hier statt dirigens, was soviel wie hinlenken bedeutet, dirimens, was vielmehr auflösen, trennen, scheiden, bedeuten würde. Schaut man sich aber das Gesamtkonzept der Trinitätslehre Tertullians an, so erscheint es doch schon unwahrscheinlich, dass er so etwas im Sinne hatte. Die Dreiheit ist für ihn keine Spaltung, sondern gar eine Befestigung der Alleinherrschaft Gottes.
Substantia ist ein weiterer wichtiger Begriff der einer ausführlicheren Klärung bedarf. Er bedeutet so viel wie Grund, Boden, Stoff – Substanz. Doch damit ist noch nicht gesagt, was Tertullian im Eigentlichen damit meint. Die Substanz ist die Gesamtwirklichkeit Gottes und der Dreiheit, sie ist der Grund der verschiedenen Wesensoffenbarungen.
Als wenn nicht auch auf diese Weise einer alles sei und aus
einem alles, durch die Substanz freilich in Einheit.[29]
Tertullian benutzt den Begriff Substanz vor allem im Hinblick auf eine Körperlichkeit Gottes. An dieser Stelle lässt sich gut festmachen, dass Tertullian nicht nur christlich, sondern ebenso philosophisch geprägt ist, genauer gesagt war er von der stoischen Philosophie beeinflusst. Ein Kerngedanke der stoischen Philosophie ist, dass alles mit einander in Verbindung steht und stofflich begründet ist.[30]
Tertullian versucht, bewusst oder unbewusst, wie viele seiner Zeitgenossen, philosophisches Gedankengut mit christlichen Vorstellungen zu verbinden.
Schließlich beschreibt Tertullian mit einigen Begriffen jeweils Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den drei Personen der Trinität, Vater, Sohn und Heiligem Geist. So sind sie gleich in ihrer Beschaffenheit (statu), in ihrer, bereits erklärter Substanz und ihrer Macht (potestas). Ihre Unterschiede benennt er in den Begriffen Grad (gradus), Gestalt (forma) und Erscheinung (species).
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- Sebastian Trommer (Author), 2016, Tertullian. Der Glaube an den einen Gott in seiner Dreiheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/387276
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