Arbeit ist heute mehr als reiner Broterwerb. Durch das Erlernen und die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit wird das Individuum zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft, da es nun aktiv zum Erhalt der geltenden Normen beiträgt. Es vollzieht den Schritt von einem in das nächste Lebensalter. Die Aufnahme eines Berufes charakterisiert den Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen, viel mehr als zum Beispiel das Alter. Die berufliche Sozialisation ist also ausschlaggebender Indikator für die Vollwertigkeit eines Individuums in der Gesellschaft. Ansehen, Selbstwert, sozialer und finanzieller Status sind neben der reinen Existenzsicherung die abhängigen Grundkonstanten der beruflichen Tätigkeit.
Wie gestaltet sich nun aber dieser Prozess für Menschen, die aufgrund einer Einschränkung in ihrer Leistungsfähigkeit nicht oder nur unzureichend dazu in der Lage sind, diesen Anforderungen zu entsprechen? Können diese überhaupt zu vollwertigen, akzeptierten und integrierten Mitgliedern der Gesellschaft werden, auch wenn sie die geforderten Qualifikationsmerkmale aufgrund eines Handicaps nicht in dem Maße erfüllen können? Welche Rolle spielt die berufliche Eingliederung und Rehabilitation behinderter Menschen bei der Integration in die Gesellschaft überhaupt, und mit Hilfe welcher Maßnahmen und Institutionen ist dieser Prozess in einem für die Beteiligten befriedigendem Rahmen möglich?
Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch die allgemeine Arbeitsmarktsituation, denn in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation und konjunktureller Schwierigkeiten sind gerade die Leistungsschwächeren der Gesellschaft mögliche erste Opfer rationalisierender Maßnahmen. Da gerade für die Gruppe der Menschen mit Behinderung nicht nur materiell existentielle, sondern vor allem auch integrative und soziale Aspekte im Vordergrund der Erwerbstätigkeit stehen, verdient der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und sozialer Integration bzw. die Relevanz der Arbeit für Menschen mit Behinderung ein besonderes Interesse.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffserklärungen
2.1. Behinderung
2.1.1. Medizinisch-juristische Definition
2.1.2. Behindertenpädagogische Definition
2.1.3. WHO-Klassifikationen
2.1.4. Behindertensoziologische Definition
2.2. Rehabilitation..
2.3. Arbeit und beruflicozialisation
3. Arbeit und Beruf als Teil des menschlichen Lebens
3.1. Die Relevanz von Arbeit und beruflicher Tätigkeit für die Allgemeinbevölkerung
3.1.1. Die Bedeutung der Arbeit als Lebensaltersabschnitt
3.1.ozialtatus, Identität uelbstwert
3.1.3. Finanzielltatus
3.2. Die Relevanz des beruflichen Eingliederungsprozesses für Menschen mit Behinderung
3.2.1. Gesetzliche Grundlagen der beruflichen Eingliederung
3.2.chulische Rehabilitation
3.2.3. Ausbildung
3.2.3.1. Berufsbildungswerke
3.2.3.2. Berufsförderungswerke
3.2.3.3. Maßnahmen der Werkstätten für Menschen mit Behinderung
3.3. Verschiedene Betriebsmodelle
3.3.1. Integrationsfirmen
3.3.2. Integrationsfachdienste
3.4. Folgen beruflicher Desintegrationsprozesse im Zusammenhang mit Behinderung
3.4.ozialtatus, Identität uelbstwert
3.4.2. Finanzielltatus
3.4.3. Die Bedeutung von Arbeit und Beruf als Lebensaltersabschnitt im Zusammenhang mit Behinderung
4. Zusammenfassung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Arbeit ist heute mehr als reiner Broterwerb. Durch das Erlernen und die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit wird das Individuum zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft, da es nun aktiv zum Erhalt der geltenden Normen beiträgt. Es vollzieht den Schritt von einem in das nächste Lebensalter. Die Aufnahme eines Berufes charakterisiert den Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen, viel mehr als zum Beispiel das Alter. So kann heute ein fünfundzwanzigjähriger Student in den Augen der Gesellschaft „jünger“ oder „unreifer“, also nicht mehr im Status des Jugendlichen wirken als ein neunzehnjähriger Bankkaufmann. Die berufliche Sozialisation ist also ausschlaggebender Indikator für die Vollwertigkeit eines Individuums in der Gesellschaft. Ansehen, Selbstwert, sozialer und finanzieller Status sind neben der reinen Existenzsicherung die abhängigen Grundkonstanten der beruflichen Tätigkeit.
Entscheidend für eine möglichst gute berufliche Position ist die Leistungsfähigkeit schon während der Ausbildung. Bildungsqualifikationen und Ausbildungszertifikate ermöglichen dem Einzelnen je nach Kompetenz den Zugang zum Arbeitsmarkt, wobei ein jeder die seinen Interessen und Neigungen entsprechende Laufbahn einschlagen kann. Je besser die Qualifikation, um so breiter ist das Spektrum an Angeboten und Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Je schlechter die Qualifikation, umso eher muss man sich mit dem nächstbesten Beruf abgeben, in dem man sich selbst nur schwer verwirklichen kann, da die persönlichen Bedürfnisse so nicht befriedigt werden können.
Wie gestaltet sich nun aber dieser Prozess für Menschen, die aufgrund einer Einschränkung in ihrer Leistungsfähigkeit nicht oder nur unzureichend dazu in der Lage sind, diesen Anforderungen zu entsprechen? Können diese überhaupt zu vollwertigen, akzeptierten und integrierten Mitgliedern der Gesellschaft werden, auch wenn sie die geforderten Qualifikationsmerkmale aufgrund eines Handicaps nicht in dem Maße erfüllen können? Ist der Beruf, wie SCHELSKY formuliert, „[...] immer noch der wichtigste Faktor für die soziale Bestimmung des menschlichen Lebens in unserer Kultur“1 ? Welche Rolle spielt die berufliche Eingliederung und Rehabilitation behinderter Menschen bei der Integration in die Gesellschaft überhaupt, und mit Hilfe welcher Maßnahmen und Institutionen ist dieser Prozess in einem für die Beteiligten befriedigendem Rahmen möglich? Besonders interessant erscheint hierbei auch, ob sich der Begriff der Behinderung nicht ausschließlich über den Faktor Leistungsfähigkeit - und damit Arbeitsfähigkeit - definiert und somit das Erlangen einer gesicherten sozialen Position innerhalb der Gemeinschaft für Menschen mit Behinderung überhaupt möglich ist.
In der Bundesrepublik Deutschland besteht ein vorbildlich ausgebautes berufliches Rehabilitationssystem, das in weitem Umfang eine qualitativ hochwertige und anerkannte Ausbildung für Menschen mit Behinderung ermöglicht. Dennoch verlassen viele junge Behinderte die Schule ohne eine wirkliche berufliche Perspektive. Die gewohnte individuelle Förderung bricht ohne Überleitung ab, sowohl im Bereich der vorberuflichen Förderung und Ausbildung, als auch bei der Eingliederung in die Erwerbstätigkeit, „das Ende der Schulzeit [wird] als existenzielle Bedrohung“2 empfunden.
Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch die allgemeine Arbeitsmarktsituation, denn in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation und konjunktureller Schwierigkeiten sind gerade die Leistungsschwächeren der Gesellschaft mögliche erste Opfer rationalisierender Maßnahmen. Da gerade für die Gruppe der Menschen mit Behinderung nicht nur materiell existentielle, sondern vor allem auch integrative und soziale Aspekte im Vordergrund der Erwerbstätigkeit stehen, verdient der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und sozialer Integration bzw. die Relevanz der Arbeit für Menschen mit Behinderung ein besonderes Interesse.
2. Begriffserklärungen
2.1. Behinderung
Der Begriff der Behinderung wird in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich definiert. Aus Gründen der Vollständigkeit gehe ich kurz auf die medizinische und pädagogische Definitionen und deren Mängel ein, danach komme ich zu der behindertensoziologischen Sichtweise. Die Art der Behinderung soll hierbei weniger interessieren, da die Reaktion der Gesellschaft auf die „Andersartigkeit“ entscheidend ist und es in diesem Bezug nicht relevant ist, ob ein Mensch eine kommunikative bzw. soziale, körperliche oder geistige Beeinträchtigung hat.
2.1.1. Die medizinisch-juristische Definition
Eine typische Begriffsbestimmung findet sich in §39 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Dort heißt es im Zusammenhang mit dem betroffenen Personenkreis: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.[...]“3. Diese Definition ist aus soziologischer Sicht ungenügend, da sie nichts über die Auswirkungen auf den einzelnen Menschen und dessen Umwelt aussagt, sondern nur dessen Mängel feststellt.
2.1.2. Die behindertenpädagogische Definition
Eine weitergefasste Definition findet man in der Behindertenpädagogik. Bei BLEIDICK4 heißt es dazu: „Als behindert gelten Personen, die infolge einer Schädigung ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionen so beeinträchtigt sind, dass ihre unmittelbaren Lebensverrichtungen oder Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erschwert werden.“
Hierbei kommen wesentliche Aspekte der Reaktion auf Behinderung als aus soziologischer Betrachtung wichtige Kernpunkte bei der Definition von Behinderung vor, allerdings ist der Begriff der als behindert geltenden Personen sehr allgemein gefasst, da Zeitraum und Dauer der Beeinträchtigung außer acht gelassen werden. Die erwähnte Unterscheidung zwischen „Behinderung“ und „Schädigung“ soll im folgenden näher erörtert werden.
2.1.3. Die WHO-Klassifikationen
Die „International Classification of Impairments, Disabilities, and Handicaps“ (ICIDH) von 1980 geht von drei Ebenen aus:5
-Impairment (= Schädigung auf körperlicher Ebene) -Disability (= Behinderung auf individueller und personaler Ebene) -Handicap (= Benachteiligung und Konsequenz auf gesellschaftlich-sozialer Ebene)
Bei dieser Einteilung ist lediglich die letzte Ebene des Handicaps für die Soziologie entscheidend, da hier auf die Auswirkungen einer Behinderung in der Gesellschaft eingegangen wird.
In einer neuen Fassung von 1998 (ICIDH-2)6 werden die negativen Begriffe in positiven Dimensionen wiedergegeben, so wird aus „Disability“ „Activity“ (Aktivitätsmöglichkeiten) und aus „Handicap“ „Participation“ (Teilhabe). Die Trennung zwischen Schädigung und deren Auswirkungen wird hierbei deutlich. Somit erschließt sich nun auch auf den anderen Ebenen ein soziologischer Einstieg.
Dennoch gibt es Kritik an dieser Definition, da der Begriff der Schädigung als feste Größe genommen wird. Es stellt sich die Frage, ob „[...]Schädigung immer so exakt feststellbar [ist], wie medizinische und sonderpädagogische Diagnostik [es] nahelegen.“7
2.1.4. Die behinderten soziologische Definition
Bei dieser Begriffsbestimmung gilt das Hauptaugenmerk dem Auslösen einer Reaktion der Individuen einer Gesellschaft auf als „unnormal“ geltende Merkmale anderer Menschen. Man spricht dann von einem Merkmal mit Stimulusqualität.8
Dieses Merkmal ist als eine Abweichung von sozialen Erwartungen gekennzeichnet, von einer Behinderung kann jedoch erst dann gesprochen werden, wenn dieser Andersartigkeit eine negative Bewertung zugeschrieben wird.
Laut CLOERCKES liegt bei einem Menschen also eine Behinderung vor, wenn „[...] eine dauerhafte und sichtbare Abweichung [...], der allgemein ein entscheidend negativer Wert zugeschrieben wird [...]“, vorhanden ist. Dauerhaftigkeit unterscheide Behinderung von Krankheit; Sichtbarkeit sei das Wissen der anderen um die Abweichung von jeweils geltenden Erwartungen, auf die die sozialen Reaktionen negativ ausfallen.9
Des weiteren ist Behinderung von zahlreichen Einflussfaktoren wie dem Verhältnis von individuellen und sozialen Belastungen, der Struktur des Hilfesystems, gesellschaftlichen Bedingungen und Normen und Werten abhängig. Behinderungen sind also relativ und normativ.
2.2. Rehabilitation
Nach Badura/Lehmann versteht man unter Rehabilitation den „Prozeß der (Wieder)-Herstellung körperlichen und seelischen Wohlbefindens und weitergehender sozialer (Re-) Integration.“10 Es geht also sowohl um die Rehabilitation bereits behinderter Menschen, als auch um Prävention vor Behinderung. Es wird unterschieden zwischen medizinischer, beruflicher, schulischer und sozialer Rehabilitation. Im folgenden soll vor allem von der beruflichen Rehabilitation die Rede sein, die zur sozialen Integration führen soll, aber natürlich auch von der schulischen als Voraussetzung und der sozialen als Folge der Integrationprozesse für Menschen mit Behinderung durch die Arbeit und den Beruf. Die berufliche Rehabilitation beschreibt den Weg, wobei die berufliche Integration als das Ziel verstanden werden kann.
2.3. Arbeit und berufliche Sozialisation
Heute besteht kein Zweifel mehr daran, dass neben den individuellen auch die gesamtgesellschaftlichen Aspekte von Arbeit eine Rolle spielen. Arbeit wird verstanden „[...]als ein Potential des Menschen zur Existenzsicherung, das soziologische, psychologische, physiologische sowie ökonomische, produktive Dimension besitzt.“11 So ist der arbeitende Mensch mehr als nur ein abstrakter Produktionsfaktor. Seine Bedürfnisse gehen weit über die reine Bereitstellung seiner Arbeitsleistung hinaus. Die sozialen Bindungen, die direkt oder indirekt von einem Arbeitsplatz abhängen, sind von zentraler Bedeutung für das Individuum. Berufliche Sozialisation meint „[...]die Lern- und Entwicklungserfahrungen, durch die die Menschen für die Arbeitstätigkeit vorbereitet werden und die sie im Verlauf ihres Berufslebens machen.“12 Es handelt sich also um einen Prozess, der mit Beendigung der Ausbildungsphase und dem Einstieg in das Berufsleben noch keineswegs abgeschlossen ist, sondern der aufgrund sich stetig verändernder Variablen ein ständiges Anpassen an neue Situationen und somit eine größtmögliche Flexibilität verlangt. Dabei spielt auch die Wechselwirkung Beruf-Leben und Leben-Beruf und das Verhältnis von Berufsarbeit, Lebenslauf und Persönlichkeit eine Rolle.
3. Arbeit und Beruf als Teil des menschlichen Lebens
Im folgenden soll es um die Arbeit und den Beruf als unablässiger und sozial-integrativer Teil des Lebens gehen. Im Brennpunkt liegt zunächst die Situation unter der Normalbevölkerung, d.h. den nicht-behinderten Menschen, wobei insbesondere die Bedeutung der Arbeit als Lebensaltersabschnitt und der aus ihr resultierende soziale Status, das Selbstwertgefühl und die finanziellen Aspekte beleuchtet werden sollen.
Im weiteren wird die Relevanz des beruflichen Eingliederungs- und Sozialisationsprozesses für Menschen mit Behinderung untersucht. Hierbei stehen zunächst die gesetzlichen Grundlagen der Rehabilitation, verschiedene Arten der Ausbildung, der soziale und finanzielle Status und die Folgen beruflicher Desintegrationsprozesse für Menschen mit Behinderung und die Zusammenhänge zwischen den gesamtwirtschaftlichen Faktoren und deren Auswirkungen auf die berufliche Sozialisation und Integration im Vordergrund.
3.1. Die Relevanz von Arbeit und beruflicher Tätigkeit für die Allgemeinbevölkerung
Ein moderner Lebenslauf wird um die Lebenspassage der Erwerbsarbeit herum konstruiert. Lern- und Ausbildungsphasen kennzeichnen dabei die Vorbereitung auf die Phase der Lohnarbeit, Rente und Ruhestand stellen (neben entscheidenden arbeitsmarktpolitischen Überlegungen) die Ausgliederung - verpackt als „Lohn“ für die absolvierte Leistung - eines Individuums dar. Die Erwerbstätigkeit steht also im Mittelpunkt einer jeden Normalbiografie, sie charakterisiert in unserer Arbeits- und Leistungsgesellschaft den Übergang in einen neuen Lebensaltersabschnitt, nämlich den des Erwachsenen. Die Betonung des Berufes ist notwendig für die Entwicklung der Unabhängigkeit und einer eigenen Identität.
Dadurch erfährt der Mensch die nötige Anerkennung, sowohl im inneren (Betrieb), als auch im äußeren Rahmen (Gesellschaft). Die Selbstverwirklichung durch die Arbeit ist unablässig für das Selbstwertgefühl eines Menschen; das Gefühl einen produktiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und somit einen Teil zu deren Erhalt und zur Aufrechterhaltung bestehender Normen beizutragen. Der soziale Status eines Individuums ist somit gefestigt.
Abhängig von der beruflichen Tätigkeit ist auch der finanzielle Status. Seine soziologische Bedeutung ist nicht zu unterschätzen, da gerade in einer kapitalistischen Gesellschaft der Faktor Geld wesentlich zur Teilhabe an und Integration in die Gemeinschaft beiträgt. Im folgenden gehe ich auf jeden der genannten Aspekte im einzelnen ein.
3.1.1. Die Bedeutung der Arbeit als Lebensaltersabschnitt
Wie bereits erwähnt ist die Übernahme einer Berufsrolle Ergebnis eines langjährigen Vorbereitungs- und Qualifizierungsprozesses. Der Übergang zwischen Jugendlichen- und Erwachsenenalter kann als die entscheidende Statuspassage bezeichnet werden, da sich das Individuum an dieser Stelle aus verschiedenen Abhängigkeiten lösen und die Vorstellungen eines selbstbestimmten Lebens verwirklichen kann. Es verlässt die mit den Schlagworten „Unfertigkeit“ und „Noch-nicht-Erwachsen-Seins“13 verbundene Schülerrolle. Das vertiefen eigener Interessen ist sehr wichtig bei diesem Prozess, je mehr die angestrebte Berufstätigkeit den eigenen Interessen und Vorstellungen entspricht, desto erfüllter gestaltet sich der Arbeitsalltag, desto zufriedener ist das Individuum.
Institutionen wie Schule, Berufsschule und Universität spielen bei der Vorbereitung auf den Einstieg in das Arbeitsleben eine entscheidende Rolle. Sie „[...]vermitteln für die Arbeitswelt notwendige Basisqualifkationen und legen unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten in das Erwerbssystem fest.“14 Je nach Qualifikation erschließen bzw. versperren sich verschiedene Wege der Berufsfindung, wobei festgestellt werden kann, dass, je höher die Qualifikation, desto größer die Angebotspalette ist, die vom Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden kann.
Der Prozess des Erwachsenwerdens muss losgelöst vom biologischen Alter betrachtet werden, die Wertigkeit des Individuums, die für die Gesellschaft relevant erscheint, misst sich an seiner beruflichen Sozialisation.
3.1.2. Sozialer Status, Identität und Selbstwert
Status bezeichnet die Position, die eine Person innerhalb eines sozialen Systems einnimmt. Der soziale Status wird bestimmt über „[...] konkrete Merkmale [...], insbesondere Einkommen, Beruf, Bildung, [...].“15 Da die Bedürfnisse des Menschen weit über die reine Bereitstellung seines Arbeitsinputs hinausgehen, sind soziale Bindungen, die durch Arbeit und Beruf entstehen können, von zentraler Bedeutung für das Individuum. Es definiert sich weitgehend, von kulturgeografischen Unterschieden abgesehen, über seine Arbeit. Hierbei spielt die Imagewirkung des Berufes eine wichtige Rolle, prestigeträchtige Berufe ermöglichen das Erlangen eines höheren sozialen Status als die eher „einfachen“ Berufe.
Direkt abhängig von der beruflichen Sozialisation und dem sozialen Status sind Identität und Selbstwertgefühl. Entscheidend im arbeitssoziologischen Kontext ist dabei das Feedback, das dem Individuum durch seine berufliche Umwelt, also Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzte, entgegengebracht wird. So ist davon auszugehen, dass „[...] indem und solange die erworbenen und eingewöhnten Verhaltensweisen der beruflichen Tätigkeiten und Leistungen erfolgreich anwendbar sind, [...] sie auch als Rückwirkung die innere Sicherheit der Person und des seelischen Lebens [dienen].“16
3.1.3. Finanzieller Status
Der finanzielle Status hängt entscheidend von der Qualifikation, aber auch Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit ab. Das Streben nach wirtschaftlichem Wohlstand mag für viele der unmittelbare und vordergründig bewusste Antrieb in der beruflichen Sozialisation sein. Die finanzielle Situation kann direkte Auswirkungen auf psychosozialer Ebene haben, da beispielsweise ein Einkommensverlust über einen längeren Zeitraum „[...] und die damit verbundenen Entbehrungen defizitäre berufliche Sozialisationsprozesse einleiten können,[...].“17 Das Gefühl, in einer an finanziellen Statussymbolen orientierten Gesellschaft nicht mehr mithalten zu können, kann zu stark ausgeprägten Phasen der Depression führen, die in eine Apathie hinsichtlich der Bemühungen um ein neue Anstellung münden kann.
[...]
1 Schelsky, H. 1965, S.27
2 Ellger Rüttgardt/Blumenthal, Hrsg., 1997, S.1
3 Bundessozialhilfegesetze (BSHG) 2003, §39
4 Bleidick 1995, S.15 in: Cloerckes 2001, S.4
5 WHO 1980, S.27ff. In: Cloerckes 2001, S.4
6 Ebd., S.4
7 Cloerckes 2001, S.5
8 Ebd., S.7
9 Ebd., S.7
10 Ebd., S.34
11 Gablers Wirtschaftslexikon 1992, Stichwort: Arbeit
12 Heinz, W.R. 1995, S.7
13 Hurrelmann, K. 1993, S.147
14 Heinz, W.R. 1995, S.11
15 Fachlexikon der sozialen Arbeit 2002, S.936
16 Schelsky, H. 1965, S.32
17 Heinz, W.R. 1995, S.99
- Quote paper
- Fabian Göbel (Author), 2003, Die Bedeutung von Arbeit und Beruf für Menschen mit Behinderung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38666
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