Auf die Frage nach bekannten Gattungen eines Dramas hört man meist als Antwort `Tragödie` und `Komödie`, die als Gegensätze verstanden werden. --- Aber wie steht es denn mit diesen reinen Formen in der heutigen, modernen Literatur? --- Die Tragödie und auch die Komödie waren bereits fünf Jahrhunderte vor Christus bei den Griechen als Kunstform bekannt und wurden verwendet. Seitdem erlebten diese Dramenformen viele Höhepunkte, sei es in der griechischen oder römischen Antike, in der Renaissance, im Barock und der Aufklärung, zur Zeit des Sturm und Drangs und natürlich auch in der Klassik oder im Realismus. Je mehr man aber in die jüngere Geschichte und in die Gegenwart blickt, desto rarer werden diese reinen Formen. Es gibt Stimmen, die meinen, dass die `alten`, ursprünglichen Gattungen im Drama so nicht mehr möglich sind, was v. a. die Tragödie betrifft. Man verwendet immer häufiger Mischformen als Variante zu den Klassikern. Bevorzugt findet man hier die sogenannte Tragikomödie. Diese Gattung ist aber durchaus keine Neuerscheinung am `Literaturhimmel`, sondern hat ihre Wurzeln ebenfalls in der Antike (à Plautus) und wurde bereits in der Renaissancezeit als eigenständige Gattung anerkannt. So finden sich auch schon in der Geschichte des barocken Theaters Dramenwerke, die diese Form anstreben. Hierzu kann man auch den `Cenodoxus` vom Jesuiten Jacob Bidermann zählen. In dieser Arbeit soll nun der Frage nachgegangen werden, inwiefern dieses Drama zu der Gattung der Tragikomödie gezählt werden kann. Zur Beantwortung werden hier allgemeine Definitionen aus unterschiedlichen Lexika herangezogen und Einordnungskriterien verschiedener Dramentheoretiker angebracht werden. Anhand dieser Ergebnisse soll das Stück von Bidermann daraufhin untersucht werden, wo sich Belege finden lassen, die eine Zuordnung von Textstellen bzw. Handlungssträngen zu den bestimmten, vorgestellten Gattungen ermöglichen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmungen
2. 1 `Tragik` und `Tragödie`
2. 2 `Komik` und `Komödie`
2. 3 `Tragikomödie`
3. Theoretische Anschauungen
3. 1 Aristoteles
3. 2 Scaliger und Opitz
3. 3 Harsdörffer
4. Einordnung des `Cenodoxus`
4. 1 Tragische Elemente im `Cenodoxus`?!
4. 2 Komische Elemente im `Cenodoxus`?!
4. 3 `Cenodoxus` als Mischform
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Auf die Frage nach bekannten Gattungen eines Dramas hört man meist als Antwort `Tragödie` und `Komödie`, die als Gegensätze verstanden werden.
--- Aber wie steht es denn mit diesen reinen Formen in der heutigen, modernen Literatur? ---
Die Tragödie und auch die Komödie waren bereits fünf Jahrhunderte vor Christus bei den Griechen als Kunstform bekannt und wurden verwendet. Seitdem erlebten diese Dramenformen viele Höhepunkte, sei es in der griechischen oder römischen Antike, in der Renaissance, im Barock und der Aufklärung, zur Zeit des Sturm und Drangs und natürlich auch in der Klassik oder im Realismus. Je mehr man aber in die jüngere Geschichte und in die Gegenwart blickt, desto rarer werden diese reinen Formen. Es gibt Stimmen, die meinen, dass die `alten`, ursprünglichen Gattungen im Drama so nicht mehr möglich sind, was v. a. die Tragödie betrifft. Man verwendet immer häufiger Mischformen als Variante zu den Klassikern. Bevorzugt findet man hier die sogenannte Tragikomödie.
Diese Gattung ist aber durchaus keine Neuerscheinung am `Literaturhimmel`, sondern hat ihre Wurzeln ebenfalls in der Antike (à Plautus) und wurde bereits in der Renaissancezeit als eigenständige Gattung anerkannt.[1] So finden sich auch schon in der Geschichte des barocken Theaters Dramenwerke, die diese Form anstreben. Hierzu kann man auch den `Cenodoxus` vom Jesuiten Jacob Bidermann zählen.
In dieser Arbeit soll nun der Frage nachgegangen werden, inwiefern dieses Drama zu der Gattung der Tragikomödie gezählt werden kann.
Zur Beantwortung werden hier allgemeine Definitionen aus unterschiedlichen Lexika herangezogen und Einordnungskriterien verschiedener Dramentheoretiker angebracht werden. Anhand dieser Ergebnisse soll das Stück von Bidermann daraufhin untersucht werden, wo sich Belege finden lassen, die eine Zuordnung von Textstellen bzw. Handlungssträngen zu den bestimmten, vorgestellten Gattungen ermöglichen.
2. Begriffsbestimmungen
Die Gattungsbezeichnung `Tragikomödie` deutet bereits in ihrem Namen eine Vermischung von Tragik/ Tragödie und Komik/ Komödie an.
Deshalb erscheint es sinnvoll, erst die Begriffe der `Tragik` bzw. `Tragödie` und `Komik` bzw. `Komödie` zu klären, um dann auf die Mischform der `Tragikomödie` einzugehen.
2. 1 `Tragik` und `Tragödie`
In Meyers Lexikon wird der Begriff der Tragik kurz als „das in der Tragödie gestaltete Spannungsverhältnis eines ausweglosen Konflikts, der dem Helden zum Verhängnis wird und notwendig zum Untergang führt“ definiert.[2]
Die Tragödie ist hier also als Gattung anzusehen, „für die das Tragische konstituierendes Element ist“.[3]
Gero von Wilpert geht bei seiner Definition im Sachwörterbuch der Literatur etwas mehr in die Tiefe. Er sieht Tragik als einen
„Grundbegriff nicht nur für die Tragödie, sondern für das menschliche Leben schlechthin: der unausweichliche, schicksalshafte Untergang eines Wertvollen im Zusammenstoß oder Widerstreit mit anderen erhabenen Werten oder übermächtigen Gewalten, der die beteiligte(n) Person(en) notwendig in Leid und Vernichtung führt, der sie sich, über sich selbst hinausragend, um des Erhabenen willen unter Ausschlagung der Kompromißmöglichkeiten opfern, während die Werte selbst als Ideen bestehen bleiben.“[4]
Der tragische Gegenstand kann bei Außenstehenden Mitleid und Trauer hervorrufen, was sogar bis zur „Seelenerschütterung“ reichen kann. Dafür ist die Charaktergröße des Helden notwendig, „da bei einem absolut schlechten Charakter das Verhängnis als wohlverdiente Strafe erscheinen würde“.[5]
Wilpert nennt darüber hinaus zwei unterschiedliche Formen der Tragik, nämlich zum einen die „objektive oder `Schicksals - Tragik`, in der das Leiden nicht aus den Personen erwächst, sondern von außen her an sie herantritt und ihre inneren Kräfte zur Entfaltung bringt, zum anderen die `Charaktertragik`, in der die Veranlassung des Leidens in den Eigenschaften der Personen selbst liegt“.[6]
Die Tragödie ist nach Wilpert nun die „dichterische Gestaltung der Tragik“.[7] Als Synonym dafür wird häufig der Begriff des Trauerspiels gewählt.[8]
2. 2 `Komik` und `Komödie`
Im Lexikon von Meyer ist Komik ganz allgemein bestimmt als „jegliche Art von Lachen erregender Kontrastierung, sei es mit den Mitteln des Wortes, der Geste, der Bildnerei oder einer Handlung selbst“. Sie ist „als Konflikt widersprüchlicher Prinzipien“ zu begreifen.[9] Analog zu der Tragödie ist Komödie als Gattung definiert, „für die das Komische konstituierendes Element ist“[10].
Wilpert versteht Komik als die
„der Tragik entgegengesetzte Weise des Welterlebens“, als „eine zum Lachen reizende, harmlose Ungereimtheit, beruhend auf einem lächerlichen Mißverhältnis von erstrebtem, erhabenem Schein und wirklichem, niedrigem Sein von Personen, Gegenständen, Worten, Ereignissen und Situationen“.[11]
„Je nach den ihr zugrunde liegenden lächelnd verstehenden, gemüthaften oder beißend kritischen Haltungen ragt die Komik in Humor und Satire hinein und bildet die übergreifende Haltung der beiden Ausformungen wie auch der Parodie, Travestie, Karikatur und Witz.“[12]
Das „komische Bühnenstück als die dramatische Gestaltung eines oft nur scheinbaren Konflikts (à Komik), der nach Entlarvung der Scheinwerte und Unzulänglichkeiten des Menschenlebens mit heiterer Überlegenheit über menschliche Schwächen gelöst wird“[13], nennt Wilpert `Komödie`.
2. 3 `Tragikomödie`
Im Lexikon von Meyer wird Tragikomödie nun als dramatische Gattung gesehen,
„die die Synthese von Tragischem und Komischen verkörpert. Dargestellt wird ein Geschehen, das sich im Grenzbereich zwischen Komik und Tragik bewegt, so daß jederzeit das Komische ins Tragische umschlagen kann, oder in dem das Tragische durch die tragisch gebrochene Komik noch vertieft wird“[14]
Auch Wilpert erklärt die Tragikomödie zu einem
„Drama als Verbindung von Tragik und Komik im gleichen Stoff nicht zu einem lockeren Nebeneinander, sondern zu inniger Durchdringung beider Elemente und Motive zur wechselseitigen Erhellung, indem tragische Zusammenhänge mit komischen Motiven zu eindruckssteigernder Kontrastwirkung verbunden werden oder indem komische Sachverhalte in tragischer Beleuchtung erscheinen, die Zwiespältigkeit der Welt offenbaren und die Komik auf eine höhere Stufe heben, in der aus Spott ein tragischer Unterton hervorklingt.“
Dabei betont das Lexikon aber, dass sich eine wirkliche Synthese erst dann vollzieht, wenn sich Tragik und Komik nicht „auf Form und Inhalt verteilen und ein komisches Auseinanderklaffen hervorrufen“, sondern sie zu einer Einheit werden.[15]
Wilpert erörtert in seinem Lexikon aber, dass einige für das barocke Drama geltende Vorbilder `Tragikomödie` anders definierten:[16] So erklären z. B. Plautus oder spanische Vorbilder, wie Cervantes oder Lope de Vega, Dramen bereits zu Tragikomödien, sobald hohe Personen aus der Tragödie neben Personen niederen Standes aus der Komödie auftreten. Scaliger dagegen bestimmt unter Berufung auf Aristoteles ähnlich wie französische Dichter des 17. Jahrhunderts (z. B. Corneille) eine Tragikomödie als eine solche, wenn eine eigentliche Tragödie einen guten Ausgang nimmt bzw. nicht mit dem Tod der tragischen Figuren endet. Der italienische Dichter Guarini wiederum stellt Tragikomödie als „harmonische Vereinigung von Strenge und Würde der Tragödie mit Behaglichkeit und Scherz der Komödie“ dar.
Bidermann selbst verwendet im Untertitel zu seinem `Cenodoxus` nicht die Bezeichnung der Tragikomödie, sondern er nennt sein Stück „Comico- Tragoedia“[17]. Er vertauscht also die einzelnen Bestandteile des Kompositums. Da es sich bei beiden Begriffen um Determinativkomposita handelt, bei denen das Erstelement Bestimmungs-, das Zweitelement Grundwort ist[18], geht es in seiner Wortverwendung meines Erachtens um die nähere Bestimmung einer Tragödie. Im Gegensatz hierzu bestimmt bei der Bezeichnung `Tragikomödie` die Tragik eine Komödie. Bei Bidermann steht demnach nicht die Komödie im Vordergrund, sondern die Tragödie, was er meiner Meinung nach in seiner Wahl der Bezeichnung verdeutlichen möchte. Dies wird auch später in dieser Arbeit erkennbar, wenn die komischen Bestandteile des Werks den tragischen gegenübergestellt werden. Der Annahme, dass der `Cenodoxus` in erster Linie Tragödie und nicht Komödie ist, widerspricht allerdings, dass es in anderen Ausgaben heißt: „Cenodoxus. Der Doctor von Pariß. Ein sehr schöne Comaedi von einem verdambten Doctor zu Pariß [...]“[19]. Möglicherweise ist der Unterschied in der Stellung der Einzelbegriffe innerhalb des Kompositums auch nur in der Übersetzungsweise Meichels begründet; hierzu war es mir aber leider nicht möglich in der Fachliteratur Hinweise zu finden, die dies be- oder widerlegen.
Zu ergänzen sind hierbei die Erkenntnisse, die im Band „Das deutsche Barockdrama“ der Sammlung Metzler vorgestellt werden:[20] Hier wird konkret unterschieden zwischen der Mischgattung „Tragikomödie“ und „Komikotragödie“. Sie werden sogar als „entgegengesetzte Zwischengattungen“ bezeichnet. Nach Alexander gilt die Form der „Komikotragödie“ als eine Besonderheit, die nur bei Jesuitentheoretikern und bei Omeis auftreten. Sie ist als „Prototyp der Tragödie“ gekennzeichnet, „dessen Stoff und Personen dem niederen, d. h. komischen Bereich entstammen“ und die „einen traurigen Ausgang“ aufweist.
Um den Umfang dieser Proseminararbeit aber nicht zu sprengen, möchte ich auf eine solche Differenzierung nicht näher eingehen und beschränke mich deshalb nur auf die bereits hervorgebrachten Ansätze. Im Folgenden werde ich die beiden Bezeichnungen `Tragikomödie` und `Comico- Tragoedia` als Synonyme verwenden.
[...]
[1] Vgl. Meyers Lexikonredaktion (1996), S. 3500.
[2] Meyers Lexikonredaktion (1996), S. 3500.
[3] Meyers Lexikonredaktion (1996), S. 3501.
[4] Wilpert (1989), S. 956.
[5] Wilpert (1989), S. 956.
[6] Wilpert (1989), S. 956.
[7] Wilpert (1989), S. 960.
[8] Vgl. Wilpert (1989), S. 960.
[9] Vgl. Meyers Lexikonredaktion (1996), S. 1847.
[10] Meyers Lexikonredaktion (1996), S. 1851.
[11] Wilpert (1989), S. 463 f.
[12] Wilpert (1989), S. 464.
[13] Wilpert (1989), S. 468.
[14] Meyers Lexikonredaktion (1996), S. 3500.
[15] Vgl. Wilpert (1989), S. 958.
[16] Vgl.Wilpert (1989), S. 958.
[17] Vgl. Tarot (1965), S. 151.
[18] Vgl. Bergmann u. a. (1992), S. 40.
[19] Bidermann (1965), S. 3.
[20] Alexander (1984), S. 65.
- Citar trabajo
- Anónimo,, 2000, Jacob Bidermanns Cenodoxus als Tragikomödie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38624
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