Der Mensch bezeichnet den Zeitpunkt, an dem er selbst gerade als Individuum seine Sinneserlebnisse wahrnimmt, als die Gegenwart, das Jetzt. Aber bei näherer Überlegung kommen Physik und Philosophie und Theologie in gewisse Schwierigkeiten mit dem Zeitbegriff.
Im Jahre 2017 ist die Bedeutung der sogenannten "Zeit" in vieler Hinsicht umstritten und wird von unterschiedlichen Autoren sehr verschieden bestimmt und interpretiert. Von "Keine Zeit", eine Zehntelsekunde, ein Augenblick, eine Stunde, einTag, eine Woche oder ein Jahr eine Lebensspanne, oder bis tausende Jahre oder Milliarden Jahre, bis "Alle Zeit der Welt" gibt es sehr unterschiedliche Dauern.
"In sieben Tagen schuf Gott die Welt" oder "Das Universum ist 13 Milliarden Jahre alt" sind zwei gegensätzliche Positionen von Religion und Physik. Von "Time is Money" über "Zeit ist Leben", "Zeit ist, was die Uhr anzeigt" bis ""Es gibt gar keine fließende Zeit" gibt es ein weites Spektrum von Meinungen dazu.
Es ist daher für ein grundlegendes Verständnis der laufenden Diskussion für den Naturwissenschaftler oder überhaupt Interessierte nötig, sich ein wenig über sein Fachgebiet hinaus zu bewegen. Dann kann ein friedlicher Dialog beispielsweise mit Geistes- und Kulturwissenschaftlern über "Zeit" erst begonnen werden.
Inhalt
1. Einleitung – A - Reihe und B - Reihe
2. Hauptteil
2.1 Vorteile der A - Reihe
2.2. Nachteile der A - Reihe
2.3 Vorteile des Block - Views
2.4 Nachteile des Block - Views
3. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung – A - Reihe und B - Reihe
Bei den Grundstrukturen und realen Gegenstände in der Welt spielen die Begriffe Raum und Zeit in Alltag und Wissenschaft eine Rolle. Räumlich ausgedehnte Gegenstände gibt es an unterschiedlichen Orten im Raum und Ereignisse treten zu unterschiedlichen Zeiten (Dainton, S. 1) auf.
Bei der A-Reihe der Ereignisse in Raum und Zeit werden Aussagen über die Zeitpunkte von Ereignissen mit Bezug auf die Gegenwart, das „Jetzt“, gemacht. Dieses bewegt sich in die Zukunft. Die Zukunft hat hier keine Realität.
Ebenso werden bei der B-Reihe die Ereignisse in der Zeit sortiert. Man erhält einen vierdimensionalen Block, der aus aufeinanderfolgenden Zuständen der Welt in der Zeit besteht (Dainton, S. 3). Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind in diesem Block-View in der Zeit gleichermaßen real. Es gibt in der B-Reihe keine bewegliche Gegenwart.
2. Hauptteil
2.1 Vorteile der A - Reihe
In der A-Reihe beziehen sich Aussagen über Zeitpunkte von Ereignissen auf die Gegenwart. Hierdurch wird im sprachlichen Gebrauch des Alltagslebens sofort klar, ob bestimmte Gelegenheiten im aktuellen Zeitpunkt gegeben sind. Dies ist unverzichtbar für diverse erfolgreiche, mit andern abgestimmte Aktionen. Beispiel: Der Markt hat jetzt geöffnet (Dainton, S. 35). Die Zeit hat hier in der A-Reihe eine Richtung von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft.
2.2. Nachteile der A - Reihe
Alle Aussagen, die sich auf ein bewegliches Jetzt beziehen, verlieren im weiteren Verlauf der Zeit ihre Bedeutung. Ereignisse, die heute gegenwärtig sind, sind morgen von gestern und daher überbestimmt . Damit wird die A-Reihe logisch widersprüchlich (Dainton, S. Kapitel 2). Unter der Annahme, die A-Reihe sei notwendig für die Realität der Zeit, wird die Zeit damit unreal.
2.3 Vorteile des Block - Views
Ein Vorteil des Block-Views liegt in der Eindeutigkeit der Bezugnahme auf reale Ereignisse, die zu bestimmten Zeitpunkten stattfinden. So kann beispielsweise eine Schlacht in einem Krieg auf ein bestimmtes Datum eines Kalenders datiert werden. Diese Angabe bleibt dann in aller Zukunft so bestehen und ist eindeutig.
Aussagen der B-Reihe können als Wahrmacher für Aussagen der A-Reihe genommen werden, so daß die Aussagen der A-Reihe alle in der B-Reihe formuliert werden können. Daher können B-Theoretiker auch Aussagen der A-Reihe mitbenutzen.
2.4 Nachteile des Block - Views
Die Zeit hat in der B-Reihe keine Richtung, obwohl nach allgemeinem Gefühl die Zeit in die Zukunft weitergeht und nicht in die Vergangenheit. Veränderung geschieht in der B-Reihe dadurch, daß ein Objekt seine Eigenschaften ändert (Dainton, S. 38). Jedoch ergibt sich daraus noch keine asymmetrische Richtung der Zeit. Die Formeln der Mikrophysik sind invariant gegenüber einer Richtungsumkehr der Zeit (ersetzen von t durch -t ergibt physikalisch sinnvolle Abläufe ). Zahlreiche andere Asymmetrien, denen die Ereignisse unterliegen (Dainton, S. 44),können eine Richtung der Zeit im B-Modell nicht strikt logisch metaphysisch erzwingen. Kandidaten sind die Entropie und die Kausalität. Die Entropie eines abgeschlossenen Systems kann nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik der Physik nicht abnehmen sondern nur größer werden, oder gleich bleiben. Der Begriff wird vielfältig benutzt und bedeutet auch ein Maß für die Unordnung eines Systems. Eine höhere Temperatur bedeutet z.b. eine niedrigere Entropie. Dementsprechend könnte eine Richtung von „früher“ zu „später“ dadurch eingebracht werden, daß ein Zustand niedrigerer Entropie als früher angenommen wird, und ein Zustand höherer Entropie als später. Das Universum befindet sich nach kosmologischen Theorien zur Zeit noch in einem Zustand niedriger Entropie und strebt einem Gleichgewichtszustand zu. Wenn es aber keine lokalen Asymmetrien bei der Entropie gibt, dann gibt es auch kein später-früher in der Zeit (Dainton, S. 58, Zitat von Sklar). Eine statistische Interpretation der Entropie ergibt zwar die Gewißheit, daß wir es sofort bemerken, wenn ein Film mit Bewegungen des alltäglichen Lebens rückwärts läuft. Wir erkennen auch, daß es auf Grund der Statistik der Teilchen-Wechselwirkungen sehr unwahrscheinlich ist, daß beispielsweise der Blätterhaufen vom Wind zusammengefegt wird, anstatt auseinandergeweht. Die in eine Tasse Tee gegossene Milch sammelt sich lt. Dainton sehr selten wieder zusammen, was einleuchtet. Dies wäre seiner Ansicht nach ein „bizarres“ Ereignis. Der Physiker Boltzmann schlug vor, daß trotz sehr unwahrscheinlicher Umkehrungen der Entropie-Asymmetrie in sehr kleinen Raumbereichen, durch diese lokale zu beobachtende Entropie-Erhöhung die Zeit ihre Richtung bekommt. Trotzdem sei aus statistischer Sicht eine von Null verschiedene Wahrscheinlichkeit für solche Vorgänge nicht auszuschließen. Auch kann man mathematisch durch eine gedanklich ins Unendliche verlängerte Wartezeit auf solche bizarren Dinge durch das Poincaresche Wiederholungstheorem kommen. Daher kann Dainton die Entropie als Asymmetrie der Dinge in der Zeit metaphysisch zunächst nicht gelten lassen. Er stellt sich aber die Frage, was die tendenzielle Erhöhung der Entropie mit anderen Asymmetrien der Gegenstände zu tun hat. Er sieht keine Verbindung zwischen den Gesetzen der statistischen Thermodynamik und den Asymmetrien von Kausalität, Wissen und Erklärung. Er vermisst bei der Ausdehnung des Konzeptes der Entropie auf Systeme wie Kartenspiele, Menschen oder gedruckte Seiten die garantierte Legitimation dieses Schrittes. Dainton wendet gegen eine lokale Entropieerniedrigungsmöglichkeit als Ausgleich für die Entropiezunahme bei den andern asymmetrischen Vorgängen ein, dies sei nicht möglich. Als Beispiel, wie unglaublich dies wäre, führt er an, der Atlantik solle innerhalb von zwei Wochen in der östlichen Hälfte 20 Grad an Temperatur zunehmen und in der westlichen abnehmen. Die Auswirkungen auf Anwohner seien zwar signifikant, aber die Zeit laufe dabei nicht rückwärts. Somit ist der Zusammenhang zwischen Zeitumkehr und Entropieumkehr nicht gegeben. Radio und Videosendungen von der Küste könnten an Board eines Schiffes in normaler Vorwärtsrichtung empfangen werden und nicht rückwärts. Auch Uhren würden von dieser lokalen Entropieerniedrigung nicht rückwärts laufen. Warum das so sein soll, bleibt etwas unklar.
In einem weiteren Beispiel versucht Dainton, den Zusammenhang zwischen Entropie und Zeitrichtung zu ergründen. In einem Raumgebiet befinde sich ein Gas mit einem bestimmten Druck von einem Atom pro Kubikmeter. Dann sammle sich das Gas in der einen Hälfte des Raumgebietes an, wobei in dem andern, jetzt leeren Raumgebiet die Entropie abnehme. Er stellt sich die Frage, ob man in einem Raumschiff, welches in dieses Gebiet niedrigerer Entropie fliege, in einer Art und Weise leben könne, die auf eine Umkehr der Zeitrichtung schließen lasse. Er sieht keinen Grund dafür, so zu denken, weil ohne Wechselwirkung mit irgendetwas außerhalb des Raumschiffes, an Board überhaupt nichts geändert werden könne. Es sind dann keine Atome mehr in dem Raumgebiet.
Dainton lehnt daher die Existenz einer direkten oder offensichtlichen Verbindung zwischen der Entropiezunahme und den anderen Asymmetrien, die wir normalerweise mit der Zeitrichtung verbinden, ab.
3. Schluss
Der Mensch bezeichnet den Zeitpunkt, an dem er selbst gerade als Individuum seine Sinneserlebnisse wahrnimmt, als die Gegenwart, das Jetzt.
[...]
- Citation du texte
- Dr.rer.nat. Dipl.-Physiker Udo Scheer (Auteur), 2014, Zwei Modelle von Zeit in Barry Daitons "Time and Space" (2010), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/384259