In der vorliegenden Analyse zu den Begriffen „Monster“ und „Freaks“ im historischen Kontext möchte ich der Frage nachgehen, wie sich die Begriffe „Monster“ und „Freak“ in ihrer Bedeutung und in ihrer Beziehung zur „normalen“ Gesellschaft verändert haben.
Eingangs beschreibe ich die Begriffe „Monster“ und „Freak“ in ihrer Semantik und Etymologie im historischen Kontext, danach werde ich den Unterschied zwischen den Begriffen aufschlüsseln und die populären „Freakshows“ im 19. Jahrhundert behandeln. Abschließend möchte ich, anhand Schäffters theoretischen Konzepts „Modi des Fremderlebens“ und Goffmans Stigma-Theorie, das Beziehungsverhältnis von „Monster“ und „Freaks“ mit der Gesellschaft analysieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Etymologie und Semantik der Begriffe „Monster“ und „Freak“ im Wandel der Zeit
2.1. Begriff „Monster“
2.2. Vom mittelalterlichen „Monster“ zum „Anormalen“ des 19. Jahrhunderts
2.3 Das körperliche „Monster“ und seine innere „Verderbtheit“
2.4. Begriff „Freak“
3. „Freakshows“
4. „Monster“ und „Freaks“ und die normale Welt
4.1. Stigma
4.2 Das Beziehungsverhältnis von dem „Normalen“ und dem „Anormalen“
5. Conclusio
6. Bibliographie
1. Einleitung
„Monster“ und „Freaks“ haben die Menschen schon seit jeher fasziniert. Es sind Individuen deren Äußerlichkeiten, aber auch Einstellungen und Praktiken nicht der „Norm“ entsprechen. Aber die Andersartigkeit alleine reicht nicht aus um ein „Monster“ oder ein „Freak“ zu sein. Sie muss auch mit gewissen, meist negativen, Attributen versehen werden, erst dann werden diese Individuen stigmatisiert (vgl. Toggweiler 2008: 7).
Heutzutage bezeichnen sich bestimmte Individuen mit Stolz als „Freaks“. Die soziale negative Konnotation wurde zu einem identitätsstiftenden Merkmal und wurde Ausdruck der eignen Individualität (vgl. Kastl 2010: 276). Doch nicht ein_e jede_r möchte ein „Freak“ und schon gar kein „Monster“ sein. Es ist immer noch ein von der Normalität abweichendes Phänomen und impliziert eine Abgrenzung zur „normalen“ Gesellschaft.
Aber was ist schon normal? Bei dem Philosophen und Soziologen Foucault beinhaltet die Definition von Normal einen Machtanspruch, welcher sich im Prinzip der Bewertung und im Prinzip der Korrektur ausdrückt (vgl. Foucault 2007: 72). Der „Normale“ und der „Anormale“ stehen in einem „Beziehungsverhältnis“, wobei das „Eigene“ und das „Fremde“ sozial, kulturell, rechtlich und politisch konstruiert wird (vgl. Schäffter 1991: 15ff.).
In der vorliegenden Analyse zu den Begriffen „Monster“ und „Freaks“ im historischen Kontext möchte ich der Frage nachgehen, wie sich die Begriffe „Monster“ und „Freak“ in ihrer Bedeutung und in ihrer Beziehung zur „normalen“ Gesellschaft verändert haben.
Eingangs beschreibe ich die Begriffe „Monster“ und „Freak“ in ihrer Semantik und Etymologie im historischen Kontext, danach werde ich den Unterschied zwischen den Begriffen aufschlüsseln und die populären „Freakshows“ im 19. Jahrhundert behandeln. Abschließend möchte ich, anhand Schäffters theoretischen Konzepts „Modi des Fremderlebens“ und Goffmans Stigma-Theorie, das Beziehungsverhältnis von „Monster“ und „Freaks“ mit der Gesellschaft analysieren.
2. Etymologie und Semantik der Begriffe „Monster“ und „Freak“ im Wandel der Zeit
2.1. Begriff „Monster“
Der Begriff „Monster“ wurde aus dem lateinischem im 16. Jahrhundert übernommen. Das lateinische Wort „mōnstrum“ bedeutet Ungeheuer, Scheusal, aber auch „Mahnzeichen“. Der Ausdruck entstammt der römisch, religiösen Terminologie und ist abgeleitet vom lateinischen „monēre“, was soviel bedeutet wie, an etwas denken lassen, erinnern, mahnen und warnen. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Begriff „Monster“ ins Deutsche übernommen und dem Begriff „Ungetüm“ gleichgesetzt (vgl. Pfeifer 2017). Der Anthropologe Toggweiler analysiert unteranderem in seiner „Kleinen Phänomenologie der Monster“ die Bedeutung vom lateinischen „monstrare“ im Sinne von „zeigen“:
„Das Monster will uns, zumindest lässt die Etymologie darauf schliessen (sic!), lediglich etwas zeigen. Es steht demnach nicht in erster Linie für sich selbst, sondern verweist auf etwas anderes“ (Toggweiler 2008: 6).
Das „Monster“, schließt Toggweiler daraus, ist also ein Symbol oder Zeichen für etwas Anderes. Seine physischen Anormalitäten sind neutrale „Symptome“. Erst durch ihre Inszenierung und Darstellung als Krankheit oder Gefahr wird der Mensch oder das Tier zum „Monster“ (vgl. Toggweiler 2008: 7).
Bis zum 17. Jahrhundert war das „Monster“ eine mystische Figur, ein Fabelwesen und vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit ein Symbol für drohendes Unheil. Toggweiler analysiert dazu den „Riesenfisch von Lindos“[1], eine Illustration auf einem Flugblatt aus dem 16. Jahrhundert. Der Riesenfisch wurde als „wahre Begebenheit und als Unheil verkündender Botschafter Gottes“ dargestellt. Diese Illustrationen sollten die Menschen zur inneren Einkehr und „christlichen“ Verhalten ermahnen (vgl. Toggweiler 2008: 9).
Der Begriff „Monstrosität“ hat im Gegensatz dazu einen wissenschaftlichen Anspruch: Anfang des 19. Jahrhundert wurden Monstrositäten in ethnografischen Diskursen behandelt, während diese später in medizinischen Diskursen ihren fixen Platz erhielten. Unter Monströsitäten verstand man reale Fehlbildungen beim Menschen (vgl. Stammberger 2014: 21). Erst im 20. Jahrhundert wurde der Begriff aus der medizinischen Terminologie weitestgehend verbannt (vgl. Stammberger 2014: 45).
Bisher habe ich den Begriff „Monster“ in seiner rein körperlichen Erscheinungsform analysiert. Im folgenden Kapitel möchte ich die Transformation bzw. die Verbindung des Begriffes „Monster“ von einer „körperlichen Anormalität“ zur „inneren Anormalität“ ausführen.
2.2. Vom mittelalterlichen „Monster“ zum „Anormalen“ des 19. Jahrhunderts
Der Philosoph Foucault beschrieb in seiner Vorlesung „Die Anormalen“ aus dem Jahre 1975, wie drei stark voneinander abgegrenzte Typen von „Monstern“ vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert zu dem diffusen Begriff der „Anormalen“ zusammengefasst worden sind. Die drei Typen des „Monsters“[2], das „Menschenmonster“ (Mittelalter bis 19. Jahrhundert) das „zu bessernde Individuum“ (17./18. Jahrhundert) und der „Masturbator“ (18. Jahrhundert) waren definitorisch bis ins 19. Jahrhundert getrennt. Foucault erklärt die Trennung der Definitionen dieser drei Typen damit, dass die Wissens- und Machtsysteme auf die sie sich beziehen, ebenfalls getrennt waren (vgl. Foucault 2007: 84).
Diese Systeme wirken auch auf die Definition der Norm ein. Foucault schreibt der Norm den Machtanspruch nach dem Prinzip der Bewertung und dem Prinzip der Korrektur zu (vgl. Foucault 2007: 72). Die Definition des „Menschenmonsters“ beinhaltet politische und rechtliche Machtansprüche, das „zu verbessernde Individuum“ bezieht sich auf die Disziplinartechniken und der „Masturbator“ bezieht sich auf die Machtverhältnisse die den Körper besetzten (vgl. Foucault 2007: 84). Im Folgenden möchte ich auf das „Menschenmonster“ eingehen und seine Verbindung der Gruppe der „Anormalen“ von Foucault zeigen.
2.3 Das körperliche „Monster“ und seine innere „Verderbtheit“
Das „Menschenmonster“ ist die älteste Erscheinung und steht für abweichende rein körperliche Merkmale. Rechtlich wurde es dreierlei definiert: Ein Mischwesen aus Mann und Frau also mit zwei Geschlechtern (Hermaphrodit), ein Mischwesen von Mensch und Tier und ein Mischwesen aus zwei Individuen, zb. Siamesische Zwillinge (vgl. Foucault 2007: 86).
Dass es zu solchen natürlichen „monströsen“ Erscheinungen gekommen ist, setzte immer auch einen religiösen oder zivilrechtlichen Tabubruch voraus. Foucault beschreibt zum Beispiel den Fall von Antide Collas, der als Hermaphrodit verurteilt und verbrannt wurde, da er angeblich besondere Beziehungen zum Satan hegte (vgl. Foucault 2007: 93). Schon damals wurde also eine Verbindung zwischen natürlicher, körperlicher Anormalitäten und „innerer Verderbtheit“ hergestellt.
Ab dem 19. Jahrhundert wurde diese Verbindung „wissenschaftlich“ untermauert. Durch die physiognomische Bewertung, also die Bewertung des Erscheinungsbildes des Körpers von denen auf innere Eigenschaften geschlossen wird, meinte man Ursachen für die „Verderbtheit“ des Individuums finden zu können, zum Beispiel bei einem Kriminellen:
„Der Körper des Devianten wurde zu einem lesbaren Text, seine grundlegende Unterlegenheit konnte durch physische Parameter fixiert und wissenschaftlich unterfüttert werden. Für den Kriminologen des 19. Jahrhunderts war der Kriminelle nicht mehr eine verantwortliche, sündhafte Person, sondern ein Naturwesen, das als das Fremde schlechthin stigmatisiert wurde, vor dem die Gesellschaft geschützt werden musste“ (Toggweiler 2008: 21).
Der Deviante, ein von der Norm abweichendes Individuum, ist daher von „Natur aus schlecht“ und ist in weiterer Folge ein Indiz für seine „Unverbesserlichkeit“.
Die definitorische Zusammenführung der drei Typen von „Monstern“ fand im 19. Jahrhundert statt. Foucault nennt sie die „Anormalen“:
„Als farbloses und banalisiertes Monster ist der Anormale des 19. Jahrhunderts einerseits unbelehrbar, ein Unverbesserlicher, den man mitten in die Korrektionsanstalt hineinstellen wird “ (Foucault 2007: 80).
Eine wichtige Eigenschaft dieser Gruppe der „Anormalen“ ist ihre „Unverbesserlichkeit“. Sie lässt sich im Bezug zum „Monster“ erklären. Der Begriff „Monster“ impliziert keine Möglichkeit der Besserung. Die physiognomische Bewertung des Kriminellen bei Toggweiler (s. o.) lässt ebenfalls keine Besserungsmöglichkeit für das Individuum zu. Es werden innere und äußere Eigenschaften verknüpft, um die „natürliche Verderbtheit“ des devianten Individuums zu erklären. Diese Verknüpfung der „natürlichen Verderbtheit“ und äußere deviante Merkmale wurden auch auf ethnische Gruppen angewendet. Im Nationalsozialismus des 20. Jahrhundert gipfelte diese „Pseudowissenschaft“ der Physiognomie und der Eugenik in den Massenvernichtungslagern (vgl. Toggweiler 2008: 22).
Die vorangegangen Überlegungen haben gezeigt wie der Begriff „Monster“ sich im Laufe der Zeit in seiner Bedeutung veränderte. Nun möchte ich auf den Begriff „Freak“ näher eingehen und seine Verbindung zum „Monsterbegriff“ darstellen.
[...]
[1] Die genaue Analyse und die Illustration zum „Riesenfisch von Lindos“ findet man im Buch „Phänomenologie der Monster“ (vgl. Toggweiler 2008: 9).
[2] Die genaue Beschreibung dieser 3 Typen ist für diese Abhandlung nicht notwendig, daher habe ich sie ausgelassen. Die Analyse dazu findet man in Michel Foucaults „Die Anormalen“ (siehe Foucault 2007: 76ff.).
- Citation du texte
- Diana Gold (Auteur), 2017, Die Herausforderung der Normalität in Konfrontation mit dem Anormalen. Eine Analyse von "Monster" und "Freaks" im historischen Kontext, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383043
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