Die Spirochäten des B. burgdorferi s.l. - Komplexes sind die häufigsten, durch Zecken übertragenen humanpathogenen Erreger der nördlichen Hemisphäre. Über ihre Ökologie sowie die Übertragungsmechanismen ist jedoch bislang nur wenig bekannt. Gründe hierfür sind unter anderem Probleme beim Nachweis von Borrelien in Wirtsgewebe und Zecken aufgrund der oft geringen Erregerzahl in diesen Untersuchungsmaterialien, sowie das komplexe Zusammenwirken verschiedener biotischer und abiotischer Faktoren im Infektionszyklus der Spirochäten. Genaue Kenntnisse über die Verteilung der verschieden B. burgdorferi s.l. - Genospezies, sowie die ausschlaggebenden Faktoren sind vor allem für die Entwicklung wirksamer Vakzine von entscheidender Bedeutung. Ein Ziel dieser Arbeit war es, eventuelle Unterschiede in der Transmission der verschiedenen B. burgdorferi s.l. - Genospezies durch Kleinsäuger aufzuzeigen und diese vor dem theoretischen Hintergrund, v.a. in Bezug zur Saisonalität, zu diskutieren. Dazu wurde eine von MICHEL et al. (2004) entwickelte Methode angewendet, die auf dem molekularbiologischen Nachweis der verschiedenen Genospezies in freilandgefangenen I. ricinus - Zecken durch Polymerase - Kettenreaktion und Restriktionsfragmentlängen - Polymorphismus beruht. Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchungen lag in der Beurteilung der Anwendbarkeit dieser Methode für den Borreliennachweis in Ohrbiopsien der Kleinsäuger, sowie in gesogenen Zecken. Auch wurden verschiedene kommerzielle DNA Extraktionssysteme auf ihre Sensitivität und die Eignung für diese Methode überprüft. Um weitere Aussagen über die Reservoirkompetenz der Kleinsäuger treffen zu können, wurden Blutproben der Tiere mittels Immunfluoreszenstest serologisch untersucht, sowie deren Befallsraten mit I. ricinus bestimmt.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. EINLEITUNG UND ZIELSTELLUNG
2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 LymeBorreliose
2.1.1 Historie
2.1.2 Klinik
2.1.3 Prävention und Therapie
2.2 Borrelia burgdorferi sensu lato
2.2.1 Morphologie und Taxonomie
2.2.2 Genom
2.2.3 Übertragung und Pathogenese
2.2.4 Geographische Verbreitung
2.3 Der Vektor Ixodes ricinus
2.3.1 Morphologie und Taxonomie
2.3.2 Die Entwicklungsstadien und ihre Bedeutung für die Übertragung von Borrelia burgdorferi s.l
2.3.3 Habitate und Geographische Verbreitung
2.3.4 Apodemus flavicollis, A. sylvaticus und Clethrionomys glareolus als Erregerreservoir
3. EIGENE UNTERSUCHUNGEN
3.1 Aufgabenstellung
3.2 Material und Methoden
3.2.1 Untersuchungsgebiet
3.2.2 Fangmethoden und Probenentnahme
3.2.3 DNA Extraktion
3.2.3.1 Qiagen DNeasy® Tissue Kit
3.2.3.2 Promega Wizard® Genomic DNA Purification Kit
3.2.3.3 Sigma GenElute™ Bacterial Genomic DNA Kit
3.2.4 PolymeraseKettenreaktion
3.2.5 Gelelektrophorese und Bildbearbeitung
3.2.6 Genospeziesdifferenzierung mittels RFLP
3.2.7 Genospeziesdifferenzierung nach DEMAERSCHALCK et al.
3.2.8 Immunfluoreszenstest
3.2.9 Serologische Untersuchungen
3.2.10 Statistik
4. ERGEBNISSE
4.1 Fangergebnisse und Infestationsraten der Kleinsäuger
4.2 PCRRFLP
4.2.1 Validierung
4.2.2 Freilandfänge
4.2.3 Gesogene Ixodes ricinus Larven
4.2.4 Biopsien der Kleinsäuger
4.3 Immunologie
4.4 Statistische Analysen
5. DISKUSSION
5.1 Infestation der Kleinsäuger
5.2 Validierung
5.3 Infektionsraten der Freilandzecken
5.4 Infektionsraten gesogener Zecken und Kleinsäuger
5.5 Serologische Untersuchungen
5.6 Schlussfolgerungen
6. ZUSAMMENFASSUNG
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme von B. burgdorferi s.s
Abb. 2: Die Entwicklungsstadien von I. ricinus im ungesogenen und gesogenen Zustand
Abb. 3: Der dreiwirtige Lebenszyklus von I. ricinus
Abb. 4: Die Rötelmaus Clethrionomys glareolus
Abb. 5: Die Gelbhalsmaus Apodemus flavicollis
Abb. 6: RFLP eines 0,8kb langen OspA Fragments aus Referenzsträngen des B. burgdorferi s.l. Komplexes nach MICHEL et al. (2004)
Abb. 7: Individuenzahlen der im Jahre 2004 im Untersuchungsgebiet Bad Berka gefangenen Kleinsäuger
Abb. 8: Infestationsraten der gefangenen Kleinsäuger mit I. ricinus Larven
Abb. 9: Validierung des „Sigma GenElute™ Bacterial Genomic DNA Kits“ durch „semi nested“ PCR verschiedener Verdünnungen einer B. afzelii Kultur
Abb. 10: Saisonaler Verlauf der Prävalenz von B. burgdorferi s.l. für verschiedene Entwicklungsstadien freilandgefangener I. ricinus aus dem Jahr 2004
Abb. 11: Saisonale Verteilung der Prävalenzen verschiedener B. burgdorferi s.l. Genospezies in freilandgefangenen I. ricinus aus dem Jahre 2004
Abb. 12: Transmission von Borrelien auf I. ricinus Larven durch Kleinsäuger im Untersuchungsgebiet Bad Berka im Jahre 2004
Abb. 13: Vergleich der Bandenstärke eines 0,8kp langen OspA Fragments, das durch eine PCR nach MICHEL et al. (2004) amplifiziert wurde
Abb. 14: RFLP eines 0,8kb langen OspA Fragments zur Genospezies differenzierung von B. burgdorferi s.l. nach MICHEL et al. (2004)
Abb. 15: Nachweis eines 544bp OspA Fragmentes aus B. burgdorferi s.s. durch Einsatz genospezifischer Primer
Abb. 16: RFLP eines 0,8kb langen OspA Fragments zur Genospezies differenzierung von B. burgdorferi s.l. aus einer Biopsie nach MICHEL et al. (2004)
Abb. 17: Saisonalität der Prävalenz von anti Borrelien IgG in den im Jahre 2004 im Untersuchungsgebiet Bad Berka gefangenen Kleinsäugerarten
Abb. 18: Saisonale Verteilung der anti Borrelien IgG Titer im Jahre 2004 im Untersuchungsgebiet Bad Berka gefangenen Kleinsäuger
Abb. 19: Positive Korrelation zwischen den anti Borrelien IgG Titern gefangener Kleinsäuger und deren Infestation mit I. ricinus Larven
Abb. 20: Jahresvergleich der mittleren Prävalenz von B. burgdorferi s.l. in freilandgefangenen I. ricinus aus dem Untersuchungsgebiet Bad Berka
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Zusammenfassung der wichtigsten klinischen Verlaufsformen der Lyme Borreliose
Tab. 2: Primersequenzen für die „seminested“PCR zur Amplifizierung eines 818bp Fragments aus dem OspA Gen von B. burgdorferi s.l. nach MICHEL et al. (2004)
Tab. 3: RFLP von OspA Amplifikaten nach Verdau mit 5 spezifischen Restriktions enzymen zur Genospeziesdifferenzierung von B. burgdorferi s.l. nach MICHEL et al. (2004)
Tab. 4: Primersequenzen für die Genospeziesdifferenzierung von B. burgdorferi s.l. nach DAEMERSCHALK et al. (1995)
Tab. 5: Resultate der „seminested“ PCR nach MICHEL et al. (2004) unterschiedlich verdünnter Kulturen von B. afzelii
Tab. 6: Ergebnisse der Genospeziesdifferenzierung von B. burgdorferi s.l. mittels RFLP nach MICHEL et al. (2004) aus verschiedenen Entwicklungsstadien freilandgefangener I. ricinus
Tab. 7: Prävalenz von B. burgdorferi s.l. in gesogenen I. ricinus aus dem Untersuchungsgebiet Bad Berka im Jahre 2004
Tab. 8: Übertragungswahrscheinlichkeit von B. burgdorferi s.l. auf I. ricinus Larven durch Kleinsäuger im Untersuchungsgebiet Bad Berka im Jahre 2004
Tab. 9: Kreuztabelle für die Berechnung von 2 zur Untersuchung der Korrelation zwischen der B. burgdorferi s.l. Genospezies aus freilandgefangenen Zecken und der Jahreszeit
Tab. 10: Kreuztabelle für die Berechnung von 2 zur Untersuchung der Korrelation zwischen der B. burgdorferi s.l. Genospezies aus freilandgefangenen Zecken und deren Entwicklungsstadium
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung und Zielstellung
Die Lyme Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung in Europa, Ostasien und Nordamerika (YANAGIHARA und MASUZAWA 1997). Sie wird durch Infektion mit Bakterien des Borrelia burgdorferi s.l. Komplexes hervorgerufen. Sowohl der Infektionszyklus der Erreger, als auch die Symptome dieser Multisystemerkrankung können sehr vielfältig sein. Als wichtiges Reservoir für Borrelien gelten Kleinsäuger, die in Europa mit B. afzelii assoziiert sind, sowie Vögel, die hauptsächlich B. garinii und B. valaisiana übertragen. Borrelia burgdorferi sensu stricto wird von beiden Reservoirgruppen übertragen (ANDERSON et al. 1986; HANINCOVA et al. 2003a; HUMAIR et al. 1993; KURTENBACH et al. 1998; RIZZOLI et al. 2004).
Die unterschiedlichen Serotypen sind für die stark differierende klinische Ausprägung dieser Erkrankung verantwortlich (VAN DAM et al. 1993). Aufgrund des Variantenreichtums der Oberflächenproteine bei den verschiedenen B. burgdorferi s.l. Genospezies in Europa existiert bislang noch kein effektiver Impfstoff. Es wird jedoch intensiv an der Entwicklung von Vakzinen gearbeitet (HAYES und SCHRIEFER 2002; WAHLBERG 1999; WALLICH et al. 2002; WIENEKE et al. 2000). Eine genaue Kenntnis über die geographische Verbreitung der B. burgdorferi s.l. Genotypen in Europa, sowie deren Bezug zu den Erregerreservoiren und zur Saisonalität, ist dafür von immenser Bedeutung.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden zum Nachweis von Borrelien (COURTNEY et al. 2003; MICHEL et al. 2004; PIESMAN et al. 2001; RATHINAVELU und DE SILVA 2001; RAUTER et al. 2002; VOSTAL und ZAKOVSKA 2003; WANG et al. 2003; WANG et al. 1999b). Aufgrund der oft geringen Erregerzahl in den Untersuchungsmaterialien und der Anwesenheit inhibitorischer Substanzen ist es jedoch oft schwierig, die Spirochäten in Zecken und Wirtsgewebe nachzuweisen.
Ziel dieser Arbeit ist es, unter der Anwendung ausgewählter etablierter Methoden, eventuelle Unterschiede in der Übertragung von B. burgdorferi s.l. Genospezies durch Kleinsäuger vor allem in Bezug auf Saisonalität zu beschreiben und somit den Kenntnisstand über diese humanpathogenen Erreger sowie deren Nachweismethoden zu erweitern.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 LymeBorreliose
2.1.1 Historie
Die ersten gehäuften Erkrankungen an einer bis dahin unbekannten Form juveniler rheumatoider Arthritis in Folge von Zeckenstichen traten im Jahre 1975 in den Orten Lyme, Old Lyme und East Haddam in Connecticut/USA auf (STEERE et al. 1977). Bereits 1883 wurde an Patienten eine chronische Hautveränderung beschrieben (BUCHWALD 1883), die dann 1902 von HERXHEIMER und HARTMANN Acrodermatitis chronica atrophicans benannt wurde. In den Jahren 1922 und 1941 wurde erstmals über neurologische Symptome nach einem Zeckenstich berichtet (BANNWARTH 1941; GARIN und BUJADOUX 1922). Den eigentlichen Erreger entdeckte BURGDORFER 1982 zufällig bei Untersuchungen über Rickettsien.
2.1.2 Klinik
Die Lyme Borreliose ist eine Multisystemerkrankung, die eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome aufweisen kann. Man kann den klinischen Verlauf in drei Stadien einteilen. Auf das Frühstadium der Erkrankung kann ein chronischer Verlauf oder ein spontanes Ausheilen folgen. In Tabelle 1 werden die häufigsten Verlaufsformen der Lyme Borreliose in den verschiedenen Stadien erläutert. Neben den hier beschriebenen Manifestationen ist noch eine Vielzahl weiterer, selten auftretender Verlaufsformen bekannt. Die Klinik der Erkrankung kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und muss nicht zwangsläufig in Stadien ablaufen (MIELKE und HAHN 2001; STANEK et al. 2002). Die Art der klinischen Manifestation der Lyme Borreliose ist abhängig von der B. burgdorferi s.l. Genospezies, mit welcher der Patient infiziert ist (BALMELLI und PIFFARETTI 1995; VAN DAM et al. 1993).
Tab. 1: Zusammenfassung der wichtigsten klinischen Verlaufsformen der Lyme Borreliose.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(nach MIELKE und HAHN 2001)
2.1.3 Prävention und Therapie
Eine Prävention ist bislang nur durch das Vermeiden von Zeckenstichen möglich. Dies kann zum Beispiel durch das Tragen geschlossener Kleidung beim Aufenthalt in exponierten Gebieten geschehen. Da das Infektionsrisiko mit Borrelien in den ersten 24 Stunden nach dem Zeckenstich sehr gering ist (STAFFORD und KITRON 2002), sollten Zecken schnellstmöglich vom Körper entfernt werden.
Ein rekombinantes „outer surface protein A“ (OspA) Vakzin wurde bis heute nur für die USA entwickelt. Dieses ist jedoch wegen starker Nebenwirkungen und zu geringer Nachfrage nicht mehr im Handel. Des Weiteren ist der Impfstoff nur gegen B. burgdorferi s.s. ausreichend effektiv. Vakzine gegen andere Oberflächenproteine der Erreger befinden sich noch in der Erprobungsphase (HAYES und SCHRIEFER 2002). Trotz der Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines Impfstoffes ist die Lyme Borreliose relativ gut mit Antibiotika therapierbar. Vor allem im Frühstadium ist die Prognose nach antibiotischer Behandlung meist sehr gut. Da B. burgdorferi s.l. primär sensitiv gegen Laktamantibiotika und Tetracycline ist, kann im ersten Stadium der Erkrankung mit Doxycyclin, alternativ mit Amoxicillin oder Roxithromycin therapiert werden, während in den Stadien II und III Penicillin G oder Ceftriaxon Mittel der Wahl sind (MIELKE und HAHN 2001).
2.2 Borrelia burgdorferi sensu lato
2.2.1 Morphologie und Taxonomie
Borrelien sind gramnegative, chemoheterotrophe und mikroaerophile Bakterien aus der Familie der Spirochäten. Ihr Zellkörper ist beweglich, lang gestreckt und spiralförmig gewunden mit einer Länge von 1030 m (Abb.1) und einem Durchmesser von 0,20,5 m. Eine wichtige Rolle für die Zellform und die Beweglichkeit haben die periplasmatischen Flagellen, die sich im periplasmatischen Raum zwischen der Peptidoglykanschicht und der äußeren Membran befinden (MOTALEB et al. 2000). Die Flagellen umschließen den protoplasmatischen Zylinder und bedingen so die Spiralform der Zelle (BURGDORFER et al. 1982). Im Unterschied zu den Bewegungsapparaten vieler anderer Bakterien, bestehen sie bei Spirochäten nicht aus einer, sondern aus zwei Proteinklassen, FlaA und FlaB (COCKAYNE et al. 1987). Das Bakterium kann sich sowohl entlang der Längsachse, als auch seitlich fortbewegen (GOLDSTEIN et al. 1994).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme von B. burgdorferi s.s. (Foto: A. Liebisch aus DOBLER 1997)
Die äußere Membran und die Zytoplasmamembran sind im Wesentlichen ähnlich den Membranen anderer gramnegativer Bakterien aufgebaut. Statt Lipopolysaccharid (LPS) besitzen Borrelien andere Glykolipide (BELISLE et al. 1994; WHEELER et al. 1993), die Abwesenheit von LPS wird aber noch kontrovers diskutiert (DE SOUZA et al. 1992; SCHOENFELD et al. 1992; TAKAYAMA et al. 1987). Charakteristisch ist der hohe Anteil an Glykolipiden (ca. 50% aller Lipide) und Lipoproteinen (FRASER et al. 1997). Vor allem die „outersurfaceproteins“ OspA und OspC spielen für die Serotypisierung eine wichtige Rolle (WANG et al. 1999b). Bislang werden 12 Genospezies des B. burgdorferi s.l. Komplexes unterschieden (BERGSTRÖM et al. 2002; SAINT GIRONS et al. 1998; WANG et al. 1999b):
- Borrelia burgdorferi sensu stricto
- Borrelia garinii
- Borrelia afzelii
- Borrelia valaisiana
- Borrelia lusitaniae
- Borrelia japonica
- Borrelia andersonii
- Borrelia tanukii
- Borrelia turdi
- Borrelia bissettii
- Borrelia sinica
- Isolat A14S (WANG et al. 1999a)
Humanpathogenität wurde nur bei B. burgdorferi s.s., B. garinii, B. afzelii und B. bissettii nachgewiesen (WANG et al. 1999b). Gegenwärtig wird auch die Rolle von B. valaisiana und dem Stamm A14S als Krankheitserreger diskutiert (DIZA et al. 2004; GODFROID et al. 2003; RYFFEL et al. 1999; WANG et al. 1999a).
Neben dem B. burgdorferi s.l. Komplex gibt es noch zwei weitere pathogene Gruppen: die Rückfallfieber Borrelien (B. reccurentis, B. duttonii) und die Verursacher der Vogel Spirochätose (B. anserina).
2.2.2 Genom
Im Vergleich zu anderen Prokaryoten ist das Genom von Borrelien recht ungewöhnlich aufgebaut. Neben einem kleinen linearen Chromosom von 0,91Mb, besitzen sie 12 lineare und 9 zirkuläre Plasmide. Das komplette Genom mit 1,52Mb wurde 1997 sequenziert (FRASER et al. 1997). Vermutlich enthält es 1283 Gene. Einige Gene für BiosyntheseEnzyme fehlen, was auf die parasitische Lebensweise dieser Bakterien hinweist (BERGSTRÖM et al. 2002). An den Enden von Chromosom und linearen Plasmiden befinden sich kovalent geschlossene Loops, die eukaryotischen Telomeren ähneln (CASJENS et al. 1997). Eine weitere Besonderheit ist das Vorhandensein zweier Kopien des 5S/23S rRNA Gens (FUKUNAGA und SOHNAKA 1992; ZHANG et al. 1993). Anhand der plasmidcodierten OspA und OspC Gene können die Genospezies des B. burgdorferi s.l. Komplexes differenziert werden (MICHEL et al. 2004; WANG et al. 1999b).
2.2.3 Übertragung und Pathogenese
Borrelien werden während des Saugaktes von Zecken auf den Wirt übertragen. Das Infektionsrisiko steigt mit der Dauer des Saugaktes, wobei in der Regel mindestens 24h bis zur Transmission vergehen müssen (STAFFORD und KITRON 2002). Der eigentliche Übertragungsvorgang ist erst unzureichend verstanden. HODZIC (2002) und DE SILVA (1995) fanden heraus, dass sich die Spirochäten während des Saugaktes exponentiell in der Zecke vermehren. Dabei können sie sich durch Variation ihrer Antigene der Immunantwort des Wirtes entziehen (HEFTY et al. 2002). Die Erreger gelangen während der Blutmahlzeit durch Penetration des Mitteldarms in das Haemocoel, dann in die Speicheldrüse und schließlich in das Wirtsgewebe. Dies ist ein komplexer Vorgang, bei dem unter anderem Plasminogen des Wirtes aktiviert wird und Osp Moleküle eine wichtige Rolle spielen. Vermutlich ist die Expression von OspC für die Wanderung der Spirochäten vom Mitteldarm in die Speicheldrüsen der Zecken wichtig. Der Einfluss der Oberflächenproteine auf diesen Vorgang ist aber je nach B. burgdorferi s.l. Genospezies unterschiedlich stark (FINGERLE et al. 2002).
Es folgt die Adhäsion an das Wirtsgewebe (KURTENBACH et al. 2002). Charakteristisch ist die gute Beweglichkeit von Borrelien in viskosem Medium, die ihnen das Vordringen im Gewebe erlaubt. Später breiten sich die Spirochäten über den Blutweg im Wirts organismus aus und gelangen so zu verschiedenen Organen. Die Pathogenität wird durch die Induktion der spezifischen Immunantwort bedingt, wobei die Ausschüttung von Zytokinen und der Eingriff in die Regulation der T Zell Antwort von Bedeutung sind. Inflammationsprozesse können dadurch lange bestehen bleiben. Bei der klinischen Manifestation sind meist Erreger an der Entzündungsstelle anwesend (MIELKE und HAHN 2001). Perivaskuläre mononukleäre Infiltrate (Immunkomplexe) sind das dominierende Korrelat der Erkrankung. Die Ursache für die Neurologische Ausprägung der Lyme Borreliose liegt in der Kreuzreaktivität der bakteriellen Fla Moleküle mit neuronalem Gewebe. In vielen Wirtstieren und im Menschen können Borrelien bei ausbleibender Behandlung lebenslang persistieren (KURTENBACH et al. 2002; WILSKE 1993/1994). Eine Infektion kann je nach Genospezies in unterschiedliche Verlaufsformen der Lyme Borreliose münden (BALMELLI und PIFFARETTI 1995; VAN DAM et al. 1993).
2.2.4 Geographische Verbreitung
Die geographische Verbreitung von Borrelien ist eng an das Vorkommen ihrer Vektoren gekoppelt. Die Lyme Borreliose ist vor allem in der nördlichen Hemisphäre weit verbreitet. Borrelia burgdorferi s.s. hat sein wichtigstes Vorkommen in Nordamerika. Auch B. andersonii und B. bissettii konnten in den USA aus Zecken und Kleinsägern isoliert werden (WANG et al. 1999b). In Europa wurden bislang B. burgdorferi s.s., B. garinii, B. afzelii, B. valaisiana, B. lusitaniae, B. bissettii und A14S nachgewiesen (HUBALEK und HALOUZKA 1997). Auch in Deutschland sind diese Genospezies verbreitet, wobei B. lusitaniae, B. bissettii und A14S hier nur selten auftreten (FINGERLE et al. 2004; FINGERLE et al. 2005). Borrelia. garinii und B. afzelii kommen in China, Korea, OstRussland und Japan vor, während B. japonica, B. tanukii, und B. turdi nur in Japan und B.sinica nur China gefunden wurden (BERGSTRÖM et al. 2002; WANG et al. 1999b). Borrelia burgdorferi s.s. dagegen kommt nur sehr selten in China und Taiwan vor (LIANG und ZHANG 1996; SHIH et al. 1998).
2.3 Der Vektor Ixodes ricinus
2.3.1 Morphologie und Taxonomie
Der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) zählt zur Familie der Schildzecken (Arthropoda: Arachnida: Acarina: Ixodidae). Zecken haben einen unsegmentierten, längsovalen Körper mit vier Beinpaaren. Ihre Larven besitzen nur drei Beinpaare. Die Tiere tragen auf der Dorsalseite einen chitinisierten Schild (Scutum), der nur bei männlichen Tieren den gesamten Rücken bedeckt. Die Adulti sind 2,4mm ( ) bis 4,8mm ( ) lang. Weibchen können ihren Hinterleib beim Saugakt auf eine Länge von mehr als 1cm ausdehnen. Sie besitzen stechend saugende Mundwerkzeuge, bestehend aus paarigen Cheliceren, Pedipalpen und Hypostom. Da die Männchen ihre Mundwerkzeuge nur zur Verankerung am Weibchen während des Geschlechtsaktes und nicht zur Nahrungsaufnahme benötigen, haben sie ein kürzeres Hypostom mit anders aufgebauten Widerhaken. Ein grubenförmiger, mit Sinnesborsten ausgestatteter Chemo, Thermo und Mechano rezeptor, das Hallersche Organ, befindet sich an den Tarsen des ersten Beinpaares. Mit ihm können die Tiere zur Wirtsfindung chemische Reize wie CO2, Ammoniak oder Milchsäure aufnehmen. Auch die, von den Wirtstieren verursachten Erschütterungen oder Wärmestrahlung können mit diesem Organ wahrgenommen werden (LIEBISCH 1991).
2.3.2 Die Entwicklungsstadien und ihre Bedeutung für die Übertragung von Borrelia burgdorferi s.l.
Der Lebenszyklus von I. ricinus läuft in drei Stadien ab (Abb. 2 und 3). Für den Übergang ins nächste Entwicklungsstadium benötigen die Zecken jeweils eine Blutmahlzeit. Da es sich bei I. ricinus um eine euryphage Zeckenart handelt, spielt diese Spezies eine zentrale Rolle in der Verbreitung von Borrelia burgdorferi sensu lato. Die Larven sind 0,6mm, im gesogenen Zustand bis zu 1,25mm groß. Sie bewohnen die unteren Vegetationsschichten bis zu einer Höhe von 20cm und saugen vor allem an Kleinsäugern, in Bodennähe vorkommenden Vögeln, z. B. Amseln (Turdus merula) und Reptilien. Dabei können sie Borrelien von infizierten Tieren aufnehmen. Nur sehr selten werden die Erreger auch transovariell auf die Larven übertragen (BELLETEDIMO 1997; FILIPPOVA 1990; ZHIOUA et al. 1994). Nach dem Saugakt erfolgen die Häutung am Erdboden und die Weiter entwicklung zur Nymphe. Diese haben eine Körperlänge von 1,2mm, vollgesogen bis 2mm. Sie kommen in den Vegetationsschichten bis 40cm Höhe vor. Ihre bevorzugten Wirte sind mittelgroße Säugetiere, wie Igel (Erinus europeus) oder Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), sowie Vögel. Sie saugen aber auch an Kleinsäugern, Weidevieh, Wild und dem Menschen. Nymphen nehmen eine wichtige Rolle im Wirtswechsel von Borrelien ein, da sie Kleinsäuger und Vögel infizieren und diese somit zum Erregerreservoir machen. Nach der Blutmahlzeit häuten sich die Tiere erneut und entwickeln sich schließlich zu den Adulti, deren Morphologie bereits in Kapitel 2.3.1 erläutert wurde. Ihre Hauptwirte sind große Säugetiere wie Rotwild, Rinder, Pferde oder Hunde, sowie der Mensch, da sie die Strauchschicht in einer Höhe bis 80cm bewohnen. Die Erreger der Lyme Borreliose werden somit meist von Nymphen oder weiblichen I. ricinus auf den Menschen übertragen. Da Nymphen jedoch in einer weitaus größeren Anzahl in der Natur vorkommen, ist auch die Infestationsrate mit Nymphen beim Menschen höher (DORN et al. 2004). Nur die Weibchen nehmen eine Blutmahlzeit ein, um sich auf die Reproduktion vorzubereiten. Sie besitzen deshalb und aufgrund des länger dauernden Saugaktes ein höheres Übertragungspotential für die Pathogene. Bei den Männchen wurde ein dritter Saugakt nur selten beobachtet. Nach der Befruchtung durch das Männchen, legen die Weibchen bis zu 3.000 Eier im Erdboden ab, aus denen sich dann wieder Larven entwickeln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Die Entwicklungsstadien von I. ricinus im ungesogenen (oben) und gesogenen Zustand (unten).
Foto: G. Olsson aus EISEN (2002)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Der dreiwirtige Lebenszyklus von I. ricinus.
Die Darstellung zeigt nur einen kleinen Teil des Wirtsspektrums von I. ricinus.
(bearbeitet aus http://www.infektionsbiologie.ch/parasitologie/seiten/modellparasiten/ mp06ixod.html )
2.3.3 Habitate und Geographische Verbreitung
Ixodes ricinus lebt vor allem in Gebüschen, Parkanlagen, Laub und Mischwäldern mit gut entwickelter Kraut und Strauchschicht und an Waldrändern. Die verschiedenen Entwicklungsstadien bewohnen unterschiedliche Vegetationsschichten (vgl. Kap. 2.3.2). Zur Vermeidung von Austrocknung sind I. ricinus Zecken auf feuchte Habitate angewiesen. Bei einer relativen Luftfeuchte von 8096% sind sie in der Lage, Wasser aus der Atmosphäre zu extrahieren (GRAY 1991). Stark sonnenexponierte Orte mit geringer Luftfeuchte meiden sie deshalb. Unter einer Temperatur von ca. 5°C sind die Tiere inaktiv (GRAY 1984). Ihre maximale Aktivität zeigen die Zecken meist von MaiJuni und August Oktober (Larven), AprilMai und SeptemberOktober (Nymphen), sowie MaiJuni und SeptemberOktober (Adulti) (LIEBISCH 1991). Der oft zweigipfelige Verlauf der Zeckenaktiviät wird stark von den klimatischen Bedingungen bestimmt. Aufgrund der geringen Luftfeuchte und der hohen Temperaturen im Hochsommer sind die Tiere in dieser Zeit meist weniger aktiv. Neben diesen bimodalen Aktivitätsmustern kann auch, vor allem in den südlichen Verbreitungsgebieten von I. ricinus, ein unimodaler Verlauf mit einem Aktivitätshöhepunkt im Winter beobachtet werden (EISEN und LANE 2002).
Ixodes ricinus ist in Europa, Nordafrika und Westasien verbreitet. In Mittel und Westeuropa ist diese Spezies der einzige B. burgdorferi s.l. Vektor. Neben I. ricinus gelten in Osteuropa und Asien noch I. persulcatus, sowie in Amerika I. scapularis, I. pacificus und I. angustus als Überträger von Borrelien. Vektorkompetenz wurde bei 14 Spezies des I. ricinus s.l. Komplexes und 6 anderen Ixodes Arten nachgewiesen, was jedoch nicht mit einer tatsächlichen Funktion als Vektor gleichzusetzen ist (EISEN und LANE 2002).
2.3.4 Apodemus flavicollis, A. sylvaticus und Clethrionomys glareolus als Erregerreservoir
Im Gegensatz zu größeren Säugetieren, wie z.B. Wild, fungieren Kleinsäuger und Vögel als Reservoir für B. burgdorferi sensu lato. Bei ihnen kommt es zur lebenslangen Bakteriämie mit ständiger Präsenz der Erreger im Blut (JAENSON und TALLEKLINT 1992; RIZZOLI et al. 2004; TELFORD et al. 1988). Sie bilden somit ein wichtiges Bindeglied im Infektionszyklus von pathogenen Borrelien. Während Vögel hauptsächlich B. garinii und B. valaisiana übertragen, sind Kleinsäuger die Reservoire für B. afzelii und die in beiden Reservoirgruppen vorkommende Genospezies B. burgdorferi s.s. (ANDERSON et al. 1986; GRAY et al. 1999; HANINCOVA et al. 2003a; HANINCOVA et al. 2003b; HUMAIR et al. 1993; KURTENBACH et al. 1998; RIZZOLI et al. 2004; WANG et al. 1999b). Als wichtigste Erregerreservoire unter den Kleinsäugern gelten in Deutschland neben der Waldmaus (Apodemus sylvaticus) die Rötelmaus (Clethrionomys glareolus, Abb. 4) und die Gelbhalsmaus (Apodemus flavicollis, Abb. 5) (KURTENBACH et al. 1995).
Apodemus flavicollis und A. sylvaticus gehören zur Gattung der Waldmäuse (Apodemus) aus der Familie der Mäuse (Muridae). Beide Spezies sind sich sehr ähnlich und lassen sich nur an Fellfarbe und Fellzeichnung unterscheiden, da bei A. flavicollis der Rücken mehr rotbraun und die Unterseite in hellerem Weiß gefärbt sind. Auch ist die Brustzeichnung meist als durchlaufendes Querband vorhanden. Sie erreichen eine Körperlänge von 82108mm bei einer Schwanzlänge von 70100mm. Auffällig sind die großen Ohren und die großen, hervortretenden Augen, die auf ihre Nachtaktivität hinweisen. Sie pflanzen sich von Januar bis Oktober mit bis zu drei Würfen fort. Die Wurfgröße beträgt im Mittel 56. Mit etwa 18 Monaten haben sie ihr maximales Lebensalter erreicht. Da A. flavicollis an geschützte Lebensräume mit Deckungs möglichkeiten gebunden ist, während A. sylvaticus vor allem auf Äckern und in lichten, trockenen Nadelwäldern vorkommt, schließen sich diese Spezies meist aus. Hinzu kommt, dass beide Arten ein aggressives Verhalten gegeneinander zeigen.
Die zur Familie der Wühlmäuse (Arvicolidae) zählende Rötelmaus ist durch ihre kleinen Augen und Ohren leicht von den Apodemus Spezies abzugrenzen. Ihr Körper ist etwa ebenso groß, der Schwanz wird jedoch nur 3057mm lang. Sie bewohnen ähnliche Lebensräume wie die Gelbhalsmaus und werfen zwei bis dreimal von Februar bis September mit einer Wurfgröße von 27. Rötelmäuse werden etwa 15 Monate alt (HANNEMANN et al. 1995).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Die Rötelmaus-Clethrionomys glareolus
(Zeichnung: SCHOU 1985a)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Die Gelbhalsmaus - Apodemus flavicollis
(Zeichnung: SCHOU 1985b)
3. Eigene Untersuchungen
3.1 Aufgabenstellung
In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden zur Genospeziesdifferenzierung von B. burgdorferi s.l. entwickelt (LIEBISCH et al. 1998; MOMMERT et al. 2001; RAUTER et al. 2002; SAINT GIRONS et al. 1998; SHIH et al. 1998; WANG et al. 1999b).
Eine Aufgabe dieser Arbeit ist es, B. burgdorferi s.l. Genospezies aus freiland gefangenen und an Kleinsäugern gesogenen I. ricinus zu identifizieren. Hierzu dient eine etablierte molekularbiologische Methode, die bislang jedoch nicht bei gesogenen Zecken angewendet wurde.
Des Weiteren sollen die anti Borrelien IgG Titer der Kleinsäuger sowie deren Infestationsraten bestimmt werden. Die daraus gewonnenen Daten werden dann miteinander verglichen und in Bezug zur Saisonalität gestellt. Auch sollen Aussagen über die Anwendbarkeit der Methoden bei der molekularbiologische Untersuchung der Infektionsraten der Zecken mit B. burgdorferi s.l. getroffen werden. Eine Validierung verschiedener kommerzieller Systeme zur Extraktion der Spirochäten DNA aus den Zecken ist deshalb ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit.
3.2 Material und Methoden
3.2.1 Untersuchungsgebiet
Um die Ergebnisse mit Daten aus den vergangenen Jahren vergleichen zu können, wurde ein Untersuchungsgebiet ausgewählt, das bereits seit 1993 von der Arbeitsgruppe DORN für Untersuchungen über die Ökologie von Borrelien genutzt wurde. Das Areal befindet sich in der Nähe der Zentralklinik im 10km südlich von Weimar gelegenen Bad Berka in Thüringen. Die Stadt ist umgeben vom Landschaftsschutzgebiet „Mittleres Ilmtal“ und liegt im Hügelland der Ilm Saale Platte. Es handelt sich um ein Gebiet, das vorwiegend forstwirtschaftlich genutzt wird. Die Fangareale liegen beidseitig eines Forstweges. Am Wegsaum dominieren verschiedene Gräser. Der Gebüschmantel besteht hauptsächlich aus Rubus Arten. Die dahinter liegenden Fichten und Kiefernhochwälder wechseln sich mit Laubmischwäldern und Jungforsten ab, in denen kleine grasbewachsene Lichtungen vorhanden sind. In den Nadelgehölzforsten herrscht relativ geringe Sonneneinstrahlung.
Die Krautschicht ist nur spärlich ausgebildet. Es finden sich Zeigerarten, wie Oxalis acetosella und Myosotis palustris, die auf einen sauren und wechselfeuchten Standort hinweisen.
Kleinsäuger finden vor allem in den Laubmischwäldern und Jungforsten ideale Lebensbedingungen vor. Die Krautschicht ist hier stark ausgeprägt. In den Jungforsten und Lichtungen dominieren lichtliebende Pflanzen und Feuchtezeiger, wie Carex, Cirsium oder Equisetum Arten. Verstreut umherliegendes Totholz bietet Unterschlupf möglichkeiten. Da diese Gebiete auch für Zecken optimale Habitate darstellen, beschränkte sich das Fangen der Kleinsäuger und Zecken hauptsächlich auf diese Bereiche und die Wegsäume.
3.2.2 Fangmethoden und Probenentnahme
Zum Sammeln der Zecken wurden 1m x 1,5m große weiße Baumwolltücher über die Krautschicht und die niedere Strauchschicht gestreift. Alle 1015 Schritte wurden die Tücher kontrolliert und die Tiere, getrennt nach Entwicklungsstadium bzw. Geschlecht, in 1,5ml Reaktionsgefäße überführt.
Die Kleinsäuger wurden mit „Ugglan Special 1“ Lebendfallen (GRAHNAB, Marienholm, Schweden) gefangen. Es wurden 50 Fallen im Abstand von 35m aufgestellt. Als Köder diente eine Mischung aus Haferflocken und Apfelstücken. Die Fallen wurden einmal täglich am Vormittag kontrolliert. Eine Fangperiode dauerte 23 Wochen pro Saison. Die gefangenen Kleinsäuger wurden durch ein, mit Diethylether getränktes Zellstofftuch in einem verschlossenen Glasgefäß narkotisiert. Nach der Art und Geschlechtsbestimmung der Tiere wurden die Zecken an Ohren, Schnauze, Augen und Extremitäten gezählt. Gesogene Larven und Nymphen wurden entnommen. Die Blutentnahme erfolgte mit Hilfe einer PasteurPipette, die in den Plexus retrobulbaris unter dem Augapfel eingeführt wurde. Die entnommene Blutmenge entsprach etwa 300500 l. Des Weiteren wurde den Tieren mit einem sterilen Gewebestanzer eine etwa 4mm große kreisrunde Biopsie aus dem Ohr entnommen. Dies diente auch der Markierung der Mäuse zur Vermeidung von Mehrfachfängen eines Tieres. Alle Proben wurden in 1,5ml Reaktionsgefäßen gekühlt transportiert und anschließend bei 20°C im Tiefkühlschrank aufbewahrt.
3.2.3 DNA Extraktion
Für die molekularbiologischen Untersuchungen musste zunächst die Borrelien DNA aus den Zecken, bzw. aus den Kulturen gewonnen werden. Hierfür wurden verschiedene kommerzielle Systeme zur DNA Extraktion getestet.
Da die zu erwartende DNA Menge sehr klein war und die Kits für höhere Zellzahlen konzipiert sind, mussten die empfohlenen Extraktionsverfahren der Hersteller modifiziert werden. So wurden z.B. die Mengen der eingesetzten Elutionslösungen verringert, um eine höhere DNA Konzentration zu erzielen. Zur Validierung der Extraktionsmethoden wurde die Zellzahl verschiedener Verdünnungen von B. burgdorferi s.l. Kulturen per Immunfluoreszenstest bestimmt (Kap. 3.2.8). Die Verdünnungen wurden so eingestellt, dass 10µl Suspension (entspricht der bei der PCR eingesetzten Menge DNA Probe) etwa 10, 100, beziehungsweise 1.000 Zellen enthielten. Als Positivkontrolle dienten unverdünnte Kulturen von B. afzelii und B. burgdorferi sensu stricto. Die Extraktionen wurden mit je sechs Proben a 60µl pro Verdünnungsstufe durchgeführt. Um den Einfluss von Zecken DNA und Blut auf die Verfahren zu testen wurden zwei Proben davon mit je einer B. burgdorferi s.l. negativen I. ricinus Nymphe (bezogen von DAUTEL INSEKTEN SERVICE, Berlin, Deutschland) und zwei Proben mit je 2µl Kleinsäugerblut versetzt. Als Negativkontrolle diente steriles Aqua bidest.
3.2.3.1 Qiagen DNeasy® Tissue Kit
Das DNeasy® Tissue Kit (QIAGEN, Hilden, Deutschland) ist ein kommerzielles System zur Isolation genomischer, mitochondrialer und viraler DNA aus verschiedenen Zell und Gewebetypen. Dieses Kit wird von vielen Arbeitsgruppen für die Extraktion von BorrelienDNA aus Geweben und Kulturen verwendet (COURTNEY et al. 2003; HODZIC et al. 2002; PANELIUS et al. 2001; RAUTER et al. 2002). Die DNA wird hier mit Hilfe von Proteinase K aus Tritirachium album und Guanidinhydrochlorid haltigen Puffern aus den Zellen extrahiert, mit Ethanol ausgefällt und an eine SilikaSäule gebunden. Nach zwei Waschschritten wird sie von dieser eluiert.
Für die Präparation wurde die Zecke in ein steriles 1,5ml Reaktionsgefäß überführt und nach Zugabe von 180 l „Lysis Buffer ATL“ mit einem sterilen Mikropistill (EPPENDORF, Hamburg, Deutschland) mechanisch zerkleinert. Borrelia burgdorferi s.l. Kulturen wurden 5min bei 14.000U/min abzentrifugiert, der Überstand verworfen und das Pellet in 180 l „Lysis Buffer ATL“ gelöst. Anschließend erfolgte die Zugabe von 20 l Proteinase K Lösung. Das Gemisch wurde dann gevortext und bei 55°C für 3h im Brutschrank inkubiert. Danach wurden 200 l „Lysis Buffer AL“ hinzu gegeben. Es wurde nochmals gevortext und bei 70°C im Wasserbad 10min lang inkubiert.
Nach diesem Schritt wurde die DNA durch Zugabe von 200 l 100% Ethanol ausgefällt. Das Gemisch wurde mit einer Pipette suspendiert und schließlich auf die Kieselgel Säule gegeben. Es folgte ein Waschschritt mit 500 l „Buffer AW1“. Nach 1min Zentrifugation bei 8.000U/min wurden 500 l „Buffer AW2“ auf die Säule gegeben und 3min bei 14.000U/min zentrifugiert, um die Säule zu trocknen.
Die Elution erfolgte durch Zugabe von 60 l „Elution Buffer AE“. Nach 5min Inkubation bei Raumtemperatur und 3min Zentrifugation bei 8.000U/min wurde die gewonnene DNA bis zur weiteren Verwendung im Kühlschrank bei 47°C maximal eine Woche lang aufbewahrt.
3.2.3.2 Promega Wizard® Genomic DNA Purification Kit
Beim Wizard® Genomic DNA Purification Kit (PROMEGA, Madison, USA) handelt es sich um eine vierstufige Extraktionsmethode. Dieses Kit wird hauptsächlich zur Extraktion von DNA aus B. burgdorferi s.l. Kulturen verwendet (BYRAM et al. 2004; ELIAS et al. 2002; GRIMM et al. 2003).
Die Kultur wurde zunächst 2min bei 14.000U/min abzentrifugiert, der Überstand verworfen und das Pellet in 600 l „Nuclei Lysis Solution“ resuspendiert. Die Zecken wurden in der gleichen Menge „Nuclei Lysis Solution“ mit einem Mikropistill zermörsert. Zur Lyse der Zellen wurde die Suspension 5min bei 80°C inkubiert und dann auf Raumtemperatur abgekühlt. Das Ausfällen der Proteine erfolgte alkalisch durch Zugabe von 200 l „Protein Precipitation Solution“ und Inkubation auf Eis für 5min. Nach 3min Zentrifugation bei 14.000U/min wurde der Überstand zur DNA Präzipitation und zur Entsalzung in ein steriles 1,5ml Reaktionsgefäß mit 600 l Isopropanol überführt. Es wurde nochmals 2min bei 14.000U/min zentrifugiert, der Überstand verworfen und das Pellet in 600 l 70% Ethanol gelöst. Nach einem erneuten Zentrifugationsschritt wurde das Ethanol entfernt und das Reaktionsgefäß 15min bei Raumtemperatur getrocknet. Die DNA wurde dann durch Zugabe von 60 l „Rehydration Solution“ bei 47°C über Nacht rehydriert.
3.2.3.3 Sigma GenElute™ Bacterial Genomic DNA Kit
Das GenElute™ Bacterial Genomic DNA Kit (SIGMA, Saint Louis, USA) ist ein kommerzielles System zur Extraktion genomischer DNA aus Bakterien. Es basiert auf einer Zell Lyse durch Puffer, die chaotrope Salze enthalten. Die DNA bindet wie beim Qiagen DNeasy® Tissue Kit an eine SilikaMembran. Es sind bislang keine Arbeiten bezüglich der Verwendung dieses Kits zur Extraktion von BorrelienDNA bekannt. In der Arbeitsgruppe DORN wurde es aber bereits erfolgreich zur Extraktion von DNA aus B. burgdorferi s.l. Kulturen eingesetzt. Auch für die DNA Extraktion aus Kulturen von Salmonella enterica wurde dieses System verwendet (PORWOLLIK et al. 2003). Die Kulturen wurden hierbei 5min bei 14.000 U/min abzentrifugiert und das Pellet in 180 l „Lysis Solution T“ resuspendiert. Die Zecken wurden in der gleichen Menge dieses Puffers in einem 1,5ml Reaktionsgefäß mit einem Mikropistill mechanisch zerkleinert. Nach Zugabe von 20 l „Proteinase K Solution“ wurde das Gemisch gevortext und 2h bei 55°C inkubiert. Danach erfolgte die Zell Lyse durch Mixen mit 200 l „Lysis Solution C“ und anschließender Inkubation für 15min bei 55°C. Die Silika Säulen wurden zur Maximierung des Bindeverhaltens der DNA mit 500 l „Column Preparation Solution“ prepariert. Nach dem Abzentrifungieren wurden zum Ausfällen der DNA 200 l reines Ethanol zu den Proben hinzu gegeben und gevortext. Anschließend wurde das Gemisch auf die Säule gegeben und 1min bei 8.500U/min zentrifugiert. Es folgte ein Waschschritt mit 500 l „Wash Solution 0“ und eine Zentrifugation für 1min bei 8.500U/min. Danach wurde nochmals mit 500 l „Wash Solution Concentrate“ gewaschen und die Säule durch Zentrifugation für 3min bei 14.000U/min getrocknet. Die an die Säule gebundene DNA wurde dann durch Zugabe von 60 l „Elution Solution“ und 3min Zentrifugieren bei 8.500U/min eluiert. Die DNA Proben wurden maximal eine Woche lang bei 47°C aufbewahrt.
Mit den Biopsien wurde ähnlich verfahren, wobei aufgrund der größeren Menge an Inhibitoren (Wirtsgewebe) im ersten Schritt die doppelte Menge Proteinase K eingesetzt wurde und die Lyse über Nacht bei 55°C erfolgte.
3.2.4 PolymeraseKettenreaktion
Durch die PolymeraseKettenreaktion (PCR) wird ein ca. 0,8kb langes Fragment aus dem OspA Gen vervielfältigt. Dieses Gen ist bei allen Genospezies des B. burgdorferi s.l. Komplexes vorhanden. Es befindet sich auf dem 49kb großen linearen Plasmid Lp54 und codiert für das Oberflächenprotein OspA. Die Sequenz variiert je nach Genospezies (WANG et al. 1999b). Es wurde eine „seminested“ PCR nach MICHEL et al. (2004) durchgeführt. Diese besteht aus einer Primäramplifizierung mit den Primern V1a, V1b, R37 und R2 (bzw. V3a, V3b, R37 und R2), sowie der eigentlichen „seminested“ PCR mit den Primern V3a, V3b, R37 und R2 (MWG BIOTECH, Ebersberg, Deutschland; Tab. 2). Mit V1a, V1b, V3a und V3b kamen Wooble Primer zum Einsatz. Als Polymerase wurde die hitzestabile „HotMaster Taq Polymerase“ (EPPENDORF, Hamburg, Deutschland) aus Thermus aquaticus verwendet.
Tab. 2: Primersequenzen für die „seminested“PCR zur Amplifizierung eines 818bp Fragments aus dem OspA Gen von B. burgdorferi s.l. nach MICHEL et al. (2004).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für 10µl DNAProbe wurden zur Primäramplifikation folgende Reagenzien benötigt:
- 10x „HotMaster Taq Buffer“ (pH 8,5)
- 25mM MgCl2
- je 200mM dNTP
- je 10pmol Primer: V1a, V1b, R2, R37 (bzw. V3a, V3b, R2, R37)
- 0,25µl „HotMaster TaqPolymerase“
- DEPC behandeltes aqua bidest. ad 50µl
Für die „seminested“ PCR galt folgendes Schema:
- 5µl TemplateDNA aus der Primäramplifikation
- 10x „HotMaster Taq Buffer“
- 25mM MgCl2
- je 200mM dNTP
- je 100pmol Primer: V3a, V3b, R2, R37
- 1,25U „HotMaster TaqPolymerase“
- DEPC behandeltes aqua bidest. ad 50µl
Bei der Primäramplifikation wurden je einmal die Primerkombinationen V1a, V1b, R2, R37 sowie V3a, V3b, R2, R37 verwendet. Für jede PCR wurde jeweils eine DNAProbe aus einer B. burgdorferi s.l. Kultur als Positivkontrolle und steriles Aqua bidest. als Negativkontrolle eingesetzt. Die PCR wurde mit einem „Personal 1“ Thermocycler (BIOMETRA, Göttingen, Deutschland) durchgeführt. Auf einen initialen Denaturierungsschritt von 2min bei 94°C folgten 40 Zyklen nach folgendem Schema:
- Denaturierung 45s bei 94°C
- Annealing 45s bei 48°C
- Elongation 60s bei 70°C
Am Ende der Amplifikation erfolgte ein terminaler Elongationsschritt von 7min bei 72°C.
3.2.5 Gelelektrophorese und Bildbearbeitung
Die Amplifikate und Restriktionsprodukte wurden in einem 2%igem Agarose Gel in TrisBoratEDTA Puffer (pH 8,2; 10,9g Tris; 5,564g Borsäure; 0,932g EDTA; aqua bidest. ad 1000ml) bei 85mV elektrophoretisch aufgetrennt. Es wurden je 7µl DNA Probe mit 3µl BromphenolBlau und SDS enthaltender „Gel Loading Solution“ (SIGMA, Saint Louis, USA) vermischt und aufgetragen. Als Marker diente die „50bp Step Ladder“ (SIGMA, Saint Louis, USA). Die Banden wurden mit Ethidiumbromid (0,5µg/ml aqua bidest.) angefärbt, unter UVBestrahlung zur Fluoreszenz angeregt und mit einem FluorS MultiImager System (BIORAD, München, Deutschland) fotografiert. Da die Banden oft nur sehr schwach zu erkennen waren, wurden die Fotos mit Photopaint® 10 (COREL, Ottawa, Kanada) zur Kontrastverstärkung am PC bearbeitet.
3.2.6 Genospeziesdifferenzierung mittels RFLP
Positive Proben wurden zur Identifikation der B. burgdorferi s.l. Genospezies einer Methode unterzogen, die auf Restriktionsfragmentlängen Polymorphismus (RFLP) basiert (MICHEL et al. 2004). Die Amplifikate wurden dazu mit fünf verschiedenen Restriktionsenzymen geschnitten. Anhand der entstandenen Fragmentgrößen und der daraus resultierenden Bandenmuster auf dem Agarose Gel, die für jeden OspA Typ unterschiedlich sind, konnten die Genospezies ermittelt werden (Tab. 3, Abb. 6). Die Restriktionsenzyme HINDIII, BGLII, SSPI, SFU (PROMEGA, Madison, USA) und KPNII1 (FERMENTAS, St. Leon Rot, Deutschland) wurden nach den Vorgaben der Hersteller verwendet. Die Restriktion erfolgte für jedes Enzym in separaten 0,2ml Reaktionsgefäßen, wobei 6µl DNAProbe mit jeweils 2U Enzym (in Reaktionspuffer) versetzt wurden. Nach der Reaktion wurden die Proben mittels Gelektrophorese aufgetrennt (Kap. 3.2.5).
Tab. 3: RFLP von OspA Amplifikaten nach Verdau mit 5 spezifischen Restriktionsenzymen zur Genospeziesdifferenzierung von B. burgdorferi s.l.*
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
*Fragmentgrößen in bp
(nach MICHEL et al. 2004; vgl. Abb. 6)
[...]
- Citation du texte
- Jan Franke (Auteur), 2004, Anwendung etablierter Methoden bei der Untersuchung saisonaler Unterschiede in der Transmission von 'Borrelia burgdorferi sensu lato' – Genospezies durch Kleinsäuger, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38276
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