Jede Theorie verlangt nach Selektion und jede Selektion beeinträchtigt das Erkenntnispotent ial und den Gültigkeitsbereich der Theorie. Nähert man sich einem äußerst komplexen und umfassenden Untersuchungsobjekt so wird bei dessen Analyse die Zahl derjenigen Aspekte, die man nicht berücksichtigen kann, wohl oder übel ein Ausmaß annehmen, das uns nicht wirklich erfreuen kann. Eine Organisation ist solch ein Untersuchungsobjekt. Man kann sich ihr aus verschiedenen (wissenschaftlichen) Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Methoden nähern, um einem von vielen möglichen Erkenntnisinteressen nachzugehen. Der Gegenstand der Erkenntnis, welcher in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehen soll, ist dabei relativ abstrakt; der Laie mag seine Existenz gänzlich bestreiten und die Experten sind sich uneins darüber, wie genau dieser Gegenstand beschaffen ist und wie er funktioniert: es geht um die Frage, wie Organisationen lernen (können). Um dieses Problem klären zu können, sollen im Folgenden die drei bekanntesten Konzepte von organisationalem Lernen und Wissensmanagement skizziert und anschließend kritisch beleuchtet werden, um deren Plausibilität und Wahrheitsgehalt – kurz: deren Erkenntnispotential – annähernd bestimmen zu können. Es handelt sich um das Konzept des Einschliefen- und Doppelschleifen-Lernens nach Argyris und Schoen (Kap. 1), die Theorie der Wissensbescha ffung im Unternehmen nach Nonaka und Takeuchi (Kap. 2), und um die Ausführungen von Karl Weick, der in der Auseinandersetzung mit der CODEStudie argumentiert, dass das Design einer Organisation keine stabile Gegebenheit, sondern eine fortwährende Improvisation ist. Aus dieser Annahme ergeben sich weitreichende Konsequenzen für das Verständnis von organisationalem Lernen und, damit verbunden, organisationalem Wandel. (Kap. 3)
Zum Inhalt
1. Einschleifen-, Doppelschleifen- und Deuterolernen nach Argyris/Schoen
2. Theorie der Wissensbeschaffung im Unternehmen nach Nonaka/Takeuchi
3. Organisationales Design als Improvisation nach Weick
4. Vergleichende Kritik
Anhang
Literaturverzeichnis
Jede Theorie verlangt nach Selektion und jede Selektion beeinträchtigt das Erkenntnispotential und den Gültigkeitsbereich der Theorie. Nähert man sich einem äußerst komplexen und umfassenden Untersuchungsobjekt so wird bei dessen Analyse die Zahl derjenigen Aspekte, die man nicht berücksichtigen kann, wohl oder übel ein Ausmaß annehmen, das uns nicht wirklich erfreuen kann. Eine Organisation ist solch ein Untersuchungsobjekt. Man kann sich ihr aus verschiedenen (wissenschaftlichen) Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Methoden nähern, um einem von vielen möglichen Erkenntnisinteressen nachzugehen. Der Gegenstand der Erkenntnis, welcher in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehen soll, ist dabei relativ abstrakt; der Laie mag seine Existenz gänzlich bestreiten und die Experten sind sich uneins darüber, wie genau dieser Gegenstand beschaffen ist und wie er funktioniert: es geht um die Frage, wie Organisationen lernen (können). Um dieses Problem klären zu können, sollen im Folgenden die drei bekanntesten Konzepte von organisationalem Lernen und Wissensmanagement skizziert und anschließend kritisch beleuchtet werden, um deren Plausibilität und Wahrheitsgehalt – kurz: deren Erkenntnispotential – annähernd bestimmen zu können. Es handelt sich um das Konzept des Einschliefen- und Doppelschleifen-Lernens nach Argyris und Schoen (Kap. 1), die Theorie der Wissensbeschaffung im Unternehmen nach Nonaka und Takeuchi (Kap. 2), und um die Ausführungen von Karl Weick, der in der Auseinandersetzung mit der CODE-Studie argumentiert, dass das Design einer Organisation keine stabile Gegebenheit, sondern eine fortwährende Improvisation ist. Aus dieser Annahme ergeben sich weitreichende Konsequenzen für das Verständnis von organisationalem Lernen und, damit verbunden, organisationalem Wandel. (Kap. 3)
1. Einschleifen-, Doppelschleifen- und Deuterolernen nach Argyris/Schoen
Das grundlegende Problem bei der Frage, wie Organisationen lernen können, ist die Unterscheidung zwischen den Individuen (den Mitarbeiter einer Organisation) und der Organisation als Ganzes. Lernt die Organisation bereits dann, wenn einzelne Individuen lernen? Und wie sieht es umgekehrt aus: kann die Organisation als Ganzes lernen, auch wenn einzelne Individuen ihr Wissen nicht ausweiten? Welche Art von Wissen muss erzeugt und wie muss es angeeignet und umgesetzt werden, damit man von organisationalem Lernen sprechen kann? Argyris und schön lösen diese Fragen sehr allgemein, indem sie zunächst das organisationale Handeln beleuchten.[1] Eine Organisation handelt dann, wenn einzelne Individuen im Auftrag bzw. im Namen von, d.h. entsprechend den Rollen und Regeln dieser Organisation handeln. Weil das Lernen eine Form des Handelns ist und Individuen für eine Organisation handeln können, so können sie auch für eine Organisation lernen. Doch was bedeutet „Lernen“ in diesem Kontext und wann ist es erforderlich? Lernen ist immer dann nötig, wenn Zweifel auftritt, und Zweifel entsteht aus einer problematischen Situation. Diese wiederum ergibt sich dann, wenn die tatsächlichen Folgen des Handelns von den erwarteten Folgen abweichen. (Wenn also beispielsweise die Produktionsquote nicht bei den erwarteten 100.000, sondern lediglich bei 60.000 Stück liegt. Oder aber wenn eine Werbekampagne nicht zu erhöhtem Absatz bzw. zur einer erhofften Imageverbesserung des Unternehmens führt.) In einem solchen Fall wird die Organisation (bzw. ihre Mitarbeiter) sich darauf konzentrieren, den Zweifel zu beseitigen. Sie könnte natürlich ihre Erwartungen im Nachhinein herunterschrauben, allerdings wäre das eher eine Form der Resignation oder Anpassung, nicht jedoch des Lernens, wie es Argyris und Schoen verstehen. Aus ihrer Sicht kann der Zweifel beseitigt werden, indem eine Untersuchung durchgeführt, d.h. (fast) alles Denken und Handeln darauf konzentriert wird, die Ursache für den Zweifel zu finden und zu eliminieren bzw. zu umgehen. Eine Organisation lernt also, „wenn ihre Mitglieder (...) in ihrem Namen einen Untersuchungsprozess durchführen, der zu einem Lernergebnis führt.“ (Argyris/Schoen 1996, S. 26) Von einem (organisationalen) Lernergebnis kann gesprochen werden, wenn das neu erlangte Wissen in irgendeiner Form[2] in der Organisation verankert wird, und zu einer Veränderung des Denkens und/oder Handelns der Organisation, ergo ihrer Mitarbeiter führt. Den Ort der Wissensverankerung, den Argyris & Schoen betrachten, ist die sogenannte Aktions- oder Handlungstheorie. Sie enthält die von einer Organisation vertretenen oder angestrebten Werte, deren zugrundeliegende Annahmen und die Handlungsstrategien, mit denen die Werte erreicht werden sollen. Dabei kann man unterscheiden zwischen der „espoused theory“ und der „theory in use“. Erstere ist quasi die offizielle, von der ganzen Organisation vertretene Theorie, die das Ziel und den Zweck – das Leitbild – des Unternehmens beinhaltet und legitimiert, sowie die grundlegenden Strukturen und Strategien zur Erlangung des Ziels festsetzt. Sie stellt eine Art Leitfaden für die Organisation und ihre Mitglieder dar. Die theory in use – die handlungsleitende oder Gebrauchstheorie – hingegen ist die tatsächlich angewandte Theorie, die mit der vertretenen Theorie nicht völlig identisch sein muss. Sie bestimmt das eigentliche Verhalten der Mitarbeiter (vgl. Malek 2000, S. 8) obgleich sie nicht schriftlich fixiert ist und sich daher nur aus dem individuellen bzw. kollektiven Handeln ableiten lässt.
Es gibt nun unterschiedliche Arten des Lernens mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Handlungstheorie. Argyris und Schoen unterscheiden das Einschleifen-, Zweischleifen und das von Gregory Bateson konzipierte Deutero-Lernen. Beim Einschleifen-Lernen („single-loop-learning“) werden die Handlungsstrategien oder die ihnen zugrundeliegende Annahmen derart verändert, dass die Wertvorstellungen der Handlung an sich unverändert bleiben. (vgl. Argyris/Schoen 1996, S. 35f) (Im Sinne der o.g. Beispiele würde also im ersten Fall die Produktionsmethode derart verbessert, dass die erwartete Stückzahl tatsächlich erreicht wird; im zweiten Fall wäre es plausibel, eine andere Werbeagentur mit einem neuen Werbekonzept zu beauftragen – der Wert der Handlung, das Ziel selbst bleibt unberührt.) Diese Art des Lernens heißt deshalb Einschleifen-Lernen, weil nur eine Feedbackschleife aufzufinden ist: Das Handeln, dem bestimmte Ziele und Zwecke zugrunde liegen, hat nicht zum erwünschten Ergebnis geführt, und diese Einsicht führt zur Modifikation ausschließlich der Handlung bzw. ihrer grundlegenden Annahmen. (Abb. 1.1)
Abb. 1.1: Einschleifen-Lernen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da sich diese Form des Lernens nur auf der Handlungsebene vollzieht, der normative Hintergrund aber unangetastet bleibt, kann sich eine Organisation nicht frei entwickeln. Das heißt, es bleibt den gewohnten Sichtweisen treu und ändert seine Strukturen nicht, weshalb das Einschleifen-Lernen – vor allem in Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit an eine sich ändernde Umwelt – nur wenig Lernerfolg bieten kann.
Im Gegensatz dazu bietet das Doppelschleifen-Lernen die Möglichkeit eines grundlegenden organisatorischen Wandels: eine zweite – zusätzliche – Feedbackschleife koppelt das unzureichende Handlungsergebnis nicht an die Handlung allein, sondern vor allem an diejenigen Werte, die der Handlung zugrunde liegen: Der Zweifel, die mangelnde Effizienz wird direkt auf bisherige Handlungsnormen zurückgeführt und verlangt deshalb deren Änderung. Durch die Modifikation der Normen wird auch die Handlung – entweder gleichzeitig oder in unmittelbarer Folge – geändert. (Abb. 1.2)
Abb. 1.2: Zweischleifen-Lernen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Stellen wir uns beispielsweise ein Unternehmen vor, das jahrelang Plattenspieler produziert hat und plötzlich einen sinkenden Absatz vermerken muss. Um die Verluste wieder auszugleichen, könnte das Unternehmen (unter anderem) die Werbung für ihr Produkt intensivieren (Einschleifen-Lernen). Es könnte aber auch ihr Ziel, Plattenspieler zu verkaufen, aufgeben und sich anstelle dessen auf die Produktion von CD-Playern konzentrieren. Dies würde u.a. eine Änderung der Handlungsstrategie erfordern, weil sich die Geräte und deren Produktionsweise maßgeblich voneinander unterscheiden.
Das Einschleifen- sowie das Zweischleifen-Lernen sind Formen des Lernens erster Ordnung. Eine weitaus wichtigere und grundlegendere Art des Lernens findet auf einer übergeordneten Metaebene statt und wird daher auch als Lernen zweiter Ordnung bezeichnet. Es handelt sich hierbei um das Deutero-Lernen – um das „Lernen, wie man lernt“. Während sich das Lernen erster Ordnung auf die Handlungstheorien bezieht, bezieht sich das Lernen zweiter Ordnung auf dasjenige der ersten Ordnung: Man muss seine Lerntätigkeit und -strategien, seine Fähigkeit, Untersuchungen durchzuführen, ständig kritisch reflektieren, optimieren und gegebenenfalls erneuern, weil das Lernen keine einmalige Angelegenheit, sondern ein fortlaufender Prozess ist, und weil der Lernerfolg nur mäßig ausfallen kann, wenn man zwar die Handlungstheorie an das Untersuchungsergebnisses anpasst, die Untersuchung selbst aber nur mangel- oder gar fehlerhaft war.
Argyris und Schoen konzipieren also drei unterschiedliche Lernmodi, die auf unterschiedliche Formen der Wissens(be)schaffung abzielen und mehr oder minder starke Konsequenzen für die Entwicklung einer Organisation mit sich bringen. Dabei muss noch ein Aspekt hervorgehoben werden, der bisher nur implizit enthalten war: Damit sich eine Organisation neues Wissen – in diesem Fall: Werte, deren zugrundeliegende Annahmen und Handlungsstrategien – aneignen kann, muss es auch in der Lage sein, altes Wissen abzulegen – es muss also nicht nur lernen, sondern auch vergessen können...
[...]
[1] „Der Gedanke des organisationalen Handelns geht dem des organisationalen Lernens logisch voraus, weil das Lernen – Denken, Wissen oder Sich-Erinnern – eine Art des Handelns ist...“ (Argyris/Schoen 1996, S. 23)
[2] Es gibt zwei komplementäre Arten, Wissen in einer Organisation zu verankern: Entweder dient die Organisation als Bestandsumfeld, in dem das Wissen gespeichert ist (z.B. in materiellen Objekten, in Akten & Unterlagen, in den Köpfen der einzelnen Mitarbeiter) oder sie stellt das Wissen direkt dar (z.B. in Abläufen und Verfahren). (vgl. Ebd., S. 27f)
- Citation du texte
- Sebastian Wiesnet (Auteur), 2005, Organisationales Lernen und Wissensmanagement - 3 Konzepte im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38251
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