Das Thema dieser Arbeit ist die menschliche Handlungskontrolle mit besonderem Augenmerk auf die Kontrolle gezielter (Hand-)Bewegungen durch Programmsteuerung und Regelung. Die zu betrachtenden Handlungen sind zielgerichtet, d.h. sie werden nicht vom Organismus aus sich selbst heraus erzeugt, sondern sind „intendierte Handlungseffekte“, die auch als „Handlungsziele“ bezeichnet werden können. (Müsseler, J.; Aschersleben, G.; Prinz, W., Steuerung, 1996, S. 341) Somit wird ein Grossteil der Bewegungen angesprochen, die ein Mensch im täglichen Leben (auch zur Interaktion mit anderen) gebraucht, sei es das Aufnehmen des Telefonhörers oder das Schlagen eines Tennisballs. Folgende Fragen sollen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen: Wie werden raum-zeitliche Informationen zur Ausführung von Bewegungen (d.h. deren Verlauf und Form) genutzt und verknüpft, bzw. wie werden Letztere durch diese Reizinformationen determiniert? Welchen Einfluss haben die Programmsteuerung bzw. die Regelung auf die Ausführung von gezielten Bewegungshandlungen? Zur Beantwortung dieser Fragen wird zunächst einmal auf die historischen Hintergründe der Überlegungen zur Handlungssteuerung eingegangen, um darauf folgend die Charakteristik der Programmsteuerung und Regelung zu behandeln. Es schließt sich die Beschreibung zweier Modelle der Kontrolle und Steuerung von Zielbewegungen an. Blicken wir zurück:
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Frühe Untersuchungen zur Handlungssteuerung
3 Programmsteuerung und Regelung
3.1 Programmsteuerung
3.2 Evidenz für die Programmsteuerung
3.3 Regelung
3.4 Evidenz für die Regelung
4 Das Fittssche Gesetz
5 Modelle der Bewegungssteuerung
5.1 Abtast-Regelung / Fortlaufende Kontrolle
5.2 Optimierte Teilbewegungen
6 Fazit – das Zusammenwirken von Programmsteuerung und Regelung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Das Thema dieser Arbeit ist die menschliche Handlungskontrolle mit besonderem Augenmerk auf die Kontrolle gezielter (Hand-)Bewegungen durch Programmsteuerung und Regelung. Die zu betrachtenden Handlungen sind zielgerichtet, d.h. sie werden nicht vom Organismus aus sich selbst heraus erzeugt, sondern sind „intendierte Handlungseffekte“, die auch als „Handlungsziele“ bezeichnet werden können. (Müsseler, J.; Aschersleben, G.; Prinz, W., Steuerung, 1996, S. 341) Somit wird ein Grossteil der Bewegungen angesprochen, die ein Mensch im täglichen Leben (auch zur Interaktion mit anderen) gebraucht, sei es das Aufnehmen des Telefonhörers oder das Schlagen eines Tennisballs.
Folgende Fragen sollen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen: Wie werden raum-zeitliche Informationen zur Ausführung von Bewegungen (d.h. deren Verlauf und Form) genutzt und verknüpft, bzw. wie werden Letztere durch diese Reizinformationen determiniert? Welchen Einfluss haben die Programmsteuerung bzw. die Regelung auf die Ausführung von gezielten Bewegungshandlungen?
Zur Beantwortung dieser Fragen wird zunächst einmal auf die historischen Hintergründe der Überlegungen zur Handlungssteuerung eingegangen, um darauf folgend die Charakteristik der Programmsteuerung und Regelung zu behandeln. Es schließt sich die Beschreibung zweier Modelle der Kontrolle und Steuerung von Zielbewegungen an. Blicken wir zurück:
2 Frühe Untersuchungen zur Handlungssteuerung
Frühe Forschungsansätze zur menschlichen Bewegungssteuerung beinhalteten einfache Aufgabenstellungen mit Zielbewegungen, bei denen die Versuchspersonen aufgefordert wurden, die Hand bzw. Hände so schnell und genau wie möglich von einer Position zur anderen zu bewegen. Der Erste der Forscher, die diese Experimente durchführten, war im späten 19. Jahrhundert Robert Woodworth, ein Psychologe an der Universität von Columbia, der, „impressed by the speed and accuracy with which construction workers could hammer nails“ (Rosenbaum, D.A., Motor control, 1991, S. 205), sich die Frage stellte, wodurch diese in die Lage versetzt wurden, ebenjene Präzision und Geschwindigkeit der Tätigkeitsausführung zu Stande zu bringen. Zur Beantwortung dieser Fragestellung entwarf Woodworth eine Versuchsanordnung, in der ein Proband vor die Aufgabe gestellt wurde, einen Bleistift zwischen zwei optischen Markierungen hin- und herzubewegen, wobei die Taktschläge eines Metronoms als zeitliche Begrenzung einer der solchen Bewegung diente. Die Bewegungsausführungen der Versuchspersonen dokumentierte er durch eine Papierrolle, welche unter der Arbeitsplatte durchgeführt wurde und auf der der Bleistift Markierungen hinterließ. Weiterhin wurde einer Gruppe der Probanden aufgetragen, den Versuch unter der Bedingung verbundener Augen durchzuführen, während die andere Versuchsgruppe dieses mit offenen Augen konnte.
In der nebenstehenden Abbildung 1 werden die Ergebnisse des Experiments dargestellt. Es lassen sich 2 UV aus der Versuchsbeschreibung definieren:
UV1: die durchschnittliche Bewegungsgeschwindigkeit, welche sich aus der Taktrate des Metronoms und der Entfernung der optischen Markierungen ermitteln ließ (Abszisse in Abb. 1);
UV2: Möglichkeit der optischen Wahrnehmung der eigenen Handlungen (Sicht) vs. keine Möglichkeit der optischen Wahrnehmung (keine Sicht);
AV: der absolute Fehler, definiert als „the mean absolute value of the distance between the point where the pencil reversed direction and where it should have reversed direction [die optischen Markierungen; KR]“ (Rosenbaum, D.A., Motor control, 1991, S. 205) (Ordinate in Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die in Abbildung 1 dargestellten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. ebd., S. 205f):
1. Unter der Bedingung fehlender visueller Wahrnehmung der eigenen Bewegungen bleibt der absolute Fehler trotz steigender Geschwindigkeit mehr oder weniger konstant.
2. Bei ermöglichter visueller Wahrnehmung erhöht sich der absolute Fehler mit steigender Geschwindigkeit der Bewegungsausführung.
3. Demnach verbessert sich die Bewegungsgenauigkeit mit sinkender Geschwindigkeit nur bei visueller Wahrnehmung der eigenen Bewegung in Relation zum Ziel.
Woodworth entwickelte auf der Basis dieser Ergebnisse die Annahme, dass einerseits, unter der Bedingung des fehlenden visuellen Feedbacks der Handposition in Relation zum Ziel, die Zielbewegungen vorprogrammiert sind, d.h. die Bewegungen von einem Anfangsimpuls (»Initial Impuls«) gesteuert werden, andererseits jedoch, unter Zuhilfenahme visueller Rückmeldungen, der Anfangsimpuls lediglich die Zielbewegung auslöst, welche im weiteren Verlauf einer fortlaufenden Kontrolle (»Current Control«) und Korrektur auf Basis des Feedbacks unterliegt.
Daraus folgernd stellte Woodworth die Hypothese auf, dass der erste Teil einer Zielbewegung durch einen Anfangsimpuls bewerkstelligt wird, spätere Teile der Steuerung durch die Laufende Kontrolle unterliegen, die auf visuellem Feedback basiert. Folglich wird eine Zielbewegung, die so schnell erfolgen muss, dass die Laufende Kontrolle (aufgrund der physiologisch bedingten Latenzzeit der visuellen Rückmeldungen)[1] nicht zum Einsatz kommen kann, ebenso wahrscheinlich fehlerhaft sein wie eine solche, die zwar mit größerem Zeitpolster, jedoch ohne visuelles Feedback erfolgt.
Woodworth vertrat demnach die Ansicht der Überwachung eines programmgesteuerten Anfangsimpulses durch eine Art Regelkreis, dem ein besonderer Einfluss auf die zu Ende der Bewegungsausführung erreichte Genauigkeit zukommt. Er stellte somit auf der Basis seiner Versuchsergebnisse eine Theorie über das Zusammenwirken einer Programmsteuerung und Regelung zur Kontrolle der menschlichen Motorik auf. Inwieweit diesen von Woodworth bezeichneten Determinanten der menschlichen Bewegung auch zu heutiger Zeit Beachtung geschenkt werden muss bzw. wie sich dieses eben benannte Zusammenspiel beider Elemente gestaltet, soll im Folgenden betrachtet werden.
3 Programmsteuerung und Regelung
3.1 Programmsteuerung
Für die Programmsteuerung – Woodworths »Initial Impuls« – ist kennzeichnend, „daß die Bewegung allein durch eine motorische Kommandoabfrage realisiert wird“ (Müsseler, J.; Aschersleben, G.; Prinz, W., Steuerung, 1996, S. 342), welche aus einem „set of muscle commands that are structured before a movement sequence begins” besteht, und die der Bewegungssequenz erlaubt, “to be carried out uninfluenced by peripheral feedback“ (Keele, S. W. (1968): Movement control in skilled motor performance. Psychological Bulletin, 70. zitiert nach: Hommel, B., Planung, 2002, S. 798).
Es lassen sich demnach zwei Hauptmerkmale der Programmsteuerung definieren:
1. Eine Bewegungsausführung wird auch dann ermöglicht, „wenn keine sensorischen Rückmeldungen aus der Körperperipherie existieren“.
2. Weiterhin werden „die motorischen Kommandos […] bereits vor Beginn der Bewegung bereitgestellt.“ (Heuer, H., Psychomotorik, 1990, S. 510)
Letzteres bewirkt eine Autonomie der Programmsteuerung von externen Reizeinflüssen, d.h. eine Bewegung kann ohne das Vorhandensein von sensorischem Feedback ausgeführt werden. Es werden Programmabläufe für mehr oder weniger komplizierte Bewegungsmuster generiert, die, einmal abgerufen, für eine rückmeldungsunabhängige Handlungsteuerung über Kommandos sorgen, welche Konczak als »motorische Pläne« bezeichnet (vgl. Konczak, J., Kontrolle, 2002, S. 867 und Heuer, H., Psychomotorik, 1990, S. 510f).
In Abbildung 2 bietet er ein schematisches Modell der Programmsteuerung, die einer »Feedforward«-Kontrolle unterliegt, wobei die Beschaffenheit dieses Feedforward-Controllers, „der einen Bewegungsplan in adäquate motorische Kommandos überführt“ (Konczak, J., Kontrolle, 2002, S. 871), nach Konczak nicht eindeutig geklärt ist. Als idealer Kontroller könnte nach seiner Meinung nach „ein invers motorisches Modell […] fungieren“[2] (ebd., S. 868)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Siehe Unterkapitel 3.4
[2] Es beinhaltet selbst keine, für ein motorisches Programm typische Anweisung für Bewegungssequenzen, es ist vielmehr eine „neuronale Repräsentation des Muskel-Skelett-Systems“, determiniert von Parametern der menschlichen Physiologie, wie z.B. Trägheit, Steifigkeit etc. und besitzt damit „implizites Wissen über die Dynamik des Systems“ (Konczak, J., Kontrolle, 2002, S. 871).
- Quote paper
- Dipl.-Päd. Karsten Rohr (Author), 2005, Die raum-zeitliche Steuerung von Handlungen - Programmsteuerung und Regelung als konkurrierende Modelle zielgerichteter Handlungssteuerung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38239
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