Die schamanistische Initiationszeremonie ist ein weltweit, überwiegend in peripheren Zonen zu beobachtendes Phänomen. Überall folgt sie dem typischen Grundgedanken vom Verlassen eines gegenwärtigen Zustandes, von der darauffolgenden Reinigung in einem von allem Physischen losgelösten Schwebezustand, und von dem letztlich eintretenden Transzendieren in einen spirituellen Zustand, in dem es dem Schamanen möglich ist, mit einer jenseitigen Welt zu kommunizieren. Bei diesem dreigeteilten Prinzip handelt es sich um einen imaginären und kognitiven Prozess, der in den unterschiedlichen Ritualen der Initiationszeremonie symbolisch durchlaufen wird und dessen drei Stadien jeweils den Übergang zu einer neuen geistigen und spirituellen Stufe bedeuten.
Der Schamanismus in Korea ist tief im traditionellen Volksglauben verankert und ist wahrscheinlich lange Zeit die vorherrschende Komponente in der koreanischen Staatsreligion gewesen. In der modernen Gesellschaft bedeutet die Eignung zum Schamanen eher eine Schande und auch die Familienmitglieder haben fortan in Ächtung zu leben. Dennoch werden in Korea immer wieder Initiationszeremonien beobachtet, in denen sich Menschen einer Weihung unterziehen, durch die sie den gesellschaftlichen Rang eines Schamanen erlangen. Dieses kollektiv-religiöse und soziodynamische Phänomen aus archaischen Zeiten soll hier einer näheren Betrachtung unterzogen werden, um letztlich zusammenfassend die individuelle und kollektive Perzeption dieses fundamentalen Ereignisses durch den Kandidaten und seine Gemeinde einordnen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Die Initiation im koreanischen Schamanismus
Die Entscheidung für eine Initiationszeremonie
Der Verlauf einer Initiation
Die individuelle und kollektive Perzeption der Initiation
Quellen- und Literaturverzeichnis
Schamanismus in Korea
Die individuelle und kollektive Perzeption der Initiationszeremonie
Die Initiation im koreanischen Schamanismus
Die schamanistische Initiationszeremonie ist ein weltweit, überwiegend in peripheren Zonen zu beobachtendes Phänomen.[1] Überall folgt sie dem typischen Grundgedanken vom Verlassen eines gegenwärtigen Zustandes, von der darauffolgenden Reinigung in einem von allem Physischen losgelösten Schwebezustand, und von dem letztlich eintretenden Transzendieren in einen spirituellen Zustand, in dem es dem Schamanen möglich ist, mit einer jenseitigen Welt zu kommunizieren. Bei diesem dreigeteilten Prinzip handelt es sich um einen imaginären und kognitiven Prozess, der in den unterschiedlichen Ritualen der Initiationszeremonie symbolisch durchlaufen wird und dessen drei Stadien jeweils den Übergang zu einer neuen geistigen und spirituellen Stufe bedeuten.[2]
Der Schamanismus in Korea ist tief im traditionellen Volksglauben verankert und ist wahrscheinlich lange Zeit die vorherrschende Komponente in der koreanischen Staatsreligion gewesen.[3] In der modernen Gesellschaft bedeutet die Eignung zum Schamanen eher eine Schande und auch die Familienmitglieder haben fortan in Ächtung zu leben.[4] Dennoch werden in Korea immer wieder Initiationszeremonien beobachtet, in denen sich Menschen einer Weihung unterziehen, durch die sie den gesellschaftlichen Rang eines Schamanen erlangen.[5] Dieses kollektiv-religiöse und soziodynamische Phänomen aus archaischen Zeiten soll hier einer näheren Betrachtung unterzogen werden, um letztlich zusammenfassend die individuelle und kollektive Perzeption dieses fundamentalen Ereignisses durch den Kandidaten und seine Gemeinde einordnen zu können.
Die Entscheidung für eine Initiationszeremonie
Die Berufung zum Schamanen kündigt sich, wie allgemein im Schamanismus üblich, durch eine Götter- oder Schamanenkrankheit an.[6] Ist dies der Fall, so wird der Betroffene von einer mysteriösen Krankheit mit zum Teil außergewöhnlichen Symptomen befallen, sodass eine Behandlung mit herkömmlichen Medikamenten gar nicht erst in Frage kommt oder wirkungslos bleibt und die Krankheit ungewöhnliche lange andauert.[7] Es können auch plötzliche Krampfanfälle, sonderbare Träume und Visionen oder Halluzinationen auftreten. Diese Symptome grenzen sich zu geistigen Krankheiten dadurch ab, dass die Erfahrungen von den Betroffenen als stark religiös empfunden werden.[8] Statt des einleitenden Moments der Schamanenkrankheit können jedoch auch noch andere Motive auftreten, die dazu bewegen, wie zum Beispiel ökonomische Gründe, den Beruf des Schamanen oder der Schamanin zu erlernen. Außerdem kommt es in Schamanenfamilien häufig vor, dass die Berufsausübung des Schamanen auf die Kinder übertragen und auf diese Weise das schamanische Wissen vererbt wird. Diese Beweggründe müssen sich jedoch keinesfalls gegenseitig ausschließen, sondern können durchaus parallel zueinander auftreten.[9]
Das Element der Schamanenkrankheit, das eine Initiation bereits einleitet, ist ebenfalls aus anderen Kulturen im Kontext zu schamanistischen Initiationszeremonien bekannt.[10] Dahinter steht allgemein die Vorstellung, dass der Erkrankte von Göttern oder Geistern besessen wird. In vielen Fallstudien über koreanische Schamanen tritt neben der Schamanenkrankheit ein weiteres Phänomen auf, das Indari genannt wird.[11] Darunter versteht man das plötzliche Ableben eines meist sehr nahestehenden Verwandten, manchmal auch eines entfernt Verwandten. Dieser unvorhergesehene Tod wird von den Angehörigen in den Zusammenhang mit der mysteriösen Krankheit gebracht und von den zu Rate gezogenen Schamanen als drängende Aufforderung der Götter oder Geister interpretiert, die Berufung des Erkrankten zum Schamanen anzunehmen.
Die dauerhaft physische und psychische Belastung der Familie, die mit solchen Anfällen einhergehen, lässt die Angehörigen in ihrer Verzweiflung quasi als letzte Instanz einen Schamane, eine Schamanin oder auch mehrere zu Rate ziehen. Da der Betroffene selbst meist gar nicht dazu in der Lage ist, eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen, liegt es in der Regel bei den Eltern, der Empfehlung des oder der Schamanen zu folgen, sich dem Willen der Götter oder Geister zu beugen, indem sie sich für die Durchführung einer Initiationszeremonie entscheiden.[12]
Die eigentliche Ausarbeitung der Initiationszeremonie obliegt dann meist dem Schamanen, der bereits einen Teil des Krankheitsverlaufes beobachten konnte, wodurch meist schon im Vorfeld die Beziehung des Novizen als Gotteskind zu seinem Lehrer als „Gotteskind“ und „Gotteseltern“ entsteht, die für die spätere Ausbildung und Entwicklung des „Babyschamanen“[13] entscheidend ist.[14] Es kann sogar in vielen Fällen von einer tatsächlichen Verwandtschaft von Kind und Eltern ausgegangen werden, wenn die Berufung zum Schamanen ererbt worden ist. Die Schamaneneltern bestimmen den genauen Zeitpunkt sowie den Ort der Zeremonie anhand des Geburtsdatums und der Glückszahlen des Novizen.[15]
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[1] ELIADE, Mircae: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik. Zürich 1957. S. 14/16.
[2] Ebd., zur signifikanten Abfolge von Ablösen, Seklusion und Rückkehr in die Gemeinschaft siehe S. 43-45.
[3] DEHN, Ulrich: Religionen in Ostasien – und christliche Begegnungen. Frankfurt am Main 2006. S. 100. KRANEWITTER, Rolf: Dynamik der Religion. Schamanismus, Konfuzianismus, Buddhismus und Christentum in Korea von der steinzeitlichen Besiedlung des Landes bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Wien 2005. Siehe das Kapitel: Staatenbildende Funktion des Schamanismus, S. 105-113.
[4] CHO, Hung-youn: Mudang, S. 59. Die Männer verlassen meist die Familie, und so haben die zurückgelassenen Frauen nicht nur mit finanziellen Schwierigkeiten, sondern auch mit gesellschaftlicher Ächtung zu kämpfen. Zur Ächtung und Unterdrückung aufgrund der Differenzen zu einer modernen Lebensweise siehe auch KRANEWITTER, S. 450.
[5] CHO, Hung-youn: Koreanischer Schamanismus. Eine Einführung. Hamburg 1982. S. 21. Es ist für einen Novizen unabdingbar, eine Initiationszeremonie zu „durchlaufen“, um schließlich Schamane sein zu können.
[6] ELIADE, S. 43. In Verbindung mit solchen Krankheitserscheinungen können ebenfalls pathogene Träume, Trancezustände oder Ekstasen u. Ä. auftreten.
[7] CHO: Koreanischer Schamanismus, S. 22. ELIADE, S. 45.
[8] CHO: Koreanischer Schamanismus, S. 22-24. In den visuellen Erscheinungen erhalten die Novizen Anweisungen der Götter, die sie zum Beispiel zu verborgenen Schamanengeräten hinleiten, welche dann entweder in unmittelbarer Folge der ersten religiösen Erfahrung oder später in der Zeremonie vom Novizen gefunden werden. Hierzu siehe auch drei Fallbeispiele.
[9] DEHN, S. 102. Zusammenfassende Beschreibung der „Herkunftsmöglichkeiten“ mit Bezug auf Frits VOS: Die Religionen Koreas, Stuttgart 1977. Dieser schließt sich ELIADE an, siehe hierzu S. 22, 24.
[10] ELIADE, S. 43-76. Darstellung von Initiationskrankheiten und ihrer Parallelen in Sibirien, Zentralasien, Australien, Südamerika, Amerika, Afrika, Indonesien und auf Grönland.
[11] CHO: Mudang, S. 59. Siehe auch Cho: Koreanischer Schamanismus, S. 28/29.
[12] CHO: Mudang, S. 59.
[13] CHO: Koreanischer Schamanismus, S. 25.
[14] CHO: Koreanischer Schamanismus, S. 24. Hier wird die Entstehung einer solchen Beziehung von „Gotteseltern-Gotteskinder[n]“ beschrieben.
[15] Ebd.
- Arbeit zitieren
- Sophie Erichsen (Autor:in), 2013, Die individuelle und kollektive Perzeption der Initiationszeremonie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382037
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