1. EINLEITUNG
Das Statistische Bundesamt in Deutschland weist für den Monat Dezember 2004 mit 10,8% die höchste Arbeitslosenquote seit neun Monaten aus.(1) Absolut betrachtet handelt es sich um beängstigende 4,46 Millionen Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, die keine bezahlte Vollzeitbeschäftigung vorweisen können.(2) Paradoxerweise existieren für denselben Berichtszeitraum aber 225.400 der Bundesagentur für Arbeit (BfA) gemeldete offene Stellen.(3) Berücksichtigt man, dass Schätzungen zufolge nur ca. 34%(4) bzw. 40% der tatsächlich offenen Stellen der BfA gemeldet werden(5) , wären theoretisch mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze schlicht unbesetzt. Worin liegen die Gründe für diesen so genannten „Mismatch“? Welche Erklärungsansätze und Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Aufbauend auf den klassischen Formen der Arbeitslosigkeit versucht die vorliegende Arbeit zunächst die Begrifflichkeit und die Erscheinungsformen der Mismatch-Arbeitslosigkeit aufzuzeigen, bevor empirische Ergebnisse den deutschen Arbeitsmarkt betreffend präsentiert werden. Die Punkte 4.2 und 4.3 stellen verschiedene Lösungsansätze dar, insbesondere die Änderungen durch die so genannten „Hartz-Gesetze“, deren vierte Stufe am 01.01.2005 in Kraft getreten ist.
Da die Mismatch-Problematik kein bundesdeutsches Phänomen ist, zeigt Punkt 5 exemplarisch die europäische Relevanz auf, bevor Punkt 6 die wesentlichen Inhalte knapp zusammenfasst.
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(1) Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): „Arbeitslosenquote Deutschland“, http://www.destatis.de/indicators/d/arb210ad.htm (04.01.05).
(2) Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): „Arbeitsmarkt Deutschland“, http://www.destatis.de/indicators/d/arb110ad.htm (04.01.05).
(3) Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): „Arbeitsmarkt Deutschland, Offene Stellen“ http://www.destatis.de/indicators/d/tkarb830.htm (04.01.05).
(4) Vgl. Klös, Hans-Peter: „Qualifikatorischer Mismatch – Erfahrungen aus Unternehmen“ in Steiner, Viktor/ Wolff, Heimfrid (Hrsg.): „Mismatch am Arbeitsmarkt – Was leistet die Arbeitsmarktpolitik?“, S. 34.
(5) Vgl. Entorf, Horst: „Erscheinungsformen und Erklärung von Mismatch am Arbeitsmarkt: Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Arbeitsmarktpolitik“ in Steiner, Viktor/ Wolff, Heimfrid (Hrsg.): „Mismatch am Arbeitsmarkt – Was leistet die Arbeitsmarktpolitik?“, S. 12.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Formen der Arbeitslosigkeit
2.1. Friktionelle Arbeitslosigkeit
2.2. Saisonale Arbeitslosigkeit
2.3. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit
2.4. Strukturelle Arbeitslosigkeit
3. Mismatch-Arbeitslosigkeit
3.1. Erscheinungsformen
3.1.1 Qualifikationsspezifischer Mismatch
3.1.2 Regionaler Mismatch
3.1.3 Lohnbedingter bzw. motivatorischer Mismatch
3.1.4 Informationsdefizite
3.2. Graphische Darstellung anhand der „Beveridge-Kurve“
4. Mismatch Auf dem deutschen Arbeitsmarkt
4.1. Empirische Beobachtungen
4.2. Lösungsansätze
4.3. Aktueller Bezug – „Hartz-Gesetze“
5. Europäische Relevanz
6. Schlussbemerkung
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Graphische Darstellung der Beveridge-Kurve
Abb. 2: Rechtsverschiebung der Beveridge-Kurve
Abb. 3: Vakanzquote und Arbeitslosenquote in Deutschland (Dezember 2004)
Abb. 4: Beveridge-Kurve der Niederlande (1960-1999)
Abb. 5: Beveridge-Kurve Dänemarks (1970-1999)
Abb. 6: Beveridge-Kurve Frankreichs (1970-1999)
1. Einleitung
Das Statistische Bundesamt in Deutschland weist für den Monat Dezember 2004 mit 10,8% die höchste Arbeitslosenquote seit neun Monaten aus.[1] Absolut betrachtet handelt es sich um beängstigende 4,46 Millionen Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, die keine bezahlte Vollzeitbeschäftigung vorweisen können.[2] Paradoxerweise existieren für denselben Berichtszeitraum aber 225.400 der Bundesagentur für Arbeit (BfA) gemeldete offene Stellen.[3] Berücksichtigt man, dass Schätzungen zufolge nur ca. 34%[4] bzw. 40% der tatsächlich offenen Stellen der BfA gemeldet werden[5], wären theoretisch mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze schlicht unbesetzt. Worin liegen die Gründe für diesen so genannten „Mismatch“? Welche Erklärungsansätze und Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Aufbauend auf den klassischen Formen der Arbeitslosigkeit versucht die vorliegende Arbeit zunächst die Begrifflichkeit und die Erscheinungsformen der Mismatch-Arbeitslosigkeit aufzuzeigen, bevor empirische Ergebnisse den deutschen Arbeitsmarkt betreffend präsentiert werden. Die Punkte 4.2 und 4.3 stellen verschiedene Lösungsansätze dar, insbesondere die Änderungen durch die so genannten „Hartz-Gesetze“, deren vierte Stufe am 01.01.2005 in Kraft getreten ist.
Da die Mismatch-Problematik kein bundesdeutsches Phänomen ist, zeigt Punkt 5 exemplarisch die europäische Relevanz auf, bevor Punkt 6 die wesentlichen Inhalte knapp zusammenfasst.
2. Formen der Arb eitslosigkeit
Das Konzept der Mismatch-Arbeitslosigkeit versucht, das Phänomen einer besonderen Art der Arbeitslosigkeit, nämlich das der strukturellen Arbeitslosigkeit, zu erklären. Neben der strukturellen Arbeitslosigkeit unterscheidet man drei weitere Typen, die zunächst kurz voneinander abgegrenzt werden.
2.1. Friktionelle Arbeitslosigkeit
Dieser Typ der Arbeitslosigkeit charakterisiert die Zeitspanne zwischen der Aufgabe einer alten Beschäftigung (z.B. Kündigung) und dem Beginn einer neuen Tätigkeit – vorausgesetzt, diese gehen nicht nahtlos ineinander über[6]. Sie kann sowohl durch das Verhalten des Arbeitnehmers, der einen neuen Arbeitsplatz sucht und deswegen kündigt, als auch durch Veränderungen auf der Nachfragerseite (z.B. Konkurse oder Verzögerungen bei der Stellenbesetzung) hervorgerufen werden. Aufgrund ihres Übergangcharakters ist sie meist von kurzer Dauer und wird in der Regel nicht als besonders gravierendes arbeitsmarktpolitisches Problem angesehen.[7]
2.2. Saisonale Arbeitslosigkeit
Diese Form der Arbeitslosigkeit entsteht vornehmlich aufgrund jahreszeitlich schwankender natürlicher oder ökonomischer Nachfrage- oder Angebotsbedingungen in einzelnen Sektoren einer Volkswirtschaft.[8] Klassische Beispiele hierzu liefern Branchen mit „starken Klimaeinflüssen“[9] wie Landwirtschaft, das Baugewerbe sowie die Tourismusbranche. Saisonale Arbeitslosigkeit ist nicht immer eindeutig von der friktionellen zu trennen, dauert in der Regel jedoch länger an.[10] Durch gezielte Maßnahmen wie beispielsweise das „Schlechtwetter-Geld“ in der Baubranche versucht man, dieser Problematik abzuhelfen bzw. sie abzumildern.
2.3. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit
Als Ursachen für die konjunkturelle Arbeitslosigkeit gelten „konjunkturelle Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Produktion“[11], die sich darin äußern, dass im Verhältnis zu den vorhandenen Produktionsmöglichkeiten eine nur unzureichende güterwirtschaftliche Gesamtnachfrage besteht. Die generelle Unterauslastung von Kapazitäten und wirtschaftliche Rezession führen (unweigerlich) zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Betätigung[12] bzw. zu einem tendenziell spiegelbildlichen Verlauf der Arbeitslosigkeit.[13]
2.4. Strukturelle Arbeitslosigkeit
Strukturelle Arbeitslosigkeit beruht (prinzipiell) auf Merkmalsdifferenzen zwischen Arbeitsnachfrage einerseits und Arbeitsangebot andererseits.[14] Sie gilt als arbeitsmarktpolitisches Problem, da die beiderseitige Anpassungsfähigkeit von Betrieben und Arbeitskräften beschränkt ist. Dieses Phänomen führt in der Regel zu längerfristiger Arbeitslosigkeit. Schätzungen zufolge sind ca. 75% der Arbeitslosen diesem Typus zuzuordnen.[15] Das Konzept der Mismatch-Arbeitslosigkeit versucht im Besonderen, diese Erscheinungsform zu erläutern.
3. Mismatch-Arbeitslosigkeit
Der Ausdruck „Mismatch“ ist sozusagen die Verneinung des Wortes „match“. Ein „match“ bezeichnet das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses, betrachtet also das erfolgreiche Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Dieser „match“ gestaltet sich umso schwieriger, je größer die Unterschiede hinsichtlich der Eigenschaften einer zu besetzenden Stelle und dem jeweiligen Bewerber sind.[16]
„Mismatch“ bezeichnet folglich die gleichzeitige Existenz von Arbeitslosigkeit und freien Stellen[17], die darauf zurückzuführen ist, dass Arbeitskräftenachfrage und –angebot inhomogen bezüglich angebotener und nachgefragter Eigenschaften sind. Im Folgenden soll aufgeführt werden, welche Erscheinungsformen diesbezüglich unterschieden werden.
3.1. Erscheinungsformen
3.1.1 Qualifikationsspezifischer Mismatch
Ein solcher Mismatch liegt vor, wenn die Qualifikationsanforderungen der vakanten Arbeitsplätze und das qualitative Profil der Arbeitslosen nicht deckungsgleich sind.[18] Die Arbeitssuchenden sind in diesem Fall zu wenig qualifiziert für die Stellen, die auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden. Ein Grund dafür ist unter anderem die Tatsache, dass nicht zuletzt im Zuge der De-Industrialisierung die Ansprüche der Unternehmen an die Ausbildung und an das Know-how ihrer Mitarbeiter kontinuierlich gestiegen sind. Folglich ergibt sich ein Dilemma auf dem Arbeitsmarkt, welches sich in einer verringerten Zahl an Jobs für Ungelernte und Geringqualifizierte niederschlägt: trotz fast 4,5 Millionen Arbeitsloser werden gut ausgebildete Fachkräfte händeringend gesucht. Arbeitslose ohne Berufsausbildung entsprechen diesem Profil nur unzureichend bzw. überhaupt nicht. Vor Jahren verdeutlichte die Diskussion um die „Greencard“ eine solche Problematik in Deutschland: Trotz eines offensichtlichen Bedarfs an IT-Fachkräften verwiesen die Gegner darauf, dass es eine große Zahl arbeitslos gemeldeter Computerspezialisten gebe. In der Realität waren aber deren Bewerberprofile schlicht „falsch“ oder veraltet. Entorf charakterisierte diesen Missstand mit der nüchternen Aussage, dass „nicht jeder, der BASIC oder früher COBOL programmiert hat, ein gesuchter IT-Spezialist“[19] sei.
3.1.2 Regionaler Mismatch
Ein regionaler Mismatch liegt vor, wenn Sucher und Firmen in unterschiedlichen Regionen beheimatet und immobil sind, wenn also beispielsweise ein Arbeitsloser nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, für eine Beschäftigung den Wohnort zu wechseln.[20] Gründe hierfür können familiäre Bindungen sein oder schlicht die Kosten und Mühen, die mit einem Umzug zwangsläufig einhergehen. Man spricht in diesem Zusammenhang von zu hohen Mobilitätskosten[21] - „zu hoch verglichen mit den erwarteten Erträgen und mit den Kosten der Alternativsituation Arbeitslosigkeit“.[22]
[...]
[1] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): „Arbeitslosenquote Deutschland“, http://www.destatis.de/indicators/d/arb210ad.htm (04.01.05).
[2] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): „Arbeitsmarkt Deutschland“, http://www.destatis.de/indicators/d/arb110ad.htm (04.01.05).
[3] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): „Arbeitsmarkt Deutschland, Offene Stellen“ http://www.destatis.de/indicators/d/tkarb830.htm (04.01.05).
[4] Vgl. Klös, Hans-Peter: „Qualifikatorischer Mismatch – Erfahrungen aus Unternehmen“ in Steiner, Viktor/ Wolff, Heimfrid (Hrsg.): „Mismatch am Arbeitsmarkt – Was leistet die Arbeitsmarktpolitik?“, S. 34.
[5] Vgl. Entorf, Horst: „Erscheinungsformen und Erklärung von Mismatch am Arbeitsmarkt: Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Arbeitsmarktpolitik“ in Steiner, Viktor/ Wolff, Heimfrid (Hrsg.): „Mismatch am Arbeitsmarkt – Was leistet die Arbeitsmarktpolitik?“, S. 12.
[6] Vgl. Franck, Michael: „Mismatch-Arbeitslosigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ in: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Heft 1 (2003), Jg. 47, S. 42-55, S. 43.
[7] Vgl. Wagner, Joachim: „Strukturelle Komponenten der Arbeitslosigkeit“ in: Ökonomie und Gesellschaft, Jahrbuch 15: Unternehmungsverhalten und Arbeitslosigkeit“, S. 217.
[8] Vgl. ebenda, S. 218.
[9] Hardes, Heinz-Dieter / Schmitz, Frieder / Uhly, Alexandra: „Grundzüge der Volkswirtschaftslehre“ (2002), S. 330.
[10] Vgl. Wagner, Joachim: „Strukturelle Komponenten der Arbeitslosigkeit“ in: Ökonomie und Gesellschaft, Jahrbuch 15: Unternehmungsverhalten und Arbeitslosigkeit“, S. 218.
[11] Hardes, Heinz-Dieter / Schmitz, Frieder / Uhly, Alexandra: „Grundzüge der Volkswirtschaftslehre“ (2002), S. 331.
[12] Vgl. ebenda, S. 331.
[13] Vgl. Franck, Michael: „Mismatch-Arbeitslosigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ in: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Heft 1 (2003), Jg. 47, S. 42-55, S. 43.
[14] Vgl. ebenda.
[15] Vgl. Wagner, Joachim: „Strukturelle Komponenten der Arbeitslosigkeit“ in: Ökonomie und Gesellschaft, Jahrbuch 15: Unternehmungsverhalten und Arbeitslosigkeit“, S. 219.
[16] Vgl. Ochsen, Carsten: „Zur Bedeutung von Arbeitsnachfrage und Mismatch für die Arbeitslosigkeit Westedeutschlands“ (2004), S. 62.
[17] Vgl. Berthold, Norbert / Fricke, Holger: „New Economy und Mismatch-Arbeitslosigkeit“ in: Das Wirtschaftsstudium, Heft 10 (2002), S. 546-553, S. 547.
[18] Vgl. Christensen, Björn (Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung): „Mismatch-Arbeitslosigkeit unter Geringqualifizierten“, http://doku.iab.de/mittab/2001/2001_4_MittAB_Christensen.pdf (14.11.04).
[19] Entorf, Horst: „Erscheinungsformen und Erklärung von Mismatch am Arbeitsmarkt: Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Arbeitsmarktpolitik“ in Steiner, Viktor/ Wolff, Heimfrid (Hrsg.): „Mismatch am Arbeitsmarkt – Was leistet die Arbeitsmarktpolitik?“, S. 12.
[20] Vgl. Berthold, Norbert / Fricke, Holger: „New Economy und Mismatch-Arbeitslosigkeit“ in: Das Wirtschaftsstudium, Heft 10 (2002), S. 546-553, S. 547.
[21] Vgl. Wagner, Joachim: „Strukturelle Komponenten der Arbeitslosigkeit“ in: Ökonomie und Gesellschaft, Jahrbuch 15: Unternehmungsverhalten und Arbeitslosigkeit“, S. 220.
[22] Ebenda.
- Citar trabajo
- Michael Wilhelmi (Autor), 2005, Mismatch-Arbeitslosigkeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38152
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