Geschichtlich betrachtet hat die Erwerbsarbeit in den westlichen Industrieländern immer eine große Rolle gespielt und auch heute noch definieren sich Menschen über ihre Arbeit. Der schnelle technische und demographische Wandel sind gegenwärtig zwei der stärksten Einflussfaktoren auf die Arbeitswelt. Eine der größten Herausforderungen ist dabei die Zunahme pflegebedürftiger Menschen und damit einhergehend die Notwendigkeit von kompetenten Pflegekräften.
Die Autorin Laetitia Wittmann beschäftigt sich in ihrem Buch aus aktuellem Anlass mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM), das die Mitarbeitergesundheit effektiv fördern soll. Sie geht dabei insbesondere auf die Situation der Pflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen für Menschen mit Demenz ein, da dort die physischen und psychischen Belastungen für die Pfleger enorm hoch sind. Ergänzend zu ihrer Analyse führt sie ein Experteninterview, um mögliche praxisnahe Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.
Wie wird die Veränderung der Altersstruktur die Arbeitswelt in Deutschland in den nächsten Jahren prägen und welche Konsequenzen wird diese Veränderung insbesondere für Pflegekräfte haben?
Aus dem Inhalt:
Pflegekraft;
Pflegebedürftige;
Altenpflege;
Gesundheitsmanagement;
Mitarbeitergesundheit;
Demographischer Wandel.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Methodik
2.1 Literaturrecherche
2.2 Experteninterview
3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Relevante Begriffsdefinitionen
3.2 Entwicklungen des Arbeitsschutzes in Deutschland
3.3 Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie
3.4 Betriebliches Gesundheitsmanagement
4 Betriebliches Gesundheitsmanagement in der stationären Pflege
4.1 Studie: BGM in der Altenpflege
4.2 Arbeitsbelastungen der Pflegekräfte in der stationären Pflege
4.3 Ressourcen der Pflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen
4.4 Umsetzung des BGM in der stationären Pflege
5 Betriebliches Gesundheitsmanagement im Demenz Zentrum XY
5.1 Hintergründe zum Betrieb
5.2 Auswertung des Experteninterviews
6 Schlussbetrachtung
Anhang
Anhang 1: Interviewleitfaden
Anhang 2: Darstellung des Ganzheitlichen Betrieblichen Gesundheitsmanagements
Anhang 3: Modell der Salutogenese von Antonovsky
Anhang 4: Soziodemographische Merkmale der Stichprobe
Anhang 5: Stichprobenzusammensetzung, Operationalisierung der Variablen
Anhang 6: Organigramm Pflegeeinrichtung XY
Anhang 7: Rechner Fehlzeiten Quote Pflege
Anhang 8: Experteninterview mit Einrichtungsleiter D. K. vom
Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit „Betriebliches Gesundheitsmanagement in der stationären Pflege – die Rolle von Verhaltens- und Verhältnisprävention am Beispiel des Demenz Zentrums XY“ beschäftigt sich einleitend mit dem demographischen Wandel und den daraus entstehenden Schwierigkeiten für die Gesellschaft. Im Besonderen wird die Problematik des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen und der zunehmenden Pflegebedürftigkeit angesprochen. Daraus ergibt sich, dass mehr in die Gesundheit der bestehenden Mitarbeiter investiert werden muss. Die Bachelorthesis erläutert mithilfe einer gezielten Literaturrecherche das Konzept des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) allgemein und erklärt im Näheren die Anwendung und Schwierigkeiten der Umsetzung in stationären Pflegeeinrichtungen.
Durch das Experteninterview mit Herr K., Einrichtungsleiter des Demenz Zentrums XY, wird deutlich, dass das BGM dort noch nicht wirklich implementiert ist. Deshalb ist die Schlussbetrachtung als Vergleich zwischen dem theoretischen Konzept des BGM und der tatsächlichen Umsetzung in der stationären Pflegeeinrichtung gestaltet. Hierbei wird abschließend festgestellt, dass die Umsetzung des Konzeptes noch Herausforderungen birgt. Wie Herr K. erwähnt, weist es Handlungsbedarf im Bereich der einheitlichen Umsetzung und der langfristigen Mitarbeitermotivation auf.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Ältere Menschen am Arbeitsmarkt: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2016
Abbildung 2 Steigende Beschäftigung in den Gesundheitsberufen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2011
Abbildung 3 Anzahl der Demenzerkrankten bis 2050: Statistisches Bundesamt, 2012
Abbildung 4 Anteile der zehn wichtigsten Krankheitsarten an den AU-Tagen: DAK-Gesundheit, 2015.
Abbildung 5 Arbeitsbelastungen bei Altenpflegern, Berger et al., 2003
Abbildung 6 Ressourcen bei Altenpflegern, Berger et al., 2003
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Recherchestrategieplan, eigene Darstellung
Tabelle 2 Einflüsse auf die Häufigkeit der Nutzung der Angebote des BGM: Dietrich et al., 2014.
1 Einleitung
Geschichtlich betrachtet hat die Arbeit in den westlichen Industrieländern immer eine große Rolle gespielt, wobei sich Bedeutung und Funktion mehrmals grundlegend geändert haben. Die Menschen definieren sich in Bezug auf ihre Arbeit und schaffen gesellschaftliche Normalität, Positionen und Hierarchien. Die Überzeugung, dass Arbeit nicht krankmachen soll, ist historisch gesehen relativ neu. Sie entstand parallel zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert und diente sowohl der Sicherung der Arbeitskräfte und auch der Herstellung eines gewissen sozialen Friedens. Auch aktuell finden in der Arbeitswelt tiefgreifende Veränderungsprozesse statt – der schnelle technische und der demographische Wandel sind nur zwei Beispiele hiervon.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung betont auf seiner Homepage, dass kaum eine Entwicklung Deutschland die nächsten Jahre so prägen wird wie die Veränderungen der Altersstruktur. Aufgrund sinkender Geburtenraten und steigender Lebenserwartung wird die Gesellschaft und somit auch der Anteil der Menschen am Arbeitsmarkt immer älter. Nach den Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes werden im Jahr 2023 knapp 13 Millionen Menschen zwischen 55 und unter 65 Jahre sein (Bundesagentur für Arbeit, 2017). Wie Abbildung 1 zeigt, hat sich die Erwerbstätigenquote stark verändert. Lag 2005 die Zahl der 55 bis unter 60-Jährigen noch bei 63,3%, so stieg sie innerhalb von zehn Jahren auf 77,2%. Die Arbeitswelt wird sich durch den demographischen Wandel verändern, und Betriebe müssen sich darauf einstellen, dass immer mehr ältere Personen beschäftigt sein werden. Die als „diversity“ bezeichnete Entwicklung, dass immer mehr Menschen mit verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen zusammenarbeiten, stellt Betriebe vor neue Herausforderungen; auch was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, berufliche Weiterqualifizierungen oder zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung betrifft (Au, Sohn (Hrsg.), 2017).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Ältere Menschen am Arbeitsmarkt: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2016
Eine ebenso große Herausforderung stellt die Zunahme der Pflegebedürftigen dar. Die Bundesagentur für Arbeit prognostiziert, dass für das Jahr 2030 der Anteil der Bevölkerung auf 3,4 Mio. Pflegebedürftige steigt und diese demnach 4,4 % der Gesamtbevölkerung in Deutschland betragen (Bundesagentur für Arbeit, 2011). Demnach wird mit einem zusätzlichen Pflegekräftebedarf von ca. 325.000 Vollzeitkräften in der Altenpflege gerechnet (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, 2011).
Die Beschäftigungsentwicklung verzeichnet im Gesundheitssektor ein deutliches Plus. Im Jahr 2010 waren 21% mehr in sozialversicherungspflichtigen Gesundheitsberufen beschäftigt als noch zehn Jahre zuvor.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Steigende Beschäftigung in den Gesundheitsberufen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2011
Doch auch in diesem Sektor schlägt sich der demographische Wandel nieder. Im Jahr 2004 war noch jede sechste Arbeitskraft jünger als 25; sechs Jahre später war es nur noch jede siebte. Im Gegenzug dazu stieg der Anteil der älteren Arbeitskräfte an. Über 400.000 Arbeitskräfte sind im Alter von 45 – 49 Jahren, welches einen Anstieg von 62% bedeutet. Laut Bundesagentur für Arbeit lässt sich der Zuwachs u.a. durch die gestiegene Berufstätigkeit von Frauen erklären (Bundesagentur für Arbeit, 2011).
Doch der demographische Wandel ist nicht für alles verantwortlich. Die Gefahr der Demografisierung ist gerade in Gesundheitsberufen enorm hoch. Schwierigkeiten im Pflegeberuf können z.B. auch der Unterbesetzung, den Arbeitsbedingungen (v.a. Schichtarbeit und psychische Herausforderungen) oder den mangelnden Kompetenzen der Managementebene geschuldet sein (DAK-Gesundheit, 2015).
Dass es immer mehr Menschen mit Demenz geben wird und somit die psychische Belastung für die Pflegenden immer größer wird, zeigt unter anderem der Pflege-Report 2015 der DAK und das Statistische Bundesamt. Grundsätzlich geht aus den Daten hervor, dass die Anzahl der Betroffenen im Jahr 2050 auf über 2,5 Millionen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Anzahl der Demenzerkrankten bis 2050: Statistisches Bundesamt, 2012
geschätzt wird (Statistisches Bundesamt, 2012). Zeitgleich stieg auch die Zahl der Erkrankten im Gesundheitswesen. Der DAK-Gesundheitsreport 2015 zeigt auf, dass der Krankenstand im Gesundheitswesen die letzten 15 Jahre von 3,9% auf 4,5% angestiegen ist. Damit übersteigt diese Branche den Durchschnittswert von 3,8% (DAK-Gesundheitsreport, 2015). Wesentlich ist, dass Pflegende überdurchschnittlich stark von Krankheiten wie Muskel-Skelett-Erkrankungen (21,5% der Erkrankungstage) und auch psychischen Erkrankungen (14,6% der Erkrankungstage) betroffen sind (DAK-Gesundheit, 2015).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Anteile der zehn wichtigsten Krankheitsarten an den AU-Tagen: DAK-Gesundheit, 2015.
Beide Erkrankungsarten stehen stark im Zusammenhang mit den spezifischen Belastungen der Pflegetätigkeit, die sich durch geeignete betriebliche Präventionsmaßnahmen reduzieren lassen können.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement, welches eine anerkannte Maßnahme ist, die Mitarbeitergesundheit zu fördern. Aufgrund der überdurchschnittlich hohen Anzahl an Fehlzeiten und den extrem hohen psychischen und physischen Belastungen ist es sinnvoll, am Beispiel einer stationären Pflegeeinrichtung für demenziell erkrankte Menschen zu sehen, wie das BGM angewandt wird. Hierfür dient das Demenz Zentrum XY welches sich auf demente und psychisch erkrankte Bewohner spezialisiert hat. Inwieweit das BGM dort umgesetzt wird, ist in Kapitel 5 erläutert.
2 Methodik
Folgendes Kapitel erläutert die ausgewählten Methoden, die zur Bearbeitung des oben genannten Forschungsfeldes relevant sind. Die vorliegende Bachelorarbeit ist keine reine Literaturanalyse, sondern zeigt durch das Experteninterview mit Einrichtungsleiter K. auch eine explorative Forschungsmethode auf. Genauer werden beim Abschnitt „Literaturrecherche“ die Punkte „Suchstrategie“ und „Auswahlkriterien“ betrachtet. Beim Kapitel „Experteninterview“ wird das Augenmerk vor allem auf das Erhebungsinstrument, den Interviewleitfaden und die Expertenauswahl gelegt.
2.1 Literaturrecherche
Zur Bearbeitung der vorliegenden Thematik erscheint zunächst eine Analyse der existierenden Fachliteratur als geeignete Methode, um einen theoretischen Überblick des Forschungsfeldes zu erhalten. Die Analyse dient der Systematisierung und Bewertung der Literatur und soll helfen, Themen zu identifizieren, welche einer genaueren Betrachtung bedürfen. Hierbei ist die Analyse aber mehr als eine reine Zusammenfassung schon erschienener Literatur. Die Forschungsmethode ist eine solide Grundlage, mit welcher es möglich ist, die bereits existierenden Erkenntnisse darzulegen und im Nachhinein aufzuzeigen, welche Forschungsbereiche noch intensiver untersucht werden sollen (Webster, Watson, 2002).
2.1.1 Suchstrategie
In der vorliegenden Arbeit wurde ein strukturierter Suchprozess durchgeführt, um relevante Literatur für die Analyse der zu behandelnden Thematik zu gewinnen. Über die Literatur- und Internetrecherche sollen Bücher, Zeitschriftenartikel und Aufsätze ermittelt werden, welche sich mit dem Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ befassen. Hierbei erfolgte eine systematische Suche in den Datenbanken „Google Scholar,“, “EZB“ „Pub Med“, dem Bundesamt für Statistik, dem „Online Public Access Catalogue“ (OPAC) der Bayerischen Staatsbibliothek und dem OPAC der Technischen Universität München. Die Stichwörter für die Datenbanksuche wurden im Vorhinein nur vereinzelt festgelegt und intuitiv entwickelt. Auch wurde der Suchprozess dokumentiert. In nachstehender Tabelle wird festgehalten, welche Suchparameter, Aspekte und Synonyme miteinander verknüpft wurden. Dies macht eventuelle Nachforschungen oder Fragen nachvollziehbarer.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 Recherchestrategieplan, eigene Darstellung
Verschiedene Firmen- und Wirtschaftsinformationen wurden z.B. den Internetauftritten der verschiedenen Krankenkassen entnommen. Alle Informationen bzgl. der Arbeiterwohlfahrt e.V. wurden der Internetseite des AWO-Verbandes entnommen oder entstammen dem Vorwissen der Verfasserin. Auch staatliche Quellen wie beispielsweise das Bundesamt für Statistik wurden in Betracht gezogen.
2.1.2 Auswahlkriterien und Stichwörter
Ein Kriterium bei der Literatursuche in oben genannten Datenbanken war der Veröffentlichungszeitpunkt. Es wurde Literatur gesucht, bei welcher das Erscheinungsjahr nicht länger als zehn bzw. zwölf Jahre zurückliegt. Der räumlich geographische Fokus wurde insbesondere auf Deutschland gelegt. Ebenso miteinbezogen wurden Länder der Europäischen Union, da diese in europäische Präventionsstrategien einbezogen sind. Trotzdem erfolgte eine Einschränkung dahingehend, dass bei der Literatur erkennbar sein musste, ob Deutschland in die Untersuchungen miteinbezogen war oder das Ergebnis auch für Deutschland verallgemeinerbar ist. Die Sprache wurde auf Deutsch und Englisch beschränkt, als Medium wurden Hausarbeiten und sonstige „graue Literatur“ nicht berücksichtigt. Bei der ersten Einschätzung der gefundenen Internetquellen waren vor allem allgemeine Merkmale wichtig. Hierbei wurde auf die Darstellung des Artikels, Angaben zu Autoren oder Impressum und auf Referenzen bzw. auf ein Literaturverzeichnis geachtet. Bei „näherem Hinsehen“ war vor allem bei Büchern relevant, ob das Abstract oder die Inhaltsangabe zum Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ und „Verhaltens- und Verhältnisprävention“ passt und auch „stationäre Pflegeeinrichtung“ eine Rolle spielt.
Folgende Suchbegriffe wurden für die Recherche nach Publikationen zum Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement in stationären Pflegeeinrichtungen“ verwendet:Betriebliches Gesundheitsmanagement, Betriebliches Gesundheitsmanagement in stationären Pflegeeinrichtungen, Verhaltens- und Verhältnisprävention, Fehlzeitenreport, Health care Management, Bernhard Badura, Gesundheitsmanagement in der Geriatrie, Geriatrie, Schichtarbeit macht krank, Führung in Gesundheitsbetrieben.
Zusätzlich wurden für den Methodenteil folgende Suchbegriffe eingegeben:Experteninterview, Qualitative Sozialforschung, Experteninterview in der Forschung, empirische Sozialforschung, systematische Literaturanalyse, Literaturübersicht in der empirischen Sozialforschung,Methodik wissenschaftlichen Arbeitens.
2.1.3 Literaturauswahl
Die Suche in oben genannten Datenbanken und Internetauftritten führte zur Ermittlung von ca. 25 thematisch relevanten Publikationen zum Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement in stationären Pflegeeinrichtungen“ und „Verhaltens- und Verhältnisprävention und zu ca. 20 bedeutsamen Veröffentlichungen für den Methodenteil. Um die wissenschaftliche Relevanz der einzelnen Bücher und Artikel einschätzen zu können, wurden oben genannte Auswahlkriterien genutzt und die gefundene Literatur „angelesen“ bzw. „quergelesen“. Das Inhaltsverzeichnis und das Literaturverzeichnis der jeweiligen Lektüre wurde auf relevante Themen durchgearbeitet.
2.2 Experteninterview
Grundlegend werden in der empirischen Forschung zwei Möglichkeiten unterschieden, um zu einem Erkenntnisgewinn zu gelangen. Bei der quantitativen Methode handelt es sich um eine Vorgehensweise, welche mit mathematischen Analyseinstrumenten auf Grundlage des hypothetischen Realismus versucht, die objektive Realität genau zu Erkennen. Zum anderen spricht man von der qualitativen Methode. Diese Art der Datenerhebung ist eine nicht, oder nur wenig standardisierte Methode, wobei die Auswertung mit interpretativ-verstehenden Verfahren erfolgt. Hierbei wird allerdings keine statistische Repräsentativität erreicht, da nur Einzelfälle erfasst werden (Reuber et al., 2013). Im Folgenden wird die methodische Vorgehensweise des Experteninterviews, eine qualitative Datenerhebung, dargestellt. Zunächst wird das Erhebungsinstrument vorgestellt, dann folgen Angaben bzgl. der Erstellung des Interviewleitfadens und zur Expertenauswahl. Anschließend wird das Vorgehen bei der Datenerhebung sowie bei der Datenauswertung beschrieben.
2.2.1 Erhebungsinstrument
Eine Expertenbefragung oder ein Experteninterview ist eine aus der empirischen Sozialforschung entstandene Methode, welche qualitative Daten liefert. Sie dient der „Teilhabe an exklusivem Expertenwissen“ (Bogner et al., 2005), welches für den Forscher normalerweise schwer zugänglich wäre.
Die Datenerhebung der Expertenbefragung erfolgte persönlich in einem Vieraugengespräch als teilstrukturiertes Interview. Charakteristisch ist hierbei, dass es sich quantitativ nicht auswerten lässt. Ebenso ist es an einen Leitfaden gebunden (Bogner et al., 2005). Ein wenig strukturiertes Interview hat unter anderem die Eigenschaft, dass die Gesprächsführung sehr flexibel gestaltet ist. Dies beruht darauf, dass der Befragende einerseits bestimmte Ziele mit den Fragen erreichen will, andererseits aber auch in hohem Maße die Erfahrungsbereiche des Befragten zu erkunden sucht (Atteslander, 2003).
Bei vorliegender Bachelorarbeit lässt sich das Erhebungsinstrument dem systematisierten Experteninterview nach Bogner zuordnen, jedoch sind auch Züge des explorativen Interviews vorhanden (Bogner et al., 2005). Der Interviewleitfaden ist ausdifferenziert, aber es wird keine völlige Informationsgewinnung angestrebt. Der offene Charakter des Gesprächs mit der Möglichkeit, dass der Experte für ihn wichtige Aspekte ansprechen kann, bestätigen dies.
2.2.2 Interviewleitfaden
Die Erstellung des Interviewleitfadens für die vorliegende Arbeit erfolgte in mehreren Schritten. Die Fragestellungen ergaben sich größtenteils aus den Schlussfolgerungen aus dem theoretischen Teil der Arbeit (vgl. Kapitel 3 und 4). Auch ein großes Interesse und die persönliche Anteilnahme durch die langjährige Tätigkeit der Verfasserin in der Einrichtung bereits vor der Erarbeitung des theoretischen Teils bildeten die Basis für die Entwicklung des Interviewleitfadens. Weitere Informationen aus dem E-Mail-Kontakt mit Frau Annalena Ecker, der Gesundheitsmanagerin beim AWO Bezirksverband Oberbayern, halfen bei der Erarbeitung weiterer thematisch relevanter Aspekte.
Die sich ergebenden Fragen aus Schritt eins wurden nun in möglichst neutrale und offene Fragen bearbeitet, um ergebnisoffene Antworten zu erhalten. Der Leitfaden (vgl. Anhang 1) wurde unterteilt in „Einstiegsfragen/Einführungsfragen“, „Fragenblock 1: BGM; Implementierung in der Pflegeeinrichtung XY“, „Fragenblock 2: Verhältnisprävention in der Pflegeeinrichtung XY“, „Fragenblock 3: Verhaltensprävention in der Pflegeeinrichtung XY“, „Fragenblock 4: Weiterführende Fragen“ und „Abschluss/Dank“. Der Interviewleitfaden beinhaltet Fragen, welche der objektiven Beurteilung des Sachverhaltes des Experten dienten. Bei anderen Fragen ging es explizit um die persönliche Meinung des zu Interviewenden oder um Beispiele bzw. Vorschläge von Seiten des Experten.
2.2.3 Expertenauswahl
Vorab ist zu klären, wer als Experte zu betrachten ist. Diesbezüglich sind in der Literatur differenzierte Sichtweisen und Angaben zu finden. Die freie Enzyklopädie Wikipedia bezeichnet einen Experten als Fachmann/Fachfrau, welche ein überdurchschnittlich umfangreiches Wissen auf einem Fachgebiet oder über spezielle Fähigkeiten verfügt (Wikipedia, 2017).
Bogner und Menz (2005) unterscheiden zwischen unterschiedlichen Betrachtungsweisen des Expertenbegriffs. Die voluntaristische Ansicht besagt,„dass jeder Mensch mit besonderen Informationen, Fähigkeiten usw. für die Bewältigung des eigenen Alltagslebens ausgestattet ist, so dass man im weiteren Sinne von einem spezifischen Wissensvorsprung […] sprechen kann“(Bogner, Menz, 2005, S. 40). Bei dieser Sichtweise sind alle Menschen Experten ihres eigenen Lebens. Die konstruktivistische Ansicht unterscheidet laut Bogner und Menz (2005) zwei unterschiedliche Ansätze. Die erste methodisch relationale Perspektive beschreibt das „Expertensein“ als Rolle, die über die Zuschreibung von Seiten der Akteure entsteht. Jene Akteure sind an der Aufklärung bzw. am Fachwissen des Experten interessiert. „Als forschungspraktische Konsequenz ergibt sich […], dass sich innerhalb von Organisationen auch auf niederen Hierarchieebenen erfolgreich nach Experten suchen lässt. Nicht immer […] sind Leitende in repräsentativer Position auch die gesuchten Experten“(Bogner, Menz, 2005, S. 40). Experte nach der sozial-repräsentativen Sichtweise ist jener, der gesellschaftlich zum Experten gemacht wird. „Der Experte lässt sich in dieser Perspektive als Exponent eines einflussreichen „Fachmenschentums“ (Weber 1980:576) beschreiben“(Bogner, Menz, 2005, S. 41).
Sehr einflussreich geworden ist laut Bogner und Menz (2005) die wissenssoziologische Perspektive. Hierbei profiliert sich der Experte über seine spezifische Wissensstruktur. Er handelt mit sicherem und eindeutigem Wissen, welches dem Experten kommunikativ und reflexiv zur Verfügung steht. Laut Bogner und Menz (2005) wurde die Definition von Sprondel spezifiziert. Expertenwissen bezieht sich demnach auf ein Sonderwissen, dass im Gegensatz zu allgemeinem Wissen komplexe Wissensbestände umfasst und auch konstitutiv auf die Ausübung eines Berufes bezogen ist (Bogner, Menz, 2005). Meuser und Nagel (2005) nehmen in ihren Ausführungen Bezug auf diejenigen Experten, welche selbst ein Teil des Handlungsfeldes sind, das den Forschungsgegenstand ausmacht. Ob jemand hierbei als Experte in Frage kommt, ist in erster Linie vom jeweiligen Forschungsinteresse abhängig. Demnach wird als Experte gesehen, wer in irgendeiner Art und Weise Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung trägt und ebenso über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen verfügt (Meuser, Nagel, 2005).
Die Definition von Meuser und Nagel (2005) erscheint als Grundlage für die vorliegende Arbeit plausibel und zielführend.
Im Vorfeld wurde der Einrichtungsleiter des Demenz Zentrums XY per E-Mail angeschrieben, der seit bereits 14 Jahren dort als Heimleitung Tätig ist. Somit verfügt er über einen privilegierten Zugang zu Informationen und durch die langjährige Erfahrung hat der Experte einen besonderen Wissensstand. Zudem ist er als Einrichtungsleiter Teil des Handlungsfeldes, welches den Forschungsgegenstand ausmacht.
2.2.4 Durchführung
Vor dem eigentlichen Interview fand ein Pretest statt. Dieser soll dazu dienen, den Leitfaden zu evaluieren. Der Pretest zeigt auf, ob die Fragen klar verständlich sind, inhaltlich alle notwendigen Themenbereiche abgedeckt werden und Fragen logisch gegliedert sind. Auch für eine grobe zeitliche Einschätzung der Interviewdauer ist der Pretest von Vorteil. Das von Flick empfohlene Interviewtraining, welches vor allem behilflich ist, Interviewfehler zu vermeiden oder einen besseren Umgang mit dem Leitfaden zu haben, wurde nicht durchgeführt (Flick, 2007). Der Test erfolgte mit einer für die vorliegende Arbeit ausgewählten Expertin. Einige Fragen wurden in Folge dessen umstrukturiert bzw. weggelassen. Zusätzlich kamen mehrere weiterführende Fragen hinzu, welche, wie oben genannt, Fragenblock 4 abdecken.
Das Interview fand am 8. August 2017 im Büro des Einrichtungsleiters K. statt. Schon im Vorfeld wurde der Experte mit dem Leitfaden vertraut gemacht und über die Zielsetzung, den Ablauf und die Rahmenbedingungen des Interviews informiert. Auf eine Audioaufnahme während des Interviews wurde verzichtet – stattdessen wurden Notizen von Seiten des Interviewers gemacht. Das Gespräch verlief in einer angenehmen Atmosphäre und dauerte ca. 50 Minuten.
2.2.5 Datenauswertung
Nach Bogner et al. (2005) ist es grundsätzlich problematisch, die Informationen eines Experten als objektiv zu betrachten. Bogner et al. (2005) gehen noch einen Schritt weiter und bezeichnen diese Annahme als naiv. Sie vermerken, dass Experteninterviews einen erhöhten Reflexionsbedarf aufweisen. Bei dem vorliegenden, teilstrukturierten Leitfadeninterview nimmt der Befragte eine größere Rolle ein als z.B. bei einem standardisierten Interview, da er aktiv an der Gestaltung der Gesprächssituation beteiligt ist (Bogner et al., 2005). Dies kann zu Verzerrungseffekten führen, welche ein Indiz für die grundsätzliche Unschärfe von qualitativer Forschungsmethoden sind. Zusätzlich können die Daten nicht quantitativ ausgewertet werden. Somit weisen sie eine begrenzte Reliabilität auf und werden von den Autoren als unreife Vorstufe zum eigentlichen Forschungsprozess bezeichnet (Bogner et al., 2005).
Bei der vorliegenden Bachelorarbeit soll jedoch kein Beweis einer These angestrebt, sondern Expertenwissen über eine spezielle, stationäre Pflegeeinrichtung dargestellt werden. Somit wird auch kein Expertenwissen miteinander verglichen oder anderes Expertenwissen erhoben. Deshalb erscheint der explorative Ansatz des Experteninterviews als ausreichend bzw. als gut geeignet. Die Ergebnispräsentation des Interviews finden Sie in Kapitel 5 der vorliegenden Arbeit.
3 Theoretischer Hintergrund
Die Ergebnisse der systematischen Literaturrecherche zur vorliegenden Thematik werden in folgendem Absatz näher beschrieben. Zuerst werden relevante Begriffsdefinitionen aufgeführt, daraufhin wird auf die Entwicklung des Arbeitsschutzes in Deutschland eingegangen. Auch theoretische und rechtliche Grundlagen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements werden erläutert, wobei im Besonderen das Salutogenese Modell von Antonovsky und das P-S-O Modell von Kastner vorgestellt werden. Auch Ziele und Maßnahmen des BGM werden erläutert – das Augenmerk wird hauptsächlich auf Verhaltens- und Verhältnisprävention gelegt. Abschließend werden die Akteure, die zur Implementierung des Konzeptes beitragen, aufgeführt.
3.1 Relevante Begriffsdefinitionen
Zuerst wird der Gesundheitsbegriff aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, bevor „psychische Belastung und psychische Beanspruchung“ definiert werden. Im Anschluss erfolgt eine konkrete Unterteilung der drei unterschiedlichen Präventionsarten mit jeweiligen Beispielen.
3.1.1 Gesundheit
Der Begriff „Gesundheit“ ist ein historisch und kulturell vielseitiger Begriff, welcher sowohl subjektiv als auch objektiv gesehen werden kann. Es gibt deshalb eine Vielzahl von Definitionen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Der Philosoph Nietzsche beispielsweise definierte den Gesundheitsbegriff sehr subjektiv und sagte:„Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen“(Zurhorst, Gottschalk-Mazouz, 2008). Monika Krohwinkel sah die Begrifflichkeiten aus der pflegewissenschaftlichen Sicht und identifizierte das Wohlbefinden und die Unabhängigkeit als subjektiv empfundene Teile der Gesundheit: Krankheit aber auch Gesundheit sind dynamische Prozesse, die für den Bereich Pflege als Fähigkeiten und Defizite erkennbar sind (Krohwinkel, 1992).
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- Quote paper
- Laetitia Wittmann (Author), 2017, Betriebliches Gesundheitmanagement in stationären Pflegeeinrichtungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381109
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