Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob eine Unternehmensstrafe in das deutsche Strafrecht eingeführt werden kann und sollte. Hierbei erfolgt eine Darstellung des kriminalpolitischen Bedürfnisses bezüglich der Einführung einer solchen Unternehmensstrafe.
Im Anschluss daran folgt eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Einführung einer Unternehmensstrafe unüberwindbare dogmatische Probleme entgegenstehen. Insbesondere findet eine kritische Auseinandersetzung mit den Problemfeldern der Handlungsfähigkeit, Schuldfähigkeit und Straffähigkeit statt. Bei der Beurteilung der Handlungsfähigkeit wird zwischen der eigenen Handlungsfähigkeit der Unternehmen und der Zurechnung der Handlungen von Repräsentanten unterschieden. Im Rahmen der Beurteilung der Schuldfähigkeit von Unternehmen erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Problematik der individuellen Vorwerfbarkeit, der Zurechnung von Schuld zu Verbänden und dem Schuldvorwurf bei Vernachlässigung von Kontrollmechanismen. Die Beurteilung der Straffähigkeit von Unternehmen wird anhand des Kriteriums der Strafempfänglichkeit vorgenommen.
Abschließend wird eine Vereinbarkeit der Unternehmensstrafe mit dem Verbot der Doppelbestrafung untersucht. Zudem wird auf die Frage der Gerechtigkeit einer Unternehmensstrafe, insbesondere die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz „nulla poena sine culpa“, eingegangen.
Gliederung
A. Einleitung
B. Das kriminalpolitische Bedürfnis
I. Kriminalpolitisches Bedürfnis
II. Ausreichende Abdeckung durch bestehende Strukturen
III. Stellungnahme
C. Das dogmatische Problem einer Unternehmensstrafe
I. Mangelnde Handlungsfähigkeit
1. Eigene Handlungsfähigkeit der juristischen Person
a. Traditionelle Lehre
b. Gleichstellung des Unternehmens mit seinen Mitgliedern
c. Stellungnahme
2. Zurechnung der Handlung der Repräsentanten
a. Handlungen eines Repräsentanten
b. Handlungsunfähigkeit von Unternehmen
c. Stellungnahme
II. Mangelnde Schuldfähigkeit
1. Schuld als Ausdruck individueller Vorwerfbarkeit
2. Schuldfähigkeit der Verbände durch Zurechnung der Schuld
3. Schuld durch Vernachlässigung von Kontrollmechanismen
4. Stellungnahme
III. Mangelnde Straffähigkeit
1. Fehlende Strafempfänglichkeit
2. Strafempfänglichkeit juristischer Personen
3. Stellungnahme
IV. Unzulässige Doppelbestrafung durch eine Unternehmensstrafe
1. Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem“
2. Anwendungsbereich des Verbotes der Doppelbestrafung
3. Stellungnahme
V. Ungerechtigkeit der Unternehmensstrafe
1. Verstoß gegen den Grundsatz „nulla poena sine culpa“
2. Vorwurf ausschließlich gegen den Verband
3. Stellungnahme
D. Resümee
A. Einleitung
Die Frage ob eine Unternehmensstrafe eingeführt werden kann und sollte rankt sich vorwiegend um zwei Punkte. Zum einen gilt es festzustellen ob überhaupt ein kriminalpolitisches Bedürfnis für die Einführung besteht. Zum anderen, ob einer Unternehmensstrafe unüberwindbare dogmatische Probleme entgegenstehen.
Was unter dem Begriff der „Unternehmensstrafe“ zu verstehen ist, lässt sich so umreißen, dass es um die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen, juristischen Personen, Verbänden und sonstigen Personenvereinigungen geht, wobei diese rechtsfähig oder nichtrechtsfähiger Art sein können.[1] Vorwiegend dreht sich die Diskussion um die Frage der Strafbarkeit juristischer Personen. Dies ist jedoch auch auf die nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen zu übertragen, so dass es auf die rechtliche Ausgestaltung der Unternehmen nicht ankommt.
B. Das kriminalpolitische Bedürfnis
Die Frage ob ein kriminalpolitisches Bedürfnis für die Einführung einer Unternehmensstrafe besteht, wird unterschiedlich beurteilt.
I. Kriminalpolitisches Bedürfnis
Nach einer Auffassung besteht ein kriminalpolitisches Bedürfnis für die Einführung einer Unternehmensstrafe. Dieses ergebe sich insbesondere aus der wachsenden Bedeutung von Unternehmen in der Wirtschaft, der Gefahr dass die Straffreiheit der Unternehmen durch organisierte Unverantwortlichkeit ausgenutzt werde, sowie der generalpräventiven Aufgabe des Strafrechts.[2]
II. Ausreichende Abdeckung durch bestehende Strukturen
Nach anderer Ansicht besteht ein kriminalpolitisches Bedürfnis zur Einführung einer Unternehmensstrafe nicht. Das bestehende Instrumentarium zur Bekämpfung von Unternehmenskriminalität sei ausreichend. Allein die Tatsache, dass die Einführung von Unternehmensstrafen ein in Europa voranschreitender Trend sei, vermöge noch nicht die Notwendigkeit einer Unternehmensstrafe in Deutschland zu begründen.[3]
III. Stellungnahme
Für die Ansicht, die ein kriminalpolitisches Bedürfnis bejaht, wird vorgetragen, dass das derzeitige Strafrecht als Individualstrafrecht ausgestaltet, dies jedoch im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu eng sei. Das gelte insbesondere dort, wo Beweisschwierigkeiten und Probleme bei der Ermittlung der verantwortlichen Personen entstünden. Im Bereich der Unternehmenskriminalität stelle dies ein besonders schwerwiegendes Problem dar, da sich die verantwortlichen Einzelpersonen hinter undurchschaubaren Unternehmensstrukturen und organisierter Unverantwortlichkeit verbergen können.[4]
Dem wird entgegengehalten, dass das Phänomen einer organisierten Unverantwortlichkeit in Unternehmen nur äußerst selten auftrete. Insofern könne nicht von einer Lücke im Strafsystem ausgegangen werden. Diese seltenen Fälle könnten außer Acht bleiben.[5] Abgesehen davon bestünde schon keine Lücke im Sanktionensystem, da die bestehenden Instrumentarien zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität völlig ausreichend seien. Hierbei wird insbesondere auf die §§ 30, 130 OWiG verwiesen. Bei diesen sei es möglich, ein Unternehmen mit einer Sanktion zu belegen, ohne dass ein Individuum als Täter ermittelt werden muss. Ein Handlungsbedarf bestünde allenfalls im Rahmen des Verwaltungsunrechts, nicht aber im strafrechtlichen Bereich. Die strafrechtliche Sanktionierung sei in den letzten Jahren sowieso immer weiter ausgedehnt worden. Eine Regelung weiterer Bereiche müsse vermieden werden. Es könne nicht Aufgabe des Strafrechts sein, gesellschaftliche Entwicklungen zu lenken.[6] Zudem sei dass Strafrecht schon aus dem Grunde ungeeignet, weil Unternehmen, die auf kriminelle Handlungen angelegt seien, regelmäßig schnell wieder verschwänden, was es notwendig mache, auf die dahinterstehenden Individualtäter zuzugreifen.
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Ordnungswidrigkeitenrecht andere Aufgaben verfolgt als dass Strafrecht. Außerdem hat die strafrechtliche Sanktionierung wesentlich stärkere Auswirkungen als die Belegung mit einer Geldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht. Hinter Ordnungsstrafen steht gerade nicht die sozialethische Missbilligung durch den Gesetzgeber, wie dies bei Straftaten der Fall ist.[7]
Das Strafrecht hat eine generalpräventive Aufgabe. Damit kann durch das Strafrecht darauf hingewirkt werden, dass die Unternehmensstrukturen klarer und übersichtlicher werden. Somit widerspricht es dem Strafrecht nicht grundsätzlich, wenn so auch gesellschaftliche Entwicklungen gelenkt werden.
Zudem liegen im aktuellen Recht die Pflichten ausschließlich beim Individuum, obwohl die Verantwortung der Unternehmen viel größer ist. Dies führt dazu, dass den Individuen fast nicht erfüllbare Pflichten auferlegt werden, um überhaupt zu einer Sanktionierung zu gelangen. Es ist notwendig, die Pflicht zurück auf die Stelle zu verlagern, an der sie eigentlich angesiedelt ist.[8]
Der Beweis einer Lücke im Sanktionensystem ergibt sich zudem schon daraus, dass es empirisch nachgewiesen ist, dass Unternehmensmitarbeiter ein geringeres Sanktionsrisiko tragen. Daraus lässt sich ablesen, dass es Probleme bei der individuellen Zurechnung von Unternehmensdelikten gibt.[9]
Eine weitere Problematik ergibt sich aus der Praxis der Freistellungsklauseln in den Verträgen zwischen Mitarbeitern und Unternehmen. Danach übernehmen Unternehmen regelmäßig die Geldstrafen mit denen verurteilte Mitarbeiter für Unternehmensstraftaten belegt werden. Dies untergräbt die Präventionswirkung des Strafrechts.[10]
Zudem verstößt eine solche Vorgehensweise gegen das Gerechtigkeitsempfinden, denn selbst bei Übernahme der Geldstrafen durch das Unternehmen entsteht diesem ein wirtschaftlicher Vorteil, weil sich die Geldstrafe gem. § 40 StGB an den persönlichen Verhältnissen des Täters orientiert, die regelmäßig hinter denen des Unternehmens zurückbleiben. Das Unternehmen kann den Profit aus der Tat ziehen, das Risiko jedoch auf die Angestellten abwälzen.[11]
Von der Meinung die ein kriminalpolitisches Bedürfnis verneint wird des weiteren eingewandt, dass die Einführung einer Unternehmensstrafe auch dazu führen würde, dass das Prozessrecht in weiten Teilen zu verändern sei. Dies, sollte eine solche Änderung überhaupt nötig sein, vermag aber nichts über ein kriminalpolitisches Bedürfnis auszusagen. Es kann nicht darauf ankommen, ob die Einführung einer Unternehmensstrafe mit Änderungen in anderen Bereichen der Rechtsordnung einhergehen müsste.
Außerdem ist zu beachten, dass dem deutschen Strafrecht eine Sanktionierung von juristischen Personen und Personenverbänden nicht so unbekannt ist, wie von der zweiten Ansicht behauptet.[12] § 75 StGB regelt, dass eine Einziehung auch gegenüber juristischen Personen in Betracht kommt. § 73 III StGB gestattet die Anordnung eines Verfalls gegenüber dem „anderen“ für den der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat. Anderer in diesem Sinne kann auch eine juristische Person sein.[13]
Nach all dem muss der erstgenannten Ansicht gefolgt werden. Ein kriminalpolitisches Bedürfnis für die Einführung einer Unternehmensstrafe liegt auf der Hand.
[...]
[1] Scholz, ZRP 2000, 435
[2] Scholz, ZRP 2000, 435; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 3; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (448); Müller, Stellung Juristischer Personen, S. 16; Krekeler, Unternehmensstrafrecht, S. 664; Ackermann, Strafbarkeit, S. 191
[3] Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, S. 192
[4] Scholz, ZRP 2000, 435 (436); Müller, Stellung juristischer Personen, S. 16; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (448); Krekeler, Unternehmensstrafrecht, S. 664; Ackermann, Strafbarkeit, S. 191
[5] Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, S. 192
[6] Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, S. 192
[7] Müller, Stellung juristischer Personen, S. 16
[8] Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 3; Scholz, ZRP 2000, 435 (436)
[9] Krekeler, Unternehmensstrafrecht, S. 664; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (448)
[10] Eidam, Unternehmen, S. 3; Schall/Schreibaure, NuR 1996, 440 (448)
[11] Pohl-Sichtermann, Geldbußen gegen Verbände, S. 15, 16; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (448); Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 68; Rotberg, Strafe gegen Verbände, S. 220; Hirsch, Straffähigkeit, S. 5
[12] Scholz, ZRP 2000, 435 (437)
[13] Sch/Sch (Eser), § 73 Rn. 35
- Arbeit zitieren
- Jasmin Fischer (Autor:in), 2004, Pro und Contra Einführung einer Unternehmensstrafe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38087
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