Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, den Einfluss der wirtschaftspolitischen Instrumente auf die deutsche Automobilindustrie anhand der jüngsten Wirtschaftskrise zu analysieren. Hauptaugenmerk wird auf die Marktsituation der Automobilindustrie vor und während des Verabschiedens der beiden Konjunkturpakete gerichtet. Somit wird beabsichtigt, den Einfluss der politischen Maßnahmen auf die deutsche Automobilbranche darzustellen und zu analysieren, inwiefern die staatlichen Eingriffe zur Regulation des Automobilmarkts notwendig waren.
Dabei wird auf die Ursachen eingegangen, welche die Krise in der Branche prägten, und die politischen Maßnahmen, die zur Krisenbekämpfung angewendet wurden. Der Fokus liegt hauptsächlich auf den deutschen Herstellern, Vertrags- und Gebrauchtwagenhändler sowie Autowerkstätten. Das Auslandsgeschäft wird nur kurz behandelt, da die Untersuchung einzelner Exportregionen oder der Rolle der Zulieferer zu umfangreich wäre.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Zielsetzung und Eingrenzung der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Entstehung und Steuerung von Wirtschaftskrisen
2.1 Entstehung wirtschaftlicher Schwankungen
2.2 Antizyklische Nachfragesteuerung
2.3 Wirtschaftskrise 2008/
3 Marktsituation vor der Krise
4 Ursachen der Krise im deutschen Automobilmarkt
4.1 Exogene Faktoren
4.1.1 Mobilitätskosten
4.1.2 Erhöhung der Mehrwertsteuer
4.1.3 Kfz-Steuerreform
4.1.4 Kreditklemme
4.1.5 Rückgang der Exporte
4.2 Endogene Faktoren
4.2.1 Kostenstrukturen und Überkapazitäten
4.2.2 Falsche Modellpolitik und verändertes Kaufverhalten
4.2.3 Fusion von Automobilherstellern
5 Politische Maßnahmen
5.1 Konjunkturpaket I
5.1.1 Ausdehnung der Kredite für kleine und mittelständische Unternehmen
5.1.2 Erlassung der Kfz-Steuer
5.1.3 Einführung von Kurzarbeit
5.2 Konjunkturpaket II
5.2.1 Erweiterung der Kreditprogramme und Stärkung größerer Unternehmen
5.2.2 Einführung der Umweltprämie
5.2.3 Umstellung der Kfz-Steuer
5.2.4 Verlängerung der Kurzarbeit
6 Die Auswirkungen der politischen Maßnahmen auf einzelne Automobilsegmente
6.1 Auswirkungen auf die Automobilhersteller und -händler
6.1.1 Marktsituation während der Krise
6.1.2 Auswertung von Geschäftsberichten und wirtschaftlichen Kennzahlen
6.1.3 Auswertung von Verkaufs- und Zulassungszahlen
6.1.4 Auswirkung auf Preispolitik und Wettbewerb
6.1.5 Auswirkung auf die Produktpaletten
6.2 Auswirkungen auf Autoverwerter und Werkstätten
7 Gewinner und Verlierer der wirtschaftspolitischen Instrumente
8 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung im Kostenindex der Verbraucherpreise, Kraftstoffe Deutschland
Abbildung 2: Rohöl und Industrierohstoffe, HWWI-Index
Abbildung 3: Anzahl der Neuzulassungen, geordnet in Segmenten 2006 bis 2008
Abbildung 4: Übersicht zur Kraftfahrzeugsteuer für Pkw
Abbildung 5: Volkswagen-Konzern - Geschäftsbericht 2010
Abbildung 6: Daimler AG - Geschäftsbericht 2010
Abbildung 7: BMW Group im Jahres-Vergleich
Abbildung 8: Top-Liste der Neufahrzeuge nach Marken und Modelle
Abbildung 9: Zahlen zu Neuzulassungen geordnet nach Marken im September 2009
Abbildung 10: Fahrzeugzulassungen in 2009 und 2010
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In wieweit eine Finanzkrise eine Auswirkung auf die weltweite Wirtschaft haben würde, war sich zu Beginn des Jahres 2008 noch niemand bewusst. Da die US-amerikanische Volkswirtschaft die derzeit größte und mächtigste der Welt war, war es für die Ökonomen kein Geheimnis, dass wenn die amerikanische Wirtschaft zu schwächeln begänne, die restlichen Industrienationen auch davon betroffen wären.1
Vor allem nach dem „Black Monday“ vom 15. September 2008, der wohl als einer der schwärzesten Tage der Wirtschaftsgeschichte in Erinnerung bleiben wird, verzeichnete die Weltwirtschaft keinen so heftigen Einbruch der Märkte mehr seit der letzten Krise von 1929. Der Börsenkrach des Dow Jones und die Insolvenz der größten US-Investmentbank Lehmann Brothers führte zu einer extremen Talfahrt der weltweiten Aktienindizes.
Durch die negativen Entwicklungen auf dem amerikanischen Finanzmarktsektor befürchteten viele Politiker2 und Ökonomen in Deutschland, dass die Angst vor einer Rezession auch die deutsche Wirtschaft betreffen könnte. Besonders die Automobilbranche verbreitete Sorge über den Istzustand der US-amerikanischen Volkswirtschaft. Durch die entstandene Finanzmarkt- krise war die Automobilnachfrage weltweit im Rückwärtsgang.3 Erstmals seit 2002 sank die Produktion 2008 um 3 Prozent - auf 5,5 Millionen Einheiten.4 Deshalb war die deutsche Au- tomobilindustrie auf finanzielle Unterstützung der Regierung angewiesen. Die Regierung rea- gierte schnell und verabschiedete in kürzester Zeit Konjunkturbelebungsprogramme, um In- vestitionen und den Konsum wieder anzukurbeln. Sie sollte sich fördernd und stabilisierend auf den Automobilabsatz auswirken. Das zweite Konjunkturpaket ist das umfangreichste der Nachkriegszeit.5
1.1 Zielsetzung und Eingrenzung der Arbeit
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, den Einfluss der wirtschaftspolitischen Instrumente auf die deutsche Automobilindustrie anhand der jüngsten Wirtschaftskrise zu analysieren. Hauptau- genmerk wird auf die Marktsituation der Automobilindustrie vor und während des Verab- schiedens der beiden Konjunkturpakete gerichtet. Somit wird beabsichtigt, den Einfluss der politischen Maßnahmen auf die deutsche Automobilbranche darzustellen und zu analysieren, inwiefern die staatlichen Eingriffe zur Regulation des Automobilmarkts notwendig waren.
Dabei wird auf die Ursachen eingegangen, welche die Krise in der Branche prägten, und die politischen Maßnahmen, die zur Krisenbekämpfung angewendet wurden. Der Fokus liegt hauptsächlich auf den deutschen Herstellern, Vertrags- und Gebrauchtwagenhändler sowie Autowerkstätten. Das Auslandsgeschäft wird nur kurz behandelt, da die Untersuchung einzelner Exportregionen oder der Rolle der Zulieferer zu umfangreich wäre.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die Bachelorarbeit beginnt mit der Entstehung allgemeiner wirtschaftlicher Schwankungen und der damit verbundenen antizyklischen Fiskalpolitik des Staates. Es wird auch kurz auf die Besonderheit der Wirtschaftskrise ab 2008 eingegangen, die verdeutlicht, dass eine kriselnde amerikanische Wirtschaft globale Auswirkungen zur Folge hat. In Kapitel 3 wird die Marktsi- tuation der Automobilbranche vor der Wirtschaftskrise beschrieben. Die Ursachen der Krise werden in exogene und endogene unterteilt und gesondert betrachtet. Anschließend werden die Konjunkturpakete dargestellt, die im Sinne der Krisenbekämpfung verabschiedet wurden. Danach werden die Auswirkungen der politischen Maßnahmen auf die Betroffenen analysiert. Im Anschluss wird kritisch eine Bilanz gezogen, wer von den staatlichen Eingriffen profitie- ren konnte und inwiefern es auch Verlierer gab.
Insgesamt soll eine Bilanz gezogen werden, in der bestehende Analysen, Statistiken und Publikationen ausgewertet und thematisch in eine Beziehung zueinander gebracht werden.
2 Entstehung und Steuerung von Wirtschaftskrisen
Dieses Kapitel soll dazu dienen, die verschiedenen Ursachen allgemeiner wirtschaftlicher Schwankungen kennenzulernen. Was kann eine Wirtschaftspolitik vorbeugend gegen ein rückläufiges Wirtschaftswachstum und eine steigende Arbeitslosigkeit im Abschwung unter- nehmen? Wie können die Wirtschaftspolitiker die Dauer und die Intensität einer Rezession oder Depression mildern? Dies sind Fragen, die in den folgenden Unterkapiteln aufgegriffen werden. Anschließend wird auf die Entstehung und die Besonderheit der Wirtschaftskrise ab 2008/2009 eingegangen.
2.1 Entstehung wirtschaftlicher Schwankungen
„In der wissenschaftlichen Definition sind Konjunkturen (wirtschaftliche Wechsellagen oder ‚Business cycles‘) zyklische Schwankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotenzials einer Volkswirtschaft.“6 Diese Schwankungen, die man auch als Konjunkturzyklen bezeich- net, machen sich vor allem in der Höhe des Bruttoinlandprodukts (BIP) und der Beschäfti- gung bemerkbar. Weiterhin tauchen sie in den Zeitreihen anderer wirtschaftlicher Größen, beispielsweise in den Preisen, Zinsen, Gewinnen, Löhnen und Kursen, auf. Es existieren viele Konjunkturtheorien, welche versuchen, die Ursachen und den Verlauf von Konjunktur- schwankungen zu beschreiben. 200 Hypothesen wurden bereits in den 1920er Jahren gezählt. Die Theorie, die sich in den heutigen Erklärungsversuchen wiederfindet, ist die vorkeynesia- nische Konjunkturtheorie von Gottfried Haberler. Er gruppiert die Faktoren, die entscheidend für die Entstehung und den Ablauf des Konjunkturzyklus sind, folgendermaßen:
- exogene und endogene Theorien,
- monetäre oder güterwirtschaftliche Theorien,
- Überinvestition und Unterkonsumtion,
- psychologische Theorien.7
Sobald ein Konjunkturzyklus durch außerwirtschaftliche Einflüsse entsteht, spricht man von exogenen Theorien. Wichtige exogene Impulse sind Veränderungen des Bevölkerungswachs- tums, der Konsumgewohnheiten sowie politische und gesellschaftspolitische Ereignisse. Als Musterbeispiel für ein exogenes Ereignis mit einem positiven Effekt kann die deutsche Wie- dervereinigung genannt werden, die mit einem auslösenden Nachfrageboom im Westen den Konjunkturverlauf nachhaltig prägte. Gegenteilig wirkten die beiden Ölkrisen von 1973 und 1980 negativ auf die Weltkonjunktur. Ein Konjunkturzyklus kann jedoch nicht anhand eines exogenen Ereignisses erklärt werden, dass das Problem ist, wie ein solcher Anstoß von einem Wirtschaftssystem verbreitet wird. Da der Aussagewert dieser Theorie begrenzt ist, kann man exogene Ereignisse nicht als auslösende Ursache betiteln, vor allem, wenn sie nur einen einzigen Faktor als Impuls ansehen.
Vielleicht sind auch deshalb die meisten der heute vertretenen Theorien endogen. Experten sehen die Ursache für Schwankungen darin, dass bestimmte Strukturen der Marktwirtschaft von einem selbstständigen Auf- und Abschwung geprägt sind. Vertreter dieser Theorie ist vor allem John Maynard Keynes.
Bei der monetären oder güterwirtschaftlichen Konjunkturtheorie wird davon ausgegangen, dass Vorgänge im Geld- und Kreditsektor wesentlichen Einfluss auf den Konjunkturzyklus haben. Diese monetäre Theorie, bei der Konjunkturschwankungen mit den zyklischen Schwankungen des Geldstroms gleichgesetzt werden, wird von R. G. Hawtrey vertreten. Während des Konjunkturabschwungs führen sinkende Preise demnach zu einem Zahlungs- überschuss, was wiederum einen vermehrten Geldfluss zur Folge hat. Indem die Geldmenge steigt und die Kreditvergabe erleichtert wird, kommt es zu einem größeren Angebot und nied- rigeren Zinsen. Der Effekt von niedrigen Zinsen ist eine steigende Nachfrage nach Krediten, sodass „billig“ investiert werden kann. So deuten sich die ersten Anzeichen eines Auf- schwungs an. Durch den Anstieg steigen jedoch auch die Preise, was zu einem Importüber- schuss führt: „Die Verknappung der Goldreserven lässt das Kreditangebot sinken und die Zah- len steigen und leitet so den Umschwung ein.“8
Überinvestition und Unterkonsumtion werden als die realen Konjunkturtheorien angesehen. Sie treten ein bei der Investitionsgüternachfrage der Unternehmen oder bei der Konsumgüter- nachfrage der privaten Haushalte. Die Überinvestition ist für die Entwicklung auf dem Inves- titionsgütersektor bezüglich der Konjunktur verantwortlich. Da die Nachfrage hier stärker schwankt als im Konsumgüterbereich, ist die Veränderung der Nachfragekomponente die ent- scheidende Determinante. Um von der steigenden Nachfrage nicht überfordert zu werden, erhöht man im Aufschwung demnach die Produktionskapazitäten. Wenn die Überkapazitäten abgebaut werden, beginnt der Abschwung. Grund für die starken Schwankungen in der Inves- titionsgüternachfrage ist z. B. die Zinsentwicklung (monetäre Überinvestitionstheorie).
Die Differenz zwischen dem natürlichen Zins und dem Geldzins ist bei der monetären Über- investitionstheorie der Auslöser für einen Aufschwung. Wenn beim Sparen und Investieren eine Übereinstimmung herrscht, spricht an vom natürlichen Zins, wohingegen der Geldzins dem Marktzins des Geldes bzw. Kapitalmarktes entspricht. Der Marktzins, der aufgrund des hohen Kreditangebotes unter dem natürlichen Zins liegt, wird als Ausgangspunkt für einen Aufschwung betrachtet. „Billige Kredite“ entstehen und die Investitionsbereitschaft der Un- ternehmer wird gesteigert. Die Nachfrage nach Krediten steigt während der Expansionsphase viel schneller als den Kreditgebern neues Geld aus den Ersparnissen zur Verfügung steht, da Preise und Gewinne mit dem Aufschwung schneller steigen als die Löhne, die sich nur verzö- gert anpassen. Aufgrund der großen Kreditnachfrage steigt somit der Geldzins über den natür- lichen Zins. Durch das verteuerte Kapital besteht weniger Interesse zum Investieren und der Abschwung beginnt. Der Kapitalmangel bei der monetären Konjunkturtheorie ist demnach ausschlaggebend für den Konjunkturumbruch.
Bei der nicht-monetären Überinvestitionstheorie steht mehr der technische Fortschritt im Vor- dergrund als die Investitionsimpulse vom Zins. Schumpeter, Vertreter dieser Theorie, ist der Ansicht, dass „dynamische Unternehmer“ sich mit Produktinnovationen nicht nur einen Vor- sprung vor der Konkurrenz verschaffen, sondern gleichzeitig auch einen Aufschwung einlei- ten. Um am Markt bestehen zu können, werden die Konkurrenten dadurch gezwungen, ent- weder die Produkte zu kopieren oder selbst „dynamische Unternehmer“ zu werden. Durch Investition kann man diese beiden Bestandteile verwirklichen. Es kommt zu einer Erweite- rung der Produktion und einer zwangsläufig steigender Beschäftigung und steigendem Ein- kommen. Die irgendwann ausgeschöpfte Innovation führt zu sinkenden Chancen, den Gewinn zu steigern, was sich automatisch negativ auf die Investitionsbereitschaft auswirkt. Die Kon- junkturpolitik hat die Aufgabe, die Folgeinvestitionen zeitlich so zu strecken, bis neue Innova- tionen neue Impulse bringen.9
So wie die Überinvestition für die Entwicklung der Investitionsgüternachfrage verantwortlich ist, so wird bei der Unterkonsumtheorie davon ausgegangen, dass die unzureichende Kon- sumgüternachfrage zu einer Konjunkturkrise führt. Da die Löhne hinter dem Gewinneinkom- men zurückbleiben, können neu geschaffene Produktionskapazitäten nicht ausgelastet werden. Die Gewinne sinken und eine Kaufkraftlücke entsteht. Der Abschwung wird eingeleitet. Neu- bäumer und Hewel beschreiben, dass die Kaufkraftlücke auch durch die sinkende Konsum- neigung privater Haushalte entfacht wird und diese dazu neigen, Geld zu horten. Auch Keynes weist auf diese Konstellation hin, in welcher die Verwendung von Bargeld als Wertaufbewah- rungsmittel produktions- und beschäftigungssenkend wirkt.10
Die psychologische Konjunkturtheorie ist logischerweise von optimistischen und pessimisti- schen Erwartungen Faktoren bei der Entstehung des Konjunkturzyklus geprägt. Gleichgerich- tete Erwartungen können entsprechende konjunkturelle Bewegungen auslösen. Aufgrund von Unsicherheiten über die Entwicklung der Märkte oder die Furcht vor Veränderungen kann dies dazu führen, dass Unternehmen ihr Investitionsverhalten beschränken oder Haushalte verstärkt sparen, um die vermeintlich schwierigere wirtschaftliche Phase finanziell zu über- brücken.
Der Konjunkturverlauf kann aber auch durch positive Grundstimmung beeinflusst werden. Ob eine Erwartung sich negativ oder positiv auswirkt, ist nicht exakt vorhersehbar11 und kann die Konjunktur nicht alleine erklären. Dennoch wird akzeptiert, dass psychologische Faktoren in der Wirtschaft eine Rolle spielen, insbesondere bei der Bildung von Erwartungen, die in der neueren makroökonomischen Theorie von zentraler Bedeutung sind.
2.2 Antizyklische Nachfragesteuerung
Bei schwacher Konjunktur und steigender konjunktureller Arbeitslosigkeit besteht das Ziel der Wirtschaftspolitik darin, die Konjunktur - und damit das wirtschaftliche Wachstum - wie- der anzukurbeln. Die Politik muss geeignete Maßnahmen treffen, um den Konjunktur- abschwung abzubremsen und auf einen Aufschwung hinzusteuern. Während eines Ab- schwungs mangelt es in der Regel an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, sodass die Kon- junkturpolitik die Nachfrage stützen muss. Diese Konjunkturpolitik nennt man auch Fiskal- politik, bei der die Bundesregierung die Notwendigkeit sieht, mit ihren wirtschaftspolitischen Instrumenten in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Um dies zu erreichen, kann die Re- gierung eine expansive Haushalts- und Finanzpolitik betreiben, also die Staatsnachfrage erhö- hen. Damit Haushalte und Unternehmen ihre Konsum- und Investitionsnachfrage steigern, könnte der Staat auch die Steuern und Abgaben senken. Jedoch muss man das Verhältnis die- ser Strategie und der direkten Erhöhung der Staatsausgaben abwägen. In beiden Fällen kommt es zu Haushaltsdefiziten. Wenn umgekehrt in Phasen guter Konjunktur Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet werden, mit denen die Verschuldung wieder getilgt wird, sind Haushaltsdefizite hinnehmbar.
Diese Art der Konjunkturpolitik ist antizyklisch angelegt. Der Staat und die Zentralbank sol- len während der Rezession durch expansive Maßnahmen die Konjunktur stützen. Umgekehrt sollen sie im Boom restriktiv auf die konjunkturelle Entwicklung einwirken, um dadurch die Konjunkturschwankungen insgesamt zu dämpfen.
Im Folgenden wird auf drei wesentliche Bereiche der Wirtschaftspolitik eingegangen, die im Falle von Arbeitslosigkeit und unterausgelasteten Kapazitäten eingesetzt werden sollen: die Geldpolitik, die Finanzpolitik und die Lohnpolitik.
Die Geldpolitik wird bei hoher Arbeitslosigkeit und unterdurchschnittlich ausgelasteten Kapa- zitäten expansiv eingesetzt. Obwohl die expansive Geldpolitik als vergleichsweise wenig wirksam eingestuft wird, soll sie dennoch als Instrument der Konjunkturpolitik die Fiskal- politik bei ihrer Aufgabe unterstützen. Es werden Maßnahmen eingeführt, bei der die Geld- menge ausgedehnt wird, damit die Zinsen sinken und die Währung abgewertet wird. Man regt durch die sinkenden Zinsen die Investitionsnachfrage an und über die Abwertung steigt der Außenbeitrag. Das Ziel ist die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die eine zu- nehmende Produktion und Beschäftigung zur Folge hat. Auch wenn sich wegen der starken Geldmengenexpansion Preissteigerungen ergeben, so sind diese in Kauf zu nehmen. Im Falle der keynesianischen Arbeitslosigkeit dürfen allerdings die Reallöhne nicht sinken, damit es nicht zu einem Rückgang der Konsumnachfrage kommt. Im Boom soll umgekehrt eine Politik des teuren Geldes betrieben werden, um die Privatinvestitionen zu bremsen.
Allerdings sind bei einer expansiven Geldpolitik enge Grenzen gesetzt. Denn nur weil die Kreditzinsen gesenkt werden, bedeutet das längst nicht, dass bei stagnierender Nachfrage, leeren Auftragsbüchern und ungenutzten Kapazitäten die Unternehmen ihre Investitionstätigkeit ausdehnen. Die Zentralbank kann zwar das Kreditangebot steigern, sie kann jedoch die Unternehmen nicht zum Investieren zwingen. Eine geringe Zinselastizität der Investitionstätigkeit hat lang Wirkungsverzögerungen (Time Lags). Die Geldpolitik als Instrument kann also nicht als Feinsteuerung der Konjunktur angesehen werden.
Wenn die expansive Geldpolitik die Investitionstätigkeiten aktiv steuern soll, muss die Zentralbank im Zweifel die gesamtwirtschaftliche Liquidität (Geldmenge bzw. Bankenliquidität) sehr stark erhöhen, damit die Kreditzinsen genügend abgesenkt werden. Die entstandene Überliquidisierung der Volkswirtschaft wirkt sich in der Rezession kaum negativ aus. Ein Boom ist in der Praxis jedoch nur möglich, wenn in der Rezession geschaffene, hohe Liquiditätspolster wieder abgebaut werden. Die Folge ist eine stärker ausgedehnte Kreditvergabe der Geschäftsbanken während des Booms.
Zum Zwecke der Anregung von Produktion und Beschäftigung ist die Finanzpolitik ebenfalls expansiv einzusetzen. In der Rezession soll zum Beispiel ein sogenanntes Deficit Spending (defizitfinanzierte Staatsausgaben) betrieben und Privateinkommen erhöht werden. Damit die Nachfrage gesteigert wird, senkt der Staat die Steuern und erhöht die Ausgaben. Staatsdefizite können bewusst in Kauf genommen werden.
Im Zuge der Lohnpolitik ist eine Reallohnsenkung zu vermeiden, da bei unterausgelasteten Kapazitäten eine Nachfragelücke am Gütermarkt diagnostiziert wird (keynesianische Arbeitslosigkeit). Bei Zweifel sind die Reallöhne sogar über den Produktivitätsfortschritt hinaus anzuheben, damit es zu einer Umverteilung zugunsten der Lohneinkommen und damit der Konsumnachfrage kommt. Wegen mangelnder Massenkaufkraft (Angebotsüberschuss am Gütermarkt) soll ein kumulativer Abschwung vermieden werden.
2.3 Wirtschaftskrise 2008/2009
Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehmann Brothers wird oft als die Entstehung der Wirtschaftskrise angesehen. Doch sie begann lange Zeit vor der Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts und der daraus resultierenden Insolvenz im Jahre 2008.12
Die New Economy ist eine schlagwortartige Bezeichnung, die in starkem Maße auf dem In- ternet und damit verbundenen Informations- und Kommunikationstechnologien aufbaut.13 Ab 1999 stand sie unter der Erwartung, dass das Internet und damit verknüpfe Informations- und Kommunikationstechnologien Wachstums- und Produktivitätspotenziale in bislang unbekann- tem Ausmaß freisetzen würden. Für viele Beobachter bedeutete die New Economy das Ende von Inflation, Arbeitslosigkeit und Konjunkturzyklus. Vor allem Anleger sahen ein großes Potenzial, ihr Vermögen zu vermehren. Es galt das Motto: „Gekauft wird, was da ist“.14
Der Boom auf die New-Economy-Aktien war so groß, dass die rein internet-basierenden Unternehmen, die zur Zeit der Jahrtausendwende an die Börse gingen, gleich am ersten Zeichnungstag große Gewinne erzielten. Die Hoffnung auf neue Wachstumspotenziale und neue Märkte an der Börse führte zu einem Steigen der Aktienkurse in einer derart überzogenen Weise, dass Überbewertungen der Aktienkurse von statten gingen.
Einige Internetunternehmen wie z. B. Yahoo mit 1.000 Angestellten waren vorübergehend wertvoller als Unternehmen wie DaimlerChrysler oder Boeing, wo ca. 500.000 bzw. 200.000
Menschen angestellt waren.15 Da die Erwartungen an die Unternehmen nicht realisiert werden konnte, platzte die New-Economy-Blase am 10. März 2000. Viele Unternehmen in Deutschland haben ihren Firmenwert mit gefälschten Unterlagen gesteigert und somit das Vertrauen der Anleger ausgenutzt.
Mit dem Platzen der Blase kam es zu drastischen Kursverlusten, die bis Anfang 2003 andauerten. Während der Aktienindex für neue Märkte, NEMAX, im März 2000 einen Punktestand von 9666 aufwies, verzeichnete er etwas mehr als zweieinhalb Jahren später einen Rückgang auf 318 Punkte. Dies entspricht einem Rückgang von 97 Prozent und mehr als 200 Milliarden Euro, die innerhalb dieses Zeitraumes vernichtet wurden.16 Verschärft wurde dieser Rückgang auch durch die Anschläge vom 11. September 2001. Die Automobilindustrie blieb davon nicht verschont. Die Kurse an der Frankfurter Börse brachen vorerst ein. Im Laufe des vierten Quartals 2001 beruhigten sie sich und nahmen kräftig zu.17
Aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Jahres verzeichnete Mercedes zum Jahresende 2001 einen Umsatzeinbruch von ca. 8 Prozent.18 Andere deutsche Automobilhersteller wie z. B. BMW oder VW blieben vorerst von Umsatzeinbrüchen verschont.
Infolge des Börsencrashs, mit dem der New-Economy-Boom vorerst beendet war, zogen sich viele Investoren aus dem Aktiengeschäft zurück. Damit sich die wirtschaftliche Lage nicht weiter verschlechtert, senkte die US-amerikanische Federal Reserve Bank ihren Leitzins von 6,5 Prozent im Mai 2000 bis Juni 2003 auf 1,0 Prozent.19 Durch die günstigen Kredite war der seit den 90er Jahren steigende Immobilienmarkt20 eine attraktive Alternative für Anleger. Günstige Kredite machten den Traum vom Eigenheim für viele US-Amerikaner wahr. Die Quote der Hauseigentümer nahm in der kurzen Zeit zwischen 1999 und 2004 um 2,3 Prozent auf insgesamt 69,2 Prozent zu.21 Die niedrigen Zinsen verursachten einen Ansturm auf Kredi- te, der folglich die Nachfrage nach Häusern und Grundstücke in die Höhe steigen ließ. Der Trend zum House Flipping22 war groß. Damit ist das Kaufen, Renovieren und gewinnbrin- gende Wiederverkaufen von Häusern gemeint. Das Angebot an Immobilien wurde immer kleiner und somit stiegen die Preise für Häuser und Grundstücke an.
Die Häuserpreise blieben im Jahr 2007 erstmals seit langem konstant, die Prognosen sagten jedoch weitere Preisstürze im zweistelligen Prozentbereich voraus. Dies war mit einem großen Risiko auf Seiten der Banken verbunden. Aufgrund sinkender Immobilienpreise wären Sondertilgungen oder zusätzliche Sicherheiten der Kreditnehmer nötig gewesen. Nur wenige Kreditnehmer waren jedoch bereit bzw. in der Lage, die Sondertilgungen zurückzuzahlen, insbesondere unter dem Aspekt der vorausgegangenen Zinserhöhungen, welche die Kreditnehmer schon genug belastet hatten.23
In den USA werden Immobilienkredite nicht von Banken vergeben, sondern von Hypotheken- banken. US-Hypothekenbanken unterscheiden sich von den deutschen, denn sie sind nur Zwi- schenhändler und vermitteln Kredite, welche dann von anderen Banken abgekauft werden. Dafür bekommen sie Provisionen. Im Jahr 2006 wurden die Kredite durch steigende Zinssätze risikoreicher, was zur Folge hatte, dass Kunden ihre steigenden Raten nicht mehr bezahlen konnten.24 Die Ansammlung von zunehmenden Zahlungsausfällen führte zu vermehrten Zwangsverkäufen, zu einem massiven Preisdruck am Immobilienmarkt und zur Instabilität von Finanzinstituten, die Immobilienkredite vergaben. Immer mehr Ausfälle von Rückzah- lungen führten zu Schieflagen der Banken und letztendlich zur Finanzkrise.
3 Marktsituation vor der Krise
Laut dem deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA) entwickelte sich die weltweite Automobilnachfrage stets positiv, obwohl mit den steigenden Rohstoffpreisen seit 2004 und dem Kursverfall des US-Dollars ein Kostendruck auf den Konsumenten lastete.25 Mit dem Zusammenbruch des US-Investmentbank Lehmann Brothers breitete sich eine globale Unsicherheit auf dem Automobilmarkt aus.
Bevor die Wirtschaftskrise sich ausbreitete, konzentrierte sich die deutsche Automobilindust- rie auf den Exportmarkt. Von 1994 bis 2004 steigerte die Automobilindustrie ihre Exportquote von 55 auf 70 Prozent, wobei 2004 rund 3,6 Millionen Pkw exportiert wurden.26 2006 stieg der Anteil von exportierten, in Deutschland produzierten Pkw auf 72 Prozent:27 Der Export- markt wurde zum wichtigsten Wirtschaftsfeld in der Automobilindustrie, denn drei von vier in Deutschland hergestellten Pkw wurden exportiert. Die Autoindustrie war die stärkste deutsche Exportbranche. Der Außenhandelsüberschuss lag Ende 2006 bei 89 Milliarden Euro.28 Die Zuwachsraten der Weltwirtschaft wurden in Deutschland als zusätzliches Exportpotenzial gewertet. Bis 2004 erreichte man mit 2.000 Auslandsstandorten ein Rekordniveau.29 Vor allem in China verzeichnete man die stärkste Auslandsexpansion. Während die Anzahl der deut- schen Auslandsbetriebe zwischen 1996 und 2004 um 77 Prozent stieg, registrierte man in China seit 1996 einen Zuwachs von 440 Prozent.30 Somit stieg die Anzahl der im Ausland produzierten deutschen Autos stetig.
2005 erreichte man in Westeuropa einen Marktanteil von 47 Prozent. Deutsche Konzerne konnten 6,9 Millionen Neuzulassungen verzeichnen.31
Viele Unternehmen konnten durch den Erfolg im Ausland ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit festigen und den Standort Deutschland sichern. Im Produktionsstandort Deutschland wurden zwischen 2000 und 20007 jährlich mehr als 5,5 Millionen Kraftfahrzeuge gebaut. Deutsch- land hatte einen Anteil an der gesamten Kfz-Produktion in der Europäischen Union von mehr als einem Drittel.32
Dieser positive Effekt führte 2004 in der deutschen Automobilindustrie zu einem Beschäfti- gungsgipfel von über 800.000 Beschäftigten. Neben den in der Automobilstatistik direkt re- gistrierten Beschäftigten arbeiteten weitere 1,5 Millionen in einer der Autoproduktion vor- und nachgelagerten Branche (Maschinenbau, Chemie). Wenn man noch ca. 3 Millionen Be- schäftigte im Kfz-Handel, im Reparaturgewerbe und in den Dienstleistungsbereichen rund um das Auto dazu rechnet, so lebten 2007 in Deutschland rund 5,3 Millionen Menschen direkt bzw. indirekt vom Auto. 1997 waren es noch 600.000 Beschäftigte weniger.33 Zum Vergleich: 1,5 Millionen Arbeitsplätze gingen im gleichen Zeitraum in den übrigen Sektoren der deut- schen Industrie verloren.
Die Automobilindustrie entwickelte sich 2004 mit einem Anteil von 25 Prozent (11,9 Milliarden Euro) zum wichtigsten Investor in Deutschland.34
Auch die Banken vertrauten der deutschen Automobilindustrie und scheuten sich nicht davor, die Autohersteller mit Krediten zu versorgen. Diese Kredite wurden ab 1997 größtenteils in Forschung und Entwicklung (F&E) investiert. In den letzten Jahren bezifferten sich die Inves- titionskosten auf 16 Milliarden Euro jährlich. Laut VDA arbeitete 2007 jeder neunte Beschäf- tigte der deutschen Automobilindustrie im Bereich F&E. Somit war es nicht verwunderlich, dass die deutsche Automobilbranche mit 3.600 Patenten die internationale Patentstatistik an- führte.35 Der Standort Deutschland nahm deshalb auch die Rolle als zukünftiger Innovations- führer an.
Seit 2006 führten steigende Mobilitätskosten jedoch dazu, dass der weltweit wichtigste Automarkt in den USA einen Abwärtstrend verzeichnete. Durch stark steigende Benzinpreise wanden sich die Käufer verbrauchsarmen Modellen zu, sodass Unternehmen mit einer großmotorigen Produktpalette wie General Motors, Ford und Chrysler rote Absatzzahlen meldeten. Die Turbulenzen am US-Finanzmarkt in 2007 lösten einen landesweiten Vertrauensbruch in den Automobilmarkt und einen damit verbundenen Rückgang von Neuwagenkäufen aus. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Verkaufszahlen. Verkauft wurden in USA rund 16 Millionen Pkw, womit ein Rückgang von 3 Prozent im Vergleich zu 2006 verbucht wurde. Dies war das schlechteste US-Absatzergebnis seit 1998.36
Dieser Abwärtstrend ist jedoch nicht global gewesen. Aufgrund seiner Wirtschaftsdynamik und wachsenden Zahl von Einwohnern boomte in China der Automarkt beachtlich. Trotz glo- baler Ungleichheit behielt die deutsche Automobilindustrie ihre Exportstärke und meldete sogar in USA einen Absatzzuwachs von 4 Prozent. Nahezu verdoppelt wurde der Absatz in China oder Russland. In Osteuropa konnte man sogar 160.000 Arbeitsplätze neu schaffen.37
Einzig die schwache Inlandsnachfrage der Konsumenten in Deutschland trübte die Aufwärts- stimmung, die sich durch steuerliche Mehrbelastungen, gestiegene Mobilitätskosten und Ver- unsicherungen aufgrund von CO2-Diskussionen ergaben. Den inländischen negativen Saldo konnte die steigende Nachfrage an gewerblichen Käufern nicht ganz ausgleichen. Während 2007 der Anteil des Privatkundengeschäfts mit 38 Prozent einen ersten Tiefstand erreichte, boomte die Nachfrage nach Nutzfahrzeugen (Nfz) und die Hersteller waren mit den Kapazitä- ten voll ausgelastet.38
Trotz eingenommener Schlüsselrolle der deutschen Wirtschaft musste sie sich Herausforde- rungen wie Globalisierung, Klimawandel und knapper werdenden Ressourcen annehmen.39 Auch der VDA sah schwere Zeiten auf die deutsche Automobilindustrie kommen. Während man in seinem Jahresbericht von 2004 vollen Stolzes im Titel „Deutsche Automobilindust- rie - Motor der deutschen Wirtschaft“ verkündete, verzichtete man 2006 auf jeglichen Titel.
4 Ursachen der Krise im deutschen Automobilmarkt
Der Rückgang der Kaufkraft in der Automobilindustrie während der Wirtschaftskrise hatte mehrere Ursachen. Diese werden in endogene und exogene Faktoren unterteilt. Endogene Ursachen entstehen intern, sprich sie sind im Unternehmen entstanden. Dies kann beispiels- weise am Unvermögen des Managements oder an der unzureichenden Eigenkapitalausstattung liegen. Exogene Ursachen bilden sich nicht direkt aus der Automobilindustrie heraus und können nur sehr schwer von ihr beeinflusst werden. Zu exogenen Krisenursachen zählen bei- spielsweise konjunkturelle Fehlentwicklungen oder strukturellen Veränderungen im gesamt- wirtschaftlichen Umfeld.
4.1 Exogene Faktoren
Bei dem Kapitel der exogenen Faktoren geht es nicht darum, Fehler oder Versäumnisse auf Hersteller-Ebene aufzuzeigen, sondern eher wie wirtschaftliche Entwicklungen in Deutschland die Kaufentscheidung der Fahrzeugkonsumenten und die Automobilhersteller beeinflussten. Steigende Mobilitätskosten, eine Kreditklemme und stagnierende Heimatmärkte waren Probleme, mit denen die Automobilbranche zu kämpfen hatte.
4.1.1 Mobilitätskosten
Bei einem Fahrzeugkauf sind Nebenkosten, die vor und während der Nutzung des Fahrzeuges entstehen, ein wichtiges Kriterium.40 Die Kosten, die bei Inbetriebnahme des Fahrzeuges entstehen, werden auch als Mobilitätskosten bezeichnet.
Die jährlichen Mobilitätskosten werden in dem deutschen Autokostenindex festgehalten, welcher 2005 eingeführt wurde. In diesem Jahr wurde der Kostenindex bei Pkw auf den Basiswert von 100 festgesetzt. Im Folgejahr stieg der Index auf 106,4 Punkte.41
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung im Kostenindex der Verbraucherpreise, Kraftstoffe Deutschland42
Eine Hauptursache für den Anstieg des Kostenindex ist der steigende Rohstoffpreis. Wie in Abbildung 1 zu sehen, sind die Preise für Treibstoffe in den Jahren 2000 bis 2008 deutlich gestiegen. Den höchsten Anstieg vermerkte der Dieselkraftstoff, der innerhalb von acht Jahren um mehr als die Hälfte (66 Prozent) gestiegen ist. Aber auch die Preise für Benzin und Superbenzin wuchsen im gleichen Zeitraum um 40,9 Prozent bzw. 37,8 Prozent. Am 2. Januar 2008 erreichte Öl mit einem Preis mit 100 US-Dollar für ein Fass einen neuen Höchststand am Rohstoffmarkt, wie in der folgenden Abbildung zu sehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Rohöl und Industrierohstoffe, HWWI-Index43
Mitte 2008 stiegen die Rohstoffpreise noch höher (siehe Abbildung 2).
Es gibt noch weitere Rohstoffe, die als Grundmaterial zur Herstellung von Fahrzeugen dienen und deren Preise ebenfalls gestiegen sind. Laut dem Hamburger-Welt-Wirtschafts-Institut- Index (HWWI) sind die Industrierohstoffe ab Mitte 2005 stetig gestiegen. Sie werden in Energie-, Metallroh-, Bau- und Keramik- und chemische Rohstoffe unterteilt.
Kompliziert wurde es, die steigenden Preise der gesamtwirtschaftlichen Lage nicht in den Verkaufspreis eines Fahrzeuges aufwerten zu können. Prof. Dr. Ferdinand stellt fest, dass die Hersteller ungeachtet der Klasse des Fahrzeuges mit bis zu 1.200 Euro mehr Materialkosten pro Fahrzeug belastet werden.44 Diese Preiserhöhung würde die ohnehin unsicheren Kunden zusätzlich verschrecken und somit hatte der Anstieg der Rohstoffpreise in der Regel keine direkten preislichen Auswirkungen auf die Endverbraucher. Zunächst wurden nur die Produzenten belastet, die dadurch Abstriche im Gewinn machen mussten.
4.1.2 Erhöhung der Mehrwertsteuer
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent, die am 1. Januar 2007 eingeführt wurde, war ein weiterer Aspekt, der die privaten Käufer verunsichert hat. Um den Mehrkosten von 3 Prozent zu entkommen, entschieden sich viele Käufer für einen Fahrzeugkauf vor dem Kalenderjahr 2007.
Bezüglich der Neuzulassungen gab es 2006 einen Anstieg von 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert. In Zahlen ausgedrückt heißt dies, dass 66,3 Milliarden Euro von Privathaus- halten für Pkw ausgegeben wurde, welches zugleich der höchste Wert für Pkw-Ausgaben seit zehn Jahren war.45 Dies gilt auch für den Gebrauchtwagenmarkt, wo 6,73 Millionen Fahrzeu- ge den Besitzer wechselten. 2007 waren es dann nur noch 6,26 Millionen Besitzumschreibun- gen.46
Diese Verschiebung des Kaufbedürfnisses führte 2007 zu einem Nachfrageloch, sodass 9,2 Prozent weniger Pkw zugelassen worden sind.47
4.1.3 Kfz-Steuerreform
„Wir brauchen endlich Klarheit über die Ausgestaltung der steuergesetzlichen Rahmenbedin-
[...]
1 International Monetary Fund GDP (2010).
2 Zugunsten der besseren Lesbarkeit verzichte ich in dieser Arbeit auf die Verwendung eines weiblichen Plurals, wenn - wie hier - Personen im Allgemeinen, also sowohl männliche als auch weibliche, gemeint sind.
3 Verband der Automobilindustrie (2008a).
4 Verband der Automobilindustrie (2009a).
5 Handelskammer Hamburg (2009).
6 Neubäumer / Hewel (2005), S. 375.
7 Vgl. ebd., S. 392.
8 Vgl. ebd., S. 394.
9 Vgl. ebd., S. 395.
10 Vgl. ebd., S. 396.
11 Ebd., S. 397.
12 Vgl. Benders (2008).
13 Vgl. Alisch / Arentzen / Winter (2004), S. 2149.
14 Vgl. Ehren (2010).
15 Vgl. Klodt / Buch (2003), S. 5.
16 Vgl. Kuhn (2007).
17 Vgl. Handelsblatt (2001).
18 DaimlerChrysler (2003),
19 finanzen.net (o. J.).
20 Vgl. Bischoff (2008), S. 29.
21 Vgl. U.S. Department of Commerce (2010).
22 Siehe www.newhouseflip.com.
23 Vgl. Bloss et al. (2009), S. 45.
24 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2012).
25 Vgl. Verband der Automobilindustrie (2005, 2006, 2007, 2008b).
26 Vgl. Verband der Automobilindustrie (2005), S. 55.
27 Vgl. Verband der Automobilindustrie (2007), S. 41ff.
28 Vgl. Becker (2007), S. 17.
29 Vgl. Verband der Automobilindustrie (2005), S. 13.
30 Vgl. ebd., S. 14.
31 Vgl. Becker (2007), S. 16.
32 Vgl. ebd.
33 Vgl. ebd., S. 17.
34 Vgl. ebd., S. 15.
35 Vgl. ebd., S. 18.
36 Vgl. Verband der Automobilindustrie (2008b), S. 49.
37 Vgl. Becker (2007), S. 17.
38 Vgl. VDA (2008), S. 12ff.
39 Vgl. VDA (2006), S. 3ff.
40 Vgl. Verband der Automobilindustrie (2009b).
41 Vgl. Verband der Automobilindustrie (2011).
42 Statistisches Bundesamt (2011).
43 Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut (2008), S. 16.
44 Vgl. Deutsches Anleger Fernsehen (2008).
45 Vgl. MittelstandsWiki (2007).
46 Vgl. DAT-Report (2008), S. 6.
47 Vgl. Verband der Automobilindustrie (2011).
- Quote paper
- Master of Science Firat Yildirim (Author), 2014, Analyse der Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 und der Konjunkturpakete auf die deutsche Automobilindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380626
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