In der vorliegenden Magisterarbeit werden die intersektionalen Aspekte im Werk „Perusona“ (Persona) von Tawada Yōko analysiert. Zentraler Punkt dieser Arbeit ist die Bedeutung der intersektionalen Verknüpfungen, ihre Wechselwirkungen und ihr Einfluss auf den Erzählstrang.
Tawada Yōko ist eine international renommierte Autorin, die ihre Werke in den Sprachen Japanisch und Deutsch veröffentlicht. Es wird herausgestellt, dass bisher keine Studien zu Intersektionalität in Tawada Yōkos Werk vorliegen.
Um die intersektionalen Aspekte in „Perusona“ untersuchen zu können, wird auf die Definition des Begriffs „Intersektionalität“ und dessen Entstehung und geschichtliche Entwicklung bis heute eingegangen. Nach der Erwähnung einiger Problempunkte des Konzepts, wird auf den verhältnismäßig jungen Forschungszweig zu Intersektionalität in Literatur verwiesen.
Die Analyse von „Perusona“ auf intersektionale Aspekte zeigt, dass die einzelnen sozialen Differenzierungskategorien zusammenhängen und nur in Verbindung miteinander behandelt werden können. Es lassen sich grob drei Wirkungen erkennen: Die gegenseitige Bedingung der Diskriminierungen, die Verstärkung einer Diskriminierung und die Abschwächung einer Diskriminierung durch eine weitere Diskriminierungsform. Es lässt sich feststellen, dass die Diskriminierungsformen in „Perusona“ keinem rein additiven Model unterliegen, sondern durch komplexe Verbindungen vernetzt sind.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abkürzungsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
1.3 Die Autorin Tawada Yōko und ihr Werk
1.4 Rezeption und aktueller Forschungsstand
2. Intersektionalitätsforschung und Anwendung in der Literatur
2.1 Grundannahmen der Intersektionalitätstheorie
2.2 Entwicklung der Intersektionalitätstheorie
2.3 Kritikpunkte an der Intersektionalitätstheorie
2.4 Intersektionale Aspekte in Literatur
3. Das Werk „Perusona“ von Tawada Yōko
3.1 Inhaltsangabe
3.2 Charakterisierung von Michiko
3.3 Personenkonstellation
3.3.1 Michiko-Kazuo
3.3.2 Michiko-Thomas
3.3.3 Michiko-Katharina
3.3.4 Michiko-Frau Sada/Frau Yamamoto
3.3.5 Michiko-Frau Steif
4. Analyse von „Perusona“ unter dem Aspekt der Intersektionalität
4.1 race und nation
4.1.1 Umgang mit dem Fremden
4.1.2 Wahrnehmung des Eigenen
4.1.3 Gesellschaftliche Strukturen in Japan und Deutschland
4.2 gender und sex
4.2.1 Diskriminierung von Frauen
4.2.2 Das Bild der Frau in Japan und Deutschland
4.3 class
4.4 (dis-)ability
4.5 Die Bedeutung der intersektionalen Verknüpfungen
4.5.1 Gegenseitige Abhängigkeit der Diskriminierungen
4.5.2 Verstärkung der Diskriminierung
4.5.3 Abschwächung der Diskriminierung
4.5.4 Veränderung der Diskriminierung
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
Abstract
In der vorliegenden Magisterarbeit werden die intersektionalen Aspekte im Werk „ Perusona “ (Persona) von Tawada Yōko analysiert. Zentraler Punkt dieser Arbeit ist die Bedeutung der intersektionalen Verknüpfungen, ihre Wechselwirkungen und ihr Einfluss auf den Erzählstrang.
Tawada Yōko ist eine international renommierte Autorin, die ihre Werke in den Sprachen Japanisch und Deutsch veröffentlicht. Es wird herausgestellt, dass bisher keine Studien zu Intersektionalität in Tawada Yōkos Werk vorliegen.
Um die intersektionalen Aspekte in „ Perusona “ untersuchen zu können, wird auf die Definition des Begriffs „Intersektionalität“ und dessen Entstehung und geschichtliche Entwicklung bis heute eingegangen. Nach der Erwähnung einiger Problempunkte des Konzepts, wird auf den verhältnismäßig jungen Forschungszweig zu Intersektionalität in Literatur verwiesen.
Die Analyse von „ Perusona “ auf intersektionale Aspekte zeigt, dass die einzelnen sozialen Differenzierungskategorien zusammenhängen und nur in Verbindung miteinander behandelt werden können. Es lassen sich grob drei Wirkungen erkennen: Die gegenseitige Bedingung der Diskriminierungen, die Verstärkung einer Diskriminierung und die Abschwächung einer Diskriminierung durch eine weitere Diskriminierungsform. Es lässt sich feststellen, dass die Diskriminierungsformen in „ Perusona “ keinem rein additiven Model unterliegen, sondern durch komplexe Verbindungen vernetzt sind.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
Literatur ist „gleichsam ein Seismograph […], der anzeigt, welche Bewegungen und Entwicklungen sich unter der Oberfläche vollziehen und was sich an Tendenzen für die Zukunft ablesen läßt“ (Ackermann 2002: 147), wenn es um die Darstellung von sozialen Verhältnissen und Problemen in der Gesellschaft geht. Anders ausgedrückt, wirkt Literatur als die dynamische Kraft, die die Gesellschaft antreibt und gleichzeitig als Spiegel derselben Gesellschaft agiert. (vgl. Neverla 1998: Gössmann/Jaschke/Mrugalla 2011: 13)
Deswegen werden in Literatur häufig soziale Verhältnisse und gesellschaftliche Probleme thematisiert, zu denen auch verschiedene Diskriminierungsformen wie Rassismus, Sexismus oder Klassismus, gehören. Es gibt zahlreiche Erzählungen und Romane, in denen die Gender -Thematik aufgegriffen wird, etliche Abhandlungen über Klassenunterschiede und interkulturelle Literatur, die den Nationalismus oder Rassismus behandelt und gängige nationale Stereotypen in Frage stellt. Weiterhin gibt es Literatur, die sich mit verschiedenen Religionen auseinandersetzt und Literatur über körperlich oder geistig benachteiligte Menschen. Mit anderen Worten, existiert eine Vielzahl von Literatur, die verschiedene Stigmata[1] und deren Unterdrückung anspricht.
Meist wird der Fokus auf nur einen der oben genannten Schwerpunkte gelegt und verarbeitet. Einige Erzählungen oder Romane konzentrieren sich aber nicht auf nur einen, sondern gleich auf mehrere Aspekte. Sie behandeln gleichzeitig eine Reihe von sozialen Diskriminierungsformen, wie z.B. Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Rasse, oder Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Klassenzugehörigkeit. Intersektionalität[2] in Literatur ist ein vielversprechendes Forschungsfeld, zu dem unter anderem im November 2010 eine interdisziplinäre Tagung[3] abgehalten wurde.[4]
So problematisiert auch die Autorin Tawada Yōko in ihrer Kurzgeschichte „ Perusona “ (Persona) Identitätszuschreibungen, Stereotypen und Diskriminierungen verschiedener Form und setzt sich mit intersektionalen Verknüpfungen auseinander. Diese von intersektionalen Aspekten durchzogene Erzählung soll Grundlage der vorliegenden Arbeit werden.
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
Die Arbeit beschäftigt sich mit den intersektionalen Konstruktionen in der Erzählung „ Perusona “ von Tawada Yoko. Diese sollen in thematischer Abfolge aufgezeigt und analysiert werden. Dabei ist nicht nur von Bedeutung, wie Kategorien wie Rasse, Ethnie, Geschlecht, Klasse/Schicht etc. nebeneinander agieren und die soziale Identität[5] eines Menschen beeinflussen, sondern auch das Zusammenwirken der verschiedenen Kategorien soll berücksichtigt werden. Wie Degele und Winker in „Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten.“ (2009) festgestellt haben, bekräftigt das Konzept der Intersektionalität, dass „statt die Wirkungen von zwei, drei oder mehr Unterdrückungen lediglich zu addieren (was schon schwer genug ist) […] die Kategorien in verwobener Weise auftreten und sich wechselseitig verstärken, abschwächen oder auch verändern können.“ (Degele; Winker 2009: 10) Deshalb ist die Herausarbeitung der Bedeutung der intersektionalen Konstruktionen in dem Werk „ Perusona “ das Hauptanliegen dieser Arbeit. Es soll gezeigt werden, inwiefern sich die Überschneidung der verschiedenen Unterdrückungen auf die Charaktere in der Erzählung auswirkt und wie der Erzählfluss dadurch beeinflusst wird.
Zuvor wird die Autorin Tawada Yōko, ihr Leben und ihr literarisches Schaffen behandelt, um ihre Kurzgeschichte „ Perusona “, die zum Objekt der Analyse werden soll, in einem angemessenen Kontext betrachten zu können. Es soll erläutert werden, mit welchen Thematiken sich Tawada Yōko in ihrem literarischen Werk auseinandersetzt, inwiefern sich ihre deutschen und ihre japanischen Werke voneinander unterscheiden und wie diese von der Leserschaft aufgenommen werden. Weiterhin soll kurz auf den aktuellen Forschungsstand zu Tawada Yōko und ihren Romanen, Erzählungen und Essays, insbesondere auf die bisherige Forschung zu „ Perusona “, eingegangen werden. Die beiden Punkte bezüglich Tawadas literarischen Schaffens und der Forschungssituation zu ihren Werken sollen noch in der Einleitung abgehandelt werden.
Es folgt eine Einführung in die intersektionale Theorie, die für die Analyse von „ Perusona “ unter dem Gesichtspunkt der Intersektionalität unabdingbar ist. Nachdem verschiedene Definitionen von Intersektionalität anhand der wichtigsten Vertreter vorgestellt wurden, soll zu den Anfängen der Intersektionalitätstheorie zurückgeblickt und die historische Entwicklung dieser nachvollzogen werden. In einem dritten Punkt werden die Kritikpunkte und Unklarheiten an der Intersektionalitätstheorie erörtert. Schließlich wird auf die Forschung zu intersektionalen Konstruktionen in fiktionaler Literatur eingegangen, um die zu untersuchende Kurzgeschichte „ Perusona “ vor diesem Hintergrund zu sehen.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Untersuchungsgegenstand „ Perusona “. Es wird zunächst der Inhalt der Kurzgeschichte wiedergegeben, um dann auf die wichtigsten Charaktere, die für das Verständnis der folgenden Analyse von Bedeutung erscheinen, einzugehen. Des Weiteren wird die Personenkonstellation erläutert, da sie viele der intersektionalen Aspekte in der Erzählung aufdeckt.[6]
In der anschließenden Analyse sollen die intersektionalen Aspekte von „ Perusona “ aufgedeckt werden. Dabei wird sich zuerst den einzelnen Kategorien race/nation, sex/gender, class und (dis)-ability gewidmet. Es sollen die mit den Differenzierungskategorien verbundenen Diskriminierungen in den einzelnen Szenen offengelegt und analysiert werden. In den Abschnitten zum historischen und sozialen Kontext wird direkter Bezug auf die interpretative Ebene in der Erzählung genommen. Zuletzt soll der Frage nach der Bedeutung der intersektionalen Verknüpfungen in „ Perusona “ nachgegangen werden. Hier werden die eingehend erwähnten Fragen um die Wirkung der intersektionalen Konstruktionen und um die Rolle, die dem Zusammenwirken der unterschiedlichen Diskriminierungsformen in der Erzählung zukommt, beantwortet.
In einem abschließenden Fazit werden die erarbeiteten Ergebnisse zusammengefasst und kommentiert.
1.3 Die Autorin Tawada Yōko und ihr Werk
Tawada Yōko ist gebürtige Japanerin, die in Deutschland lebt, und Texte verschiedener Gattungen wie Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Essays und Gedichte in Japanisch und Deutsch verfasst (vgl. Gelzer 1999: 67). Viele ihrer Texte liegen in beiden Sprachen übersetzt vor, einige sind jedoch nur in einer Sprache vorhanden (vgl. Koiran 2011: 15). Tawada betätigt sich ebenso als Übersetzerin fremder und eigener Texte. Sie nimmt einen Platz zwischen den beiden Sprachen und Kulturen in einem „transkulturellen Zwischenraum“[7] (Tsuchiya 2004: 15 f.) ein.
Tawada hält in verschiedenen Ländern Lesungen und Lehrvorträge an Universitäten (vgl. Koiran 2009: 252). Sie ist mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet worden, unter anderem dem Adelbert-von-Chamisso-Preis 1996 und der Goethe-Medaille 2005 in Deutschland und dem Gunzō-Shinjin-Bungaku- Preis 1991, dem Akutagawa- Preis 1993 und dem Tanizaki- Junichiro - Literaturpreis 2003 in Japan. Erst 2011 erhielt sie in Japan den Murasaki-Shikibu-Bungaku -Preis und den Noma-Bungei -Preis. (vgl. www.yokotawada.de/eine-seite: 06.12.2011)
Tawadas Werk ist vielseitig und umfasst Thematiken von Reisen und Bewegung[8] (vgl. Takanezawa 2006: 10) und der Auseinandersetzung mit fremden Kulturen und Sprachen (vgl. G.A. Pogatschnigg 2004: 36), über das Schreiben[9] und Übersetzen[10] bis hin zur Reflexion über Sprache als eigene ästhetische Instanz, bzw. Sprachkritik (vgl. Choi 2010: 511). Eines der Leitmotive in Tawadas Werken ist die „Verwandlung“, die Tawada sowohl metaphorisch als auch wörtlich begreift (vgl. Kersting 2006: 174). So nehmen die Figuren in ihren Werken andere Identitäten an, „verwandeln“ sich beispielsweise in einen anderen Menschen[11], in ein Tier[12], in eine Mythengestalt[13] oder in einen Gegenstand.[14] Tawada äußert sich dazu folgendermaßen: „Das Modewort ‚Identitätsverlust’ hat den Begriff der Verwandlung in die Ecke verdrängt.“ (Tawada 1998: Zitat nach Geisel 2011: 51)
Die weibliche Protagonistin in Tawadas deutschen Werken ist in der Regel eine Japanerin, die sich aus unterschiedlichen Gründen in Deutschland aufhält und mit der hiesigen Kultur und Sprache konfrontiert wird. Gerade in Tawadas frühen Werken wird die Geschichte in einem personalen Erzählstil gehalten und aus der Ich-Perspektive erzählt, wie beispielsweise in den Erzählungen „Das Bad“ (1989), „Wo Europa anfängt“ (1991) und „Der Gast“ (1993).[15] (vgl. Gelzer 1998: 19; Ivanovic; Matsunaga 2011: 135) Hier könnte man autobiographische Züge vermuten, aber Tawada löst sich mit Hilfe von Elementen der Verfremdung davon. (vgl. Bay 2010: 556)
Chiellino drückt es folgendermaßen aus: „Sie [Tawada] schreibe [...] nicht autobiographisch, im Sinne der Wiederholung von Erlebtem, sondern es handle sich um antizipierendes Schreiben.“ (Chiellino 2000: 272)
Das erkennt man deutlich in der Erzählung „Wo Europa anfängt“, in der die Protagonistin in einem Zug nach Moskau sitzt. Tawada reiste mit 19 Jahren zum ersten Mal ins Ausland. Sie fuhr mit der transsibirischen Eisenbahn bis nach Moskau. Diese Reise, die häufig auf Klappentexten ihrer Werke zu entdecken ist, wird in dieser Erzählung thematisch aufgegriffen. (vgl. Tawada 1991: 73 ff.)
Da es für die damalige Zeit ungewöhnlich ist, dass eine junge Japanerin alleine verreist, wird diese Reise in Tawadas Leben gerne hervorgehoben und mystifiziert. (Kersting 2006: 60 f.)
Man könnte hinter der Geschichte einen autobiographischen Hintergrund vermuten, wenn die Erzählung, wie sie es am Anfang vorgibt, in Form eines Reiseberichts gehalten würde, aber Tawada desillusioniert die Leser kurz darauf. „Wo Europa anfängt“ ist ein Reisebericht, der bereits vor der eigentlichen Reise geschrieben wurde; das Reisetagebuch in der Erzählung entpuppt sich als im Nachhinein erfunden. Damit entzieht sich Tawada jeglichem Bezug zu ihrer eigenen Vergangenheit.[16] (vgl. Gelzer 1999: 68)
Tawada, die 1960 in Tokyo geboren ist, umgibt sich schon seit ihrer Kindheit mit Büchern und entwickelt schon früh den Wunsch Schriftstellerin zu werden. Sie lernt bereits seit der Oberschule Deutsch als zweite Fremdsprache. Nach dem Abschluss der Oberschule widmet sie sich dem Studium der russischen Literatur, lernt aber weiterhin Deutsch. Mit 22 Jahren geht Tawada nach Deutschland und fängt auf Empfehlung ihres Vaters, der als Buchhändler arbeitet, als Praktikantin bei einem Buchhändler in Hamburg an. Kurze Zeit später beginnt sie ihr Studium der Literaturwissenschaft an der Universität Hamburg. (vgl. Sachiyo 2004: 90 ff.) Tawada kommt als ausländische Studierende mit einem völlig neuem Umfeld und einer fremder Kultur in Berührung und sieht sich zum ersten Mal mit einer fremden Sprache konfrontiert. Mit der Annäherung an die deutsche Sprache zeichnet sich eine Entfremdung bis hin zu einem Verlust der Muttersprache Japanisch ab.
„Es ist ein halbes Jahr vergangen, in dem ich nicht einmal Japanisch gesprochen habe. Ich hatte das Gefühl, dass sich Japanisch aus meinem Alltagsleben entfernt hat. Ich fand kein passendes japanisches Wort mehr für die Dinge, die ich anfasste oder für die eigene Stimmung.“[17] (Tawada Yōko 1999: 11)
Tawada entfernt sich zwar immer mehr von ihrer Muttersprache, identifiziert sich aber auch nicht mit der deutschen Sprache, und nimmt somit eine Welt ohne Sprache wahr. „Um ihre Gedanken und Empfindungen zu ‚übersetzen’ entdeckt sie die Sprachen Japanisch und Deutsch wieder“.[18] (Tsuchiya 2009: 225) Inspiriert durch den Verlust und die Wiederentdeckung der japanischen und deutschen Sprache sowie durch ihren Platz im „Zwischenraum“ beginnt Tawada ihre schriftstellerische Karriere. (vgl. ebd.: 225)
1987 kommt ihr erstes Werk „Nur da wo du bist da ist nichts“[19], eine Gedichts- und Prosasammlung in beiden Sprachen, heraus.[20] Es folgen mehrere Erzählungen, unter anderem „Das Bad“ (1989), in der „die Selbstentfremdung des weiblichen Erzähl-Ichs in Anspielung auf die männlichen Ordnungssysteme der Sprache und des Bildes.“ (Weber 2009: 83) dargestellt wird. Weiterhin erscheint das erste auf Deutsch verfasste Werk “Wo Europa anfängt“[21], die Erzählung „der Gast“ (1993), in der das weibliche Schreiben in und über die Fremde thematisiert wird (vgl. Gelzer 1998: 36) und der Roman „Das nackte Auge“ (2004), in dem der medialen Übersetzung eine große Rolle zukommt (vgl. Bay 2010: 567). Tawada beschränkt sich jedoch nicht nur auf Erzählungen, sondern publiziert eine Reihe von Essays, darunter „Talisman“ (1996), eine Essaysammlung, die sich mit Sprache, Fremdsprache und Sprachlosigkeit auseinandersetzt (vgl. Gelzer 1998: 49). Sie verfasst darüber hinaus Theaterstücke, Gedichte und sogar Hörspiele.[22]
Tawadas Veröffentlichungen in Japan sind ebenso zahlreich und weit gefächert. Exemplarisch kann man die Erzählung „ Gottoharuto Tetsudō “ (auf Dt.: „Die Gotthard- Bahn“) (1996), in der eine japanische Frau vom Gotthard-Tunnel als Grenze zwischen Deutschland und Italien und als Ort des Übergangs fasziniert wird (vgl. Takeuchi 2006: 49 f.), die neuere Erzählung „ umi ni otoshita namae “ (auf Dt.: „Der Name, den ich ins Wasser fallen ließ“) (2006), in der die Protagonistin nach einem Flugzeugabsturz ihren Namen vergisst (vgl. Königsberg 2011:102), die Essaysammlung „ Ekusofoni “ (auf Dt.: Exophonie) (2003), die vom Leben und Schreiben in einer Fremdsprache handelt (vgl. Ivanovic/Matsunaga 2011: 118 f.), und ihren berühmten Roman „ Inu Mukoiri “ (auf Dt.: Der Hundebräutigam) (1993), für den sie mit dem Akutagawa - Literaturpreis ausgezeichnet wurde, nennen.[23] In „ Inu Mukoiri “ werden Normen untergraben und auf den Kopf gestellt: es werden Bezüge auf japanische Legenden und Mensch-Tier- Beziehungen genommen. (vgl. Fukushima 2003: 43, Sachiyo 2004: 57 ff.)
In einem Aufsatz von Matthew Königsberg schreibt dieser, dass es keinen Unterschied zwischen dem deutschen und dem japanischen Werk von Tawada Yōko gäbe. (vgl. Königsberg 2011: 99) Tawada selbst behauptet aber, dass sich ihr Schreibstil im Deutschen und im Japanischen unterscheidet. Wenn sie auf Japanisch schreibe, geschehe das häufig ohne viel darüber nachzudenken und sei entsprechend schneller als auf Deutsch. Auf Deutsch müsse jede Idee bis aufs Äußerste durchdacht werden, weswegen kaum langweilige oder unwichtige Passagen entstehen könnten. Weiterhin sei Deutsch eine rationale Sprache, die objektiv berichtet, während Japanisch subjektiv und emotional gefärbt sei, was die Ausdrucksweise in der jeweiligen Sprache stark mitbestimme. (vgl. Tsuchiya 2009: 226 ff.)
Zu Tawada Yōko existieren zahlreiche Literaturkritiken und literaturwissenschaftliche Arbeiten, die zwar in der Zahl geringer sind, aber Tawadas Werk unter verschiedenen Gesichtspunkten und mit unterschiedlicher Vorgehensweise betrachten. Diese sollen im Folgenden näher erläutert werden.
1.4 Rezeption und aktueller Forschungsstand
„Rauschhaft ist an dieser Prosa selbst freilich nichts. Tawada erzählt von der Regellosigkeit der Metamorphose und der Aufhebung der Alltäglichkeit vielmehr mit konstruktiver Sorgfalt und einem Unterton ironischer Verwunderung.[24] (www.faz.net/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-heiteres-mythenraten-112924.html: 30.12.2011)
„[…] einfache Sätze, die zunächst staunend über scheinbar Selbstverständliches sprechen. Und wir folgen dem harmlos wie einem vergnügten Kind, das auf Eis Kurven fährt, um uns beiläufig zu zeigen, daß [sic!] die Spuren der Schlittschuhkurven das Wasserzeichen eines imaginären Textes sind […]“[25] (www.konkursbuch.com/html/tawada.html: 3012.2011)
„Sie werden wahrscheinlich verblüfft sein, wenn Sie zum ersten Mal ein Buch von Tawada Yoko in die Hand nehmen. Es unterscheidet sich auf verschiedene Weise von dem Ihnen bekannten Roman-Stil. […] Tawada Yoko zu lesen ähnelt dem Vergnügen an einer Reise ohne Reiseführer.“[26] (book.asahi.com/review/TKY200701160225.html: 30.12.2011)
„Wenn man die Romane von Tawada Yōko liest, fühlt man sich genauso, als wäre man der Hase von Inaba[27], der über die Rücken der Krokodile springt. […] Man kann Tawadas Romanen nicht trauen. Wenn man auf irgendeinem Wort erleichtert aufatmet, sich hinsetzt und ausruht, fängt dieses Wort an zu schwanken, wird weggeschwemmt und geht unter. “[28] (Hoshino 2004: 92)
Die aufgeführten Zitate aus verschiedenen Rezensionen sollen einen kleinen Einblick geben, wie Tawada von ihren Lesern und Kritikern aufgenommen wird.[29]
Es gibt Rezensionen, die die Tiefe der thematischen Verflechtungen ihrer Werke sowie Tawadas ästhetische Sprache und ihre Wortspiele wertschätzen, andere, insbesondere zu ihren früheren Werken, unterstellen ihr eine gewisse Naivität, die charakteristisch für „Betroffenheitsliteratur“ sei, wieder andere bewerten ihre Werke als stereotyp, wie mit einem „typisch japanischen Blick“ geschrieben. Japanische Rezensenten zu Tawada betonen die ungewohnte Schreibweise und Sprache der Autorin. Die Leser werden von Tawadas Literatur entweder fasziniert oder irritiert, in den meisten Fällen aber eröffnet sie etwas positiv Überraschendes. (vgl. Kersting 2006: 37 ff.)
So unterschiedlich, wie die Kritiken, sind auch die Forschungsansätze zu Tawada. Ihr Werk wird in Deutschland häufig in die Kategorie der „Migrantenliteratur“ eingeordnet. (vgl. Knott 2007: 137) Diese Kategorisierung ist jedoch nicht unproblematisch und stark umstritten. Denn Tawadas Werk lasse sich nicht in die sogenannte „Betroffenheitsliteratur“[30] (Tsuchiya 2010: 10; 12 f.) einordnen, weil es, wie beispielsweise Pogatschnigg schreibt, mehr umfasse, als die bloße Auseinandersetzung mit interkulturellen Problemen. Tawada sei eine experimentelle Schriftstellerin, die eine neue, verfremdete Sprache erschaffe (vgl. Pogatschnigg 2004: 40). Ebenfalls positioniert sich Sigrid Weigel, bei der Tawada promoviert hatte[31], dagegen, Tawadas Literatur in die Kategorie der „Migrantenliteratur“ einzuschließen, da Tawada nicht mit einem typisch „japanischen“ Blick Fremdheitserfahrungen verarbeite, sondern mit der sie kennzeichnenden distanzierten Haltung Normen und Gesellschaftsmuster untergrabe und in Frage stelle (vgl. Weigel 1996:375). Weigel schreibt in ihrer Laudatio auf Tawada Yōko zur Schreibweise
„Auch wenn Yoko Tawada Deutsch schreibt, bleiben ihre Worte Fremdwörter für uns. Nicht Wörter, die- wie Adorno in seinem kleinen Essay beschrieben hat- als Fremdwörter in der scheinbar so vertrauten Sprache erscheinen und aufgrund dieser Position mit jedem einzelnen Wort jene Urszene der Benennung wiederholen, in der Bedeutung entsteht. […] Insofern ist die Literatur von Yoko Tawada poiesis im ersten Sinne dieses Wortes.“ (Weigel 1996: 374, 375, 377)
In Hannah Arnolds Aufsatz „Tawada Yoko- Sprachmutter für Muttersprachler“, greift sie den von Tawada in der Essaysammlung „Talisman“ eingeführten Begriff „Sprachmutter“ auf und betont, Tawada spiele mit der Sprache und lasse den Leser ihre Texte wie „mit wiederentdeckten Kinderaugen auf spielerisch-assoziative Weise“ (Arnold 2011: 6) entdecken.
Zu den ersten literaturwissenschaftlichen Arbeiten zu Tawada Yoko kann die Lizenziatsarbeit von Florian Gelzer 1998[32] gezählt werden, die einen roten Faden quer durch
Tawadas deutsches Werk zieht und Gemeinsamkeiten aufzeigt.
Seitdem ist eine Menge literaturwissenschaftlicher Arbeiten und Aufsätze entstanden, die von einem linguistischen Standpunkt ausgeht, Tawadas Werk also hauptsächlich auf ihre Sprache hin untersucht. Besondere Beachtung finden dabei ihre Neologismen und Wortspiele, die sie vor dem fremdsprachigen Hintergrund geschaffen hat. Beispiele dafür sind die Ausführungen von Ferdinand Schmatz und Ilma Rakusa in der 2011 neu erschienenen Ausgabe von „Text und Kritik“, die auf Tawadas Schreibweise und ihre Symbolik eingehen. (vgl. Schmatz 2011:30-35 ; Rakusa 2011: 70-76)
Nennenswert für die interkulturelle Forschung zu Tawada Yōko ist die umfangreiche Dissertation von Ruth Kersting, die ein Versuch ist, Tawada in der interkulturellen Literatur zu verorten. Kersting widmet sich dort den interkulturellen Aspekten in Tawadas deutschem Werk und beschränkt sich dabei nicht nur auf eine Textgattung, sondern betrachtet sowohl Erzählungen, als auch Essays und Gedichte.[33]
Die Untersuchungen zu Tawadas Werk umfassen aber auch feministische und postkolonialistische Forschungsansätze. So zum Beispiel die schon früh erschienenen Aufsätze von Sabine Fischer, darunter „Verschwinden ist schön“, der von einem feministischen Ansatz ausgeht und sich mit der Erzählung „Das Bad“ beschäftigt. Fischer analysiert die darin vertretenen Stereotypen sowie die Weiblichkeitsbilder, die in einer Welt entstehen, die durch das Männliche dominiert wird. (vgl. Fischer 1997: 101-115) Dieser Ansatz wird von Claudia Breger in ihren Aufsätzen zur Mimikry[34] bei Tawada Yōko weitergeführt. Ihrer Ansicht nach versucht Tawada mit Techniken der Nachahmung auf die gesellschaftlichen Machtverhältnisse und Missstände aufmerksam zu machen. (vgl. Breger 1999: 32 ff.)
Es gibt literaturwissenschaftliche Arbeiten zu verschiedenen Motiven in Tawadas Werken, wie der Verwandlung, Märchen- und Legendenmotiven aus Japan und Europa, der Übersetzung und dem Schreiben in einer Fremdsprache, beziehungsweise dem Fremden allgemein.
Man könnte sagen, dass Tawada eine „kulturelle und poetische Alterität“[35], eine „Alterität der Sprache“ (Gelzer 1999: 73) kreiert, die die Traditionen westlichen Schreibens sprengt und dabei in den Orient-Diskurs eingreift[36]. Daher ist ihr literarisches Schaffen schwer in einem Forschungsschwerpunkt zusammenzufassen, sondern es gibt eine Vielzahl von kleineren und größeren thematischen Schwerpunkten und theoretischen Vorgehensweisen zu ihrem Werk.
Die Forschung in Deutschland beschränkt sich fast ausschließlich auf Tawadas deutsches Werk, während ihr literarisches Schaffen in Japan kaum berücksichtigt wird. Eine der wenigen Ausnahmen bildet der Aufsatz von Matthew Königsberg „Nachtzug nach nirgendwohin. Das japanischsprachige Prosawerk Yoko Tawadas.“ (2011) zu der von Tawada verfassten Prosa, der in der neuen Ausgabe von „Text und Kritik“ erschienen ist. Dieser beschäftigt sich mit der Kurzgeschichte „ Perusona “ (1998) und dem Roman „ Inu mukoiri “ aus demselben Jahr und geht dann auf die neueren japanischsprachigen Erzählungen „ Yōgisha no yakōressha “ (auf Dt. „Nachtzug der Verdächtigen“) (2002), „ Hidō no tairiku “ (auf Dt.: „Amerika- der weglose Kontinent“), „ Umi ni otoshita namae “ (auf Dt. „Der Name, den ich ins Meer fallen ließ“), und „ Jisa “(auf Dt. „Zeitverschiebung“), alle drei 2006 erschienen, ein. Es wird ein grober Überblick über Tawadas japanischsprachigen Erzählungen gegeben und ihr Motiv des Identitätsverlusts eingehend analysiert. (vgl. Königsberg 2011: 99-107)
Auch in anderen nicht-japanischen literaturwissenschaftlichen Arbeiten findet man vereinzelt Hinweise oder Anspielungen auf das japanische Werk von Tawada Yōko, so zum Beispiel in dem Band „Yōko Tawada. Voices from everywhere“, in dem gelegentlich Bezug auf „ Perusona “ genommen wird (vgl. Tachibana 2006: 160 ff.; Slaymaker 2006: 46), oder eine Handvoll Aufsätze, die Tawadas mit dem Akutagawa- Literaturpreis ausgezeichnetes Werk „ Inu mukoiri “ besprechen (vgl. Mori 2000: 585-593; Fukushima 2003: 43; Iwami 2011: 407-415). Insgesamt bleibt jedoch Tawadas japanischsprachiges Werk, nicht zuletzt wegen dem Mangel an Japanisch sprechenden Literaturwissenschaftlern in Deutschland, wenig erforscht.
In Japan gibt es dagegen ausreichend Sekundärliteratur zu Tawadas japanischsprachigem Werk. Darunter die Publikation zu Tawada Yōko von Takanezawa, wo ein guter Überblick über die wichtigsten japanischsprachigen Werke Tawadas gegeben wird und die Grundzüge ihrer Schreibweise erläutert werden.[37] Weiterhin findet man eine Sonderausgabe der Literaturzeitschrift “Eureka“, die Tawada Yōko gewidmet ist.[38]
Tawadas literarisches Schreiben in Japan wird zur „Minoritätenliteratur“ oder „Kreolenliteratur“ gezählt. Dort bricht Tawada mit den Traditionen konventioneller japanischer Literatur. (vgl. Tsuchiya 2004: 17)
Tawada will kein gewandtes Deutsch und schönes Japanisch schreiben. […] Sie entwirft eine Kluft, in einer zweideutigen Sprache, die nicht Deutsch oder Japanisch darstellt, sondern bei der die Wörter und die Bedeutungen verschoben sind.“[39] (Takanezawa 2006: 15)
Tawada beschreibt die Sprache durchzogen von „Löchern“. Allerdings sieht Tawada diese Tatsache nicht negativ. (vgl. Saitō 2004: 85) „Im Gegenteil, findet sie, dass der Körper der Sprache gleichermaßen wie der Körper des Menschen erst durch die Löcher vollkommen wird.“[40] (ebd.: 85) Deswegen ist ihre Sprache darauf ausgerichtet, solche Löcher zu produzieren.
Mit dem Fokus auf die Andersartigkeit in der Sprache und Wortwahl, aber auch zur Bedeutung der Weiblichkeit und des Körpers, sind in Japan einige Beiträge zu Tawadas japanischsprachigem Werk verfasst worden.[41] Ebenso wird ihre „Außenperspektive“, die durch die langjährige Auslandserfahrung entstanden ist, gerne erörtert.[42] Dagegen findet man kaum Beiträge, in denen Interkulturalität und gender zusammen untersucht werden.
Zu der Kurzgeschichte „ Perusona “, mit der sich in dieser Arbeit auseinandergesetzt werden soll, liegen sowohl in Japan, als auch in Deutschland bisher nicht viele Studien vor. Auf japanischer Seite finden wir in Takanezawas Gesamtüberblick zu Tawadas Werk einen kurzen Artikel zu „ Persona “ (vgl. ebd.: 24-27), weiterhin gibt es im Nachwort des Bandes „ Inu mukoiri “ selbst eine Kurzinterpretation zu „ Perusona “, die von Yonhap Keiko verfasst wurde und sich mit der Erzählung beschäftigt. Ansonsten findet man jedoch nur spärliche Informationen zu der Kurzgeschichte. In Deutschland ist der erste intensivere Beitrag zu „ Perusona “ erst 2011 in dem Band „Interkulturelle Begegnungen in Literatur, Film und Fernsehen. Ein japanisch-deutscher Vergleich.“ erschienen. Es ist ein Aufsatz von Maren Mordau, der sich mit „Fremdheit als Konstrukt“ in der Erzählung auseinandersetzt. (vgl. Mordau 2011: 71-402) Es wird weiterhin in mehreren Aufsätzen zu Tawadas japanischsprachigem Werk Bezug auf die Erzählung genommen[43], aber längere Beiträge gibt es sonst nicht.
Der Mangel an bisheriger Forschung zu „ Perusona “ soll hier als Grund dafür aufgeführt werden, dass bei der Analyse auf nur wenige Quellen, insbesondere japanische Quellen zu Tawada, zurückgegriffen werden konnte.
2. Intersektionalitätsforschung und Anwendung in der Literatur
2.1 Grundannahmen der Intersektionalitätstheorie
Intersektionalität ist ein Konzept, das im Kontext des feministischen Diskurses, der postkolonialen Studien und verschiedener Ungleichheitstheorien der Soziologie entstanden ist und dort eine große Rolle einnimmt. Es fungiert, wie Davis es ausdrückt, als buzzword in den Wissenschaften und erfreut sich großer Beliebtheit bei Forschern aus verschiedenen Bereichen. (vgl. Davis 2008: 67-85) Aber was versteht man eigentlich unter dem Begriff der Intersektionalität?
„Immer häufiger wird in Publikationen konstatiert, dass Gender nicht isoliert betrachtet werden kann von Kategorien wie Klasse, Ethnizität, ‚Rasse‘, Religion, Lokalität, Sexualität, Nation, Alter oder Behinderung/Befähigung. Vielmehr wird herausgestellt, dass diese Kategorien sich ‚überschneiden‘, miteinander ‚verwoben‘ sind bzw. sich ‚verschränken‘. Diese Vorstellung wird mit Begriffen wie Vielfalt, Diversität, Heterogenität, Differenzen, Interdependenzen oder Intersektionalität umschrieben.“ (Walgenbach 2007: 23)
Gummich hingegen definiert intersektionale Diskriminierung auf zwei Arten und Weisen: im engeren Sinne als „eine eigene, spezifische Diskriminierungserfahrung, die aufgrund verschiedener Merkmale erfolgt, die sich simultan gegenseitig beeinflussen und aufeinander einwirken.“ (Gummich 2004: 10) und im weiteren Sinne als „jede Kombination der unterschiedlichen Facetten […] und Formen […]von Diskriminierung […], die sich gegenseitig beeinflussen und aufeinander einwirken. Durch dieses Zusammenwirken ergibt sich eine sehr spezifische Form von Diskriminierung/Ausgrenzung/Benachteiligung, die gleichzeitig vom jeweiligen historischen, politischen sozialen und kulturellen Kontext abhängig ist. Diskriminierungen in einem Lebensbereich verstärken dabei häufig Diskriminierungen in anderen Lebensbereichen.“ (ebd.:10)
Intersektionalität beschreibt also die Überlagerung unterschiedlicher sozialer Kategorien der Differenz und die daraus entstehende Diskriminierung, Benachteiligung, Unterdrückung oder Ausschließung der jeweiligen Person oder Gruppe. Zu solchen Kategorien gehören beispielsweise Geschlecht, Rasse, Ethnizität, Klasse oder Alter. (vgl. Degele; Winker 2009: S. 10,11,14) Diese Kategorien zeichnen sich dadurch aus, dass sie über den Zugang zu den grundlegenden Ressourcen einer Gesellschaft, über die ein Mensch verfügt, entscheiden. Je größer der Zugang eines Menschen zu sozialen und ökonomischen Ressourcen, wie beispielsweise „Reichtum“ oder „Wissen“, ist, desto höher ist seine Lebensqualität. Entsprechend ist ein Mensch, der nur beschränkten Zugang zu diesen Ressourcen besitzt, in der Gesellschaft sozial benachteiligt. (vgl. Gabbert 2007: 123)
Weiterhin vermitteln die Differenzierungskategorien eine Art „Teilidentität“ und signifizieren eine Abgrenzung des „Eigenen“ vom „Anderen“ oder „Fremden“. Mit der Abgrenzung vollzieht sich gleichzeitig eine Identifizierung mit der zugehörigen sozialen Gruppe. (vgl. Hahn 2003: 22 f.) Die Intersektionalitätstheorie betrachtet die einzelnen Kategorien nicht isoliert und voneinander unabhängig, sondern sie fokussiert gerade die Überkreuzungen der Differenzierungskategorien, bzw. die Überschneidungen der zugehörigen Diskriminierungsformen und analysiert deren Zusammenhänge und Wechselwirkungen. (vgl. Lutz 2007: 222 )
Die Differenzierungskriterien, die bei den meisten intersektionalen Analysen berücksichtigt werden, sind Geschlecht[44], Rasse und Klasse.[45] (vgl. Andersen; Collins 1992; McCall 2001; Klinger 2003; Acker 2006) Besonders in Deutschland wird die Kategorie Rasse dabei häufig durch Ethnizität ergänzt oder gar ersetzt.[46] (vgl. Degele; Winker 2009: 14) Man kann aber noch eine unbegrenzte Zahl an sozialen Parametern hinzufügen. Lutz und Wenning haben in ihrem Werk zehn verschiedene Differenzierungskategorien[47] zu dem bekannten Trias race/class/gender hinzugefügt, z.B. das Alter, das beispielsweise entscheidend bei der Arbeitssuche ist, den Besitz[48], oder die Kategorie der Gesundheit. (vgl. Lutz 2011: 20) Mit Gesundheit wird sowohl der körperliche, als auch der geistige gesundheitliche Zustand der Menschen beschrieben. Gesundheit wird vorausgesetzt, um auf dem Markt voranzukommen und Bildung und Arbeit und einen entsprechenden Lohn zu erhalten. Kranke oder behinderte Menschen sind deshalb in der Gesellschaft stark benachteiligt. (vgl. Degele; Winker 2009: 49 f.)
Das Konzept der Intersektionalität bringt dabei nicht nur verschiedene Differenzierungskriterien und unterschiedliche Diskriminierungsformen zusammen, sondern auch mehrere gesellschaftliche Ebenen. Deswegen ist eine Mehrebenenanalyse bei einer intersektionalen Analyse unabdingbar. So betonen Degele und Winker, dass man bei einer Intersektionalitätsanalyse die Makro-, Meso- und die Mikroebene berücksichtigen muss. Anders ausgedrückt, soll man die Identität und die Erfahrungen der einzelnen Individuen, aber auch die gesellschaftlichen Strukturen, die das Individuum geprägt haben sowie die großen Institutionen und Herrschaftsverhältnisse, in der das Individuum lebt, analysieren. Ein weiterer wichtiger Teilbereich ist die symbolische Ebene oder Repräsentationsebene, die die Rollenerwartungen der Menschen darstellt und nicht außer Acht gelassen werden darf. (vgl. Degele; Winker 2009: 19 f.)
„ ‘Intersectionality‘ refers to the interaction between gender, race, and other categories of difference in individual lives, social practices, institutional arrangements, and cultural ideologies and the outcomes of these interactions in terms of power“ (Davis 2008: 68)
So äußert sich Davis in ihrem kritischen Aufsatz “intersectionality as buzzword” zu Intersektionalität, während McCall vor allem das Verhältnis der vielfältigen Dimensionen und der sozialen Beziehungen und die Erschaffung der Identität betont (vgl. McCall 2005: 1771).
Czollek/Perko/Weinbach heben in ihrem Band „Lehrbuch Gender und Queer: Grundlagen, Methoden und Praxisfelder“ hervor, dass „es beim Konzept der Intersektionalität darum [geht], Verbindung und Verbündete zu konstruieren“ (Czollek/Perko/Weinbach 2009: 55) Räthzel formuliert das Konzept der Intersektionalität als „kontextspezifischen [-n] Untersuchungen der Überschneidungen und des Zusammenwirkens verschiedener gesellschaftlicher Herrschaftsstrukturen und -praktiken.“ (Räthzel 2004: in Degele; Winker 2009: 14) Auch andere Definitionen fassen Intersektionalität sehr weit, wie Degele und Winker (2009: 14) mit dem Verweis auf Brah und Phoenix verdeutlichen, in deren Definition die Rede von Achsen der Differenz ist, welche sich im historischen Kontext überschneiden. (vgl. Degele; Winker 2009:14)
Um das Konzept genauer nachvollziehen zu können, sollen die Anfänge der Intersektionalitätstheorie näher betrachtet werden.
2.2 Entwicklung der Intersektionalitätstheorie
-USA-
Die Ursprünge des Ansatzes der Intersektionalität finden sich in den USA der 80er Jahre bei schwarzen Feministinnen, die sich durch den „weißen“ Feminismus nicht mehr genügend vertreten sahen. Die Mehrheit im Feminismus stellten bürgerliche, weiße Frauen dar; entsprechend schilderten und betonten sie überwiegend ihre Sicht der Dinge. Die Diskriminierung und die Rollenerwartungen, die ihnen entgegengebracht wurden und mit denen sie zu kämpfen hatten, unterschieden sich aber stark von denen der schwarzen (Arbeiter)frauen.
So wurde weißen Frauen entgegengehalten, sie seien schwach und verletzlich, und sollten keiner Arbeit nachgehen, sondern sich ausschließlich dem Haushalt widmen. Dies traf jedoch nicht auf schwarze (Arbeiter)frauen zu; von ihnen wurde vielmehr verlangt, dass sie draußen, beispielsweise in der Fabrik oder auf dem Feld, arbeiteten. Sie besaßen ebenso nie das Image einer schwachen Frau, die man beschützen müsste. Entsprechend deckten sich die Interessen der beiden Frauengruppen nicht ab, da schwarze Frauen in anderen Bereichen, bzw. auf andere Art und Weise diskriminiert wurden, als weiße Frauen. Aus diesem Grund schlossen sich einige schwarze Feministinnen zusammen, um als eine gesonderte Gruppe „schwarzer Frauen“, die besondere Forderungen und Wünsche hatte, akzeptiert zu werden. (vgl. Crenshaw 1989: 153 ff.) Eine von ihnen[49] war Bell Hooks, eine afroamerikanische Feministin, die bereits 1981 mit der Schrift „Ain’t I a woman: black women and feminism“[50], den Standort der schwarzen Frauen im Feminismus zum Thema machte. (vgl. Bell Hooks 1991) So entstand das Konzept der sogenannten Triple oppression, das die Kategorien race/class/gender beinhaltet. (vgl. Lutz 2001: 218) Der Titel des Werks „All the women are white, all the black are male, but some of us are brave” von Gloria T. Hull et al bringt die Problematik auf den Punkt. Wenn man von Frauen spricht, so meint man damit meistens weiße Frauen. Wenn man von Schwarzen spricht, so sind damit vorwiegend schwarze Männer gemeint. Wo finden sich aber schwarze Frauen wieder, welche Gruppe bietet ihnen Unterschlupf? Die Antwort ist, dass es so eine Gruppe nicht gibt, bzw. diese erst durch eine eigene Gruppe schwarzer Frauen gebildet werden muss. (vgl. Hull 1982) Hier spielt außer der Differenzierungskategorie Geschlecht die Rasse eine wichtige Rolle. Diese beiden Kategorien sind ausschlaggebend für die Unterdrückung, mit der schwarze Frauen zu kämpfen haben. (Meyer/Purtschert 2010: 141) Diesem Phänomen gibt die prominente Vertreterin der critical race theory, Kimberle Crenshaw, einen Namen. Sie führt 1989 den Begriff „Intersektionalität“ in ihrer Studie zur Diskriminierung schwarzer Frauen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Rasse in fünf verschiedenen Gerichtsfällen, ein. (vgl. Degele; Winker 2009: 12; Crenshaw 1989:139- 167)
„Discrimination, like traffic through an intersection, may flow in one direction, and it may flow in another. If an accident happens in an intersection, it can be caused by cars traveling from any number of directions and sometimes, from all of them. Similarly, if a Black woman is harmed because she is in the intersection, her injury could result from sex discrimination or the race discrimination.” (Crenshaw 1989: 149)
Crenshaw macht ebenfalls deutlich, dass die Bestimmung der Kategorien, die zur Diskriminierung führen, nicht einfach ist. Dafür benutzt sie wieder die Metapher der Straßenkreuzung.
„But it is not always easy to reconstruct an accident: Sometimes the skid marks and the injuries simply indicate that they occurred simultaneously, frustrating efforts to determine which driver caused the harm. In these cases the tendency seems to be that no driver is held responsible, no treatment is administered, and the involved parties simply get back in their cars and zoom away.“ (ebd.: 149)
Man erkennt deutlich die versteckte Kritik zu der Tatsache, dass die Diskriminierung schwarzer Frauen häufig ignoriert wird, wenn sie sich nicht in das Muster der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder der Diskriminierung aufgrund von Rasse, hineinzwängen lässt, wie Crenshaw bei ihrer Analyse feststellt. (vgl. ebd.: 140-149)
Es stellt sich aber bald die Frage, wie die Überlagerung der Kategorien betrachtet werden soll, ob eine bloße Addition der einzelnen Stränge ausreichend ist, wie es die Metapher der Straßenkreuzung andeutet, oder ob es sich um einen komplexeren Zusammenhang handelt.
Die Trias race/class/gender wird zu Beginn „kumulativ als Mehrfachunterdrückung und Diskriminierung“ (Lutz 2007: 222) bezeichnet, aber „hat sich in den vergangenen 15 Jahren unter dem Eindruck der Differenz- und Dekonstruktivismusdebatte hin zur intersektionalen Analyse entwickelt.“ (ebd.: 222) Das hat seine Ursprünge in Europa und soll im Folgenden näher erläutert werden.
- Europa -
Nachdem die Debatte zur Intersektionalität in den USA ihren Anfang genommen hat, ist sie weiter nach Europa expandiert. Allerdings wurde sie dort unter anderen Schwerpunkten weiterverfolgt. Während man in den USA weitestgehend das politische Ziel verfolgte seine Forderungen durchzusetzen und die Stellung der schwarzen Frauen zu verbessern, ging man in Europa von einem poststrukturalistischen und postmodernen Ansatz aus. Das Ziel war die Dezentrierung und Dekonstruktion von Geschlecht als eigener Kategorie, bzw. die Dekonstruktion aller Differenzierungskategorien. Eine berühmte Vertreterin des Poststrukturalismus ist Judith Butler[51]. Sie kritisiert das Eingrenzen auf einzelne Differenzierungskategorien und befürwortet die für den Poststrukturalismus typische Denkart, dass es gar keine Kategorien im eigentlichen Sinne gibt. Butler begreift die Kategorie Geschlecht, nicht als eigenständige Kategorie, sondern als mit allen anderen Parametern verschmolzen.
„If one ‚is‘ a woman, that is surely not all one is; the term fails to be exhausted, not because a pregendered ‘person’ transcends the specific paraphernalia of its gender, but because gender is not always constituted coherently or consistently in different historical contexts, and because gender intersects with racial, class, ethnic, sexual, and regional modalities of discursively constituted identities. As a result, it becomes impossible to separate out ‘gender’ from the political and cultural intersections in which it is invariably produced and maintained.“ (Butler 1990: 3)
Daher plädiert Butler dafür, die Kategorie Gender, bzw. die Kategorie „Frau“ in Frage zu stellen und das Modell der unterschiedlichen Differenzierungskategorien noch einmal neu zu überdenken. So wie andere Vertreter des Poststrukturalismus lehnt Butler „totalisierende Diskurse ab“ (Hein 2006:29) und spricht sich für eine „Dezentrierung des Subjekts“ (ebd.:33) aus. Poststrukturalistische und postkoloniale Anhänger wie Brah oder Phoenix sehen in dem Konzept der Intersektionalität eine Möglichkeit binäre Positionen in der Gesellschaft aufzulösen. Identität wird als dynamisches Konzept begriffen und normierte Kategorien sollen mit der Perspektive Foucaults[52] dekonstruiert werden. (vgl. Davis 2008: 71)
Das Konzept der Intersektionalität wurde von diesen beiden, aus den USA und Europa kommenden, unterschiedlichen Richtungen beeinflusst. So entscheidet der Wissenschaftler heutzutage je nach Forschungsgegenstand und Forschungsmethode, welche Kategorien er in seine Intersektionalitätsanalyse einbezieht. Ebenfalls geht er mittlerweile nicht mehr von einem additiven Modell aus, sondern interpretiert die Wechselwirkungen der einzelnen Kategorien im Kontext der einzelnen Situationen unterschiedlich.
„Differenzkategorien sind demnach nicht mehr essentielle Kategorien, sondern werden jeweils als symbolisches Kapital, das in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich eingesetzt werden kann, konzipiert. Ethnizität, Klasse und Geschlecht werden also als Diskriminierungs- und als Aktionsressourcen relevant.“ (Lutz 2007: 223)
Ein gutes Beispiel für das Argument gegen das rein additive Modell liefert Spelman, denn „die Herrschaftserfahrungen einer schwarzen Frau setzen sich nicht aus den Erfahrungen einer weißen Frau plus denjenigen eines schwarzen Mannes zusammen. (Spelman 1988: 115) Daraus wird ersichtlich, dass eine andere Herangehensweise nötig wird.
Floya Anthias und Degele und Winker sprechen sich darüber hinaus für eine Mehrebenenanalyse aus, bei der Makro-, Meso- und Mikroebene gleichermaßen berücksichtigt werden und auch die symbolische Ebene einen Platz findet. Anthias führt dafür vier Ebenen ein: die Ebene der (Diskriminierungs-)erfahrung, die Akteurebene, die institutionelle Ebene und die Ebene der Repräsentationen. Nur wenn man alle Ebenen gesondert behandle, könne man eine vollständige Intersektionalitätsanalyse abliefern. (vgl. Lutz 2007: 223)
[...]
[1] Unter einem Stigma (auf Dt. Stich, Wundmal) versteht man in der Soziologie eine negative Abweichung von der Norm. (siehe auch Goffman 1963: 6)
[2] Siehe dazu Kapitel 2, S. 13.
[3] Es handelt sich um die „Ander(e)s Erzählen. Intersektionale Konstruktionen von Differenz in Literatur und Film“ Tagung des Zentrums für Erzählforschung (ZEF) der Bergischen Universität Wuppertal am 19. und 20. November 2010.
[4] Siehe dazu Weixler 2011.
[5] Es wird von der Definition Tajfels ausgegangen. Tajfel versteht hier unter sozialer Identität ein Selbstverständnis des Individuums von der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und den damit verbundenen Werten. (Siehe auch Tajfel 1982: 2 ff.)
[6] Dabei soll sich auf die Relationen, die sich um die Protagonistin drehen, beschränkt werden, da diese für die folgende Analyse am bedeutsamsten sind.
[7] [7] Auf Jap.: chūkan chitai.
[8] Hierzu ein Beispiel wäre die Erzählung „Wo Europa anfängt“ von Tawada Yoko.
[9] Vgl. hierzu z.B. Matsunaga 2010: 445 ff. Matsunaga erwähnt in diesem Zusammenhang das „automatische Schreiben“. Darunter wird die Vorstellung von einem automatisch entstehenden Text, sei es durch die Schreibmaschine oder durch den Körper der Protagonistin, verstanden.
[10] Siehe hierzu z.B. Matsunaga (2002): 532-546.
[11] In „Das Bad“ vollzieht sich die Verwandlung der Protagonistin von einem Fotomodel über eine Übersetzerin in eine Typistin.
[12] Z.B. weiß man in der japanischen Erzählung „ Inu mukoiri “ nicht, ob es sich bei Tarō um einen Menschen oder einen Hund handelt.
[13] In „Das Bad“ ist eines der Transformationsstadien der Protagonistin die Verwandlung in eine Fischfrau.
[14] Dieselbe Erzählung kulminiert in der Verwandlung der Protagonistin in einen transparenten Sarg. In „Der Gast“ verwandelt sich die Protagonistin am Ende in einen Stein.
[15] In späteren Erzählungen geht Tawada dazu über, aus der zweiten Person „Du“ (jap. anata) zu erzählen. Beispiel dafür ist die japanischen Erzählung „ Yogisha- no- yakoressha “ (auf Dt.: Der Nachtzug der Verdächtigen).
[16] Weiteres Beispiel der Entrückung des Erzähl-Ichs von der Person des Autors findet sich beispielsweise in Tawadas „Opium für Ovid. Ein Kopfkissenbuch von 22 Frauen“ (2000), wo das Erzähl-Ich zum Ende immer seltener wird und letztlich ganz verschwindet.
[17] Eigene Übersetzung, Jap. Orig.:「日本語を全くしゃべらないうちに、半年が過ぎ去ってしまった。日本語がわたしの生活から離れてしまった感じだった。手に触れる物にも、自分の気分にも、ぴったりする日本語が見つからないのだった。」
[18] Eigene Übersetzung, Jap. Orig.:「[…]自分の考えや感情を『翻訳する』言語として日本語やドイツ語を再発見し […]。」
[19] Auf Jap.: „anata no iru tokoro dake nani mo nai.“
[20] Übersetzer aus dem Japanischen ist Peter Pörtner, der die meisten Werke von Tawada Yoko übersetzt hat. Einige Werke übersetzt Tawada selbst.
[21] Hier wird, wie bereits vorher erwähnt, die Reise einer Japanerin in den Westen beschrieben.
[22] Da die Auseinandersetzung mit allen Werken Tawadas den Umfang der Arbeit sprengen würde, werden hier nur einige Werke exemplarisch ausgewählt.
[23] Im gleichen Buch ist die Kurzgeschichte „ Perusona “ zu finden, mit der sich im weiteren Verlauf der Arbeit auseinandergesetzt werden soll.
[24] Die Rezension ist von Ernst Osterkamp zu Tawadas „Opium für Ovid. Ein Kopfkissenbuch von 22 Frauen“.
[25] Zitat von Angelika Overath zu Tawada Yokos „Talisman“ in der Neuen Zürcher Zeitung.
[26] Aus der Rezension der Literaturkritikerin Saitō Minako zu „ Hidō no tairiku “ (auf Dt. Amerika- der weglose Kontinent). Eigene Übersetzung, jap. Orig.: 「はじめて多和田葉子の本を手にとったあなたは、おそらく面食らうだろう。それはあなたがこれまでに知っている「小説らしい形」とはいろんな意味でちがっている。[…] 多和田葉子を読むってことは、ガイドブックのない旅の楽しさに似ている。」
[27] „ Inaba no shirousagi “ ist ein japanischer Mythos aus dem Kojiki. Dort täuscht ein Hase die Krokodile, indem er sagt, dass er sie zählen will, aber in Wirklichkeit die Insel verlassen möchte. Die Krokodile glauben ihm, so dass er von Rücken zu Rücken der Krokodile springt und so die Insel verlassen kann.
[28] Eigene Übersetzung, jap. Orig.: 「多和田葉子の小説を読んでいると、自分が今まさにワニの背中を跳び渡っているイナバノシロウサギであるような気がしてくる。多和田葉子の小説に頼ることができない。どこかの言葉にほっと一息ついて体重をかけて休んだら、その言葉は揺れて流れて沈んでいく。」
[29] Durch die angeführten Beispiele kann hier nur angedeutet werden, wie Tawada von den Lesern und Kritikern bewertet und rezensiert wird. Ihre Rezension im Detail zu besprechen, würde den Rahmen der Arbeit sprengen und von der eigentlichen Thematik abführen.
[30] Unter „Betroffenheitsliteratur“ versteht man Literatur von Migranten, die sich in erster Linie mit dem Leben in fremder Kultur und den Problemen, die daraus entstehen, befasst.
[31] Tawada Yōko promoviert im Jahr 2000 mit dem Thema „Spielzeug und Sprachmagie in der europäischen Literatur. Eine ethnologische Poetologie“.
[32] Siehe dazu Gelzer 1998: „Worte von Gedanken trennen.“
[33] Siehe dazu Kersting 2006: „Fremdes Schreiben. Yoko Tawada.“
[34] Mimikry bedeutet in der Biologie die Nachahmung anderer Arten. Breger setzt diesen Begriff ein, um Tawadas Literaturstrategie zu kennzeichnen.
[35] Unter kultureller Alterität versteht Mecklenburg ein generelles ‚Anderssein’, in dem viele verschiedene Faktoren vertreten sind. Den Begriff der poetischen Alterität, der eine Art Verfremdung mit sich zieht, lässt er weitestgehend offen. Siehe auch Mecklenburg (2008): 213-237.
[36] Der Orient-Diskurs beschäftigt sich ursprünglich mit dem eurozentrischen, westlichen Blick auf die Gesellschaften im Nahen Osten. Er wurde jedoch auf Ost-Asien ausgeweitet. Dazu, wie Tawada in den Orient-Diskurs eingreift und diesen in Frage stellt, siehe Banoun (2010): 415-429.
[37] Siehe dazu Takanezawa 2006: Tawada Yoko.
[38] Siehe dazu Eureka, Poetry and Criticism. 2004. Sonderausgabe: Dezember.
[39] Eigene Übersetzung, jap. Orig.: 「多和田は上手なドイツ語や美しい日本語を語りたいわけではない。[…] ドイツ語でも日本語でもない、言葉と意味がずれてしまうような、あやふやな『言葉』の中でその「『溝』のようなもの」を描いているのだ。」
[40] Eigene Übersetzung, jap. Orig.: 「むしろ彼女は、言葉の身体は人間の身体と同様、穴によって完璧になると言ったげである。」
[41] Beispiele dazu wären Iida 2003: 3-27; Andō 2006: 52-57; Suzuki 2006: 695-707.
[42] Siehe dazu z.B. Tsuchiya 2004: 17-19, Tsuchiya 2010: 3-7.
[43] Siehe dazu gleiches Kapitel, S. 10-11.
[44] Gemeint ist hierbei das soziale Geschlecht (engl. gender), das Bezug auf die Rollenerwartungen an das Individuum als Mann oder Frau nimmt.
[45] Oft werden nur zwei Differenzierungskategorien zusammen betrachtet, wie beispielsweise in Beer 1989 oder Browne/Misra 2003.
[46] Der Begriff „Rasse“ ist zum einen historisch negativ geprägt, zum anderen passt der Begriff „Ethnizität“ besser zur Lage in Deutschland und Europa.
[47] Die insgesamt 13 Kategorien, die von Wenning/Lutz eingeführt werden, sind folgende: Geschlecht, Sexualität, „Rasse“/Hautfarbe, Ethnizität, Nation/Staat, Klasse, Kultur, Gesundheit, Alter, Sesshaftigkeit/Herkunft, Besitz, Nord-Süd/Ost-West und der gesellschaftliche Entwicklungsstand.
[48] Die Kategorie Klasse hat zwar direkte Verbindung mit Besitz, doch kann man den Besitz auch getrennt behandeln, da er ausschließlich Materielles beinhaltet, Klasse aber darüber hinaus auch soziale Komponenten einschließt, wie Status oder Bildung.
[49] Unter den Feministinnen, die eine spezielle Betrachtung der Gruppe der „schwarzen Frauen“ fordern und auf die Überschneidung von race/gender oder race/class / gender verweisen, finden sich unter anderem auch Angela Davis, Audre Lorde, June Jordan und Simone de Beauvoir. (Vgl. Meyer/Purtschert 2010: 141)
[50] Ursprünglich war es der Titel einer berühmten Rede der Frauenrechtlerin Soujourner Truth (1851), die sich zu der besonderen Situation schwarzer Arbeiterfrauen äußerte, die Crenshaw in Ihrer Schrift übernahm.
[51] Judith Butler (geb. 1956) ist eine amerikanische Philosophin und Philologin, die sich mit Fragen zur Identität und zu Identitätskategorien beschäftigt und sich dabei vorwiegend der Kategorie Gender und Sex und Körper widmet. Ihre bekanntesten Veröffentlichungen sind unter anderem „Gender Trouble. Feminism and the subversion of identity“ (1990) und Bodies that matter“ (1993).
[52] Michel Foucault (1926-1984) ist der bekannteste Vertreter des Poststrukturalismus. Sein Schaffen, vor allem seine Macht-, Subjekt-, Körper-, und Sexualtheorie hatten großen Einfluss auf den feministischen Poststrukturalismus, obwohl Foucault selbst sich nie explizit mit dem Geschlechterverhältnis beschäftigte. (siehe Raab 1998:20-21) Berühmte Werke Foucaults sind unter anderem „Die Ordnung der Dinge“ (1974), „Die Ordnung des Diskurses“ (1974), „Überwachen und Strafen“ (1977) und „Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit“ (1978).
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