Der Essay setzt sich mit der Ironie in „Rinconete y Cortardillo“ von Miguel de Cervantes Saavedra auseinander. Dazu wird der Begriff zunächst definiert, um ihn anschließend in einer Analyse der Erzählsituation anzuwenden.
Sie wird oft und gern in humorvoller Konversation verwendet. Die einen gebrauchen sie mehr, die anderen weniger. Kinder verstehen sie überhaupt nicht und manch Erwachsener wird sie einfach nie verstehen: die Ironie. Ein abstrakter Begriff, der einer näheren Betrachtung bedarf. Der Begriff Ironie stammt von dem gr. eironeia ab und bedeutet ‚Vorstellung (beim Reden), feiner Spott‘.
Als erster Bezugspunkt zur antiken Ironie sei Sokrates genannt, der in den Dialogen Platons von dem Prinzip ‚Ich weiß, dass ich nichts weiß‘ ausgeht. Demnach stellt er seinem Gesprächspartner scheinbar naive und einfache Fragen solange bis dieser sein eigenes Nichtwissen eingesteht und Sokrates dadurch zum Wissenden wird. Der Widerspruch, der immer in der Ironie mitschwingt, wird hierbei durch Sokrates als scheinbar ‚Nicht-Wissender‘ aber am Ende ‚Wissender‘ verkörpert.
Cicero wird als ein weiterer wichtiger Vertreter der Ironie gesehen, weil er den Begriff der Ironie aus dem Bereich der dianoetischen Tugend herausnimmt und ihm dadurch die Ernsthaftigkeit nimmt. Für Cicero ist die Ironie vielmehr ein rhetorisches Stilmittel „bei der man anders redet, als man denkt“ und dadurch das Gegenüber elegant und gewitzt in die Ecke drängt. Diese Grundbedeutung ist bis heute wesentlicher Bestandteil von Ironie. Sie wird in der Literaturwissenschaft immer noch als Stilmittel der Rhetorik verstanden und wird der Trope, der Grundform uneigentlichen Redens, untergeordnet.
Alles nur Ironie? –
Die Erzählsituation in Cervantes‘ Rinconete y Cortardillo
Sie wird oft und gern in humorvoller Konversation verwendet. Die einen gebrauchen sie mehr, die anderen weniger. Kinder verstehen sie überhaupt nicht und manch Erwachsener wird sie einfach nie verstehen: die Ironie. Ein abstrakter Begriff, der einer näheren Betrachtung bedarf um im Weiteren darüber diskutieren zu können. Der Begriff Ironie stammt von dem gr. eironeia ab und bedeutet ‚Vorstellung (beim Reden), feiner Spott‘. Als erster Bezugspunkt zur antiken Ironie sei Sokrates genannt, der in den Dialogen Platons von dem Prinzip ‚Ich weiß, dass ich nichts weiß‘ ausgeht. Demnach stellt er seinem Gesprächspartner scheinbar naive und einfache Fragen solange bis dieser sein eigenes Nichtwissen eingesteht und Sokrates dadurch zum Wissenden wird. Der Widerspruch, der immer in der Ironie mitschwingt, wird hierbei durch Sokrates als scheinbar ‚Nicht-Wissender‘ aber am Ende ‚Wissender‘ verkörpert.[1] Cicero wird als ein weiterer wichtiger Vertreter der Ironie gesehen, weil er den Begriff der Ironie aus dem Bereich der dianoetischen[2] Tugend herausnimmt und ihm dadurch die Ernsthaftigkeit nimmt. Für Cicero ist die Ironie vielmehr ein rhetorisches Stilmittel „bei der man anders redet, als man denkt“[3] und dadurch den Gegenüber elegant und gewitzt in die Ecke drängt.[4] Diese Grundbedeutung ist bis heute wesentlicher Bestandteil von Ironie. Sie wird in der Literaturwissenschaft immer noch als Stilmittel der Rhetorik verstanden und wird der Trope, der Grundform uneigentlichen Redens, untergeordnet. So versteht man unter Ironie im literaturwissenschaftlichen Diskurs den „Ersatz des Gemeinten durch einen gegensätzlichen Gedanken“.[5]
Ausgehend von der Ironie im literaturwissenschaftlichen Sinne, wende ich mich nun der ‚novela‘ Ronconete y Cortadillo zu, welche von Miguel de Cervantes stammt. Cervantes wächst in ärmlichen Verhältnissen im goldenen Zeitalter Spaniens (Siglo de Oro) auf. Er lässt sich maßgeblich von der Fülle an künstlerischem und freigeistigem Denken beeinflussen und inspirieren. Doch erst mit dem Erscheinen des Don Quijote (1605), welches sein erfolgreichstes und bis heute einflussreichstes Werk ist, kann er sich als Künstler durchsetzen. 1613 wurden die Novelas ejemplares, deren populärste ‚novela‘ der Rinconete y Cortadillo (RyC) ist, veröffentlicht.[6] Gattungstheoretisch gesehen ist der RyC schwierig einzuordnen, weshalb es Klassifizierungsvorschläge von Schelmenroman über novela picaresca bis hin zu realistische Novelle gibt.[7] Da der RyC jedoch zu viele unterschiedliche Merkmale zu einem Schelmenroman aufweist, wie zum Beispiel die Erzählweise und die Erzählperspektive, sollte man den Text besser „ausgehend von den Leitlinien, die der Autor selbst aufgezeigt hat, […] untersuchen.“[8]
In diesem Sinne werde ich im Folgenden versuchen Cervantes‘ ironisch-satirische Erzählweise herauszuarbeiten und anhand entsprechenden Textbeispielen zu verdeutlichen. Obwohl Cervantes überaus interessiert am Genre des Pícaro Romans war, versucht er mit dem RyC nicht solch einen zu schreiben. Vielmehr hat er mit Hilfe des Rohmaterials vorangegangener pikaresken Romane, wie zum Beispiel dem Lazarillo de Tormes, etwas Neues und bis dato noch Unbekanntes erschaffen.[9] Gleich beim ersten Lesen fällt auf, dass die Stimmung im RyC, verglichen mit der düsteren und eher pessimistischen des Lazarillo de Tormes, angenehm fröhlich und erheiternd wirkt. Hierbei kommen Stilmittel wie die oben erklärte Ironie, Hyperbeln (Übersteigerung) und das Element der alegría sowie weit ausschweifende und detailversessene Beschreibungen ins Spiel.[10]
So kommt man gleich zu Beginn der Erzählung in den Genuss jener detailversessenen Beschreibung, wenn der Erzähler das Aussehen der zwei „muchachos“ bei ihrem Zusammentreffen in der „Schenke Zur kleinen Mühle“ beschreibt. Von den „Strümpfen aus ihrer eigenen Haut“ bis hin zu ihren „schmutzige[n] Nägel[n]“ wird nichts ausgelassen.[11] Dies bewirkt, dass sich der Leser sofort in die Handlung einfindet und eine gewisse Sympathie für die zwei pícaros empfindet. Nun machen sich die zwei auf nach Sevilla und werden gleich bei ihrer Ankunft von einem „mozo“ darauf hingewiesen, dass sie ohne das Einverständnis des „padre, maestro y amparo“ Monopodios nicht stehlen und betrügen dürfen.[12] Während er sie zum besagten Monopodio führt, klärt er die beiden über die Schurkensprache germanía als auch über die Moralvorstellungen der Gaunerorganisation auf. Dabei wird schnell klar, dass R. und C. dem mozo sowohl intellektuell als auch sprachlich weitaus überlegen sind. Cervantes baut hier komische Wortverwechslungen ein: „sodomita“ werden im Mund des Gauners zu „sodomica“[13]. C. verbessert ihn allerdings umgehend. An vielen weiteren Stellen im Text findet man dieses Wortverwechslungen. Cervantes weist so den Leser absichtlich auf falsch ausgesprochenen Wörter auf, was amüsiert, aber gleichzeitig auch den Unterschied, der zwischen R. und C. und der Gaunerwelt liegt, betont. R. und C. sind weiterhin kritisch, wenn der mozo erzählt, dass er noch "en el año del noviciado“ sei und er seinen Beruf betreibt „para servir a dios y a las buenas gentes“.[14] Weiter erklärt er, dass jeder Gauner von seinem Diebesgut „alguna cosa o limosna para el aceite de la lámpara de una imagen muy devota” abgeben muss und sie beten außerdem den „rosario, repartido en toda la semana“[15]. Obwohl hier ein Bild von Frömmigkeit par exellance erzeugt wird, gehen die Gauner nie in die Kirche, außer an hohen Festtagen “por la gananacia que [les] ofrece el concurso de la mucha gente“.[16] Es wird hier eine religiöse und fromme Gesellschaft dargestellt, die fast schon ehrlich, unschuldig und alles andere als scheinheilig erscheint. Die Missdeutung von Religion und ihren Ritualen durch Monopodio klingt so unglaublich, dass man sich als Leser schon fast an der Nase herumgeführt fühlt. Und genau hier begegnen wir wieder der Ironie, denn Cervantes will natürlich nicht auf die Naivität der Gauner hinweisen. Vielmehr hält er mit der Beschreibung von Monopodios hierarchisch aufgebauten Gaunerorganisation der spanischen Gesellschaft im Siglo de Oro ein Spiegel entgegen. Er übt Kritik an einer Gesellschaft, die oberflächlich gut funktioniert, sich aber beim näheren Hinsehen als korrupte und verfallende soziale Strukturen entpuppen, in denen Gesetzeshüter und Gauner Hand in Hand arbeiten. Was aber natürlich auch mitschwingt, ist die Kritik an der Kirche als Institution, die Ablassverkäufern und Quacksalbern freie Hand lässt. Der Höhepunkt der ironischen Elemente schließlich bildet allerdings der letzte Absatz des Textes in dem Rinconetes Urteil über die Gaunerorganisation dargestellt wird. Darin macht er sich im Stillen über Monopodios Ungebildetheit lustig, wundert sich über „la seguridad que tenían, y la confianza, de irse al cielo con no faltar a sus devociones, estando tan llenos de hurtos, y de homicidios, y de ofensas de dios”[17]. Schlussendlich erkennt er, dass das Leben, das Monopodio und seine Männer führen, “tan perdida y tan mala, tan inquieta y tan libre y disoluta“[18] ist, dass er sich ihnen nicht anschließen möchte. Dies steht der übertrieben perfekt beschriebenen Welt Monopodios gegenüber. Da man bis zum Ende im Glauben gelassen wird, dass es R.s und C.s einziges Ziel ist, von Monopodio in die Organisation aufgenommen zu werden, kommt dieses Ende sehr unerwartet. Somit wird ein ironisches Band um die ganze Handlung gewickelt, in der es eben nicht darum geht, dass sich die zwei pícaros vom verlockenden Leben als Schurke verleiten lassen, sondern dass sie immer noch zwei selbstverantwortliche Individuen sind und selbst Entscheidungen treffen können.
Daher ist es nicht vermessen zu behaupten, dass Rinconete y Cortadillo ein Paradebeispiel für den Gebrauch von Ironie ist, da sie –gefüllt mit ironischen Passagen- Cervantes ermöglicht, indirekt Gesellschaftskritik zu üben und trotzdem seine erheiternde und humorvolle Schreibweise beizubehalten. Eine weiterer Schritt in der Untersuchung des Rinconete y Cortadillo ist die Verbindung der Ironie mit der Position des Erzählers: Wie benutzt er Sprache um bewusst Ironie aufzubauen? In welchen weiteren Situationen setzt er ironische Elemente ein und warum?
Primärliteratur: Cervantes y Saavedra, Miguel de: Rinconete y Cortadillo, München: DTV 2006
Cicero, Marcus Tullius: De Oratore 2
Sekundärliteratur:
Hess/Siebenmann/Stegmann: Literaturwissenschaftliches Wörterbuch für Romanisten, 4. Auflage, Tübingen:2003
Presno, Araceli Marín: Zur Rezeption der Novelle ‚Rinconete y Cortadillo‘ von Miguel de Cervantes im deutschsprachigen Raum, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2005
Buxó, José Pascual: „Estructura y lección de Rinconete y Cortadillo” In: Lavori ispanistici 2 (1970)
Thacker, M.J.: „Cervantes‘ Exemplary Pícaro”, in: Mackenzie, Ann L. / Severin, Dorothy S. (Hgg.): Hispanic Studies in Honour of Geoffrey Ribbans, Liverpool: Liverpool UP, 1992
Pierce, Frank: „Rinconete y Cortadillo: An Extreme Case of Irony“in: Mackenzie, Ann L. / Severin, Dorothy S. (Hgg.): Hispanic Studies in Honour of Geoffrey Ribbans, Liverpool: Liverpool UP, 1992
Internetquellen:
Capurro, Rafael: „IRONIE - Begriffsgeschichtliche Erörterung einer menschlichen Grundstimmung“ [http://www.capurro.de/ironie.html (letzter Zugriff: 5.12.2011)
[...]
[1] Vgl. Hess/Siebenmann/Stegmann: Literaturwissenschaftliches Wörterbuch für Romanisten, 4. Auflage, Tübingen:2003, S. 131f
[2] Denkend, den Verstand betreffend
[3] Cicero, Marcus Tullius: De Oratore 2, 269 - 270
[4] Vgl. Capurro, Rafael: „IRONIE - Begriffsgeschichtliche Erörterung einer menschlichen Grundstimmung“ [http://www.capurro.de/ironie.html (letzter Zugriff: 5.12.2011)]
[5] Vgl. Hess/Siebenmann/Stegmann: Literaturwissenschaftliches Wörterbuch, S.131
[6] Vgl. Presno, Araceli Marín: Zur Rezeption der Novelle ‚Rinconete y Cortadillo‘ von Miguel de Cervantes im deutschsprachigen Raum, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2005, S.25
[7] Vgl. Presno, 2005, S. 47-48
[8] Buxó, José Pascual: „Estructura y lección de Rinconete y Cortadillo” In: Lavori ispanistici 2 (1970), S.70
[9] Vgl. Thacker, M.J.: „Cervantes‘ Exemplary Pícaro”, in: Mackenzie, Ann L. / Severin, Dorothy S. (Hgg.): Hispanic Studies in Honour of Geoffrey Ribbans, Liverpool: Liverpool UP, 1992, S.47
[10] Vgl. Pierce, Frank: „Rinconete y Cortadillo: An Extreme Case of Irony“ in: Mackenzie, Ann L. / Severin, Dorothy S. (Hgg.): Hispanic Studies in Honour of Geoffrey Ribbans, Liverpool: Liverpool UP, 1992, S.61
[11] Cervantes y Saavedra, Miguel de: Rinconete y Cortadillo, München: DTV 2006, S. 7
[12] Ebd. S.34
[13] Ebd. S.40
[14] Ebd. S.36
[15] Ebd. S.38
[16] Ebd. S.40
[17] Ebd. S.108
[18] Ebd. S. 110
- Quote paper
- Anna-Lisa Renz (Author), 2011, Ironie in "Rinconete y Cordatillo" von Miguel de Cervantes Saavedra, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379609
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