In den ersten beiden Kapiteln des Werkes "Imperien" vom Politikwissenschaftler Herfried Münkler stechen drei wiederkehrende Elemente besonders hervor, die hier analysiert und diskutiert werden sollen.
Erstens verfolgt Münkler das Ziel, imperiales Agieren aus der Folie von gut und schlecht zu lösen und stattdessen als eine Form der Problembearbeitung zu etablieren. Er möchte den normativ-wertenden und häufig negativ konnotierten Imperiumsbegriff durch einen deskriptiven Begriff ersetzen und diesen somit wertfrei gestalten. Dies könnte man gleichsetzen mit einer positiven Aufwertung des Begriffes, vor allem im Zusammenhang mit den Imperialismustheorien, bei denen Imperien durchweg negativ betrachtet werden.
Dies ist der zweite zentrale Aspekt bei Münkler: Eine Art Abrechnung mit den ökonomischen Imperialismustheorien, die das Phänomen der Imperien nur durch ihre spezifischen Fragestellungen begreifen und analytische Fehler begehen, wie etwa der Fokus auf das Zentrum anstatt der Peripherie eines Imperiums oder der Fokus auf die Anfangsphase der Imperienbildung. Diese Imperialismustheorien werden dem, was ein Imperium als Ganzes darstellt, laut Münkler nicht gerecht. Was aber stellt ein Imperium als Ganzes dar? Dies ist der dritte zentrale Punkt Münklers, das Beschreiben von Merkmalen, was ein Imperium ausmacht, und was nicht, sowie die Frage nach der „Logik der Weltherrschaft.“ Dabei wird Münkler jedoch auf einer Metaebene von einer aktuellen Fragestellung angetrieben: Er möchte etwas über die neue Rolle der USA nach dem Ende des Kalten Krieges und den Anschlägen von 9/11 sagen und die Frage beantworten, ob es sich bei der USA um eine hegemoniale oder doch schon imperiale Macht handelt.
Herfried Münkler – Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin 2005 – Rezension
In den ersten beiden Kapiteln des Werkes Imperien vom Politikwissenschaftler Herfried Münkler stechen drei wiederkehrende Elemente besonders hervor, die im Folgenden analysiert und diskutiert werden sollen. Erstens verfolgt Münkler das Ziel, imperiales Agieren aus der Folie von gut und schlecht zu lösen und stattdessen als eine Form der Problembearbeitung zu etablieren. Er möchte den normativ-wertenden und häufig negativ konnotierten Imperiumsbegriff durch einen deskriptiven Begriff ersetzen und diesen somit wertfrei gestalten. Dies könnte man gleichsetzen mit einer positiven Aufwertung des Begriffes, vor allem im Zusammenhang mit den Imperialismustheorien, bei denen Imperien durchweg negativ betrachtet werden. Dies ist der zweite zentrale Aspekt bei Münkler: Eine Art Abrechnung mit den ökonomischen Imperialismustheorien, die das Phänomen der Imperien nur durch ihre spezifischen Fragestellungen begreifen und analytische Fehler begehen, wie etwa der Fokus auf das Zentrum anstatt der Peripherie eines Imperiums oder der Fokus auf die Anfangsphase der Imperienbildung. Diese Imperialismustheorien werden dem, was ein Imperium als Ganzes darstellt, laut Münkler nicht gerecht. Was aber stellt ein Imperium als Ganzes dar? Dies ist der dritte zentrale Punkt Münklers, das Beschreiben von Merkmalen, was ein Imperium ausmacht, und was nicht, sowie die Frage nach der „Logik der Weltherrschaft.“ Dabei wird Münkler jedoch auf einer Metaebene von einer aktuellen Fragestellung angetrieben: Er möchte etwas über die neue Rolle der USA nach dem Ende des Kalten Krieges und den Anschlägen von 9/11 sagen und die Frage beantworten, ob es sich bei der USA um eine hegemoniale oder doch schon imperiale Macht handelt.
Eine genaue Definition eines Imperiums liefert Münkler in seiner Untersuchung nicht, stattdessen geht er komparativ vor, indem er dem Imperium kontrastierende Elemente entgegenstellt. Dabei greift er zur Veranschaulichung auf die verschiedensten Imperien in der Weltgeschichte zurück wie etwa dem Römischen Reich, dem British Empire oder eben der USA. Der erste Begriff, den Münkler zum Imperium kontrastiert, ist der des Staates, der sich durch starre Grenzen auszeichnet. Die Grenzen eines Imperiums hingegen sind asymmetrisch und fließend, das Imperium dulde keine gleichberechtigten Nachbarn. Dieser Vergleich ist durchaus problematisch, da territoriale Nationalstaaten ein neues Phänomen der Moderne sind, das Imperium jedoch auch für Reiche der Vormoderne verwendet wird. Als zweites grenzt Münkler das Imperium von der Hegemonie ab. Die Übergänge seien zwar fließend, aber dennoch definiert Münkler: „Hegemonie ist danach Vorherrschaft innerhalb einer Gruppe formal gleichberechtigter politischer Akteure; Imperialität hingegen löst diese – zumindest formale Gleichheit auf und reduziert die Unterlegenen auf den Status von Klientelstaaten oder Satelliten.“(S. 18). Der Unterscheidung zwischen Imperien und Hegemonien widmet Münkler ein eigenes Unterkapitel, in dem er auf das Friedenspotential der beiden Varianten eingeht. Im System der Hegemonie werde der Hegemon von den anderen Staaten ständig bekämpft und es entstehe eine systemimmanente Instabilität, die jedoch nicht die hegemoniale Ordnung als solche gefährde. Anders verhält es sich bei Imperien, so seien „imperiale Binnenräume Zonen des Friedens“ (S.67), wobei antiimperiale Kriege diese Gesamtordnung von Grund auf in Frage stellen. Dafür könne ein Imperium ein Instrument zur Beendigung von Hegemonialkämpfen sein. Hier begegnet man der Aufwertung des Imperiumbegriffes bei Münkler in zentraler Art und Weise: Anstatt Imperien als Aggressoren darzustellen, wie es beispielsweise in der Imperialismusforschung üblich ist, werden sie hier gar zu Instrumenten des Friedens. Ein anderes Unterscheidungsmerkmal ist die Einmischung von Imperien in die inneren Angelegenheiten kleinerer Staaten, während Hegemonien sich mit der Einflussnahme auf die Außenpolitik begnügen. In diesem Licht betrachtet sei auch die USA, „seitdem sie unter Carter zu einer offensiven Menschenrechtspolitik übergegangen sind, ein Imperium, während sie zuvor, als sie auch Militärdiktaturen in der Nato duldeten, ein Hegemon waren.“ (S.76) Dieser Punkt ist besonders interessant, weil es hier zu einer Umkehr der traditionellen Wertungen von Hegemonie (positiv) und Imperien (negativ) kommt, auch wenn Münkler auch an dieser Stelle für einen wertfreien Begriff von Imperien plädiert.
An dritter Stelle kontrastiert Münkler das Imperium mit dem Imperialismus. „Imperialismus heißt, dass es einen Willen zum Imperium gibt; gleichgültig, ob er aus politischen oder ökonomischen Motiven gespeist wird – er ist die ausschlaggebende, wenn nicht die einzige Ursache der Weltreichsbildung.“ (S. 20). Die Imperialismusforschung sei jedoch zu normativ-wertend aufgeladen, Imperienforschung müsse demgegenüber deskriptiver agieren. Auch den Imperialismustheorien widmet Münkler ein eigenes Kapitel, indem er zunächst ökonomische Imperialismustheorien in den Blick nimmt. Hier werde die selbstzerstörende Dynamik des Kapitalismus durch Überakkumulation und Unterkonsumption als der entscheidende Grund für Imperialismus angesehen. Der Vorteil läge dabei nur beim Finanzkapital, laut Lenin und Rosa Luxemburg herrsche im Kapitalismus ein immanenter Zwang zur imperialistischen Expansion. Dies sei laut Münkler jedoch ein falscher Ansatz, so werde der Sog der Peripherie außer Acht gelassen und nur Push-Faktoren anstatt von Pull-Faktoren berücksichtigt. Ein weiteres Problem sei der Fokus auf die Entstehungsphase von Imperien, ihre Konsolidierungsphasen würden gänzlich ausgeblendet werden. Politische Imperialismustheorien, die sich mit dem Prestigestreben und der Mächtekonkurrenz auseinandersetzen, scheint Münkler eher als gewinnbringend für die Imperienforschung zu betrachten. Prestigestreben, ein von Max Weber eingeführter Begriff, wird dabei als ein politisch funktionaler Vorgang beschrieben, der nicht mit kurzfristigen Kosten-Nutzen Analysen bewertet werden kann.
Neben Staaten, Hegemonien und Imperialismus unterscheidet Münkler Weltreiche als Synonym von Imperien auch von Großreichen, indem er die heuristischen Kriterien von Zeit und Raum als ausschlaggebend heranzieht. Außerdem hält er fest: „Welt ist eine relative und variable Größe, die nicht durch Invarianten wie den geographischen Umriss oder die physischen Ausmaße des Globus festgelegt werden kann.“ (S. 26). So ist es möglich, dass teilweise zwei Imperien parallel existierten, ohne dass sie sich in ihren Welten tangierten. Beispiele sind hier das Römische Reich und China sowie das British Empire und das russische Zarenreich. Als Merkmal eines Imperiums hält Münkler außerdem seinen Interventionsdrang fest und die Unmöglichkeit, sich bei Konflikte innerhalb des imperialen Einflussbereiches neutral zu verhalten.
Gelingt es Münkler, den Begriff des Imperiums in ein neues, wertfreies Licht zu rücken? Nur teilweise, da man als Leser das Gefühl bekommt, es handle sich hier nicht um eine deskriptive „Entwertung“, sondern um eine positive Aufwertung des Begriffes in scharfer Abgrenzung zur ökonomischen Imperialismusforschung. Schon im Vorwort plädiert er in Bezug auf die zukünftige Rolle Europas dafür, imperiales Agieren als Problembearbeitung anzusehen und spricht davon, Europa werde nicht umhin kommen, „selbst imperiale Merkmale zu übernehmen und imperiale Fähigkeiten zu entwickeln.“ (S. 10). An anderer Stelle beschreibt er imperiales Vorgehen als eine Art der Friedenssicherung, die Stabilität und Ordnung verspricht, im Gegenzug zu einem Hegemonialsystem, indem die Rolle des Hegemons stets umkämpft bleibt. Auch sein überproportionaler Fokus auf die Schwächen der Imperialismustheorien, in denen der Imperiumsbegriff negativ konnotiert ist, lassen den Leser daran zweifeln, ob Münklers Anliegen wirklich nur ist, eine deskriptive Imperienforschung in Gang zu treten. Man könnte auch den Schluss ziehen, er wolle das politische Modell des Imperiums wieder im positiven Sinne salonfähig machen und als Zukunftsmodell für die USA und vor allem Europa etablieren. Was Münkler jedoch definitiv gelingt ist eine präzise Einführung in die Thematik der bislang kaum vorhandenen Imperienforschung und das Herauskristallisieren signifikanter Merkmale von Imperien sowie die klare typologische Abgrenzung zu verwandten Begriffen wie denen der Hegemonie oder des Imperialismus.
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- Martin Hamre (Author), 2016, Rezension zu "Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten" von Herfried Münkler, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379525
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